ArbG Cottbus, Urteil vom 05.03.2019 - 3 Ca 608/18
Fundstelle
openJur 2020, 36913
  • Rkr:

1. Bei der Informationspflicht nach § 7 Abs. 2 TzBfG muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch auf Erhöhung der Arbeitszeit angezeigt hat, individuell über freie oder frei werdende entsprechende Vollzeitstellen informieren.2. Bei der Informationspflicht handelt es sich um eine Dauerverpflichtung des Arbeitgebers, die erst endet, wenn der geäußerte Arbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers erfüllt ist.

3. Eine zeitliche Beschränkung der Informationspflicht kann dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck von § 7 Abs. 2 TzBfG nicht entnommen werden.4. Krankheitsbedingte Fehlzeiten oder Minderleistungen des Arbeitnehmers können dringende betriebliche Gründe darstellen, die einem Arbeitszeitveränderungswunsch entgegenstehen. Sie müssen aber ein Ausmaß erreichen das geeignet wäre, hypothetisch eine Kündigung oder Änderungskündigung zu rechtfertigen.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.608,79 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 734,31 Euro seit dem 01.06.2018, 03.07.2018, 01.08.2018, 01.09.2018, 02.10.2018, 02.11.2018, 01.12.2018, 01.01.2019 und 01.02.2019 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

4. Der Streitwert wird auf 6.608,79 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Wunsch der Klägerin auf Erhöhung der wöchentlichen Regelarbeitszeit.

Die Beklagte betrieb in Cottbus ein Klinikum mit rund 2500 Beschäftigten. Die Klägerin war dort seit 1984 zunächst als Kinderkrankenschwester, später als stellvertretene Stationsschwester und seit einem Wegeunfall im Jahr 2012 als Kodierfachkraft für die Fallbearbeitung im Medizincontrolling tätig. Sie hatte einen Teilzeitvertrag mit 30 Wochenstunden unter Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 des Haustarifvertrages und erzielte zuletzt ein Gehalt i.H.v. 2.202,84 € brutto.

Die Beklagte beschäftigte die Klägerin auch teilweise befristet in Vollzeit. Die letzte befristete Vollzeitbeschäftigung erfolgte vom 1. Januar 2018 bis zum 31. März 2018. Bei Vollzeitbeschäftigung erzielte die Klägerin ein Gehalt i.H.v. 2.937,25 € brutto.

Die Beklagte war zunächst mit den Arbeitsergebnissen der Klägerin als Kodierfachkraft sehr zufrieden. Zuletzt war die Beklagte mit der Anzahl der bearbeiteten Vorgänge der Klägerin unzufrieden. Die Beklagte gab im Oktober 2017 für die damals in Vollzeit arbeitende Klägerin eine Zielgröße von mindestens 15 Patientenakten pro Tag in der Prämierkodierung für Fälle der Hautklinik vor.

Die Klägerin wollte dauerhaft in Vollzeit beschäftigt werden. Mit Schreiben vom 27. November 2017 beantragte die Klägerin eine Erhöhung ihrer Arbeitszeit nach § 9 TzBfG (Anl. K 9, Bl. 111 der Gerichtsakte). Anfang 2018 schrieb die Beklagte extern unter anderem eine Stelle "Mitarbeiter (m/w) für die Fallbearbeitung/Kodierfachkraft im Medizincontrolling" unter dem Kürzel MTD_Sch_2018_12 mit Entgeltgruppe 8 aus (Ausschreibung, Bl. 60 der Gerichtsakte). Mit Schreiben vom 22. Januar 2018 bewarb sich die Klägerin auf diese unbefristete Vollzeitstelle (Anl. K1, Bl. 10 der Gerichtsakte).

Streitig ist zwischen Parteien, ob die Beklagten zeitgleich intern eine weitere Stelle "Gesundheits- und Krankenpfleger (m/w) als Kodierfachkraft für die Fallbearbeitung im Medizincontrolling" unter dem Kürzel MTD_Sch_2018_20 mit der Entgeltgruppe 8 (interne Ausschreibung, Bl. 61 der Gerichtsakte) ausschrieb. Die Beklagte teilte der Klägerin jedenfalls die Ausschreibung der weiteren Stelle nicht mit.

Im Februar 2018 erfuhr die Klägerin, dass die Beklagte beabsichtigte, dem Wunsch der Klägerin auf eine Vollzeitstelle nicht nachkommen zu wollen und stattdessen eine fachfremde Mitarbeiterin auf einem Vollzeitarbeitsplatz als Kodierfachkraft für die Fallbearbeitung im Medizincontrolling einzusetzen. Die Klägerin ging davon aus, dass die fachfremde Mitarbeiterin die ausgeschriebene Stelle mit dem Kürzel MTD_Sch_2018_12 erhalten werde.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 1. März 2018 machte die Klägerin einen Anspruch auf Beschäftigung auf eine Vollzeitstelle geltend. Sie forderte die Beklagte auf, ihr den Vollzeitarbeitsplatz MTD_Sch_2018_12 im Rahmen eines Änderungsvertrages anzubieten, wobei die Klägerin bereits die Annahme des Vertrages erklärte (Anlage K 2, Bl. 12 der Gerichtsakte). Die Beklagte wies mit Schreiben vom 9. März 2018 die Klägerin darauf hin, dass sie derzeit in Vollzeit arbeite und das Auswahlverfahren für die ausgeschriebene Vollzeitstelle noch nicht abgeschlossen sei (Anl. K 3, Bl. 15 der Gerichtsakte). Mit anwaltlichem Schreiben vom 13. März 2018 wies die Klägerin darauf hin, dass sie mit Wirkung zum 31. März 2018 wieder in Teilzeit arbeite, sie einen Anspruch auf Beschäftigung in Vollzeit habe und sich über eine entsprechende Berücksichtigung freuen würde (Anl. K4, Bl. 17 der Gerichtsakte).

Mit Wirkung zum 1. Mai 2018 stellte die Beklagte die zuvor als Gesundheits- und Krankenpflegerin beschäftigte Mitarbeiterin Frau L in Vollzeit als Kodierfachkraft für die Fallbearbeitung im Medizincontrolling ein. Die Klägerin arbeitete Frau L als Kodierfachkraft ein. Frau L nahm im Juni 2018 an insgesamt 15 Tagen an einer Ausbildung als Kodierfachkraft teil. Die Klägerin dagegen arbeitete seit dem 1. April 2018 mit 30 Wochen-stunden.

Mit der am 21. Juni 2018 beim Arbeitsgericht Cottbus eingereichten Klage begehrt die Klägerin im Wege des Schadensersatzes für den Zeitraum Mai 2018 bis Januar 2019 die monatliche Differenz zwischen der Vergütung einer Teilzeitkraft mit 30 Wochenstunden und einer Vollzeitkraft mit 40 Wochenstunden.

Die Klägerin behauptet, es habe zunächst nur die Stellenausschreibung MTD_Sch_2018_12 gegeben. Die Beklagte hätte die Klägerin für diese Stelle bevorzugt berücksichtigen müssen und hätte nicht Frau L in Vollzeit einstellen dürfen. Falls es tatsächlich noch eine zweite Stellenausschreibung mit dem Kürzel MTD_Sch_2018_20 gegeben hätte, wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, die Klägerin auf diese weitere Stelle individuell hinzuweisen. In diesem Fall hätte die Klägerin auch die Einstellung auf dieser Stelle verlangt und hätte für diese Stelle bevorzugt berücksichtigt werden müssen. Durch die schuldhaften Pflichtverletzungen sei die Klägerin ab Mai 2018 nicht in Vollzeit, sondern nur mit 30 Wochenstunden beschäftigt worden. Der Klägerin sei hierdurch ein Schaden in Höhe des monatlichen Differenzbetrages zwischen der Vergütung für 30 Wochenstunden und der Vergütung einer Vollzeit-beschäftigung entstanden, der von der Beklagten auszugleichen sei.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6608,79 € brutto zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 734,31 € seit dem 01.06.2018, 01.07.2018, 01.08.2018, 01.09.2018, 01.10.2018, 01.11.2018, 01.12.2018, 01.01.2019, und 01.02.2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Schadensersatz. Die Stelle MTD_Sch_2018_12, auf die die Klägerin sich konkret beworben habe, sei bisher nicht besetzt worden. Die Beklagte habe zeitgleich noch eine weitere Stelle mit dem Kürzel MTD_Sch_2018_20 im Intranet und am schwarzen Brett ausgeschrieben. Die Klägerin müsse auch von dieser Stelle Kenntnis erlangt haben. Die Klägerin habe sich aber aus-drücklich nur auf die andere Stelle beworben. Frau L sei auf der Stelle MTD_Sch_2018_20 eingestellt worden. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf bevorzugte Einstellung auf der Stelle MTD_Sch_2018_20. Frau L sei qualifizierter für diese Stelle als die Klägerin. Die Klägerin habe bis heute eine Qualifizierung als Kodierfachkraft nicht erfolgreich absolviert. Die Klägerin sei mit der Arbeit in Vollzeit überfordert. Sie erreiche die geforderten Fallzahlen nicht. Außerdem sei die Klägerin in der Vergangenheit immer häufiger arbeitsunfähig erkrankt gewesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz nebst Zinsen in der ausgeurteilten Höhe.

I.Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch i.H.v. 6608,79 € brutto für den Zeitraum von Mai 2018 bis Januar 2019 gemäß §§ 251 Abs. 1,252, 275 Abs. 1 und Abs. 4, 280 Abs. 1 und Abs. 3, 283 S. 1 BGB in Verbindung mit 7 Abs. 2 TzBfG.

1.Nach § 7 Abs. 2 TzBfG hat der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Veränderung von Dauer und Lage seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, über entsprechende Arbeitsplätze zu informieren, die im Betrieb oder Unternehmen besetzt werden sollen. Weist der Arbeitnehmer nach, dass es sich bei rechtzeitiger Unterrichtung auf die Stelle mit längerer Arbeitszeit und deshalb höherem Entgelt beworben und sie tatsächlich auch bekommen hätte - oder hätte bekommen müssen -, können Schadensersatzansprüche wegen des entgangenen erhöhten Einkommens bestehen (Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Aufl. 2019, § 7 TzBfG Rn. 8; Schmalenberg in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Aufl. 2018, § 7 TzBfG Rn. 13; Müller-Glöge in: Münchner Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2016, § 7 TzBfG Rn. 8). Die Schadensersatzpflicht aus der Verletzung von Informationspflichten nach § 7 Abs. 2 TzBfG ist im Verhältnis zu einer Schadensersatzforderung aufgrund einer Verletzung von § 9 TzBfG ein eigenständiger Streitgegenstand (BAG, Urteil vom 27. Februar 2018, Az. 9 AZR 167/17, Rn. 17).

2.Nach dem schriftsätzlichen Vortrag der Parteien und den Erörterungen im Kammertermin ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die Voraussetzungen für einen solchen Schadensersatzanspruch vorliegen.

Die Beklagte hat die Klägerin pflichtwidrig nicht über die ab Mai 2018 zu besetzende Stelle MTD_Sch_2018_20 informiert. Bei pflichtgemäßer Mitteilung dieser freien Stelle hätte die Klägerin gegenüber der Beklagten im Wege der Änderung ihrer Arbeitszeit die Vollzeitbeschäftigung auf dieser Stelle verlangt. Die Klägerin hätte nach § 9 TzBfG auf dieser Stelle in Vollzeit beschäftigt werden müssen. Die Beklagte muss aus diesem Grunde den entstandenen Schaden (Entgeltdifferenz zwischen dem Einkommen als Teilzeitbeschäftigte mit 30 Wochenstunden und dem Einkommen als Vollzeitbeschäftigte) der Klägerin ersetzen.

a)Die Beklagte hat gegen die Verpflichtung gemäß § 7 Abs. 2 TzBfG verstoßen, als sie die Klägerin nicht über die freie Stelle MTD_Sch_2018_20 informiert hat.

(1)Die Kammer geht bei den Informationspflichten nach § 7 Abs. 2 TzBfG von folgenden Rechtsgrundsätzen aus.

Nach § 7 Abs. 2 TzBfG hat der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Veränderung von Dauer und Lage seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, über entsprechende Arbeitsplätze zu informieren, die im Betrieb oder Unternehmen besetzt werden sollen (BAG, Urteil vom 27.02.2018, Az. 9 AZR 167/17, Rn. 26). Die Erfüllung der Informationspflicht durch den Arbeitgeber dient dazu, dass der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Arbeitszeitverkürzung (§ 8 TzBfG) oder auf Arbeitszeitverlängerung (§ 9 TzBfG) rechtzeitig geltend machen kann (Schmalenberg in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Aufl. 2018, § 7 TzBfG Rn. 13). Die Informationspflicht besteht nur für solche Arbeitsplätze, die für den Arbeitnehmer aufgrund seiner Eignung und seiner Arbeits-zeitwünsche in Betracht kommen. Die Informationspflicht besteht so lange, bis der geäußerte Arbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers erfüllt ist. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer die erforderlichen Informationen formlos zukommen lassen. Eine allgemeine Information durch Aushang am schwarzen Brett oder Ausschreibung einer Stelle reicht nicht aus. Die Unterrichtung des Arbeitnehmers hat in geeigneter Weise individuell zu erfolgen (Schmalenberg in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Aufl. 2018, § 7 TzBfG Rn. 11,12).

(2)Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass die Beklagte gegen die Informationspflichten gemäß § 7 Abs. 2 TzBfG verstoßen hat, als sie die Klägerin nicht individuell über die freie Stelle MTD_Sch_2018_20 informiert hat.

(2.1)Zwischen den Parteien war unstreitig, dass die Klägerin mit Schreiben vom 27.11.2017 eine Erhöhung der Arbeitszeit auf Vollzeit ab dem 01.01.2018 bzw. nächstmöglichen Zeitpunkt beantragt hat. Ab diesem Zeitpunkt war die Beklagte verpflichtet, die Klägerin über alle für die Klägerin in Betracht kommenden entsprechenden Vollzeitstellen zu informieren. Dies betraf insbesondere auch die Vollzeitstelle MTD_Sch_2018_20, die sich unstreitig gegenüber der von der Klägerin besetzten Stelle nur hinsichtlich der Arbeitszeit unterschied.

(2.2)Entgegen der Auffassung der Beklagten betraf die Informationspflicht nicht nur die im November 2017 freien oder die zu diesem Zeitpunkt absehbar frei werdenden Stellen.

Bei der Informationspflicht handelt es sich vielmehr nach Auffassung der Kammer um eine Dauerverpflichtung bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der geäußerte Arbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers erfüllt ist (so auch Schmalenberg in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Aufl. 2018, § 7 TzBfG, Rn. 12; Ahrendt in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, § 7 TzBfG Rn. Rn. 8; Rolfs in: RdA 2001, 129, 141; Hanau in: NZA 2001, 1168 a.A. Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. Mai 2017, Az. 8 Sa 483/16, Rn. 52; Laux in: Schlachter/Laux, 2. Aufl. 2011, § 7 TzBfG Rn. 44 - 70; Müller-Glöge in: Münchner Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2016, § 7 TzBfG Rn. 7). Der Arbeitgeber hat den Wunsch des Arbeitnehmers zu "speichern" und den Arbeitnehmer fortlaufend über freie oder freiwerdende Stellen zu informieren.

Eine zeitliche Beschränkung des Informationsanspruchs des Arbeitnehmers ist der gesetzlichen Vorschrift des § 7 Abs. 2 TzBfG nicht zu entnehmen. Dem Ziel der Vorschrift -dem Arbeitnehmer freie Stellen bekanntzugeben, damit er seinen Wunsch auf Arbeitszeitveränderung rechtzeitig geltend machen kann - kann nur entsprochen werden, wenn ihm auch später freiwerdende Stellen mitzuteilen sind (so auch Ahrendt in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, TzBfG § 7 Rn. 8) und der Arbeitnehmer nicht fortlaufend seinen Wunsch auf Veränderung der Arbeitszeit erneuern muss, um an die notwendigen Informationen zu kommen.

(2.3)Die Beklagte hat die Klägerin trotz ihres angezeigten Wunsches auf Erhöhung der Arbeitszeit zu keinem Zeitpunkt individuell über freie Stellen informiert. Sie hat weder als die Klägerin im November 2017 ihren Wunsch auf Veränderung der Arbeitszeit angezeigt hat, noch im Januar 2018 als sie sich auf eine andere Stelle beworben hat, noch Anfang März 2018 als der Rechtsanwalt der Klägerin Ansprüche auf Vollzeitbeschäftigung geltend gemacht hat, auf die ab Mai 2018 zu besetzende Stelle hingewiesen, obwohl diese nach Beklagtenvortrag spätestens ab Januar 2018 ausgeschrieben war. Die Beklagte hat damit pflichtwidrig die Klägerin trotz ihres immer wieder erneuerten Wunsches auf Arbeitszeiterhöhung, nicht über eine Stelle informiert, die sowohl der Tätigkeit der Klägerin als auch ihren Arbeitszeitwünschen entsprach.

b)Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Klägerin bei Kenntnis der freien Stelle MTD_Sch_2018_20 sich auf diese beworben und der Beklagten angeboten hätte, ihre vertraglich geschuldete Arbeitszeit zu erhöhen, um auf der Stelle MTD_Sch_2018_20 ab Mai 2018 in Vollzeit beschäftigt zu werden.

(1)Ein angezeigter Veränderungswunsch auf Erhöhung der Arbeitszeit verpflichtet den Arbeitgeber zwar noch nicht, bei Freiwerden eines solchen Arbeitsplatzes dem Arbeitnehmer ein entsprechendes Vertragsänderungsangebot zu machen. Der Arbeitgeber kann vielmehr nachdem er den Arbeitnehmer ordnungsgemäß über die entsprechende freie Arbeitsstelle informiert hat, abwarten, ob der Arbeitnehmer einen entsprechenden Änderungsvertrag anbietet. Es verbleibt nämlich der Entscheidung des Arbeitnehmers überlassen, ob er seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit zu den vom Arbeitgeber vorgesehenen Termin und im entsprechenden Umfang erhöhen will oder nicht (BAG, Urteil vom 27. Februar 2018, Az. 9 AZR 167/17, Rn. 26). Nach der "Vermutung des aufklärungsgemäßen Verhaltens" ist aber grundsätzlich davon auszugehen, dass der Betroffene bei ausreichender Information seine Eigeninteressen in vernünftiger Weise gewahrt und die hierfür erforderlichen Handlungen vorgenommen hätte (BAG, Urteil vom 21. Februar 2017, Az. 3 AZR 542/15, Rn. 45; BAG, Urteil vom 21. Februar 2012, Az. 9 AZR 486/10, Rn. 35; BAG, Urteil vom 20. April 2011, Az. 5 AZR 171/10 Rn. 27).

(2)Die "Vermutung des aufklärungsgemäßen Verhaltens" unter besonderer Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und die persönlichen Ausführungen der Klägerin im Kammertermin führen zu der Überzeugung der Kammer, dass die Klägerin sich bei Kenntnis der freien Stelle auf diese Stelle beworben und der Beklagten angeboten hätte, ihre vertragliche Arbeitszeit zu erhöhen.

Hierfür spricht zunächst die "Vermutung des aufklärungsgemäßen Verhaltens". Es ist vorliegend davon auszugehen, dass sich die Klägerin ihre Rechte bei ausreichender Information in vernünftiger Weise gewahrt hätte und bei Kenntnis der freien Stelle sich auf diese beworben und der Beklagten die Änderung ihrer Arbeitszeit angeboten hätte.

Hierfür spricht auch das Verhalten der Klägerin im Zusammenhang mit der gewünschten Arbeitszeiterhöhung. Die Klägerin hat mehrfach gegenüber der Beklagten geltend gemacht, dass sie ihre Arbeitszeit erhöhen und den Arbeitsvertrag entsprechend ändern möchte. Um dieses Ziel zu erreichen, hat sie auch anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen und erkennbar, alles dafür getan, zukünftig in Vollzeit beschäftigt zu werden.

Mit Schreiben vom 27.11.2017 hat die Klägerin die Erhöhung ihrer Arbeitszeit ab dem 01.01.2018 bzw. nächstmöglichen Zeitpunkt beantragt. In Hinblick auf die ihr bekannte Stelle MTD_Sch_2018_12 hat sie die Beklagte aufgefordert, einen Änderungsvertrag anzubieten, wobei sie vorab bereits die Annahme des Änderungsvertrages erklärte. Trotz der gewählten Formulierung beinhaltete die Aufforderung bereits das Angebot der Klägerin zum Abschluss eines Änderungsvertrages, den die Beklagte durch einfache Zustimmung hätte annehmen können.

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bei ordnungsgemäßer Information über die freie Stelle MTD_Sch_2018_20 nicht ebenso gehandelt hätte. Insbesondere weil diese Stelle zu 100 % den geäußerten Vorstellungen der Klägerin entsprach. Es handelte sich um die gleiche Tätigkeit, wie die bisherige Tätigkeit der Klägerin, und um eine Vollzeitstelle.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann aus dem Umstand, dass die Klägerin sich nicht auf die Stelle MTD_Sch_2018_20 beworben hat, nicht abgeleitet werden, dass die Klägerin nur an der Stelle MTD_Sch_2018_12 und nicht an der Stelle MTD_Sch_2018_20 interessiert war. Die Tatsache, dass sich die Klägerin auf die Stelle MTD_Sch_2018_20 nicht beworben hat, resultiert nach Überzeugung der Kammer alleine daraus, dass die Beklagte die Klägerin über diese freie Stelle nicht informiert hat und die Klägerin aus diesem Grunde keine Kenntnis von dieser Stelle hatte.

Die von der Beklagten im Kammertermin geäußerte Vermutung, die Klägerin müsse, wenn sie von der einen Stelle gewusst habe, auch von der anderen Stelle hätte wissen müssen, trifft nicht zu. Die Kammer war vielmehr nach der persönlichen Anhörung der Klägerin im Kammertermin davon überzeugt, dass sie nur von der Stelle wusste, auf die sie sich beworben hatte. Die Klägerin hat glaubhaft versichert, dass sie im Januar 2018 nur kurz ins Intranet geschaut habe, um das Kürzel der ihr zuvor schon bekannten Stelle zu erfahren, um sich konkret auf diese Stelle zu bewerben zu können und sie dabei die weitere Stelle nicht gesehen habe. Dieser Vortrag deckt sich auch mit dem gesamten weiteren Verhalten der Klägerin, dass zielgerichtet darauf gerichtet war, eine Vollzeitstelle als Kodierfachkraft in der Fallbearbeitung im Medizincontrolling zu bekommen. Es sind überhaupt keine Gründe ersichtlich, wieso die Klägerin sich nur auf die Stelle MTD_Sch_2018_12 und nicht auf die Stelle MTD_Sch_2018_20 hätte bewerben sollen. Beide Arbeitsstellen waren als Kodierfachkraft in der Fallbearbeitung im Medizincontrolling mit der EG 8 nach dem Haustarifvertrag ausgeschrieben und entsprachen gleichermaßen zu 100 % den Vorstellungen der Klägerin.

c)Die Beklagte wäre nach § 9 TzBfG verpflichtet gewesen, das nach ordnungsgemäßer Mitteilung über die freie Stelle erfolgte Angebot der Klägerin auf Erhöhung der Arbeitszeit und Beschäftigung auf der Stelle MTD_Sch_2018_20 anzunehmen und die Klägerin auf dieser Stelle zu beschäftigen.

(1)Nach § 9 TzBfG hat der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn es handelt sich nicht um einen entsprechenden freien Arbeitsplatzes, der Arbeitnehmer ist nicht mindestens gleich geeignet wie ein anderer vom Arbeitgeber bevorzugte Bewerber oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer oder betriebliche Gründe stehen einer Beschäftigung entgegenstehen (BAG, Urteil vom 27. Februar 2018, Az: AZR 167/17 Rn. 23).

Das Arbeitsvertragsrecht kennt zwar grundsätzlich keinen Kontrahierungszwang und damit auch keinen Anspruch, das seitens einer Vertragspartei unterbreitete Änderungsangebot anzunehmen. Eine gesetzliche Ausnahme von diesem Grundsatz findet sich aber in § 9 TzBfG. Diese Vorschrift begründet unter den dort genannten Voraussetzungen einen einklagbaren Rechtsanspruch des in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmers auf Verlängerung seiner Arbeitszeit durch Vertragsänderung (BAG, Urteil vom 27. Februar 2018, Az: AZR 167/17 Rn. 23; BAG, Urteil vom 17. Oktober 2017, Az: 9 AZR 192/17, Rn. 26).

Besetzt ein Arbeitgeber einen freien Arbeitsplatz im Sinne des § 9 TzBfG und führt dies zum Untergang des Anspruchs des Arbeitnehmers auf Vertragsänderung (§ 275 Abs. 1 BGB), hat er dem Arbeitnehmer Schadensersatz nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB zu leisten, sofern er das zur Unmöglichkeit führende Verhalten zu vertreten hat. Der danach zu leistende Schadensersatz richtet sich auf den finanziellen Ausgleich der Nachteile, die der Arbeitnehmer infolge der Stellenbesetzung in kausal-adäquater Weise erleidet (BAG, Urteil vom 27. Februar 2018, Az: AZR 167/17 Rn. 23; BAG, Urteil vom 18. Juli 2017, Az: 9 AZR 259/16 - Rn. 41).

(2)Diese Voraussetzungen für eine Erhöhung der Arbeitszeit der Klägerin hätten im Streitfall bei ordnungsgemäßer Unterrichtung der Klägerin über die freie Stelle vorgelegen. Die Klägerin hatte ihren Wunsch auf ordnungsgemäße Verlängerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt. Bei der freien Stelle MTD_Sch_2018_20 handelte es sich um einen entsprechenden Arbeitsplatz. Die Klägerin hat mindestens die gleiche Eignung wie die von der Beklagten eingestellte Frau L. Einer Beschäftigung der Klägerin standen weder dringende betriebliche Gründe noch Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer entgegen.

(2.1)Die Klägerin hatte gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 27. November 2017 die Erhöhung ihrer Arbeitszeit angezeigt. Dies war zwischen den Parteien unstreitig.

(2.2)Bei der ab Mai 2018 zu besetzenden Stelle MTD_Sch_2018_20 handelte es sich um einen "entsprechenden, freien Arbeitsplatz" im Sinne von § 9 TzBfG.

Dieses Erfordernis ist regelmäßig nur dann gewahrt, wenn die zu besetzende Stelle inhaltlich dem Arbeitsplatz entspricht, auf dem der Arbeitnehmer, der den Verlängerungswunsch angezeigt hat, seine vertraglich geschuldete Tätigkeit ausübt. Die angestrebte Stelle muss vergleichbar sein. Das ist zu bejahen, wenn es sich um gleiche oder zumindest ähnliche Tätigkeiten handelt. Beide Tätigkeiten müssen in der Regel dieselben Anforderungen an die persönliche und fachliche Eignung des Arbeitnehmers stellen. Ein entsprechender Arbeitsplatz liegt im Regelfall vor, wenn der zu besetzende Arbeitsplatz dem vertraglich vereinbarten Tätigkeitsbereich und der dafür notwendigen Eignung und Qualifikation entspricht (BAG, Urteil vom 16. September 2008, Az: 9 AZR 781/07, Rn. 21). Die Vergleichbarkeit liegt vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die angestrebte Tätigkeit mit Ausnahme des veränderten Arbeitszeitumfangs durch Ausübung seines Direktionsrechts nach § 106 Satz 1 GewO zuweisen könnte (BAG, Urteil vom 16. September 2008, Az: 9 AZR 781/07, Rn. 23).

Diese Voraussetzungen lagen vor. Die ab Mai 2018 zu besetzenden Stelle MTD_Sch_2018_20 war mit Ausnahme der Arbeitszeit identisch mit der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit. Die Beklagte hätte der Klägerin mit Ausnahme des veränderten Arbeitszeitumfangs die Tätigkeit auf dem Arbeitsplatz MTD_Sch_2018_20 ohne weiteres im Wege des Direktionsrechts übertragen können.

(2.3)Die Klägerin verfügte über mindestens die gleiche Eignung für die Stelle wie die eingestellte Frau L.

Der Arbeitnehmer muss nach Ausbildung und Qualifikation objektiv geeignet sein, den freien Arbeitsplatz einzunehmen (BAG, Urteil vom 5. Juli 2007, Az. 9 AZR 874/06, Rn. 23 Bayreuther in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, BeckOK Arbeitsrecht, 50. Ed. 1.1.2019, TzBfG § 9 Rn. 5). Er muss gleichermaßen qualifiziert für die Stelle sein wie andere vorhandene Stellenbewerber (§ 9 S. 1 Nr. 2). Der Arbeitnehmer ist allerdings auch dann noch gleichermaßen geeignet wie ein externer Bewerber, wenn dieser zwar geringfügig besser qualifiziert ist, alleine deshalb aber keine nennenswerten Unterschiede bei der Erfüllung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung zu erwarten sind (BAG, Urteil vom 25. Oktober 1994, Az. 3 AZR 987/93, Rn. 35; Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, BeckOK Arbeitsrecht, 50. Ed. 01.01.2019, TzBfG § 9 Rn. 5). Ebenso bleiben geringfügige Unterschiede, die sich während der Einarbeitungsphase ergeben könnten, außer Betracht (Bayreuther in: Rolfs/Giesen/ Kreikebohm/Udsching, BeckOK Arbeitsrecht, 50. Ed. 01.01.2019, TzBfG § 9 Rn. 5).

Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Stellenbesetzung nach ihrer Ausbildung und Qualifikation mindestens gleichermaßen qualifiziert für die zu besetzende Stelle wie Frau L. Die Klägerin besetzte seit 2012 einen mit Ausnahme der Arbeitszeit identischen Arbeitsplatz bei der Beklagten. Frau L hatte zum Zeitpunkt der Besetzung der Stelle keinerlei Qualifikation für diese Stelle und verfügte im Gegensatz zu der Klägerin auch über keinerlei Erfahrungen für eine Tätigkeit als Kodierfachkraft. Frau L wechselte aus einem anderen Bereich in das Medizincontrolling und sollte auf diese für sie neue Tätigkeit erst umgeschult werden. Frau L musste aus diesem Grunde unstreitig durch die Klägerin auf dieser Stelle angelernt werden. Frau L absolvierte erst nach der Stellenbesetzung im Juni 2018 eine 15-tägige Ausbildung als Kodierfachkraft.

Entgegen der Auffassung der Beklagten stehen der Eignung nicht entgegen, dass die Klägerin persönlich mit längeren Arbeitszeiten überfordert sein könnte. Der Arbeitnehmer ist gegenüber dem Mitbewerber nur dann weniger geeignet, wenn der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer im Vergleich zum Mitbewerber nicht über dieselben persönlichen und fachlichen Fähigkeiten, theoretischen und praktischen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt. Die Frage der gleichen Eignung bezieht sich dabei auf die auszuübende Tätigkeit, nicht aber auf die Dauer der Arbeitszeit. Ob der jeweilige Arbeitnehmer persönlich in der Lage ist, die längere Arbeitszeit zu verrichten, ist eine Frage des Vorliegens von dringenden betrieblichen Gründen, die der Arbeitszeitverlängerung entgegenstehen, nicht eine Frage gleicher Eignung mit Mitbewerbern (ebenso Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 28. November 2014, Az. 14 Sa 465/12, Rn. 33; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. November 2009, Az. 24 Sa 1610/09, Rn. 34; LAG Düsseldorf, 3. August 2007 -10 Sa 112/07, Rn. 71). Hiervon abgesehen hat die Beklagte auch gar nicht dargelegt, dass Frau L prognostisch geringere Fehlzeiten aufwiesen werde und höhere Fallzahlen erbringen werde als die Klägerin und Frau L damit geeigneter für die Stelle wäre als die Klägerin.

(2.4)Einer Beschäftigung der Klägerin auf dem Vollzeitarbeitsplatz standen keine dringenden betrieblichen Gründe entgegen. Insbesondere konnte die Kammer nicht feststellen, dass krankheitsbedingte Fehlzeiten oder Minderleistungen (zu geringe Fallzahlen) der Klägerin in dem Umfang vorlagen, die als dringender betrieblicher Grund zu werten wären, der eine Beschäftigung der Klägerin auf dem Vollzeitarbeitsplatz entgegenstand.

(2.4.1)Entgegenstehende dringende betriebliche Gründe sind nur anzunehmen, wenn sie gleichsam zwingend sind (BAG, Urteil vom 16. September 2008, Az. 9 AZR 781/07 Rn. 37; BAG, 15. August 2006 - 9 AZR 8/06, Rn. 30; Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 28. November 2014, Az. 14 Sa 465/12, Rn. 35). Erforderlich ist ein betrieblicher Grund von ganz besonderem Gewicht. Ein solcher ist auch anzunehmen, wenn der Anspruchsteller aus persönlichen Gründen nicht in der Lage ist, die verlängerte Arbeitszeit zu verrichten (Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 28. November 2014 - 14 Sa 465/12, Rn. 35; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. November 2009, Az. 24 Sa 1610/09, Rn. 34; LAG Düsseldorf, 3. August 2007 -10 Sa 112/07, Rn. 71).

Krankheitsbedingte Fehlzeiten, die den Arbeitgeber nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG berechtigten würden, eine krankheitsbedingte Änderungskündigung gemäß § 2 KSchG zur Reduzierung der Arbeitszeit auszusprechen, können die Ablehnung eines Teilzeitwunsches rechtfertigen. Dagegen können Fehlzeiten, die unterhalb der Schwelle liegen, die eine krankheitsbedingte Kündigung oder Änderungskündigung sozial rechtfertigten, die Ablehnung der Erhöhung der Arbeitszeit nicht rechtfertigen (Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 28. November 2014 - 14 Sa 465/12 -, Rn. 35).

Genauso verhält es sich mit Minderleistungen eines Arbeitnehmers. Nur wenn die Minder-leistungen einen Umfang erreichen, der gegebenenfalls den Ausspruch einer Kündigung oder einer Änderungskündigung rechtfertigen würde, können diese als dringende betriebliche Gründe die Ablehnung der Erhöhung der Arbeitszeit rechtfertigen.

(2.4.2)Die krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin haben keinen Umfang erreicht, die eine krankheitsbedingte Kündigung oder Änderungskündigung hätten rechtfertigen können. Es lagen in den Jahren vor Mai 2018 keine erheblichen Krankheitszeiträume der Klägerin vor, die die Annahme hätten rechtfertigen können, dass die Klägerin bei einer Vollzeit-beschäftigung zukünftig in erheblichem Umfang ausfallen könnte und dies zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen würde. Ohne anderweitige konkrete Darlegung von besonderen Betriebsablaufstörungen können Entgeltfort-zahlungskosten zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen nur dann führen, wenn diese für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen jährlich zu erwarten sind (BAG, Urteil vom 16. Juli 2015, Az. 2 AZR 15/15, Rn. 29 mit weiteren Nachweisen; Oetker in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, § 1 KSchG Rn. 144).

Nach den bisherigen Krankheitszeiten der Klägerin sind zukünftig keine in diesem Sinne erheblichen Krankheitszeiten von über 6 Wochen im Jahr zu erwarten. Für die Zeit vor 2016 hat die Beklagte keine Krankheitszeiten vorgetragen. In den Jahren 2016 und 2017 war die Klägerin an 16 bzw. 19 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt und damit deutlich weniger als die vom Gesetzgeber der Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers zugrunde gelegten sechs Wochen. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten im Jahr 2018 lagen zwar insgesamt über sechs Wochen. Arbeitsunfähigkeitszeiten aus dem Jahr 2018 alleine genügen jedoch nicht ähnlich hohe Arbeitsunfähigkeitszeiten für die Zukunft zu prognostizieren. Als erheblich und damit geeignet als Kündigungsgrund wird erachtet, wenn über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren in jedem Jahr Entgeltfortzahlung für mehr als sechs Wochen zu gewähren war und auf Grund der negativen Prognose anzunehmen ist, dieser Zustand werde sich nicht ändern (so auch Oetker in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, § 1 KSchG Rn. 144 mit weiteren Nachweisen).

(2.4.3)Die Beklagte hat auch nicht ausreichend dargelegt, dass die Klägerin in der Vergangenheit so erhebliche Minderleistungen erbracht hätte, dass diese das Gewicht eines dringenden betrieblichen Grundes hätten und die Ablehnung der Beschäftigung in Vollzeit gerechtfertigt hätte.

Voraussetzung hierfür wäre, dass die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers die berechtigte Gleichwertigkeitserwartung des Arbeitgebers in einem Maße unterschreitet, dass ihm eine Heraufsetzung der Arbeitszeit unzumutbar wird. Es ist deshalb zunächst Sache des Arbeitgebers, zu den Leistungsmängeln das vorzutragen, was er wissen kann. Er genügt dabei in der Regel seiner Darlegungslast, wenn er Tatsachen vorträgt, aus denen ersichtlich ist, dass die Leistungen des betreffenden Arbeitnehmers deutlich hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückbleiben, also die Durchschnittsleistung erheblich unterschreiten. Davon kann dann gesprochen werden, wenn, gemessen an der durchschnittlichen Leistung der vergleichbaren Arbeitnehmer, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stark beeinträchtigt ist. Bei einer langfristigen Unterschreitung der Durchschnittsleistung um deutlich mehr als 1/3 ist dies regelmäßig der Fall (BAG, Urteil vom 11. Dezember 2003, Az. 2 AZR 667/02, Rn. 92 zur Darlegungslast bei Kündigung wegen Minderleistungen; Vossen in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 5. Aufl. 2017, § 1 KSchG Rn. 248).

Die von der Beklagten behaupteten Minderleistungen waren streitig. Der Beklagten hätte es aus diesem Grunde oblegen, die Minderleistungen der Klägerin im Einzelnen darzulegen. Hierzu hätte die Beklagte für jeden einzelnen Monat, in dem sie Minderleistungen behauptet, die konkrete Arbeitsleistung der Klägerin unter Berücksichtigung von Urlaub, Krankheit, der Arbeitszeit der Klägerin und der übertragenen Aufgaben darstellen müssen. Aus der Darstellung hätte ersichtlich sein müssen, dass gemessen an der durchschnittlichen Leistung der vergleichbaren Arbeitnehmer, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung bei der Klägerin stark beeinträchtigt war. Insoweit genügt nicht, wenn die Beklagte ohne konkrete Zahlen pauschal vorträgt, die Klägerin habe in den Monaten nach Oktober 2017 die für die Klägerin festgelegte Tagessollquote i.H.v. 15 Vorgängen pro Tag nicht erfüllt. Die Beklagte hätte sich vielmehr konkret mit dem Einwand der Klägerin beschäftigen müssen, dass sie in dieser Zeit nicht genügend Fälle zur Bearbeitung aus der Hautklinik erhalten habe, sie aus diesem Grunde zeitintensivere Vorgänge aus anderen Bereichen bearbeitet habe, die Klägerin teilweise in diesen Zeiträumen nicht in Vollzeit beschäftigt war und die MDK Bearbeitung einen erhöhten Umfang der Arbeitszeit der Klägerin in Anspruch nahm. Des Weiteren hätte die Beklagte darstellen müssen, dass die Klägerin im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern erheblich unter dem Durchschnitt liegende Leistungen erbracht hat. Ein solcher Vortrag ist nicht erfolgt.

(2.4.4)Andere dringenden betrieblichen Gründe, die einer Vollzeitbeschäftigung der Klägern entgegenstehen könnten, hat die Beklagte nicht vorgetragen.

(2.5)Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer stehen dem Wunsch der Klägerin, ihre Arbeitszeit zu erhöhen, nicht entgegen. Die Beklagte hat keine solchen Arbeitszeitwünsche anderer Arbeitnehmer vorgetragen.

c)Für die Monate Mai 2018 bis Januar 2019 ist der Klägerin ein Schaden i.H.v. 6608,79 € brutto entstanden, weil sie in dieser Zeit nur mit 30 Wochenstunden und nicht mit 40 Wochenstunden beschäftigt wurde.

Zwischen den Parteien war zuletzt unstreitig, dass die Entgeltdifferenz zwischen einer Beschäftigung mit 30 Wochenstunden und eine Beschäftigung mit 40 Wochenstunden monatlich bei 734,31 € lag. Multipliziert mit neun Monaten ergab dies die ausgeurteilte Klagesumme.

Der entstandene Schaden der Klägerin hängt dabei nicht davon ab, wie die Beklagte bei ordnungsgemäßer Information über die freie Vollzeitstelle und bei einer Bewerbung der Klägerin auf die Stelle MTD_Sch_2018_20 weiter verfahren wäre. Es ist insoweit unerheblich, wie die Beklagte hypothetisch mit einer Bewerbung der Klägerin und dem damit verbundenen Angebot auf Erhöhung der Arbeitszeit umgegangen wäre. Entweder die Beklagte hätte die Klägerin ordnungsgemäß auf der Vollzeitstelle beschäftigt und die Klägerin hätte aus diesem Grunde nach § 611a Abs. 2 BGB Anspruch auf ein erhöhtes Arbeitsentgelt für die Vollzeittätigkeit gehabt, oder die Klägerin hätte bei rechtswidriger Nichtbeschäftigung auf der Vollzeitstelle gegen die Beklagte in gleicher Höhe einen Schadensersatzanspruch nach §§ 251 Abs. 1,252, 275 Abs. 1 und Abs. 4, 280 Abs. 1 und Abs. 3, 283 S. 1 BGB in Verbindung mit § 9 TzBfG gehabt.

Durch die unterlassene Mitteilung der freien Vollzeitstelle MTD_Sch_2018_20 hat die Beklagte in beiden Varianten einen Vermögensschaden der Klägerin verursacht. Die Beklagte muss beiden Fällen der Klägerin den aufgrund der unterlassenen Mitteilung über die Vollzeitstelle entstandenen Schaden in Höhe der Differenz zwischen dem Einkommen als Teilzeitbeschäftigte mit 30 Wochenstunden und dem ihn als Vollzeitbeschäftigte der Klägerin ersetzen.

II.Der Zinsanspruch der Klägerin für die ausgeurteilten Zahlungsansprüche gibt sie aus dem §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Die Fälligkeit der Schadensersatzansprüche geht einher mit der Fälligkeit der der Klägerin entgangenen Arbeitsentgeltansprüche. Diese wären am Ende des Tätigkeitsmonats entstanden (§ 614 S. 2 BGB). Da der Zeitpunkt der geschuldeten Leistung dadurch nach dem Kalender bestimmt war, bedurfte es keiner gesonderten Mahnung (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Zu berücksichtigen war jedoch, dass der Monatsletzte teilweise auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag fiel und dadurch die Fälligkeit nach § 193 BGB erst am nächsten Werktag eintrat, so dass die Verzugszinsen entsprechend erst ab dem darauffolgenden Tag zugesprochen werden konnten.

Insoweit in der Antragstellung beim Zinsbeginn § 193 BGB nicht berücksichtigt wurde, war die Klage abzuweisen.

III.Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Prozesskosten zu tragen.

IV.Die Entscheidung über die Höhe des Streitwertes folgt aus § 61 Abs. 1 ArbGG.

Zitate15
Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte