SG Potsdam, Urteil vom 27.06.2018 - S 49 AS 791/16
Fundstelle
openJur 2020, 36372
  • Rkr:
Tenor

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Der Kläger hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu erstatten.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 329,28 Euro aus einer Eingliederungsvereinbarung wegen einer abgebrochenen Weiterbildungsmaßnahme.

Die 1980 geborene allein erziehende Beklagte mit einem minderjährigen Kind stand mit diesem im zugrunde liegenden Zeitraum 2013 und 2014 im Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei dem Kläger. Sie beantragte im Juli 2013 bei dem Kläger eine Förderung der beruflichen Weiterbildung mittels Bildungsgutscheins mit dem Qualifizierungsziel Helfer-Küche/Hauswirtschaft. Einen entsprechenden Bildungsgutschein überließ der Kläger der Beklagten am 11. Juli 2013.

Der Kläger schloss mit der Beklagten am 26. Juli 2013 eine Eingliederungsvereinbarung.

Unter Ziffer 1 dieser Eingliederungsvereinbarung verpflichtete sich der Kläger, die (unter Ziffer 2 näher beschriebene) Teilnahme an der beruflichen Weiterbildungsmaßnahme der Beklagten zu fördern.

Unter Ziffer 2 dieser Eingliederungsvereinbarung wurde unter anderem Folgendes vereinbart:

"Sie nehmen an der beruflichen Weiterbildungsmaßnahme im Bereich Küche/Hauswirtschaft bei K in J im Zeitraum vom 05.08.13 bis 19.05.14 teil. Sie verpflichten sich an den Träger der Grundsicherung Schadensersatz zu leisten, wenn Sie die Maßnahme ohne wichtigen Grund abbrechen.

Der Schadensersatz umfasst den tatsächlich durch das Nichtbeenden der Maßnahme eingetretenen Schaden. Der Schaden beträgt max. 30 Prozent der Maßnahmekosten. Da die Maßnahmekosten sich auf insgesamt 4.939,20 Euro Lehrgangskosten belaufen, beträgt die max. Schadensersatzforderung 1.481,76 Euro."

Wegen der weiteren Einzelheiten der zwischen den Beteiligten geschlossenen Eingliederungsvereinbarung wird auf Blatt 14f der beigezogenen Verwaltungsakte des Klägers zur Förderung der beruflichen Weiterbildung ("FBW-ALG II ) ergänzend verwiesen.

Daraufhin schloss die Beklagte mit der K T F einen Schulungsvertrag ab, der sich nicht in der "FBW"-Verwaltungsakte befindet.

Mit Bescheid vom 01. August 2013 bewilligte der Kläger der Beklagten für die Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme für den gesamten Zeitraum Lehrgangsgebühren in Höhe von 4.939,20 Euro, welche laut Bescheid in neun Raten à 548,80 Euro ab September 2013 an den Maßnahmeträger überwiesen werden sollten.

Zum 20. Januar 2014 kündigte der Maßnahmeträger der Beklagten außerordentlich mit sofortiger Wirkung, da nach seiner Feststellung die Beklagte seit dem 26. November 2013 unentschuldigt der Maßnahme ferngeblieben sei und auf zwei erfolgte Abmahnungen und Telefonanrufe nicht reagiert habe. Nach dem in den Akten enthaltenen Kalendarium des Maßnahmeträgers war der letzte Anwesenheitstag der Beklagten bei der Maßnahme der 25. November 2013, vom 2. Oktober 2013 bis zum 15. November 2013 war die Beklagte arbeitsunfähig mit Attest entschuldigt und in der Zeit vom 18. bis 22. November 2013 fehlte sie unentschuldigt.

Der Kläger zahlte nach Fernbleiben der Beklagten von der Maßnahme zwei weitere Raten in Höhe von je 548,80 Euro am 5. Dezember 2013 und 05. Januar 2014, insgesamt 1097,60 Euro an den Maßnahmeträger.

Mit Zahlungsaufforderung vom 26. Juni 2014 forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 329,28 € bis zum 30. Juli 2014 auf das im Schreiben benannte Konto der BA-Service-Haus auf. Die Beklagte habe die vereinbarte Maßnahme ohne einen wichtigen Grund zum 21. Januar 2014 (letzte Tag der persönlichen Anwesenheit am 25. November 2013) abgebrochen und sich in der Eingliederungsvereinbarung zum Schadensersatz verpflichtet. Die geltend gemachte Schadensumme betrage 30 von Hundert des Schadens von 1.097,60 Euro. Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Blatt 47 der "FBW"-Verwaltungsakte verwiesen.

Nachdem die Beklagte keinerlei Zahlungen auf die Schadensersatzforderung geleistet hatte, hat der Kläger am 6. Mai 2016 Klage vor dem Sozialgericht Potsdam erhoben. Er ist der Ansicht, der Schadensersatzanspruch leite sich aus § 15 Abs. 3 SGB II in Verbindung mit der geschlossenen Eingliederungsvereinbarung ab. Die Beklagte habe die Teilnahme an der Maßnahme ohne Grund abgebrochen. Die Höhe der Klageforderung belaufe sich auf 30 % des tatsächlich entstandenen Schadens von zwei Raten an den Maßnahmeträger.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Schadenersatz in Höhe von 329,28 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht konnte in Abwesenheit der Beklagten zur mündlichen Verhandlung gemäß §§ 110 Abs. 1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden. Die Beklagte wurde ordnungsgemäß per Zustellung durch Einlegen in den Briefkasten ihrer Wohnung am 08. Mai 2018 geladen und sie wurde auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach Lage der Akten im Falle des Ausbleibens hingewiesen. Eine ausreichende Entschuldigung des Fernbleibens liegt nicht vor.

1) Die Klage hat keinen Erfolg.

Die Klage ist als echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Die Klage ist zulässig. Da der vom Kläger geltend gemachte Anspruch aus der geschlossenen Eingliederungsvereinbarung und damit aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag folgt, kann der Kläger seinen Anspruch nicht durch Verwaltungsakt festsetzen, sondern muss diesen mit einer Leistungsklage verfolgen. Nachdem bei dem Kläger trotz Zahlungsaufforderung unter Fristsetzung bis 30. Juli 2014 keine Zahlung einging, war die Zahlungsklage geboten.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines Schadensersatzes wegen Abbruchs der Maßnahme. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus der Eingliederungsvereinbarung i.V.m. § 15 Abs. 3 SGB II in der zum streitgegenständlichen Zeitpunkt gültigen Fassung (bis 31.07.2016). Gem. § 15 Abs. 1 S. 1 SGB II a.F. soll die Agentur für Arbeit im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person die für ihre Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren (Eingliederungsvereinbarung). Wird in der Eingliederungsvereinbarung eine Bildungsmaßnahme vereinbart, ist auch zu regeln, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen die oder der erwerbsfähige Hilfebedürftige schadenersatzpflichtig ist, wenn sie oder er die Maßnahme aus einem von ihr oder ihm zu vertretenden Grund nicht zu Ende führt, § 15 Abs. 3 SGB II a.F.

Der von dem Kläger danach geltend gemachte Schadensersatzanspruch scheitert bereits am Vorliegen eines Schadens.

Ein Schaden i.S. des § 61 SGB X i.V.m. § 249 ff BGB liegt vor, wenn der Wert des Vermögens des Betroffenen geringer ist, als er es ohne das schädigende Ereignis wäre. Dabei muss diese Wertminderung kausal durch das schädigende Verhalten verursacht sein. Insoweit kommt allenfalls ein Vermögensschaden in Betracht. Dieser ist dann ersatzfähig, wenn er aufgrund der Belastung des Schadensgläubigers mit einer Verbindlichkeit entsteht, die aus dem schädigenden Verhalten folgt. Dann kann Befreiung von dieser Verbindlichkeit verlangt werden (vgl. SG Berlin, ebd mit Verweis auf Fuchsloch in: Gagel, SGB II 62. EL Juni 2016, § 15 Rn 101; Ebert in: Erman, BGB, 14. Auflage 2014, § 249 Rn. 14 m.w.N.).

Denn als Schaden kommt hier nur eine Zahlungsverpflichtung als Befreiung von der Verbindlichkeit in Betracht, die nach Abbruch der Maßnahme entstanden ist (vgl. SG Berlin, Urteil vom 11. September 2017, S 135 AS 26993/14, juris, Rd. 37ff.) Der Abbruch der Maßnahme ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht im unentschuldigten Fernbleiben der Beklagten von der Maßnahme zu sehen, sondern lag erst mit Auflösung des Schulungsvertrages aufgrund der Kündigung des Maßnahmeträgers vor. Aufgrund des beidseits geschlossenen Vertrages zwischen dem Maßnahmeträger und der Beklagten konnte die Beklagte den Vertrag auch nicht einseitig durch bloßes Fernbleiben von der Maßnahme lösen. Die Regelung in der Eingliederungsvereinbarung, dass Schadensersatz zu leisten ist, wenn die Beklagte die Maßnahme ohne wichtigen Grund abbricht ist zu unbestimmt und widerspricht den Regelungen zum Vertrag. Der Maßnahmeträger hatte mit Fernbleiben der Beklagten einen außerordentlichen Kündigungsgrund nach erfolgter Abmahnung für die Vertragsaufhebung. Die Kündigung erfolgte wirksam zum Ablauf des 20. Januar 2014.

Die hier als Schaden geltend gemachten Ratenzahlungen des Klägers vom 5. Dezember 2013 und 5. Januar 2014 erfolgten noch aufgrund des bestehenden Schulungsvertrages mit der Beklagten und beruhen daher nicht auf einem schädigenden Ereignis der Beklagten.

2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

3) Die Berufung ist nicht zulässig, vgl. § 144 Abs. 1 SGG. Gründe im Sinne von § 144 Abs. 2 SGG, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor.

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