Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 16.11.2018 - 11 EK 4/18 (PKH)
Fundstelle
openJur 2020, 38061
  • Rkr:
Tenor

I. Das als Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu behandelnde Begehren des Antragstellers vom 02.11.2018 wird zurückgewiesen.

II. Das Bewilligungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

A. Prozesshandlungen im Geltungsbereich der Zivilprozessordnung, zu denen Eingaben der vorliegenden Art gehören, sind ... im Allgemeinen analog den für das materielle Recht geltenden Regeln ... interpretationsfähig; als maßgebend erweist sich dabei der objektive ... im Rahmen einer Gesamtbetrachtung für den Empfänger vernünftigerweise erkennbare ... Sinn (so Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., Vor § 128 Rdn. 14 und 25, m.w.N.). Fehlt es ... wie im Streitfalle ... an einem völlig eindeutigen und zweifelsfreien Erklärungsinhalt, so darf die Partei nicht am buchstäblichen Sinn ihrer Wortwahl festgehalten werden; vielmehr ist ... unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange des Adressaten der Erklärung ... stets davon auszugehen, dass eine Prozesspartei dasjenige bezweckt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer recht verstandenen Interessenlage entspricht (st. BGH-Rspr., vgl. u.a. BGH, Beschl. v. 22.05.1995 - II ZB 2/95, Rdn. 11, juris = BeckRS 9998, 13071; ferner Zöller/Greger aaO Rdn. 25, m.w.N.). Demgemäß ist das hiesige Rechtsschutzbegehren vom 02.11.2018 (GA I 1) als Prozesskostenhilfeantrag zu verstehen. Aus ihm geht hervor, dass betreffend die Verfahren 2 Ws (Vollz) 72/17 (OLG Brandenburg a.d.H.) und 21 StrK 199/17 (Landgericht Cottbus) sowohl ein Entschädigungsanspruch wegen überlanger Dauer gemäß § 198 GVG als auch ein Amtshaftungsanspruch geltend gemacht werden soll. Weil sich die Parteien nach § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO (i.V.m. § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG) vor den Oberlandesgerichten prinzipiell durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen, ist der Antragsteller selbst dort nicht postulationsfähig; er kann deshalb insbesondere nicht wirksam Klage einreichen (vgl. dazu Zöller/Althammer aaO, § 78 Rdn. 11 f., m.w.N.). Keinem Anwaltszwang unterliegt jedoch ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (§ 78 Abs. 3 i.V.m. § 117 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. ZPO). In einer derartigen Konstellation erweist es sich als gemäß den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig und der recht verstandenen Interessenlage der Partei entsprechend, zunächst die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu beantragen. Dieses Auslegungsergebnis steht im Einklang mit der Betreff-Zeile des Schreibens vom 02.11.2018, die explizit "In Sachen Prozesskostenhilfe N..., M. ..." lautet.

B. Das Prozesskostenhilfegesuch bleibt indes ohne Erfolg. Denn die Bewilligungsvoraussetzungen nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG liegen nicht vor. Unabhängig davon, dass dem Antrag ... entgegen § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO ... keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers nebst entsprechenden Belegen beigefügt wurde, so dass dessen Bedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht ist, fehlt es der beabsichtigten Rechtsverfolgung an hinreichender Erfolgsaussicht. Bereits die für die Zulässigkeit des Rechtsschutzbegehrens in der Hauptsache stets unverzichtbaren formellen Minimalanforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt; insbesondere ist weder erkennbar, wer Anspruchsgegner sein soll, noch ersichtlich, welche Sachanträge verfolgt werden. Soweit die Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruches beabsichtigt ist, für den sich eine rechtliche Grundlage weder in § 3 Abs. 2 StVollzG noch in dem ... seit 01.06.2013 an dessen Stelle getretenen (Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG) ... inhaltsgleichen § 7 Abs. 2 BbgJVollzG findet, sondern allenfalls in § 839 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG, sind nicht die Oberlandesgerichte, sondern allein die Landgerichte in erster Instanz sachlich zuständig (§ 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG). Erst recht ist das Vorbringen des Antragstellers nicht in sich schlüssig.

Da im Entschädigungsprozess nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug entsprechend anwendbar sind, gilt ... unabhängig davon, welche Prozessmaximen das jeweilige Ausgangsverfahren beherrschen ... stets der sogenannte Beibringungs- oder Verhandlungsgrundsatz (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.2013 - III ZR 376/12, Rdn. 41, juris = BeckRS 2013, 20955), wonach das Gericht den Sachverhalt keineswegs von Amts wegen erforscht, sondern seiner Entscheidung allein diejenigen Tatsachen zugrunde legen darf, die von den Parteien vorgetragen wurden (so Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., Vor § 128 Rdn. 10; vgl. ferner Musielak in Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl., Einleitung Rdn. 37). Deswegen obliegt es dem jeweiligen Antragsteller bereits im Prozesskostenhilfeverfahren ... zur Ermöglichung der Erfolgsprognose gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ... ein Mindestmaß an Fakten darzutun, die ... als wahr unterstellt ... ohne Beiziehung der Akten des Ausgangsrechtsstreits oder sonstiger Dokumente erkennen lassen, wann es nach seiner Ansicht zu entschädigungsrelevanten Verzögerungen gekommen ist und wann die erforderliche Rüge erhoben wurde (so OLG Brandenburg a.d.H., Beschl. v. 04.12.2013 - 11 EK 4/13 [PKH], Rdn. 5 m.w.N., juris = BeckRS 2013, 22386; vgl. ferner OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 13.09.2012 - 4 EntV 7/12, Rdn. 7, juris = BeckRS 2012, 23828).

Dem genügt das Schreiben des Antragstellers vom 02.11.2018 nicht. Hieraus ergibt sich lediglich, dass das Ausgangsverfahren offenbar eine Angelegenheit des Strafvollstreckungsrechts betrifft, seit dem 08.08.2017 läuft und bisher nicht zu dem von ihm angestrebten Ergebnis in Gestalt von Eingliederungsmaßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung geführt hat. Im Entschädigungsverfahren gemäß §§ 198 ff. GVG findet jedoch keine inhaltliche Überprüfung der im Ausgangsprozess getroffenen Entscheidungen statt; ebenso wenig ist das Entschädigungsgericht befugt, anstelle des mit dem Ausgangsrechtsstreit befassten Spruchkörpers in der Sache selbst zu entscheiden. Ob die Dauer eines gerichtlichen Verfahrens unangemessen lang im Sinne des § 198 Abs. 1 GVG ist, kann allein unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalles beurteilt werden. Es genügt dafür insbesondere nicht, dass das betreffende Verfahren etwa länger anhängig (gewesen) ist als ein durchschnittliches oder dass es bei rückblickender Betrachtung unter Idealbedingungen früher hätte abgeschlossen werden können. Vortrag zu den relevanten Details fehlt im Streitfall. Doch selbst wenn er noch nachgeholt würde und schlüssig wäre, könnte dem Antragsteller gegenwärtig keine Prozesskostenhilfe gewährt werden, weil dessen Rechtsverfolgung dann mutwillig im Sinne des § 114 Abs. 2 ZPO wäre; eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, würde bei verständiger Würdigung aller Umstände nicht sogleich Klage erheben, sondern ihren Anspruch zunächst außergerichtlich geltend machen und das Ergebnis der Prüfung durch den Präsidenten des Brandenburgischen Oberlandesgerichts abwarten.

C. Der Kostenausspruch ergibt sich im Umkehrschluss aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 GKG. Für eventuelle Auslagen des Gerichtes haftet der Antragsteller ... soweit sie zu erheben sind ... kraft Gesetzes, ohne dass es dazu eines besonderen richterlichen Ausspruchs bedarf (§ 22 Abs. 1 Satz 1 GKG; vgl. zu § 49 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. OLG Bamberg, Beschl. v. 30.09.1987 - 2 UF 313/86, JurBüro 1988, 71; ferner Liegl in Poller/Härtl/Köpf, Gesamtes Kostenhilferecht, 3. Aufl., ZPO § 118 Rdn. 34; Saenger/Kießling, Hk-ZPO, 7. Aufl., § 118 Rdn. 15 a.E.).

D. Die Rechtsbeschwerde wird vom Senat nicht zugelassen, weil es an den ... gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 133 und § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG ... erforderlichen Zulassungsvoraussetzungen fehlt. Die vorliegende Sache hat weder grundsätzliche ... über den Streitfall hinausgehende ... Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Rechtsbeschwerdegericht.