Brandenburgisches OLG, Urteil vom 15.01.2020 - 7 U 117/18
Fundstelle
openJur 2020, 38049
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 26.06.2018 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 16.586,04 € festgesetzt.

Gründe

I.

Von der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird abgesehen, weil ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist, §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

II.

Die gem. §§ 511, 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Die Klage ist abzuweisen, denn dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückgewähr infolge Insolvenzanfechtung nach § 143 Abs. 1 InsO, § 133 Abs. 1 InsO in der bis zum 04.04.2017 geltenden Fassung (Art. 103j EGInsO) nicht zu.

1) Als Anfechtungstatbestand kommt aus zeitlichen Gründen und da ausschließlich entgeltliche Leistungen der Schuldnerin vorliegen, allein die Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung gem. § 133 Abs. 1 InsO a.F. in Betracht.

Danach ist eine Rechtshandlung anfechtbar, welche die Insolvenzgläubiger benachteiligt, wenn der Schuldner sie in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat und der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.

2) Die von der Schuldnerin an den Beklagten am 20.04., 03.11., 19.11. und 17.12.2010 sowie am 08.07.2011 in Höhe von insgesamt 16.586,04 € geleisteten Zahlungen unterliegen nicht der Anfechtung, weil - entgegen der landgerichtlichen Beurteilung - die erforderliche Kenntnis des Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin auch unter Berücksichtigung der Vermutungsregel des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO a.F. nicht festzustellen ist.

2.1) Die Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz wird gem. § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO a.F. vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Kennt der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, so weiß er auch, dass Leistungen aus dessen Vermögen die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereiteln oder zumindest erschweren und verzögern. Mithin ist der Anfechtungsgegner regelmäßig über den Benachteiligungsvorsatz im Bilde. Der Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (vgl. BGH, Urteil v. 21.06.2016 - IX ZR 32/14, ZIP 2016, 481; Urteil v. 10.01.2013 - IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174).

Grundsätzlich kennt ein Gläubiger die Zahlungseinstellung bereits dann, wenn er selbst bei Leistungsempfang seine Ansprüche ernsthaft eingefordert hat, diese verhältnismäßig hoch sind und er weiß, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, die Forderungen zu erfüllen (vgl. BGH, Urteil v. 30.04.2015 - IX ZR 149/14, ZIP 2015, 1549; Urteil v. 06.07.2017 - IX ZR 178/16, ZIP 2017, 1677).Ersatzweise reicht es für die Anfechtung aus, wenn der Leistungsempfänger Indiztatsachen von solcher Beweiskraft kennt, dass sich daraus eine Zahlungseinstellung eindeutig ergibt. Die Umstände müssen konkret sein und ein eindeutiges Urteil über die Liquiditätsgesamtlage des Schuldners ermöglichen (vgl. BGH, Urteil v. 30.04.2015 a.a.O.). Dazu kann unter Umständen ein einziger Anhaltspunkt von hinreichendem Aussagewert genügen, etwa eine eigene Erklärung des Schuldners, fällige Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte verbunden ist (vgl. BGH, Urteile v. 30.04.2015 und v. 06.07.2017 a.a.O.).

Umgekehrt genügt die Kenntnis von der ausbleibenden Tilgung einer Forderung noch nicht, denn diese muss nicht zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hindeuten (vgl. BGH, Urteil v. 30.04.2015 a.a.O.). Auch das Wissen um die ausbleibende oder stockende Tilgung einer verhältnismäßig geringen Forderung begründet regelmäßig noch nicht die Kenntnis des Gläubigers von einer Zahlungseinstellung (vgl. BGH, Urteil v. 06.07.2017 a.a.O.). Die schleppende Berichtigung einer nicht auffallend hohen Verbindlichkeit kann verschiedene Ursachen haben und muss nicht zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hindeuten. So muss ein Gläubiger, auch wenn sich der Schuldner einer geringfügigen Forderung erst im Rahmen der Zwangsvollstreckung gegenüber dem Gerichtsvollzieher zum Abschluss einer Zahlungsvereinbarung bereit erklärt, allein aus diesem Umstand nicht zwingend darauf schließen, dass der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (vgl. BGH, Urteil v. 06.07.2017 a.a.O.).

2.2) Unter Ansatz dieses Maßstabs ist eine Kenntnis des Beklagten von Umständen, die zwingend auf eine jedenfalls drohende Zahlungsunfähigkeit hinweisen, für keine der angefochtenen Zahlungen festzustellen.

a) Dabei legt der Senat - dem Landgericht folgend - zugrunde, dass der Beklagte auf die für eine Reparaturleistung erteilte Rechnung vom 15.06.2019 über 357,00 € brutto am 12.02.2010 eine Ratenzahlungsbitte der Schuldnerin nach Maßgabe des vom Kläger vorgelegten Musters erhalten hat.

b) Mit der Ratenzahlungsbitte lag dem Beklagten eine Erklärung der Schuldnerin vor, sie könne aufgrund ihrer als "Wirtschaftskrise" und "momentan schwere Zeit" bezeichneten wirtschaftlichen Situation die jedenfalls seit mehreren Monaten fällige Forderung von insgesamt 357,00 € nur in Raten von je 178,50 € zum 15.03. und 15.04.2010 zahlen. Nachdem die Zahlung der ersten Rate von 178,50 € erst am 20.04.2010 erfolgte, wusste der Beklagte auch, dass die Schuldnerin den eigenen Ratenzahlungsvorschlag nicht eingehalten hat.

Diese dem Beklagten bekannten Umstände ergeben aber die nach § 133 Abs. 1 InsO a.F. erforderliche Kenntnis nicht. Die schleppende Zahlung unter Einschluss der Erklärung, die Forderung aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht fristgerecht zahlen können, ist aufgrund der nur ganz geringen Forderungshöhe von 357,00 € nicht ausreichend, den Rückschluss des Beklagten auf eine zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit als zwingend anzusehen. Der Beklagte hatte keinen Überblick über die Liquiditäts- oder Zahlungslage der Schuldnerin. Wie er unwidersprochen vorgetragen hat, handelte es sich bei dem Reparaturauftrag über 357,00 € über den ersten geschäftlichen Kontakt zwischen ihm und der Schuldnerin. Dass und auf welcher Grundlage der Beklagte dennoch über Erkenntnismöglichkeiten zur wirtschaftlichen Situation oder zum Zahlungsverhalten der Schuldnerin im Allgemeinen gehabt haben könnte, hat der Kläger nicht vorgetragen. Allein die Verwendung eines unpersönlichen Formschreibens bei der Ratenzahlungsbitte lässt für den Empfänger nicht unausweichlich darauf schließen, gleichlautende Schreiben seien an eine Vielzahl weiterer Gläubiger gesandt worden. Auch wenn die Ratenzahlungsbitte mit dem Hinweis auf wirtschaftliche Schwierigkeiten verbunden war, erscheint ein Rückschluss auf die Liquiditätsgesamtlage der Schuldnerin angesichts der geringen Höhe der in Rede stehenden Forderung nicht zwingend. Das gilt erst recht, da es sich um den ersten Geschäftskontakt gehandelt hat und kein Geschäft betroffen war, das erkennbar eine für den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin wesentliche Bedeutung hatte. Die Erwägung des Landgerichts, eine Ratenzahlungsbitte für eine geringfügige Forderung spreche per se dafür, dass auch höhere Forderungen nicht bezahlt werden könnten, trifft nicht zu (vgl. BGH, Urteil v. 06.07.2017 a.a.O.).

c) Auch die später hinzugetretenen Umstände, dass der Restbetrag von 178,50 € sodann über mehrere Monate erneut unbezahlt geblieben ist und die Schuldnerin mit Schreiben vom 10.11.2010 die Zahlung für den 15.12.2010 angekündigt, diese aber erst am 17.12.2010 geleistet hat, stellen im Hinblick auf die geringe Forderungshöhe kein zwingendes Indiz für eine jedenfalls drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin dar. Hinzukommt, dass sämtliche nachfolgenden Geschäfte zwischen dem Beklagten und der Schuldnerin ohne Zahlungsverzug der Schuldnerin abgewickelt worden sind.

So hat die Schuldnerin auf die Rechnung des Beklagten vom 01.11.2010 über insgesamt 16.184,00 € für Arbeiten an einem Sattelauflieger 5.000,00 € am 03.11.2010 und weitere 8.000,00 am 19.11.2010 € gezahlt. Beide Zahlungen sind unstreitig fristgerecht erfolgt. Die Restzahlung von 3.184,00 € ist am 08.07.2011 erfolgt, nachdem - wie der Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat - gerügte Mängel von ihm ausgeräumt bzw. beseitigt worden sind. Die Rechnung des Beklagten vom 22.11.2011 über 45,04 € für die Lieferung eines Kabelbaums hat die Beklagte am 23.11.2011 im Rahmen der Nachnahmelieferung gezahlt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10 ZPO, 711, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür in § 543 Abs. 2 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte