Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 30.01.2020 - 15 UF 176/18
Fundstelle
openJur 2020, 38015
  • Rkr:
Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der am 16. Juli 2018 verkündete Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Potsdam - 44 F 252/17 - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antragsgegner wird unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags verpflichtet an die Antragstellerin,

a) 8.500,- € nebst Zinsen i. H. v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Juli 2012 sowie

b) vorgerichtliche Kosten i. H. v. 2.217,45 nebst Zinsen i. H. v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Juni 2017 zu zahlen.

Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen trägt der Antragsgegner.

Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 8.500,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin verlangt von dem Antragsgegner, ihrem getrennt lebenden Ehemann, die anteilige Erstattung von Steuerzahlungen, die sie im Mai 2012 für die Jahre 2009 und 2010 geleistet hat. Sie berühmt sich eines Anspruchs in Höhe von insgesamt 87.343,- €, von dem sie in diesem Verfahren lediglich einen erstrangigen Teilbetrag von 8.500,- € sowie vorgerichtliche Kosten geltend macht. Das Amtsgericht hat den Antrag abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein etwaiges Gesamtschuldverhältnis durch die Grundsätze der ehelichen Lebensgemeinschaft überlagert sei und - weil die Zahlungen vor der Trennung der Ehegatten geleistet worden seien - kein Ausgleichsanspruch gemäß § 426 BGB bestehe. Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses.

Mit ihrer Beschwerde rügt die Antragstellerin in erster Linie, dass das Amtsgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass es hinsichtlich des Trennungszeitpunktes auf das Datum ankomme, auf das die Ehegatten sich im Rahmen des Scheidungsverfahrens verständigt hätten. Maßgeblich für die Beurteilung, ob der Antragsgegner sich auf eine aus den ehelichen Lebensverhältnissen herrührende, das Gesamtschuldverhältnis überlagernde besondere Verabredung zwischen den Eheleuten berufen könne, sei vielmehr, ab wann der Antragsgegner selbst von einer Trennung ausgegangen sei. Dies sei ausweislich seines Vortrages im Scheidungsverfahren bereits im Januar 2012 gewesen. Der Antragsgegner habe sein außereheliches Verhältnis zu seiner jetzigen Lebensgefährtin verschwiegen, um die Antragstellerin zu außergewöhnlichen Zahlungen, unter anderem zu den streitgegenständlichen Steuerzahlungen, zu veranlassen und sich so einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, so dass der Straftatbestand des Betruges erfüllt sei.

Die Antragstellerin beantragt, den Antragsgegner unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses zu verpflichten,

a) einen erststelligen Teilbetrag i. H. v. 8.500,- €, bezogen auf die Steuerschuld für das Jahr 2010, nebst Zinsen i. H. v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Juli 2012 sowie

b) vorgerichtliche Kosten i. H. v. 2.407,85 € nebst Zinsen i. H. v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 2.217,45 € seit dem 17. Juni 2017 sowie aus weiteren 190,- € ab Rechtshängigkeit an die Antragstellerin zu zahlen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss. Er bestreitet, dass er vor der Trennung systematisch versucht habe, Vermögen der Antragstellerin an sich zu bringen. Angesichts ihrer geringen Einkünfte während der Ehezeit habe sie überhaupt kein Vermögen bilden können. Bei dem auf ihren Konten angesammelten Geld könne es sich daher nur entweder um gemeinsames Geld der Ehegatten oder um Geldbeträge handeln, die er - der Antragsgegner - erwirtschaftet gehabt habe und die lediglich auf dem Konto der Antragstellerin verwahrt worden seien. Es sei kein Grund ersichtlich, warum er die Steuerlast für das gemeinsam verbrauchte Geld allein tragen solle. Aus dem Verkauf des Objektes "..." an ihn habe die Antragstellerin einen Gewinn von 500.000,- € erzielt.

II.

Die gemäß § 58 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist weit überwiegend begründet und lediglich hinsichtlich eines Teils der Nebenforderung unbegründet.

1.)

Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf Zahlung eines erstrangigen Teilbetrages in Höhe von 8.500,- € gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 BGB. Unstreitig hat sie auf der Grundlage des Einkommenssteuerbescheids des Finanzamtes Brandenburg für 2010 vom 27.03.2012, in dem die Beteiligten als Ehegatten zusammenveranlagt worden sind und die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO geschätzt wurden, 79.465,59 € an die Finanzkasse gezahlt. Da die Beteiligten gemäß § 44 Abs. 1 AO für die Steuerforderungen gesamtschuldnerisch hafteten, ist grundsätzlich ein Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 BGB gegeben.

Bei Steuerschulden haften die Ehegatten - soweit nicht ein anderes bestimmt ist - allerdings nicht nach der gesetzlichen Grundregel des § 426 1 S. 1 BGB zu gleichen Teilen, sondern nach dem Verhältnis der Steuerbeträge, die bei Einzelveranlagung angefallen wären (vgl. BGH, FamRZ 1979, 115; Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 7. Aufl., Rn. 607, 614; s. auch § 269 AO). Dieser Rechtsprechung entspricht die von der Antragstellerin vorgenommene Aufteilung der mit Bescheid vom 21.06.2012 endgültig festgesetzten Steuerschuld für das Jahr 2010, im Prinzip; auf Einzelheiten kommt es im hiesigen Verfahren nicht an, da der von der Antragstellerin geltend gemachte Teilbetrag von 8.500,- € angesichts der Differenz der beiderseitigen Einkünfte von 210.570,- € (Antragsgegner) zu 13.157,- € (Antragstellerin) in jedem Fall gerechtfertigt ist.

Dass die Beteiligten hier etwas anderes bestimmt hatten, vermag der Senat nicht festzustellen. Eine anderweitige Bestimmung kann sich aus einer ausdrücklich oder stillschweigend geschlossenen Vereinbarung, aber auch aus einer ständigen Übung der Ehegatten ergeben, wie sie regelmäßig bei der Begleichung der Steuerschulden durch einen von ihnen während der Zeit des Zusammenlebens gegeben sein wird (BGH, FamRZ 2006, 1178; FamRZ 2002, 739). Das Amtsgericht hat zwar zutreffend ausgeführt, dass die Antragstellerin nicht vorgetragen habe, wer in der Vergangenheit die Steuerzahlungen vorgenommen hat und ob und wie solche Zahlungen ausgeglichen worden sind. Unstreitig hatte allerdings der Antragsgegner, der Fachanwalt für Steuerrecht ist, die Aufgabe übernommen, die Steuererklärungen für die Ehegatten zu fertigen. Angesichts dessen, dass nach seinen eigenen Angaben die Antragstellerin zumindest in den Jahren 2004 bis 2010 lediglich ein durchschnittliches Einkommen von monatlich 1.678,- € hatte, wovon sie noch die Krankenversicherung von 604,30 € gezahlt hat, während er über ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 85.690,- € (monatlich 7.140,- €) verfügte, spricht alles dafür, dass er auch die Steuerforderungen beglichen hat. Danach hätte die Antragstellerin unter Umständen sogar den Gesamtbetrag der von ihr gezahlten Steuern erstattet verlangen können, was sie aber gerade nicht tut.

Soweit der Antragsgegner geltend macht, bei dem auf dem Konto der Antragstellerin befindlichen Guthaben könne es sich im Wesentlichen nur um von ihm erwirtschaftetes Geld handeln, widerspricht dies seinem eigenen Vortrag, dass die Antragstellerin allein aus der Veräußerung des Objektes "..." an ihn einen Gewinn von 500.000,- € erzielt habe. Der Umstand, dass dieser Gewinn möglicherweise erst durch vom Antragsgegner finanzierte Investitionen möglich geworden ist, ändert nichts daran, dass der Verkaufserlös des im Alleineigentum der Antragstellerin stehenden Grundstücks rechtlich ihr zuzuordnen ist. Eine Kompensation der "Investitionen" ist ausschließlich dem Zugewinnausgleich vorbehalten. Darüber hinaus hat die Antragstellerin aber auch eine Erbschaft gemacht, eine Schmerzensgeldzahlung erhalten und über Anfangsvermögen verfügt; sie war also ohne weiteres in der Lage, die Forderungen des Finanzamts aus ihrem eigenen Vermögen zu erfüllen.

Seinen von der Antragstellerin bestrittenen Vortrag, dass regelmäßig Geld von seinem gemeinsam genutzten Konto bei der ... auf das alleinige Konto der Antragstellerin zur Verwahrung überwiesen worden sei, hat der Antragsgegner zum einen nicht konkretisiert, zum anderen nicht belegt. Aus einem von der Antragstellerin vorgelegten Kontoauszug ergeben sich lediglich zwei Überweisungen vom 11.04.2011 in Höhe von insgesamt 15.000,- €, die den Vermerk "sparen" aufweisen. Andererseits hat die Antragstellerin ihm am 20.01.2012 jedenfalls 18.000,- € zum Ankauf eines Mercedes überwiesen, den er als Sacheinlage in die Anwaltskanzlei eingebracht hat. Dass es darüber hinaus weitere Überweisungen von seinem Konto auf das Konto der Antragstellerin gegeben hat, ist nicht dargetan, obwohl dies dem Antragsgegner anhand der Kontoauszüge für sein Konto ohne weiteres möglich gewesen wäre.

Soweit der Antragsgegner darauf verweist, dass die Antragstellerin im Jahr 2007 eine Steuerzahlung vorgenommen habe, ist dies zwar zutreffend. Es handelte sich dabei allerdings nicht um die Einkommensteuer der Ehegatten, sondern um die Körperschaftsteuer für die gemeinsame Gesellschaft der Beteiligten, die ... GmbH. Dieser Vorgang ist daher für die Frage, wer regelmäßig die Einkommensteuer gezahlt hat, unergiebig.

Dafür, dass die Antragstellerin regelmäßig die Einkommensteuer der Ehegatten allein getragen hat, obwohl sie so viel weniger verdient hat als der Antragsgegner, spricht jedenfalls nichts. Es ist daher schon zweifelhaft, ob tatsächlich davon ausgegangen werden kann, dass die ehelichen Lebensverhältnisse das Gesamtschuldverhältnis überlagert haben.

Hinzu kommt, dass ein Ausgleichsanspruch auch vor der Trennung bei einmaligen und dazu außergewöhnlich hohen Zahlungen in Betracht kommt (Wever, a.a.O., Rn. 367, 371, unter Hinweis auf BGH, FamRZ 1988, 264). In einem solchen Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass die fragliche Zahlung von den Ehegatten als ein Beitrag des einen Ehegatten zur Lebensführung angesehen worden ist, dem gleichartige andere Beiträge des anderen Ehegatten gegenübergestanden haben. Der Antragsgegner selbst geht davon aus, dass er mit seinem deutlich höheren Einkommen weit überwiegend die finanziellen Lasten während der Ehe getragen hat, während die Antragstellerin, die schon seit längerer Zeit krank und berufsunfähig war, sich um den Haushalt und - nach ihren Angaben - um die zahlreichen Bauprojekte gekümmert habe. Bereits unter diesem Gesichtspunkt erscheint die Zahlung der Einkommensteuerschulden allein durch die Antragstellerin außergewöhnlich. Zudem waren die Steuerschulden bereits seit längerer Zeit fällig und war die Antragstellerin davon ausgegangen, dass der Antragsgegner seiner intern übernommenen Verpflichtung, die Steuererklärungen abzugeben, längst nachgekommen war. Auch handelte es sich nicht gerade um geringe Forderungen. Schließlich kann auch nicht außer Betracht bleiben, dass die Zahlungen in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Trennung erfolgt sind, wobei der Antragsgegner sich schon zu einem viel früheren Zeitpunkt als getrennt lebend betrachtete, wie sich aus seinen Scheidungsanträgen ergibt. Darauf, wann sich die Beteiligten im Rechtssinne tatsächlich getrennt haben, kommt es bei dieser Sachlage nicht an.

2.)

Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und die Zinsen sind als Verzugsschaden gemäß §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 4 BGB in der geltend gemachten Höhe begründet. Der der Gebührenrechnung zugrunde gelegte Gegenstandswert ist plausibel und im Übrigen vom Antragsgegner nicht bestritten worden.

Unbegründet ist die Beschwerde allerdings, soweit die Antragstellerin vorgerichtliche Kosten für die Inanspruchnahme einer Steuerberaterin in Höhe von 190,- € nebst Zinsen geltend macht. Eine Anspruchsgrundlage für die Kosten, die entstanden sind, um die auf die Ehegatten entfallende Steuerlast auf der Basis einer fiktiven Einzelveranlagung zu berechnen und die somit der Darlegung ihres Anspruchs dienten, ist nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Antragstellerin einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung nicht schlüssig dargelegt. Ob die Kosten im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens geltend gemacht werden können, braucht hier nicht entschieden zu werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 113 Abs. 1 FamG i. V. m. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Festsetzung des Verfahrenswertes auf den §§ 35, 40 FamGKG.

IV.

Gegen diesen Beschluss findet kein Rechtsmittel statt. Veranlassung, die Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 1, 2 FamFG zuzulassen, besteht nicht.

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