LSG der Länder Berlin und Brandenburg, Urteil vom 28.06.2017 - L 9 KR 72/16 KL
Fundstelle
openJur 2020, 35758
  • Rkr:

1. Wird die Entscheidung einer Schiedsstelle angefochten, überprüft das Gericht nicht, ob die Schiedsstelle die "richtige" Entscheidung getroffen hat, sondern, ob die getroffene Entscheidung unter Beachtung allgemeiner Beweisgrundsätze und Denkgesetze nachvollziehbar begründet ist.

2. Eine Schiedsstelle ist nicht berechtigt, einen Schiedsspruch auf "geheime", weder den Beteiligten noch dem Gericht mitgeteilte Tatsachen zu stützen.

3. Zur Rechtswidrigkeit der Mischpreisbildung in der Konstellation unterschiedlich nutzenbewerteter Patientengruppen.

4. Zum Risiko des Arzneikostenregresses infolge einer Mischpreisbildung bei unterschiedlich nutzenbewerteten Patientengruppen.

Tenor

Der Schiedsspruch der Beklagten vom 20. Januar 2016 wird hinsichtlich des darin festgesetzten Erstattungsbetrages (II.3 und II.5 des Schiedsspruchs) aufgehoben.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers je zur Hälfte. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Schiedsspruches der beklagten Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Der Beigeladenen zu 1), einem pharmazeutischen Unternehmen, wurde durch die European Medicine Agency (EMA) am 18. September 2014 die Zulassung für das Arzneimittel Zydelig (Wirkstoff Idelalisib) für folgende Anwendungsgebiete erteilt (die zum besseren Verständnis des Folgenden vom Senat durchnummeriert wurden):

Zydelig wird in Kombination mit Rituximab zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) angewendet:

die mindestens eine vorangehende Therapie erhalten haben (Anwendungsgebiet 1), oder

als Erstlinientherapie bei Vorliegen einer 17p-Deletion oder einer TP53-Mutation bei Patienten, die für eine Chemoimmuntherapie ungeeignet sind (Anwendungsgebiet2).

Zydelig wird als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit follikulärem Lymphom (FL), das refraktär gegenüber zwei vorausgegangenen Therapielinien ist, angewendet (Anwendungsgebiet3).

Das Arzneimittel wird mit den Wirkstoffmengen 100 mg und 150 mg pro Darreichungsform (Filmtablette) abgegeben.

Mit Telefax vom 24. September 2014 informierte die Informationsstelle für Arzneispezialitäten GmbH (IFA) im Auftrag der Beigeladenen zu 1) über die Neuausbietung von Zydelig. Am 15. Oktober 2014 wurde Zydelig in der Großen Deutschen Spezialitätentaxe (Lauer-Taxe) eingetragen. Das von der Beigeladenen zu 1) zeitgleich in Gang gesetzte Nutzenbewertungsverfahren nach § 35a SGB V schloss der Gemeinsame Bundesausschuss - GBA - (Beigeladener zu 2) am 19. März 2015 mit einem Beschluss ab, in dem er für das Anwendungsgebiet 2 und die Teilpopulation 1b (Patienten mit rezidivierender CLL, für die eine Chemotherapie nicht angezeigt ist) im Anwendungsgebiet 1 einen Anhaltspunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen feststellte und im Übrigen einen Zusatznutzen im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie wegen nicht vorgelegter Nachweise als nicht belegt ansah. Im Übrigen legte er u.a. folgende Daten zugrunde:

zweckmäßige VergleichstherapieAnzahl derinfrage kom-menden Pati-entenAnwendungsgebiet 1        2 000 - 7 500Teilpopulation 1aeine Chemotherapie in Kombination mit Rituximab nach Maßgabe des Arztes, unter Beachtung des Zulassungsstatus1        Teilpopulation 1bBest-Supportive-Care        Teilpopulation 1ceine patientenindividuelle, optimierte Therapie nach Maßgabe des Arztes, unter Beachtung des Zulassungsstatus        Teilpopulation 1dBest-Supportive-Care        Anwendungsgebiet 2Best-Supportive-Care200 - 300Anwendungsgebiet 3Best-Supportive-Care800 - 3 3001 zur Berechnung der Kosten dieser zweckmäßigen Vergleichstherapie wurden in diesem Beschluss "beispielhaft einige übliche Therapieschemata dargestellt".

JahrestherapiekostenPatientengruppezu bewertendesArzneimittelKostenzusätzlicher Zuschlagfür Herstellung einerzytostatikahaltigenparenteralenZubereitungTeilpopulation 1aIdelalisib +Rituximab93.802,17 €648 €         Zweckmäßige Vergleichstherapienzwischen 22.639,08 € und 28.541,50 €zwischen 486 € und 3 402 € 1                                Teilpopulation 1cIdelalisib +Rituximab +zusätzlich notwendige GKV-Leistungen93 881,48 €648 €         Zweckmäßige Vergleichstherapienzwischen334,30 € und 9.355,08 €zwischen 972 € und 3 402 € 2                                Teilpopulationen 1b, 1d,Anwendungsgebiet 2Idelalisib +Rituximab +zusätzlich notwendige GKV-Leistungen93 881,48 €648 €         zweckmäßige Vergleichstherapie (Best-Supportive-Care)patientenindividuell unterschiedlich                                        Anwendungsgebiet 3Idelalisib63 950,43 €                zweckmäßige Vergleichstherapie (Best-Supportive-Care)patientenindividuell unterschiedlich        1 für Bendamustin + Rituximab: 1.458 €2 für Bendamustin: 972 €

Nachdem die Preisverhandlungen zwischen der Beigeladenen zu 1) und dem klagenden Spitzenverband Bund der Krankenkassen gescheitert waren, rief letzterer die beklagte Schiedsstelle an (Schreiben vom 18. September 2015). Der Kläger beantragte auf der Grundlage einer Bezugsgröße von 1 mg einen Erstattungsbetrag je Bezugsgröße i.H.v. 0,32650 Euro, die Beigeladene zu 1) einen Erstattungsbetrag i.H.v. 140 Euro, wobei er als Bezugsgröße die je Packung nach Fachinformation enthaltene Menge an Tagesdosen (sowohl zweimal 100 mg als auch 2 x 150 mg Idelalisib) zugrunde legte. Je Packung resultiert daraus die Forderung nach einem Erstattungsbetrag i.H.v. 4.200.- €  (Beigeladene zu 1) bzw. 2.968, 56 € bzw. 1.979,04 € (Kläger).

Die Beklagte fasste aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2016 hinsichtlich der nicht konsentierten Punkte den Beschluss vom 20. Januar 2016, dem Kläger zugestellt am 22. Januar 2016, mit im Wesentlichen folgenden Inhalt:

2. § 2 Absatz 3 Satz 1 wird wie folgt gefasst:

,,(3) Bezugsgröße für die von dieser Vereinbarung umfassten Fertigarzneimittel ist die je Packung nach Fachinformation enthaltene Menge an Tagesdosen, wobei die Tagesdosis sowohl 2 mal 100 mg als auch 2 maI 150 mg Idelalisib betragen kann.”

3. § 2 Absatz 4 Satz 1 wird wie folgt gefasst:

,,(4) Der Erstattungsbetrag je Bezugsgröße beträgt ab dem 24.09.2015 EURO 130,00.”

4. § 2 Absatz 5 wird wie folgt gefasst:

,,(5) Die Abschläge nach § 130a Abs. 1 und 1a SGB V sowie die entsprechenden Abschläge gemäß § 1 AMRabattG bleiben von dieser Vereinbarung unberührt.”

5. Die in § 2 Abs. 6 vorgesehene Tabelle wird unter Beachtung der Bezugsgröße aus § 2 Abs. 3 wie folgt befüllt:

PZN     Betrag undEinheit derBezugsgröße...       Wirkstoff-menge proDarrei-chungs-formAnzahlBezugs-größenErstattungs-betrag jeBezugs-größein €Erstattungs-betrag proPackungin €10793378Menge anTagesdosen= 2mal 100 mg        100 mg30    130,003.900,0010793384Menge anTagesdosen2mal 150        150 mg30    130,003.900,00

Die Beklagte folgte i.Ü. bezüglich der Bestimmung der Bezugsgröße dem Antrag der Beigeladenen zu 1) und bezüglich der Frage, wann Zydelig erstmals in den Verkehr gebracht wurde (am 24. September 2015), dem Antrag des Klägers.

Zur Begründung des festgesetzten Erstattungsbetrags führte die Beklagte in ihrem Beschluss aus:

"Zwischen den beiden Seiten war wesentlich auch die Höhe des Erstattungsbetrages offen geblieben. Der Spitzenverband Bund beantragte, den Erstattungsbetrag unter Berücksichtigung der Ablösung der Herstellerrabatte so festzusetzen, dass hieraus Jahrestherapiekosten in Höhe von 33.992 € für Idelalisib resultieren. Der vom Spitzenverband Bund beantragte Betrag resultierte aus einer Aggregation der jeweils monetären Bewertungen für die 6 Teilpopulationen aus dem G-BA-Beschluss. Dabei berücksichtigte er, dass für vier der sechs Teilpopulationen der G-BA keinen Zusatznutzen zuerkannt hatte, sodass dort nach seiner Auffassung die Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapien zugleich die Obergrenze für die jeweiligen Teilerstattungsbeträge darstellten. Da zu berücksichtigen sei, dass ldelalisib im Anwendungsgebiet in Kombination mit Rituximab zu geben ist, seien dessen Kosten bei der Bildung der Obergrenze zu berücksichtigen, woraus sich teilweise in diesen Subgruppen negative Erstattungsbeträge ergäben, die als Entgegenkommen gegenüber G auf Null gesetzt worden wären. In den beiden Teilpopulationen mit Zusatznutzen folgte die Höhe der beantragten Teilerstattungsbetragshöhe, wie die Schiedsstelle in der mündlichen Verhandlung explizit erfragte, letztlich einer nicht-algorithmierenden Wertentscheidung. Wertenden Charakter hat auch die Festlegung von Anteilen der Patienten in den einzelnen Teilpopulationen von Anwendungsgebiet 1, die vom Spitzenverband Bund so vorgenommen wurde, dass ein bestimmter Erstattungsbetrag rechnerisch ausgewiesen werden konnte. In der Verhandlung demonstrierte der Spitzenverband Bund, dass bei Annahme anderer Verteilungen der Patientenzahlen über die Subgruppen wesentlich andere Erstattungsbeträge resultieren würden. In diese Wertentscheidung seien wesentlich die Preise vergleichbarer Arzneimittel, insbesondere von Ibrutinib, eingeflossen; eine Berücksichtigung der Stammzelltherapie als Therapiealternative müsse schon daher ausscheiden, weil diese kein Arzneimittel sei, die Rahmenvereinbarung jedoch nur von vergleichbaren Arzneimitteln spreche. Demgegenüber habe der Spitzenverband Bund die europäischen Vergleichspreise nicht berücksichtigt, weil der Hersteller seiner gesetzlichen Verpflichtung, die tatsächlichen Abgabepreise zu liefern, nicht nachgekommen sei. Auch in den Teilpopulationen mit Zusatznutzen sei zudem zu berücksichtigen, dass Idelalisib als Kombinationspräparat zugelassen ist; demgegenüber - so wurde in der mündlichen Verhandlung unter Bezug auf Auswertungen von Kassendaten von rund 200 Patienten (deren genaue Herkunft und Spezifizierung der Spitzenverband allerdings nicht nennen wollte) ausgeführt - werde das vergleichbare Arzneimittel Ibrutinib weit überwiegend in der Monotherapie abgegeben. Zu berücksichtigen sei auch, dass lbrutinib einen Zusatznutzen für alle Patienten zugebilligt bekommen habe.

Demgegenüber beantragte G, den Erstattungsbetrag so festzusetzen, dass hieraus (unter der Ablösefiktion der Rabatte, also bei Negierung der Tatsache, dass der Hersteller keine Ablösung beantragte) Jahrestherapiekosten in Höhe von 51.100 € resultieren. G leitete diesen Betrag summarisch aus der monetären Bewertung des Zusatznutzens, den Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapien, dem europäischen Preisniveau und den Kosten vergleichbarer Arzneimittel ab. G verweist insbesondere darauf, dass die Beschlüsse des G-BA zu den zweckmäßigen Vergleichstherapien und deren Kosten vom G-BA selber als exemplarisch und nicht vollständig verstanden würden; auch habe der G-BA in aktuellen Beratungen die Teilpopulationen und die ihnen zugeordneten zweckmäßigen Vergleichstherapien schon anders abgegrenzt, da offenbar auch dieser sein Vorgehen im Idelalisib-Fall als unbefriedigend ansehe und das Therapiegebiet im Fluss sei. G sieht den Einbezug der Stammzelltherapie in die zu berücksichtigenden Arzneimittel schon deswegen als geboten an, weil Stammzellen Arzneimittel seien; daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Transplantation der Stammzellen eine Behandlungsmethode und kein Arzneimittel sei. Die Berücksichtigung der Tatsache, dass alleine Idelalisib als Kombinationstherapie zugelassen sei, trage nicht der Versorgungswirklichkeit Rechnung, nach der auch das Vergleichsarzneimittel Ibrutinib in Kombination eingesetzt werde. Die Anwendung der Obergrenze der Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapien für Teilpopulationen sei rechtlich unzulässig, da diese Vorgabe nur für Arzneimittel gelte, die insgesamt keinen Zusatznutzen hätten, was hier aber nicht vorläge.

Die Monetarisierung des Ausmaßes des Zusatznutzens bedarf auf Basis des G-BA-Beschlusses zur Nutzenbewertung wertender Entscheidungen zur Zahlungsbereitschaft der gesetzlichen Krankenversicherung, die im Regelungsgefüge des AMNOG bei Nicht-Einigung der Vertragspartner der Schiedsstelle überantwortet sind. Hier sind arzneimittelindividuelle Wertentscheidungen zu treffen, die auch sozialgerichtlich materiell nicht nachzuprüfen sein dürften. Dass diese Wertentscheidungen nicht algorithmisch erfolgen, sondern den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung tragen sollen, hat der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialen explizit ausgeführt. Die Wertentscheidungen zur monetären Bewertung des Zusatznutzens müssen vor dem Hintergrund der Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie, der europäischen Vergleichspreise und der Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel getroffen werden, wobei das Gewicht dieser Faktoren wiederum ebenfalls nach Auffassung der Schiedsstelle nicht algorithmisch bestimmt sondern unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles entschieden werden sollte.

Dabei berücksichtigt die Schiedsstelle im vorliegenden Fall, dass nur Teile der Patientenpopulation vom G-BA mit einem Zusatznutzen beschieden worden sind. Im konkreten Fall trägt sie außerdem der Tatsache Rechnung, dass das vertragsgegenständliche Arzneimittel als Kombinationspräparat einzusetzen ist, was beim Vergleich mit den Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie und den Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel zu berücksichtigen ist; der Umfang, in dem während der Behandlung mit Idelalisib der Kombinationspartner einzusetzen ist, konnte allerdings nicht abschließend geklärt werden, zudem weicht die Versorgungspraxis offenbar von den Fachinformationen des Kombinationspartners teilweise erheblich ab. Die Frage, ob die Stammzelltherapie bei den Kosten vergleichbarer Arzneimittel zu berücksichtigen ist, bedurfte in diesem Falle schon deswegen keiner Entscheidung, weil der Spitzenverband Bund darlegen konnte, dass der Anteil der Patienten mit Stammzelltherapie im Anwendungsbereich des vertragsgegenständlichen Arzneimittels so gering ist, dass ihnen bei der Bildung eines Erstattungsbetrages volumenmäßig jedenfalls nur ein zu vernachlässigender Einfluss zukommen würde.

Die europäischen Vergleichspreise hat die Schiedsstelle im vorliegenden Falle nur sehr nachrangig berücksichtigt, auch weil sie den Eindruck gewinnen musste, dass der Hersteller seiner gesetzlichen Verpflichtung, die tatsächlichen Abgabepreise zu liefern, nur unzureichend nachgekommen ist; dabei ist der Schiedsstelle bewusst, dass deutsche Töchter internationaler pharmazeutischer Unternehmen nicht in allen Fällen die Höhe vertraulich von anderen Töchtern in anderen Ländern gegebenen Rabatten kennen.

Bei der Festsetzung des Erstattungsbetrages hat die Schiedsstelle auch berücksichtigt, dass - wie den Anträgen und Vorträgen beider Seiten zu entnehmen war - große Unsicherheiten über die Verteilung der Patientenpopulationen auf die Subgruppen und Anwendungsgebiete bestehen; sie geht davon aus, dass auf die Behandlung dieser schwerkranken Patienten spezialisierte Ärzte das vertragsgegenständliche Arzneimittel weit überwiegend in den Indikationen einsetzen, für die ein Zusatznutzen besteht.

Die Schiedsstelle hat auch reflektiert, dass zwar das vergleichbare Arzneimittel Ibrutinib im gesamten Anwendungsgebiet einen Zusatznutzen zuerkannt bekommen hat, Idelalisib hingegen nicht. Allerdings ist dies wesentlich der Tatsache zuzuschreiben, dass die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) für Ibrutinib einen Orphan Drug-Status festgelegt hat, für den der deutsche Gesetzgeber die Fiktion eines vorhandenen Zusatznutzens im gesamten Anwendungsgebiet vorgesehen hat. G habe hingegen, wie in der Schiedsverhandlung ausgeführt wurde, wegen anstehender Indikationserweiterungen von vorne herein auf die Beantragung eines Orphan Drug-Status bei der EMA verzichtet, obwohl dies für die hier zu entscheidende Erstindikation möglich gewesen wäre und dann - so der Hersteller - zu einem identischen Nutzenbewertungsbeschluss des G-BA geführt hätte. In der Schiedsstellenverhandlung wurde auch deutlich, dass jenseits des Orphan Drug-Status die Datenlage für Ibrutinib und Idelalisib auch im G-BA durchaus als vergleichbar eingeschätzt worden sei. Dafür spricht nach Einschätzung der Schiedsstelle auch, dass auch bei Ibrutinib der G-BA das Ausmaß des Zusatznutzens als nicht quantifizierbar eingeschätzt hat.

Die Schiedsstelle geht in Fortsetzung ihrer Spruchpraxis der jüngeren Zeit zudem davon aus, die Festsetzung des Erstattungsbetrages nicht nur im Rahmen des weiten Ermessens sachgerecht zu sein hat, sondern zugleich es der Intention des Gesetzgebers entspräche, dass auch ein fairer Interessenausgleich bewirkt werden solle: Einerseits soll das festzusetzende Reimbursement eine angemessene Würdigung der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit des pharmazeutischen Herstellers für Zydelig@ bewirken, andererseits ist den berechtigten Interessen der Versichertengemeinschaft nach bezahlbaren Arzneimittelpreisen Rechnung zu tragen.

Vor diesem Hintergrund hat die Schiedsstelle den Erstattungsbetrag so festgesetzt, dass sich für die Therapie mit Zydelig® unter der Fiktion der Ablösung der Herstellerrabatte Jahrestherapiekosten von rd. 44.650 € ergeben. Sie bleibt damit deutlich unter dem Antrag des pharmazeutischen Herstellers (51.100 €), allerdings bleibt sie zugleich deutlich oberhalb des Antrags des Spitzenverbandes Bund (33.992 €). Der Betrag liegt auch sehr deutlich unter den Jahrestherapiekosten des vergleichbaren Arzneimittels Ibrutinib in Höhe von 68.433 €.

Werden die genannten Jahrestherapiekosten angesetzt und zudem berücksichtigt, dass die Herstellerrabatte nicht abgelöst werden sollen, ergibt sich ein Erstattungsbetrag (bei Nicht-Ablöse) je Bezugsgröße in Höhe von 130 €. Dieser Betrag findet sich entsprechend in 2 Abs. 4 der Vereinbarung. Die Werte in der Tabelle in § 2 Abs. 6 der Vereinbarung ergeben sich entsprechend.

Die Schiedsstelle geht davon aus, dass diese Festsetzung sachgerecht, dem Interessenausgleich Rechnung trägt und in jedem Falle durch ihren Ermessensspielraum abgedeckt und insoweit rechtlich nicht angreifbar ist."

Seine am 16. Februar 2016 erhobene Klage hat der Kläger wie folgt begründet:

Er wende sich gegen die den Erstattungsbetrag betreffenden Regelungen des Schiedsspruchs, gehe aber davon aus, dass es sich bei dem Schiedsspruch um einen Einzelverwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X handele. Denn durch ihn würden mehrere Aspekte eines einheitlichen Nebensachverhaltes geregelt, die nur zusammen bestehen könnten. Dass es sich um einen einheitlichen und zusammengehörigen Lebenssachverhalt handele, ergebe sich aus dem Sinn und Zweck des Schiedsspruchs, der immer auch ein Kompromiss zwischen den Parteien darstelle, welcher nur im Ganzen bestehen könne.

Der Schiedsspruch sei aus mehreren Gründen offensichtlich rechtswidrig. Er lege Daten und andere Tatsachen zugrunde, zu denen er - der Kläger - nicht angehört worden sei. Der Schiedsspruch sei auch nicht ordnungsgemäß begründet worden, weil ihm nicht ansatzweise zu entnehmen sei, wie die Beklagte zu dem von ihr festgesetzten Erstattungsbetrag gekommen sei. Darüber hinaus weiche der Schiedsspruch von der gesetzlich vorgegebenen Bewertung ab und überschreite den Entscheidungsspielraum der Beklagten.

Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor der Beklagten sei die Bemessung des Erstattungsbetrages strittig gewesen. Uneinigkeit habe zu allen Kriterien bestanden, die bei der Bemessung des Erstattungsbetrages zu berücksichtigen oder zu beachten seien, insbesondere die Frage, wie sich der vom Beigeladenen zu 2) festgestellte Anhaltspunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen in lediglich zwei Teilpopulationen auf die Bemessung des Erstattungsbetrages auswirke. Strittig gewesen sei ferner die Höhe der Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie, die Höhe der tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern und deren Gewichtung nach Umsätzen und Kaufkraftparitäten. Die Beigeladene zu 1) habe weder die tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern vorgelegt noch die von ihr oder von den Konzerngesellschaften dort erzielten Umsätze dargelegt. Ferner habe nicht einvernehmlich geklärt werden können, welche Arzneimittel Zydelig vergleichbar im Sinne von § 130b Abs. 9 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 6 Abs. 4 der zwischen ihm - dem Kläger - und den Verbänden der pharmazeutischen Unternehmer geschlossenen Rahmenvereinbarung nach § 130b Abs. 9 SGB V (RahmenV) seien. Die Beklagte habe die Festsetzung des Erstattungsbetrages und der anderen noch offenen Punkte in der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2016 verkündet, den Schiedsspruch aber lediglich kurz begründet, so dass er - der Kläger - weder die Festsetzung noch die ihr zugrunde gelegten Tatsachen habe nachvollziehen können. Nachdem er nach Verkündung des Schiedsspruchs noch in der mündlichen Verhandlung den Vorsitzenden der Beklagten um eine nähere Begründung und eine Darstellung der Tatsachenbasis gebeten habe, habe dieser lediglich kurz sein "Rechentableau" gezeigt, dies aber nicht nachvollziehbar erläutert, sondern auf die nachfolgende schriftliche Begründung verwiesen. Auch in der Folgezeit habe die Beklagte eine nähere Begründung des Schiedsspruches abgelehnt.

Diverse Daten seien nicht in das Schiedsstellenverfahren eingeführt worden, so dass er - der Kläger - dazu auch nicht angehört worden sei. So gehe der Schiedsspruch davon aus, dass die Versorgungspraxis offenbar von den Fachinformationen des Kombinationspartners erheblich abweiche, ohne darzulegen, auf welche Daten er diese Feststellung oder Vermutung stütze. Soweit der Schiedsspruch ausführe, dass die europäischen Vergleichspreise nur nachrangig berücksichtigt worden seien, sei zu beachten, dass im gesamten Schiedsverfahren streitig gewesen sei, ob die europäischen Vergleichspreise überhaupt zu berücksichtigen seien. Weil die Beigeladene zu 1) die tatsächlichen europäischen Abgabepreise nicht geliefert habe, bleibe völlig offen, welche Preise die Beklagte denn nun konkret herangezogen habe. Die Gewichtung der tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern nach den jeweiligen Umsätzen werde von § 130b Abs. 9 Satz 3 vorgegeben und in § 6 Abs. 3 sowie Anlage 2 RahmenV umgesetzt. Unbekannt sei sowohl, welche Umsätze die Beklagte herangezogen habe, als auch eine zulässige aber zustimmungsbedürftige Abweichung von der in der RahmenV vorgesehenen Gewichtungsmethode. Die Beklagte erläutere auch nicht ihre Annahme, dass die Ärzte Zydelig weit überwiegend in den Indikationen einsetzen werde, für die nach dem Beschluss des Beigeladenen zu 2) ein Zusatznutzen bestehe. Denn Zydelig sei in jeder zugelassenen Indikation verschreibungs- und erstattungsfähig. Im Softwareprogramm der Ärzte tauche nicht auf, für welche Indikationen und Teilpopulation Zydelig einen Zusatznutzen habe. Darüber hinaus sei entgegen des Schiedsspruchs in den Schiedsstellenverhandlungen hinsichtlich der vergleichbaren Datenlage für Ibrutinib und Idelalisib nichts ausgeführt worden. Soweit die Beklagte ferner ausführe, dass das Reimbursement (der Erstattungsbetrag) eine angemessene Würdigung der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit bewirken solle, bleibe unklar, auf welche Daten hierzu die Beklagte sich gestützt habe. Ganz unabhängig hiervon sei die Berücksichtigung dieser Kosten unzulässig.

Der Schiedsspruch sei auch nicht hinreichend begründet, weil ihm nicht entnommen werden könne, wie die Beklagte unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben zu dem Erstattungsbetrag gelangt sei. Auf der Grundlage der Kriterien, die nach § 130b SGB V und § 5 Abs. 2 RahmenV bei der Bemessung des Erstattungsbetrages zu beachten und zu berücksichtigen seien, hätte der Schiedsspruch zumindest zu folgenden vier Punkten die Datengrundlage nennen, die rechtlichen Erwägungen darstellen und das Ergebnis dazu feststellen müssen:

-

die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie (jeweils differenziert nach den Patientengruppen);

-

den von der Wahrscheinlichkeit und vom Ausmaß des Zusatznutzens abhängigen Zuschlag auf die Jahrestherapiekosten der jeweiligen zweckmäßigen Vergleichstherapie;

-

die Zusammensetzung dieses Zuschlages anhand des Ausmaßes des Zusatznutzens (als maßgebliches Kriterium) und (daneben) die tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern sowie die Jahrestherapiekosten der vergleichbaren Arzneimittel;

-

Ausführungen, wie dem Umstand, dass Zydelig nur für zwei Teilpopulationen einen Zusatznutzen habe, Rechnung getragen worden sei.

Dem Schiedsspruch sei noch nicht einmal zu entnehmen, wie hoch der Zuschlag für den nicht quantifizierbaren Zusatznutzen in den beiden o.g. Teilpopulationen sei. Mitgeteilt werde vielmehr das bloße Ergebnis.

Hinsichtlich der europäischen Abgabepreise sei, wie sich dem Ergebnisprotokoll entnehmen lasse, zwischen den Parteien gerade kein abschließender Konsens über die Systematik zu den Gewichtungen erzielt worden - auch dies belege das Ergebnis das Ergebnisprotokoll -, da hinsichtlich des Vereinigten Königreichs, Schottland und Italien keine tatsächlichen Abgabepreise vorgelegen und hinsichtlich Finnlands, Spaniens und der Tschechischen Republik Uneinigkeit hinsichtlich des tatsächlichen Erstattungsbetrages bestanden hätten.

Der Schiedsspruch sei aber auch materiell rechtswidrig, weil er offenbar von einer Gleichrangigkeit der Preiskriterien ausgehe und Kriterien berücksichtige, die weder das Gesetz noch die Rahmenvereinbarungen vorsähen.

Ob die Beklagte die gesetzlichen und rahmenvertraglichen Vorgaben, wonach der im Beschluss des Beigeladenen zu 2) festgestellte Zusatznutzen das entscheidende Kriterium zur Festsetzung des Erstattungsbetrages sei, beachtet haben, könne mangels ausreichender Begründung nicht abschließend beurteilt werden. Die Ausführungen der Beklagten, wonach das Gewicht der Preiskriterien aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls zu bestimmen sei und die Höhe des von ihr festgesetzten Erstattungsbetrages sprächen dafür, dass sie dem Nutzenbewertungsbeschluss des Beigeladenen zu 2) nicht das maßgebliche Gewicht habe zukommen lassen.

Auch mit der gesonderten Würdigung der "Forschungs- und Entwicklungstätigkeit" überschreite die Beklagte ihren Beurteilungsspielraum. Denn die Preiskriterien seien im Gesetz und in der Rahmenvereinbarung abschließend aufgezählt. Diese sei somit kein eigenes Kriterium zur Festsetzung des Erstattungsbetrages, sondern vielmehr vom maßgeblichen Kriterium "Ausmaß des Zusatznutzens" erfasst. Denn die mehr oder weniger erfolgreiche Forschungs- und Entwicklungstätigkeit schlage sich im Ausmaß und in der Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens nieder.

Der Kläger beantragt,

die im Schiedsspruch der Beklagten vom 20. Januar 2016 enthaltenen Regelungen II.3 und II.5 aufzuheben.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und führt ergänzend aus:

Unter Heranziehung der vom Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe zur Überprüfung von Schiedsstellenentscheidungen nach § 89 SGB V sei wegen der gleichen Interessenlage auch bei Klagen gegen einen Schiedsstellenbescheid nach § 130b Abs. 4 Satz 5 SGB V von einer gerichtlich zu respektierenden Einschätzungsprärogative der Schiedsstelle auszugehen.

Hinsichtlich der Anhörung sei zweifelhaft, ob der Kläger als Körperschaft des öffentlichen Rechts sich unmittelbar und uneingeschränkt auf § 24 SGB X berufen könne. Im Übrigen dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich bei ihm nicht um einen "normalen, durchschnittlich informierten Bürger", wie ihn das Gesetz zugrunde lege, handele. Weil er - nach eigenen Angaben - an insgesamt 148 Erstattungsbetragsverhandlungen sowie in 18 Schiedsverfahren beteiligt gewesen sei, sei abstrakt betrachtet von einem veränderten Empfängerhorizont auszugehen. Die Verfahrens-abläufe, die Ermessenskriterien sowie die anzustellenden Erwägungen seien ihm bestens vertraut. Darüber hinaus seien ihm auch die besonderen Umstände und Probleme des konkreten Verfahrens und damit einhergehend die konsentierten Teile der Vereinbarung bekannt, unter anderem weil er als Mitgliedsorganisation des Beigeladenen zu 2) bereits an der (frühen) Nutzenbewertung von Zydelig beteiligt gewesen sei. Die Rechtsprechung verlange zum einen nicht, dass sämtliche Details im Schiedsverfahren thematisiert werden müssten, selbst wenn sie im Schiedsspruch Anklang gefunden hätten. Ausreichend sei, dass über den "wesentlichen", d.h. den grundlegenden Tatsachenstoff gesprochen worden sei. Maßgeblich sei insoweit die Sicht der Beklagten. Zum andern sei der Gegenstand der Anhörung auf Tatsachen beschränkt, d.h. innere oder äußere Vorgänge, die in der Gegenwart oder Vergangenheit lägen und dem Beweis zugänglich seien. Spätere, im Rahmen des Erlasses des Schiedsspruchs angestellte Wertungen müssten folglich nicht im Schiedsverfahren thematisiert werden.

Die klägerseitig gerügten Anhörungsmängel beträfen eigentlich die Begründung des Schiedsspruchs. Die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit der Beigeladenen zu 1) habe die Beklagte als Bemessungskriterium überhaupt nicht berücksichtigt, sondern nur - sozusagen causa colorandi - die Ziele des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) noch einmal in Erinnerung gerufen.

Mit den vom Kläger genannten vier Punkten fordere er der Sache nach nichts anderes als die exakte Darlegung des Rechenweges im Sinne eines Algorithmus. Damit fordere er aber entgegen § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X mehr als die dort genannten wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe. Der Gesetzgeber habe verhindern wollen, dass die preisliche Bewertung des Zusatznutzens einem festen Algorithmus folge. Da es sich um eine Werteentscheidung handele, gebe es zwangsläufig auch keine festen monetären Anteile für die einzelnen gesetzlichen Kriterien wie Zusatznutzen, europäische Preise oder Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel. Weil nach der Rechtsprechung des BSG der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis nur andeutungsweise erkennen lassen müsse, sei hier ein adressatenbezogener Begründungsumfang ausreichend. Dem habe sie - die Beklagte - entsprochen, weil sie sich ausweislich des Schiedsspruches "ausgiebig mit den von beiden Seiten vorgetragenen Argumenten und vorgelegten Materialien befasst" habe. Im Hinblick auf den Zusatznutzen nur in zwei Bereichen habe der Kläger die Auffassung vertreten, auch nur insoweit dürfe ein Erstattungsbetrag nach § 130b Abs. 9 SGB V festgesetzt werden, während im Übrigen Abs. 3 dieser Vorschrift zur Anwendung käme, d.h. die zweckmäßige Vergleichstherapie bilde die Obergrenze des Erstattungsbetrages. Demgegenüber sei die Beigeladene zu 1) der Auffassung gewesen, dass § 130b Abs. 3 SGB V nur anwendbar sei, wenn insgesamt kein Zusatznutzen vorliege. Da sich für beide Sichtweisen gute Argumente pro und contra finden ließen, habe sie - die Beklagte - sich für einen Mittelweg entschieden und an dem Modell der Beigeladenen zu 1) orientiert, aber in den Teilpopulationen ohne Zusatznutzen dieses Kriterium im Rahmen des Zuschlags mit "Null" bewertet, mithin diesen Preisanker unberücksichtigt gelassen. Um zu einem für beide Seiten interessen- und sachgerechten Ergebnis zu gelangen, habe sie hinsichtlich der europäischen Vergleichspreise einen Mittelweg gewählt bzw. bezüglich der Quantifizierung der Patientenpopulation einen eigenen Ansatz gewählt.

Selbst wenn der Schiedsspruch mangels ausreichender Begründung formell rechtswidrig ergangen wäre, wäre dies unbeachtlich, weil durch die nachträglich vertiefte Begründung jedenfalls eine Heilung des Formfehlers eingetreten wäre. § 130b SGB V kenne nur die Fallkonstellation von Arzneimitteln "mit" und "ohne" Zusatznutzen. Der Gesetzgeber hätte in den vergangenen Jahren nachsteuern können, wenn er das vom Kläger propagierte Modell eines Mischpreises unter partieller Anwendung von § 130b Abs. 3 SGB V in den Subpopulationen ohne Zusatznutzen für zutreffend erachten würde. Die Beklagte habe gleichwohl - wie bereits im Schiedsspruch ausgeführt - bei der Festsetzung des Erstattungsbetrages berücksichtigt, dass nur Teile der Patientenpopulation mit einem Zusatznutzen beschieden worden sein. Dies resultiere allerdings nicht aus einer Anwendung von § 130b Abs. 3 SGB V, sondern aus einer Abwägung, die nicht algorithmisiert erfolgt sei und die die Besonderheiten des Einzelfalles bei dem Therapiegebiet berücksichtigte. Ohne dass rechtliche Verpflichtung hierzu bestünde, dürfe sie - die Beklagte - im Rahmen ihrer Abwägung zum Ergebnis kommen, dass es in den Subpopulationen ohne Zusatznutzen nicht zu einer Erhöhung der Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie komme, weil auch ohne eine solche Erhöhung ein angemessener Erstattungsbetrag für die Gesamtpatientenpopulation gegeben sei . Bei der Ermittlung des Zuschlags sei sie wie folgt vorgegangen: In den Teilpopulationen mit Zusatznutzen habe sie den Preisanker "Zusatznutzen" monetär bewertet und mit den Kosten der jeweiligen zweckmäßigen Vergleichstherapie addiert, im Übrigen jedoch diesen Preisanker mit "Null" angesetzt, d.h. der fehlende Zusatznutzen sei preismindernd zum Tragen gekommen. Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Quantifizierung der Patientenpopulationen habe sie sodann einen (vorläufigen) "Gesamtpreis" über alle Anwendungsgebiete hinweg errechnet. Bei der weiteren Ermittlung des Erstattungsbetrages hätten die Preisanker "europäische Abgabepreise" und "vergleichbare Arzneimittel" Berücksichtigung in den Teilpopulationen sowohl mit als auch ohne festgestellten Zusatznutzen gefunden. Diesen "Gesamtpreis" habe sie vor dem Hintergrund tatsächlicher Abgabepreise in anderen europäischen Ländern betrachtet und sei im Rahmen ihrer Abwägung zum Ergebnis gekommen, dass dieser angemessen sei und keiner Korrektur nach oben oder unten bedürfe. Auch wenn sie der Forderung des Klägers, das Kriterium "tatsächliche europäische Abgabepreise" gänzlich zu streichen, nicht habe folgen können, habe sie gleichwohl berücksichtigt, dass ihr die von der Beigeladenen zu 1) mitgeteilten tatsächlichen europäischen Abgabepreise weniger verlässlich erschienen. Deshalb habe sie diese nicht mit einem festen prozentualen Anteil in den Erstattungsbetrag einfließen lassen, sondern sie lediglich im Zuge einer Angemessenheitskontrolle (Plausibilisierung des ermittelnden Preises = zweckmäßige Vergleichstherapien ggf. zzgl. Zusatznutzen) berücksichtigt und sich zudem an der untersten Grenze der Spanne des europäischen Durchschnittspreises (zwischen 3.962,38 Euro und 4.773,30 Euro) orientiert, wie er von der Beigeladenen zu 1) mitgeteilt worden sei. Hinsichtlich des Kriteriums "Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel" habe sie auf Ibrutinib abgestellt, das von beiden Seiten als vergleichbares Arzneimittel angesehen worden sei. Bei der Ermittlung der Jahrestherapiekosten für Ibrutinib habe sie die Kosten für den Kombinationspartner Rituximab mindernd berücksichtigt, weil Zydelig überwiegend (Anwendungsgebiete 1 und 2) als Kombinationspräparat eingesetzt werde. Sie gehe davon aus, dass sie beim Vergleich mit den Jahrestherapiekosten des vergleichbaren Arzneimittels nicht generell verpflichtet sei, die Kosten des Kombinationspartners abzuziehen. Hier sei dies unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der Besonderheiten des Therapiegebietes sachgerecht. Beim Vergleich der so ermittelten Jahrestherapiekosten mit dem "Gesamtpreis" sei sie wiederum zum Ergebnis gelangt, dass sich der "Gesamtpreis" im Preisniveau der Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel widerspiegele und sie folglich bereits einen angemessenen Preis gebildet habe.

Weil der Beschluss des Beigeladenen zu 2) in den Teilpopulationen 1a und 1c zweckmäßige Vergleichstherapien und die entsprechenden Jahrestherapiekosten lediglich beispielhaft und damit nicht abschließend aufgezählt habe, entfalte er insoweit keine vollumfängliche Bindungswirkung und eröffne einen partiellen Gestaltungsspielraum, den sie bei der Wahl der zweckmäßigen Vergleichstherapien und deren Jahrestherapiekosten berücksichtigt habe, indem sie dessen Festlegungen als Orientierungspunkt angesehen habe. Für die übrigen Teilpopulationen habe der Beigeladene zu 2) - wie es in seiner Nutzenbewertungspraxis häufiger vorkomme - als zweckmäßige Vergleichstherapie "Best-Supportive-Care" festgesetzt und somit auf rein unterstützende Therapien (Linderung der Symptome, palliativ, schmerzlindernd) zurückgegriffen, weil es an kurativen Alternativtherapien fehle. Bei der Bemessung habe sie sich von den genannten supportiven Therapien leiten lassen, die auch vom Kläger herangezogen worden seien und letztlich auf die von der Beigeladenen zu 1) im Rahmen ihres Dossiers in das Verfahren eingeführten Wirkstoffen beruhten. Gleichzeitig habe sie dem nachvollziehbaren Einwand der Beigeladenen zu 1) Rechnung zu tragen, indem sie der ausschließlich unterstützenden Wirkung von Best-Supportive-Care durch eine angemessene Bewertung des Zusatznutzens von Zydelig sowie eine entsprechende (erhöhte) Gewichtung dieses Preisankers nachgekommen sei.

Soweit sie - die Beklagte - beim Vergleich mit den Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie und den Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel die Kosten für das Kombinationspräparat (Rituximab) von Zydelig mindernd berücksichtigt habe, habe sie in ihre Berechnung auch mit einfließen lassen, dass der Umfang, in dem Rituximab als Kombinationspartner eingesetzt werde, nicht abschließend habe geklärt werden können. Im Ergebnis sei daher kein ausnahmsloser Abzug der Kosten für den Kombinationspartner erfolgt.

Bei der Monetarisierung des vorrangig berücksichtigten Kriteriums des Zusatznutzens habe sie umfassend gewürdigt, dass der Beigeladene zu 2) in seinem Beschluss in zwei Teilpopulationen einen nicht quantifizierbaren und somit auf der niedrigsten Wahrscheinlichkeitsstufe stehenden Zusatznutzen gesehen habe und sich in der Nutzenbewertung in beiden Patientengruppen bei den wichtigen Bereichen "Mortalität" und "Morbidität" statistisch signifikante Vorteile gezeigt hätten. Sie habe aber auch dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich bei der zweckmäßigen Vergleichstherapie um Best-Supportive-Care, mithin um rein unterstützende Therapien, handele, während Zydelig kurative Ansätze biete.

Auch wenn nach dem Beschluss des Beigeladenen zu 2) eine Aufteilung der für das Anwendungsgebiet 1 festgestellten Patientenzahl (2.000 bis 7.500) auf die von ihm gebildeten Teilpopulationen nicht möglich sei, müssten der Berechnung des Erstattungsbetrages konkrete Zahlen zugrunde gelegt werden. Sie - die Beklagte - habe versucht, auch die Versorgungsrealität möglichst weitgehend abzubilden. Ihre Annahme, dass Zydelig von Ärzten tendenziell in den Indikationen eingesetzt werde, für die ein Zusatznutzen festgestellt worden sei, beruhe nicht auf der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie e.V. (DGHO), sondern auf folgenden Überlegungen: Als hochspezialisierter Arzt sei der Onkologe regelmäßig bestrebt, primär das Präparat mit einem bestehenden Zusatznutzen einzusetzen. Diese Annahme lasse sich nicht genauer belegen, entspreche jedoch einer widerlegbaren Vermutung, weil anderenfalls die Sinnhaftigkeit des gesamten Nutzenbewertungsverfahrens in Frage stehe. Auch werde wegen des Wirtschaftlichkeitsgebots jedem Arzt die Kenntnis abverlangt, für welche Indikation ein Zusatznutzen bestehe. Weil derzeit eine Rechtsunsicherheit bestehe, ob bei einem Mischpreis eine Wirtschaftlichkeit im Sinne von § 12 SGB V für alle zugelassenen Anwendungsgebiete anzunehmen sei und der Arzt sich deshalb einer Regressgefahr aussetze, sei der im Schiedsspruch gefasste Schluss gerechtfertigt, dass Zydelig überwiegend in Indikationen mit anerkanntem Zusatznutzen eingesetzt werde.

Eine weitergehende Begründungspflicht, insbesondere eine Verpflichtung zur Offenlegung des Rechenwegs, bestehe nicht. Weil die Schiedsstelle unter freier Würdigung aller Umstände des Einzelfalles entscheide und dabei die Besonderheiten des jeweiligen Therapiegebietes berücksichtige (§ 130b Abs. 4 Satz 2 SGB V), lägen die Gewichtung der Kriterien, deren Bedeutung für den Erstattungsbetrag und damit implizit auch deren Bepreisung im Rahmen des Gestaltungsspielraums der Schiedsstelle. Insoweit handele es sich um eine gerichtlich nicht überprüfbare Werteentscheidung, so dass eine diesbezüglich "fehlende" Begründung nicht das Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG -) verletze. Denn selbst das Begründungserfordernis nach § 35 SGB X diene nicht dem Zweck, alles zu erfahren, was die Schiedsstelle wisse.

Selbst wenn eine Verpflichtung zur Offenlegung des Rechenweges bestünde, sei der Kläger mit dieser Rüge jedenfalls nach § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 295 Zivilprozessordnung (ZPO) präkludiert. Diese Präklusionsregelung gelte nicht nur im sozialgerichtlichen Verfahren, sondern auch im sozialrechtlichen Schiedsverfahren. Eine Offenlegung des Rechenweges habe der Kläger jedoch weder bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2016 noch mit seinem anschließenden Schreiben vom 5. Februar 2016 eingefordert.

Der Schiedsspruch sei auch materiell rechtmäßig. Mit dem Schiedsstellenverfahren habe der Gesetzgeber ein Instrument gewählt, mit dem er nicht die gerichtliche Rechtsfindung, sondern seinem Wesen nach die gütliche Einigung bzw. Schlichtung in den Vordergrund stelle, die auf einen "billigen Ausgleich" der widerstreitenden Standpunkte abziele. Folglich stelle der Schiedsspruch - ebenso wie die zu ersetzende Vereinbarung der Vertragsparteien - seiner Natur nach einen Interessenausgleich durch ein sachnahes unabhängiges Gremium dar und habe insoweit Kompromisscharakter. Sie - die Beklagte - habe in ihrer Rolle als "Interessenmittler" lediglich unter Beachtung der rechtlich zwingenden Vorgaben die Interessen der Versichertengemeinschaft und des pharmazeutischen Unternehmens in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Nach dem Gesetzgeber des AMNOG sei das Ziel mithin die Vereinbarung eines "angemessenen" und fairen (als Synonym für "Ausgleich der Interessen") Erstattungsbetrages. Den abstrakten Begriffen "angemessen" und "fair" wohne in hohem Maße ein subjektives Moment inne, welches wiederum eine Grauzone bedinge. Der Gesetzgeber denke mithin vom Ergebnis her und räume den Vertragsparteien respektive der Schiedsstelle zur Erreichung dieses Ziels einen weiteren Spielraum ein. § 130b Abs. 4 Satz 2 SGB V sei nachträglich in das Gesetz aufgenommen worden und zudem in anderen Normen, die ebenfalls die Regelung eines Schiedsverfahrens zum Gegenstand hätten, nicht einmal andeutungsweise enthalten. Deshalb sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber der Schiedsstelle nach § 130b Abs. 4 SGB V einen besonders weitreichenden Gestaltungsspielraum einräume. Wo die Rechtsordnung normiere (z. B. § 278, § 286 ZPO, § 108 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -, § 261 Strafprozessordnung - StPO -), dass "unter freier Würdigung aller Umstände" oder in vergleichbarer Weise zu entscheiden sei, eröffne sie dem Rechtsanwender einen weitreichenden Bewertungsspielraum. Seine Würdigung müsse "lediglich" vollständig und rechtlich möglich sein und dürfe nicht gegen Natur-, Denk- und Erfahrungsgesetze verstoßen. Innerhalb dieser Grenzen gäbe es keine festen Regeln darüber, welchen Umständen im Einzelfall das ausschlaggebende Gewicht beizumessen sei. Der Rechtsanwender sei mit anderen Worten von festen Bewertungs- und Gewichtungsregeln entbunden. Hieraus lasse sich ein Regel-Ausnahme-Prinzip ableiten. In der Regel seien die gesetzlich vorgeschriebenen Kriterien allesamt und umfassend zu berücksichtigen. Jedoch könne die Schiedsstelle - mit Ausnahme der Festlegungen im Beschluss des GBA - hiervon abweichen, sofern sie dies für geboten halte. Inhaltliche Vorgaben oder Orientierungsmaßstäbe, ob und wie sie von dieser Entscheidungsmacht Gebrauch machen könne bzw. dürfe, sehe das Gesetz gerade nicht vor. In dieser Hinsicht werde der Schiedsstelle freie Hand gelassen. Dieses Normverständnis spiegle sich auch in der im Schrifttum vertretenen Auffassung, wonach die im SGB V und in der RahmenV enthaltenen Kriterien keinen Ausschließlichkeitscharakter hätten. Eine strikte Befolgung der RahmenV sei gesetzlich nicht vorgegeben. Sie - die Schiedsstelle - verfüge folglich über eine Gestaltungsfreiheit in dreifacher Weise: Zum einen bei der inhaltlichen Festlegung des Erstattungsbetrages, zum andern, soweit es um die Abwägung der entgegenstehenden Interessen und deren Ausgleich gehe. Schließlich habe sie einen Beurteilungsspielraum bei Gesetzesbegriffen, die komplexe Gegebenheiten beträfen (z.B. europäische Abgabepreise). Zwar solle mithilfe der Nutzenbewertung nach § 35a SGB V der Zusatznutzen bei der Vereinbarung resp. Festsetzung des Erstattungsbetrages in den Vordergrund gerückt werden, so dass in der Regel der Zusatznutzen als stärkstes Kriterium zu gewichten sei. Allerdings seien Fallkonstellationen denkbar, in denen sich die Gewichtungsfaktoren annäherten, um nicht zu sagen, glichen. Es bestehe mithin ein Regel-Ausnahme-Prinzip. Rechtlich werde ihr - der Beklagten - weder das "Ob" noch das "Wie" der Berücksichtigung des Preiskriteriums "europäische Abgabepreise" vorgegeben. Das Kernproblem bestehe bei den europäischen Abgabepreisen bekanntermaßen darin festzustellen, welches die tatsächlichen Abgabepreise in verschiedenen europäischen Ländern seien. Deren Feststellung sei generell "schwierig bis unmöglich", weil die entsprechenden Daten - auch wegen bestehender Geheimhaltungspflichten - nicht ohne weiteres verfügbar seien. Zwar sei im vorliegenden Schiedsverfahren der Eindruck entstanden, dass die von der Beigeladenen zu 1) mitgeteilten Preise weniger verlässlich seien, aber auch der Kläger habe auf explizite Nachfrage keinerlei preisliche Näherungen in Form von Schätzungen vornehmen können. Der Begriff "europäische Abgabepreise" sei ein unbestimmter Rechtsbegriff, so dass ein Beurteilungsspielraum bestehe. Die Kriterien "europäische Abgabepreise" und "vergleichbares Arzneimittel" habe sie - die Beklagte - deshalb nur in Form eines Abwägungsprozesses in die Berechnung einbezogen, weil sie im System der Nutzenbewertung und der Monetarisierung des Zusatznutzens ein "Fremdkörper" seien und in keinem Zusammenhang zueinander stünden. Beide Preisanker ließen (allenfalls) inputorientierte Schlüsse hinsichtlich der Angemessenheit des Erstattungsbetrages zu, wer die Nutzenbewertung des Beigeladenen zu 2) dem patientenrelevanten Zusatznutzen anhand der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin ermittelten. Im Übrigen reflektierten die tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern kaum den Nutzen eines Arzneimittels.

Auch die Beigeladene zu 1) hält die angefochtene Entscheidung, in der Begründung weitgehend identisch mit der Beklagten, für zutreffend und führt ergänzend aus: Die allgemeinen Prinzipien des SGB X ließen sich auf den Schiedsspruch der Beklagten, auch wenn er einen Verwaltungsakt darstelle, nur eingeschränkt anwenden, weil das Schiedsverfahren eine Reihe von Besonderheiten aufweise, die in § 130b SGB V und der Geschäftsordnung (GO) der Beklagten speziell geregelt seien. Diese seien im Hinblick auf § 37 SGB I vorrangig.

Ein Anhörungsfehler liege nicht vor. Schon nach der Klagebegründung seien offensichtlich alle auch aus Sicht des Klägers relevanten Punkte im Schiedsverfahren angesprochen worden. Da nur sie - die Beigeladene zu 1) - europäische Abgabepreise benannt habe, könnten auch nur diese von der Beklagten zugrunde gelegt worden seien. Darüber hinaus habe mit dem Kläger Einigkeit bestanden, dass nicht nach Umsätzen, sondern nach Einwohnerzahlen zu gewichten sei. Soweit der Kläger eine rechnerische Herleitung des Erstattungsbetrages fordere, verhalte er sich widersprüchlich, weil auch er selbst keine strikt mathematische Herleitung betrieben habe. Für sie - die Beigeladene zu 1) - sei Ibrutinib der entscheidende Preisanker, weil

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Ibrutinib und Idelalisib beides Kinase-I-Inhibitoren seien und neue Wirkmechanismen aufwiesen;

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beide Wirkstoffe im Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten im Anwendungsbereich der CLL eine identische Zulassung gehabt hätten;

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beiden Wirkstoffen durch den Beigeladenen zu 2) ein Zusatznutzen im Anwendungsgebiet der CLL zugesprochen worden sei und nur die formale "Orphan-Drug-Designation" von Ibrutinib dazu geführt habe, dass durch den Beigeladenen zu 2) in der ersten Nutzenbewertung vom 16. April 2015 keine teilpopulationsbezogene Differenzierung stattgefunden habe;

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beide Wirkstoffe sofort nach der Markteinführung in die Behandlungsleitlinie der Fachgesellschaft aufgenommen worden seien und sich an den gleichen Stellen im Behandlungspfad fänden;

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beide Wirkstoffe von den nationalen und internationalen Fachkreisen als Therapiedurchbruch eingeschätzt würden.

Der Beigeladene zu 2) stellt keinen Antrag äußert sich nicht in der Sache.

Nach Klageerhebung wurden die zugelassenen Anwendungsgebiete von Zydelig wiederholt geändert. Die Zulassungsentscheidung vom 23. März 2016 sah als Anwendungsgebiet vor (Änderungen hier hervorgehoben):

Zydelig wird in Kombination mit Rituximab zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) angewendet:

die mindestens eine vorangehende Therapie erhalten haben (siehe Abschnitt 4.4 der Fachinformation), oder

zur Fortsetzung der Therapie bei Patienten mit einer 17p-Deletion oder einer TP53-Mutation, die für eine Chemoimmuntherapie ungeeignet waren und bei denen bereits eine Erstlinientherapie mit Zydelig initiiert wurde (siehe Abschnitt 4.4 der Fachinformation).

Zydelig wird als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit follikulärem Lymphom (FL), das refraktär nach zwei vorausgegangenen Therapielinien ist, angewendet (siehe Abschnitt 4.4 der Fachinformation).

Seit den Zulassungsentscheidungen vom 15. und 19. September 2016 lauten die Anwendungsgebiete (Änderungen hier hervorgehoben):

Zydelig wird in Kombination mit einem monoklonalen anti-CD20-Antikörper (Rituximab oder Ofatumumab) zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) angewendet:

die mindestens eine vorangehende Therapie erhalten haben (siehe Abschnitt 4.4), oder

als Erstlinientherapie bei Vorliegen einer 17p-Deletion oder einer TP53-Mutation bei Patienten, für die keine anderen Therapien geeignet sind (siehe Abschnitt 4.4).

Zydelig wird als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit follikulärem Lymphom (FL), das refraktär nach zwei vorausgegangenen Therapielinien ist, angewendet (siehe Abschnitt 4.4).

Der Beigeladene zu 2)) nahm die o.g. Zulassungsentscheidung vom März 2016 zum Anlass, die Angaben zur zweckmäßigen Vergleichstherapie und zur Anzahl der infrage kommenden Patienten in seinem Nutzenbewertungsbeschluss vom 19. März 2015 wie folgt zu fassen (Änderungen hier hervorgehoben):

zweckmäßige VergleichstherapieAnzahl derinfrage kom-menden Pati-entenAnwendungsgebiet 1        2.000 - 7.500Teilpopulation 1aeine patientenindividuelle, optimierte Chemotherapie in Kombination mit Rituximab nach Maßgabe des Arztes, unter Beachtung des Zulassungsstatus, bevorzugt in Kombination mit Rituximab sofern angezeigtca. 1.500 - 5.600Teilpopulation 1bIbrutinib oder Best-Supportive-Careca. 500 - 1.900Anwendungsgebiet 2Ibrutinib oder Best-Supportive-Care (entsprechend der bereits initiierten Therapie)200 - 300

Die Zulassungsentscheidungen vom September 2016 griff der Beigeladene zu 2) in zwei Beschlüssen vom 16. März 2017 auf und ging hierbei davon aus, dass für den Einsatz von Idelalisib in Kombination mit Ofatumumab kein Zusatznutzen belegt sei. U.a. ergaben sich folgende Änderungen (Änderungen hier hervorgehoben) und Ergänzungen:

für den Einsatz inKombination mitRituximab

zweckmäßige Vergleichstherapie

Anzahl derinfrage kom-menden Pati-enten

Anwendungsgebiet 2

Ibrutinib oder Best-Supportive-Care (entsprechend der bereits initiierten Therapie)

10 - 30

für den Einsatz inKombination mitOfatumumabzweckmäßige VergleichstherapieAnzahl derinfrage kom-menden Pati-entenAnwendungsgebiet 1                Teilpopulation 1aeine patientenindividuelle, optimierte Chemotherapie in Kombination mit Rituximab nach Maßgabe des Arztes unter Beachtung des Zulassungsstatus, bevorzugt in Kombination mit Rituximab sofern angezeigtca. 1.500 - 5.600Teilpopulation 1bIbrutinib oder Idelalisib in Kombination mit Rituximab oder Best-Supportive-Careca. 500 - 1.900Anwendungsgebiet 2Best-Supportive-Care10 - 30

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Schiedsspruch vom 20. Januar 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten.

A. Die Klage ist zulässig.

I. Statthaft ist die (isolierte) Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG; vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. März 2015, L 1 KR 499/14 KL ER, zitiert nach juris, dort Rdnr. 29; vgl. auch BSG, Urteil vom 4. März 2014, B 1 KR 16/13 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 21). Denn der angefochtene Schiedsspruch ist gegenüber den Partnern der Erstattungsvereinbarung, die durch den Schiedsspruch ersetzt wird, ein Verwaltungsakt i.S.v. § 31 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Das belegt auch § 130b Abs. 4 Satz 5 SGB V, wonach Klagen gegen Entscheidungen der Schiedsstelle keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. Luthe in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 02/17, § 130b Rdnr. 73, 75; Baierl in jurisPK SGB V, 2. Aufl., § 130b Rdnr. 133, 178; von Dewitz in Beck'scher Online-Kommentar Sozialrecht, Stand 1. März 2017, § 130b SGB V Rdnr. 30;Armbruster in Eichenhofer/ Wenner, SGB V, 2. Aufl., § 130b Rdnr. 74). Der GKV-Spitzenverband ist als Partner der Erstattungsvereinbarung klagebefugt (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Ein vorheriges Widerspruchsverfahren war nach § 130b Abs. 4 Satz 6 SGB V nicht durchzuführen. Die Klagefrist von einem Monat (§ 87 Abs. 1 Satz 1 SGG) ist mit Klageerhebung am 16. Februar 2016 gewahrt.

II. In der Sache richtet sich der Anfechtungsantrag des Klägers allein gegen den festgesetzten Erstattungsbetrag (einschließlich der hiermit zwangsläufig verbundenen anderen Gegenstände des Schiedsspruchs, z.B. der "Befüllung" der Tabelle in dessen Ziff. 5). Insoweit ist der Schiedsspruch trennbar und isoliert anfechtbar, weil er mehrere Regelungen i.S.v. § 31 Satz 1 SGB X beinhaltet.

Eine solche Regelung ist gegeben, wenn die Erklärung der Behörde darauf gerichtet ist, unmittelbar durch ihren Inhalt Rechte oder Pflichten eines anderen Rechtssubjektes zu begründen, aufzuheben, inhaltlich zu ändern oder festzustellen (BSG, Urteile vom 31. Januar 2012, B 2 U 12/11 R, und vom 25. Januar 2011, B 5 R 14/10 R; jeweils juris). Vor diesem Hintergrund kann auch ein Schiedsspruch, selbst wenn er mehrere Aspekte eines einheitlichen Lebenssachverhalts "regeln" will, mehrere Regelungen (Verfügungssätze) i.S.v. § 31 SGB X umfassen (vgl. BSG, Urteile vom 4. März 2014, B 1 KR 16/13 R, und vom 16. Juli 2003, B 6 KA 29/02 R; anders für einen Sonderfall im Sozialhilferecht: BSG, Urteil vom 23. Juli 2014, B 8 SO 3/13 R; jeweils juris). Jede dieser Regelungen kann grundsätzlich isoliert angefochten werden, wenn der Schiedsspruch im Übrigen, d.h. auch ohne die angegriffene Regelung, sinnvoll Bestand haben kann.

Im vorliegenden Fall traf die Schiedsstelle insgesamt vier Regelungen: zur Bezugsgröße, zum Erstattungsbetrag, zum Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens (§ 130b Abs. 3a Satz 2 SGB V) und zur Beibehaltung anderer Abschläge (§ 130b Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 130a Abs. 8 Satz 4 SGB V). Diese Regelungen sind - mit einer Ausnahme - jeweils eigenständig und könnten auch bei Wegfall der anderen sinnvoll Bestand haben. Nur wenn die Bezugsgröße angefochten wäre, hinge davon auch der Erstattungsbetrag je Packung ab. Da der Kläger aber nach eigenem Vorbringen nur den Erstattungsbetrag angreifen will, bedarf es keiner Anfechtung des gesamten Schiedsspruchs. Der Antrag, diesen nur hinsichtlich des festgesetzten Erstattungsbetrags aufzuheben, entspricht daher dem klägerischen Begehren. Ein weitergehender Antrag wäre unzulässig.

B. Die Klage ist auch begründet. Der Schiedsspruch ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten.

I. Maßgeblich ist insoweit die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung - hier: 14. Januar 2016 -, weil eine (isolierte) Anfechtungsklage statthafte Klageart ist (BSG, Urteil vom 1. Oktober 2009, B 3 KS 4/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 12). Von dieser bloßen "Faustregel" (BSG, Urteil vom 23. Juni 2016, B 14 AS 4/15 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 11; Urteil vom 22. Oktober 2014, B 6 KA 3/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 41) ist abzuweichen, wenn das letztlich ausschlaggebende materielle Recht dies gebietet (BSG, jeweils a.a.O.). Im vorliegenden Fall existieren keine Hinweise, dass die nach dem angefochtenen Schiedsspruch eingetretenen Rechtsänderungen, insbesondere durch das Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV (GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz, AMVSG) vom 4. Mai 2017 (BGBl. I, S. 1050), sich auch auf bereits getroffene Schiedsstellenentscheidungen auswirken sollen. Nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts kommt die Anwendung anderer Vorschriften als derjenigen, die im Jahr nach dem erstmaligen Inverkehrbringen (§ 130 Abs. 3a Satz 2 SGB V) gegolten haben, nur dann in Betracht, wenn dies gesetzlich ausdrücklich angeordnet ist (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 2014, B 6 KA 3/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 43). Hinzu kommt, dass bei der Überprüfung von Entscheidungen, in denen - wie hier - der Behörde ein Gestaltungsspielraum zukommt und die mit der reinen Anfechtungsklage angefochten werden, maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage stets der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ist, weil das Gericht seine eigenen Erwägungen und neuere Erkenntnisse nicht an die Stelle derjenigen der Verwaltung setzen darf (BSG, Urteil vom 23. Juni 2016, B 14 AS 4/15 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 13 [zum Ermessensspielraum]).

II. Die Beklagte hatte daher bei dem streitgegenständlichen Schiedsspruch die folgende (vor Inkrafttreten des AMVSG geltende) Rechtslage zu beachten:

Nach § 130b Abs. 1 SGB V vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit pharmazeutischen Unternehmern im Benehmen mit dem Verband der privaten Krankenversicherung auf Grundlage des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 3 SGB V mit Wirkung für alle Krankenkassen Erstattungsbeträge für Arzneimittel, die mit diesem Beschluss keiner Festbetragsgruppe zugeordnet wurden. Weiter gehende materielle Vorgaben für die Kriterien, anhand derer der Erstattungsbetrag zu vereinbaren ist, enthält das Gesetz in § 130b Abs. 3 SGB V für Arzneimittel, die nach dem Beschluss des GBA nach § 35a Abs. 3 SGB V keinen Zusatznutzen haben und keiner Festbetragsgruppe zugeordnet werden können: Für diese ist ein Erstattungsbetrag zu vereinbaren, der nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führt als die nach § 35a Abs. 1 Satz 7 SGB V bestimmte zweckmäßige Vergleichstherapie; sind nach § 35a Abs. 1 Satz 7 SGB V mehrere Alternativen für die zweckmäßige Vergleichstherapie bestimmt, darf der Erstattungsbetrag nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führen als die wirtschaftlichste Alternative. Damit soll das von dem am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG, BGBl. I S. 2262) verfolgte Ziel erreicht werden, die Versorgung mit Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen zu angemessenen Kosten sicherzustellen. Zu diesem Zweck soll über den Erstattungsbetrag bewirkt werden, dass neue Arzneimittel ohne Zusatznutzen keine Mehrkosten gegenüber der Vergleichstherapie entstehen lassen (Gesetzesbegründung vom 6. Juli 2010, BT-Drs. 17/2413, S. 31). Grundlegend ergibt sich dieses Erfordernis aus § 12 Abs. 1 SGB V; danach dürfen Krankenkassen keine Leistungen übernehmen, die unwirtschaftlich sind. Die Jahrestherapiekosten der Vergleichstherapie bilden somit eine rechtliche Obergrenze (vgl. zu dieser Konstellation den Beschluss des Senats vom 10. Mai 2016, L 9 KR 513/15 KL, juris [Mirabegron]).

Weniger abschließende Regelungen enthält § 130b SGB V dazu, woran sich die Vereinbarung des Erstattungsbetrages für ein Arzneimittel orientieren soll, das nach dem Beschluss des GBA nach § 35a Abs. 3 SGB V einen Zusatznutzen aufweist. Nach § 130b Abs. 1 Satz 1 SGB V ist der Erstattungsbetrag "auf der Grundlage des Beschlusses des GBA über die Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 3 SGB V" zu vereinbaren.

Die Einzelheiten überantwortet der Gesetzgeber den am Vertragsschluss Beteiligten: Nach § 130b Abs. 9 Satz 1 SGB V treffen der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer auf Bundesebene eine Rahmenvereinbarung über die Maßstäbe für Vereinbarungen nach § 130b Abs. 1 SGB V (im Folgenden: Rahmenvereinbarung). Darin legen sie insbesondere Kriterien fest, die neben dem Beschluss nach § 35a SGB V und den Vorgaben nach § 130b Abs. 1 SGB V zur Vereinbarung eines Erstattungsbetrags heranzuziehen sind (Satz 2). Für Arzneimittel, für die der GBA nach § 35a Abs. 3 SGB V einen Zusatznutzen festgestellt hat, sollen die Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel sowie die tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern gewichtet nach den jeweiligen Umsätzen und Kaufkraftparitäten berücksichtigt werden (Satz 3). In der Rahmenvereinbarung nach Satz 1 ist auch das Nähere zu Inhalt, Form und Verfahren der jeweils erforderlichen Auswertung der Daten nach § 217f Abs. 7 SGB V und der Übermittlung der Auswertungsergebnisse an den pharmazeutischen Unternehmer sowie zur Aufteilung der entstehenden Kosten zu vereinbaren (Satz 4). Bei der Rahmenvereinbarung handelt es sich um einen Normenvertrag, der Verbindlichkeit gegenüber den beiden Vertragsparteien der Vereinbarung nach Absatz 1 und gegenüber der Schiedsstelle nach Absatz 4 besitzt (Axer in: Becker/Kingreen, SGB V, Gesetzliche Krankenversicherung, Kommentar, 4. Auflage, 2014, § 130b SGB V, RdNr. 26).

Die Rahmenvereinbarung regelt in §§ 5 und 6 dementsprechend Kriterien für die Ermittlung des Erstattungsbetrages: Nach § 5 Abs. 2 wird der Erstattungsbetrag bei einem Arzneimittel, das einen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie aufweist, "durch einen Zuschlag auf die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie" vereinbart. Der Zuschlag richtet sich "unter freier Würdigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Therapiegebietes nach dem im Beschluss des GBA festgestellten Ausmaß des Zusatznutzens (§ 5 Abs. 7 Nr. 1 bis 3 AM-NutzenV) und einer Berücksichtigung der sonstigen Kriterien in § 6". Kriterien zur Vereinbarung des Erstattungsbetrages sind nach § 6 der Rahmenvereinbarung "insbesondere der Beschluss des GBA über die Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 3 SGB V mit den darin getroffenen Feststellungen gemäß § 20 Abs. 3 des 5. Kapitels der Verfahrensordnung des GBA" sowie das vom pharmazeutischen Unternehmer erstellte Dossier nach § 35a Abs. 1 Satz 3 SGB V, die von dem pharmazeutischen Unternehmer mitgeteilten tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern und die Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel.

Welche Feststellungen der GBA in seinem Nutzenbewertungsbeschluss nach § 35a Abs. 3 SGB V trifft, ist sowohl in der AM-NutzenV als auch im 5. Kapitel der auf § 91 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB V beruhenden Verfahrensordnung des GBA geregelt. Dort bestimmt § 20 Abs. 3, dass der GBA auf der Grundlage der Nutzenbewertung "mit dem Beschluss nach § 35a Abs. 3 SGB V Feststellungen in der Arzneimittel-Richtlinie zur wirtschaftlichen Verordnungsweise des Arzneimittels" trifft, "insbesondere zum Zusatznutzen des Arzneimittels im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie, zur Anzahl der Patienten bzw. Abgrenzung der für die Behandlung in Frage kommenden Patientengruppen, zu Anforderungen an eine qualitätsgesicherte Anwendung und zu den Therapiekosten auch im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie". Gemäß § 5 Abs. 7 Nr. 1 bis 3 AM-NutzenV quantifiziert der GBA den angenommenen Zusatznutzen eines Arzneimittels als "erheblich", "beträchtlich" oder "gering".

Dem Beschluss des GBA über die Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 3 SGB V kommt als Teil der Arzneimittel-Richtlinie (§ 35a Abs. 3 Satz 6 SGB V) normative Wirkung zu, die die an der Preisbildung Beteiligten gemäß § 91 Abs. 6 SGB V ebenso bindet wie - sofern sie angerufen wird - die Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V. Die Genannten haben im Rahmen der Preisvereinbarung oder -festsetzung keine Kompetenz, den Nutzenbewertungsbeschluss des GBA inhaltlich zu überprüfen oder zu verwerfen, auch nicht im Rahmen einer bloßen Evidenzkontrolle. Dies liefe dem Normcharakter der Arzneimittel-Richtlinie zuwider, führte zu nicht hinnehmbaren Unsicherheiten in der praktischen Handhabung der normativen Vorgaben und missachtete die Regel, dass zur Normverwerfung im gewaltengeteilten Rechtsstaat ausschließlich die Gerichte zuständig sind (andeutungsweise anders insoweit: LSG Berlin-Brandenburg, 1. Senat, Beschluss vom 22.Mai 2014, L 1 KR 108/14 KL ER, zitiert nach juris, dort Rdnr. 118f.). Einer Rechtmäßigkeitsprüfung unterliegt der Nutzenbewertungsbeschluss, der nach § 35a Abs. 8 Satz 1 SGB V nicht gesondert anfechtbar ist, allein in einem gerichtlichen Verfahren, dessen Gegenstand in einer Überprüfung des durch Schiedsstellenentscheidung festgesetzten Erstattungsbetrages besteht.

III. 1. Ein nach § 130b Abs. 4 SGB V ergangener Schiedsspruch unterliegt nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Er stellt seiner Natur nach einen Interessenausgleich durch ein sachnahes und nicht weisungsgebundenes Gremium dar. Mit der paritätischen Zusammensetzung, ständigen unparteiischen Mitgliedern und dem Mehrheitsprinzip (vgl. § 130b Abs. 5 Satz 2 SGB V) ist bezweckt, die Fähigkeit des Spruchkörpers zur vermittelnden Zusammenführung unterschiedlicher Interessen und zu einer sachgerechten Entscheidungsfindung zu nutzen. Dabei wird die Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V allerdings nicht etwa wie ein privater Schlichter tätig, der, ungebunden von rechtlichen Maßstäben, nach einem freien Kompromiss suchen kann (vgl. hierzu schon Beschluss des Senats vom 10. Mai 2016, L 9 KR 513/15 KL ER, zitiert nach juris, dort Rdnr. 45 [Mirabegron, kein "freies Aushandeln"]. Die Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V nimmt vielmehr Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr. Sie besitzt Behördeneigenschaft im Sinne von § 1 Abs. 2 SGB X (vgl. Luthe, a.a.O., Rdnr. 74; Baierl, a.a.O., Rdnr. 178). Denn das Schiedsverfahren ist ein Verwaltungsverfahren nach § 8 SGB X, weil es auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet ist. Deshalb gelten für die Schiedsstelle auch die Regelungen für die Durchführung von Verwaltungsverfahren, insbesondere der Untersuchungsgrundsatz nach § 20 SGB X, die Anhörungsrechte der Beteiligten nach § 24 SGB X und die Pflicht zur Begründung des Verwaltungsaktes nach § 35 SGB X, soweit § 130b SGB V oder die Rahmenvereinbarung hiervon keine abweichenden Bestimmungen enthält. Denn in den anderen Büchern des Sozialgesetzbuches ergeben sich für den vorliegenden Fall keine Abweichungen (§ 37 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I -). Die Schiedsstelle ist daher unmittelbar der Gesetzesbindung nach Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes unterworfen.

In diesem Rahmen besitzt die Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V bei ihren Entscheidungen einen gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbaren Gestaltungsspielraum. Der Senat prüft (lediglich) die Wahrung rechtsstaatlichen Verfahrens und die Einhaltung des für den Erstattungsbetrag geltenden materiell-rechtlichen Rahmens. Mit anderen Worten: In formeller Hinsicht ist zu prüfen, ob die Schiedsstelle den von ihr zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs ermittelt hat und ihr Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lässt. Die materiell-rechtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der vom Schiedsspruch zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob die Schiedsstelle den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, d.h. insbesondere die maßgeblichen rechtlichen Vorgaben beachtet hat, die auch für die Verfahrensbeteiligten gelten (zu den entwickelten Maßstäben für Schiedsentscheidungen vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2015, B 6 KA 20/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 26; Urteil vom 25. März 2015, B 6 KA 9/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 58; Urteil vom 13. November 2012, B 1 KR 27/11 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 27; Urteil vom 17. Dezember 2009, B 3 P 3/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 69; Urteil vom 14. Dezember 2000, B 3 P 19/00 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 22; s.a. Beschluss des Senats vom 10. Mai 2016, L 9 KR 513/15 KL, zitiert nach juris, dort Rdnr. 29 [Mirabegron]).

Der Senat nimmt danach keine Kontrolle des Ergebnisses eines Schiedsspruchs vor, sondern überprüft sein gesetzmäßiges Zustandekommen auf der Grundlage seiner Begründung. Die sozialgerichtliche Fehlerkontrolle unterscheidet sich insoweit nicht grundsätzlich von der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte beim Vorhandensein von Beurteilungs- oder Ermessensspielräumen (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG sowie Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Aufl. 2017, Rdnrn. 28 und 31 zu § 54). Hat die Schiedsstelle den maßgeblichen Sachverhalt zutreffend ermittelt, die Bestimmungen des § 130b SGB V, des SGB X und der Rahmenvereinbarung bei seiner Entscheidung beachtet und diese nachvollziehbar begründet (vgl. § 35 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB X), ist der Schiedsspruch rechtlich nicht zu beanstanden.

2. Nach diesen rechtlichen Grundsätzen ist der angefochtene Schiedsspruch schon deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte den ihr durch das Gesetz eingeräumten Spielraum nicht eingehalten hat. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist sie eine nachvollziehbare Berechnung des Erstattungsbetrags schuldig geblieben. Damit hat sie ihre allein angefochtene Entscheidung, die Festsetzung des Erstattungsbetrags, nicht hinreichend begründet.

a. Hierbei kann der Senat offen lassen, ob die Ausführungen der Beklagten im gerichtlichen Verfahren überhaupt in zulässiger Weise die Begründung des Schiedsspruchs ergänzen konnten oder ob es sich insofern nicht um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen handelt (hierzu Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rdnrn. 35ff; Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, Rdnrn. 10ff; jeweils m.w.N.). Denn auch die Ausführungen in der Klageerwiderung genügen den gesetzlichen Anforderungen nicht.

b. Die Beklagte hat die Grenzen des ihr eingeräumten Gestaltungsspielraums verkannt. Trotz eingeschränkter gerichtlicher Überprüfung ist sie verpflichtet, diejenigen Tatsachen mitzuteilen, auf die sie ihre Entscheidung stützt. Denn dies sind die "wesentlichen" Gründe i.S.v. § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Im vorliegenden Fall fehlt es hieran, weil in keiner Weise nachvollziehbar ist, wie die Beklagte zu Jahrestherapiekosten von 44.650.- Euro - aus diesem Betrag hat sie offensichtlich den o.g. Erstattungsbetrag von 3.900.- Euro je Packung abgeleitet - gelangt. Die Offenlegung des Rechenweges ist - neben der Mitteilung der berücksichtigten Kriterien und deren Gewichtung - ein zentraler Baustein, um das Ergebnis der Beklagten nachvollziehen zu können. Nur dann ist ihre Entscheidung z.B. darauf zu überprüfen, ob sie die Gewichtung der mitgeteilten Kriterien auch zutreffend umgesetzt hat, aber auch, ob der Rechenweg frei von Rechenfehlern ist, die etwa aufgrund von Zahlendrehern und ähnlichen Versehen nie auszuschließen sind.

aa. Allerdings wurde im Gesetzgebungsverfahren (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften, Bundestags-Drs. 17/13770, S. 32) davon ausgegangen, die Rahmenvereinbarung determiniere die Entscheidung der Vertragspartner bzw. der Schiedsstelle nicht im Sinne eines konkret vorgegebenen Entscheidungsalgorithmus. Damit sollte jedoch lediglich zum Ausdruck gebracht werden, dass es gerade kein für alle Verfahren nach § 130b Abs. 1 SGB V detailliertes und einheitliches Entscheidungsmuster gebe, sondern vielmehr in jedem einzelnen Fall die gesetzlich und durch die RahmenV vorgegebenen Kriterien zu würdigen und zu gewichten sind. Würdigung und Gewichtung muss indes - dies verkennt die Beklagte - in einer nachvollziehbaren Weise erfolgen. Sieht das Gesetz als Inhalt eines Schiedsspruchs - wie im Falle des Erstattungsbetrags - die Festsetzung eines Zahlenwertes vor, zwingt das Gebot der nachvollziehbaren Begründung (s.o.) dazu, die zugrunde liegenden Rechenoperationen offen zu legen. Hiervon wird die Beklagte auch nicht durch die gesetzliche Vorgabe entbunden, sie entscheide unter freier Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und berücksichtige dabei die Besonderheiten des jeweiligen Therapiegebietes (§ 130b Abs. 4 Satz 2 SGB V, eingefügt mit Wirkung zum 13. August 2013 durch das Dritte Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 7. August 2013, BGBl. I, S. 3108).

bb. Abwegig ist die Rechtsauffassung der Beklagten, sie müsse auch im Rahmen der Begründung eines Schiedsspruchs nicht alles offen legen, was sie wisse. Die hier zugrunde liegende Vorstellung, eine Behörde wie die Beklagte dürfe auf "Geheimwissen" zurückgreifen, missachtet in besorgniserregender Weise rechtsstaatliche Grundsätze. Die Beklagte zählt nicht zu den Behörden, die aufgrund ihrer Aufgabenstellung zur Geheimhaltung verpflichtet sind (wie etwa die Strafverfolgungs- oder Verfassungsschutzbehörden). Insbesondere fehlt es an einer gesetzlichen Regelung, die eine Schiedsstelle zur Verwendung "geheimer" Informationen berechtigt. Dass die Verhandlungen und deren Vorbereitung einschließlich der Beratungsunterlagen und Niederschriften zur Vereinbarung des Erstattungsbetrages auch im Schiedsstellenverfahren vertraulich sind (§ 130b Abs. 4 Satz 7 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 SGB V), gilt nur gegenüber nicht am Verfahren beteiligten Dritten. Gegenüber den Verfahrensbeteiligten und dem Gericht muss die Schiedsstelle hingegen den gesamten dem Schiedsspruch zugrunde gelegten Tatsachenstoff einschränkungslos offenlegen.

cc. Die gesetzlichen Vorgaben des SGB X zur Begründung des Schiedsspruches gelten grundsätzlich uneingeschränkt auch für die Beklagte, weil sie - wie bereits dargelegt - im Rahmen des Schiedsverfahrens als Behörde i.S.v. § 1 SGB handelt und ein Verwaltungsverfahren i.S.v. § 8 SGB X durchführt. Der Verweis auf die Zulässigkeit abweichender Regelungen (§ 37 SGB I) verfängt schon deshalb nicht, weil weder die Beklagte noch die Beigeladene zu 1) eine konkrete Vorschrift aufgezeigt haben, die von den Vorgaben des SGB X abweicht. Der GO der Beklagten ist eine solche Vorschrift jedenfalls nicht zu entnehmen. Dahinstehen kann daher, ob eine Geschäftsordnung überhaupt Abweichungen von parlamentsgesetzlichen Bestimmungen vorsehen darf und ob es insoweit nicht einer spezialgesetzlichen Öffnungsklausel, z.B. im Wortlaut des § 130b SGB V, bedarf.

dd. Neben der Sache liegt auch der Einwand, der Kläger könne als Körperschaft des öffentlichen Rechts nur in eingeschränktem Umfang Verstöße gegen zwingendes Recht geltend machen. Das SGB X differenziert insoweit nicht danach, ob Betroffener eines Verwaltungsverfahrens bzw. Adressat eines Verwaltungsaktes eine natürliche Person oder ein Träger öffentlicher Gewalt sind. Lediglich auf Grundrechte könnte sich der Kläger nur begrenzt berufen. Eine Verletzung von Grundrechten des Klägers steht hier jedoch nicht im Raum.

ee. Der Kläger ist auch nicht mit den vorgebrachten Einwänden ausgeschlossen. Abgesehen von der Tatsache, dass der Senat der Klage nicht wegen der klägerseitig geltend gemachten Anhörungs- und formellen Begründungsmängel stattgibt, verkennt die Beklagte, dass das Gericht auf die ebenfalls erhobene, das materielle Recht betreffende Rüge, der Entscheidungsspielraum sei nicht eingehalten, den Schiedsspruch von Amts wegen (§ 103 SGG) vollumfänglich zu überprüfen hat.

ff. Mit der Forderung nach Offenlegung des Rechenweges greift der Senat nicht in den Gestaltungsspielraum der Beklagten ein. Abgesehen von der Einhaltung zwingender gesetzlicher Vorgaben, wie z.B. der primären Berücksichtigung des Nutzenbewertungsbeschlusses des Beigeladenen zu 2), überprüft das Gericht nicht die Richtigkeit des Ergebnisses, sondern nur, ob seine Herleitung bei Beachtung allgemeiner Beweisgrundsätze und Denkgesetze nachvollziehbar ist. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall im Einzelnen Folgendes:

(1) Ob die von der Beklagten zugrunde gelegten Jahrestherapiekosten von 44.650.- Euro zutreffend ermittelt wurden, kann der Senat nicht beurteilen. Ihre Ausführungen lassen nicht hinreichend erkennen, warum sie im Ergebnis ihrer Bewertung nicht zu Jahrestherapiekosten von z.B. 37.000.- oder 48.000.- Euro gelangt ist. Grund hierfür ist insbesondere der Umstand, dass die Beklagte ihren Ausgangswert, den sie offensichtlich "irgendwo" zwischen den von den Vertragspartnern genannten Jahrestherapiekosten (33.992.- bzw. 51.100.- Euro) gewählt hat, nicht mitteilt. Aufgrund dessen kann der Senat nicht einmal ausschließen, dass sie diesen Ausgangswert durch ein unwissenschaftliches Vorgehen wie Würfeln oder ein Losverfahren ermittelt hat.

Nach ihren Angaben hat die Beklagte bei der Ermittlung des Zuschlags auf die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie zunächst in den Teilpopulationen mit Zusatznutzen diesen als "Preisanker [...] monetär bewertet und mit den Kosten der jeweiligen zweckmäßigen Vergleichstherapie addiert". An dieser Stelle hätte die Beklagte zum einen darlegen müssen, auf welche Weise und mit welchem (Zwischen-)Ergebnis sie diesen "Preisanker monetär" bewertet hat, zum anderen, in welcher Höhe die Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie (hier: Best-Supportive-Care) berücksichtigt wurden, wenn diese doch nach dem Nutzenbewertungsbeschluss des Beigeladenen zu 2) patientenindividuell unterschiedlich hoch ausfallen. Sie darf hierbei grundsätzlich auf unwidersprochen gebliebene Daten zurückgreifen, die von den Verfahrensbeteiligten in das Schiedsstellenverfahren, sei es auch z.B. nur über einen Verweis auf das im Nutzenbewertungsverfahren vorzulegende Dossier, eingeführt wurden. Sie muss aber in der Begründung des Schiedsspruchs deutlich machen, dass sie hierauf zurückgegriffen hat und nicht etwa auf andere Daten, für die sie ein "Geheimhaltungsrecht" in Anspruch nimmt.

(2) Nicht zu beanstanden ist aus Sicht des Senats demgegenüber, dass die Beklagte bei der Ermittlung des Zuschlags berücksichtigt hat, dass Zydelig in den Teilpopulationen mit Zusatznutzen kurativ wirke, die zweckmäßige Vergleichstherapie hingegen nur supportiv. Auch dass die Beklagte die aus ihrer Sicht unsicheren Daten zu den europäischen Abgabepreisen nur im Wege einer Plausibilitätskontrolle berücksichtigt hat und im Ergebnis den bis dahin errechneten Betrag nicht erhöht hat, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.

IV. Unabhängig davon bestehen weitere rechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Schiedsspruchs.

1. Die Beklagte sah sich vor der tatsächlichen Situation, dass der GBA in seinem Nutzenbewertungsbeschluss zum neuen Wirkstoff Idelalisib die o.g. sechs Patientengruppen gebildet hatte, von denen er nur bei zweien (Teilpopulation 1b und Anwendungsgebiet 2) einen (nicht quantifizierbaren) Zusatznutzen erkannte. Die Unterscheidung nach einzelnen Patientengruppen ist in § 35a Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB V und Kapitel 5, § 18 Abs. 1 der Verfahrensordnung des GBA vorgesehen und begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Der pharmazeutische Hersteller hat danach in dem von ihm im Rahmen der Nutzenbewertung vorzulegenden Dossier auch Angaben zu machen zur "Anzahl der Patienten und Patientengruppen, für die ein therapeutisch bedeutsamer Zusatznutzen besteht". Auf dieser Grundlage soll ermittelt werden können, inwieweit die Versicherten quantitativ von dem fraglichen Arzneimittel profitieren können; die Anzahl der Patienten steht in Bezug zu dem zu ermittelnden therapierelevanten Nutzen (vgl. AMNOG, Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/2413, S. 20 r. Sp.).

2. Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte bei der Ermittlung des Erstattungsbetrages für den Wirkstoff Idelalisib zur Methode der "Mischpreisbildung" gegriffen. Allerdings hat er auch hierfür keine nachvollziehbare rechnerische Herleitung geliefert und somit auch insoweit seine Begründungspflichten (s.o. unter III.) verletzt.

3. Seine rechtlichen Bedenken gegen die so praktizierte Methode der Mischpreisbildung erhält der Senat für die hier gegebene Fallkonstellation auch im Lichte der Kritik, die die Eilentscheidung vom 1. März 2017 (L 9 KR 437/16 KL ER) nach sich zog (vgl. nur Stallberg, PharmR 2017, S. 212; Anders, A&R 2017, S. 80), aufrecht und stützt sie auf folgende Erwägungen:

a) Der von der Beklagten festgelegte Mischpreis führt zu nicht nutzenadäquaten Preisverzerrungen in den einzelnen Anwendungsbereichen bzw. Patientengruppen und damit zu nicht nutzengerechten Preisen (zu unkritisch insoweit Baierl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 130b SGB V Rdnr. 107). Er trägt damit nicht der vom Gesetzgeber mit dem AMNOG verfolgten Grundidee Rechnung, wonach der Preis eines Arzneimittels seinem Nutzen bzw. Zusatznutzen folgen solle. Vorliegend müssten auf die beiden Patientengruppen, für die der GBA einen Zusatznutzen erkannt hat, (hier unterstellt: beanstandungsfrei hergeleitete) Jahrestherapiekosten i.H.v. (93.881,48 € + 648 € =) 94.529,48 Euro entfallen. Isoliert betrachtet durften die (unterstellt: beanstandungsfrei hergeleiteten) Jahrestherapiekosten in anderen ohne Zusatznutzen gebliebenen Patientengruppen maximal (28.541,50 Euro + 1.458 Euro =) 29.989,50 Euro (Teilpopulation 1a, zweckmäßige Vergleichstherapie: Bendamustin + Rituximab) bzw. (9.355,08 Euro + 972 Euro =) 10.327,08 Euro (Teilpopulation 1c, zweckmäßige Vergleichstherapie: Bendamustin) betragen. Hinzu kommen patientenindividuell unterschiedliche Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie (Best-Supportive-Care) für die drei verbleibenden Patientengruppen. Dieses differenzierte Gefüge nivelliert ein Mischpreis, dem die Beklagte hier über alle sechs Patientengruppen Jahrestherapiekosten i.H.v. 44.650.- Euro zugrunde legte. Rechtswidrig ist dies, weil sich zumindest für die Teilpopulationen 1a und 1c Jahrestherapiekosten ergeben, die entgegen § 130b Abs. 3 Satz 1 SGB V höher sind als die Jahrestherapiekosten der jeweiligen zweckmäßigen Vergleichstherapie.

b) Auf der anderen Seite - aus der Warte des pharmazeutischen Herstellers - ist der als Mischpreis festgelegter Erstattungsbetrag nicht tragfähig, weil er durch die kostendämpfende Einbeziehung der Patientengruppen ohne Zusatznutzen niedriger ausfällt als notwendig. Dies verletzt Rechte des pharmazeutischen Herstellers.

c) Indem der Mischpreis dem Arzneimittel in der mit einem Zusatznutzen belegten Konstellation einen zu niedrigen und damit nicht nutzenadäquaten Preis beimisst, wird zugleich eine rechtswidrige Ausgangslage für künftige Nutzenbewertungen und Preisfestlegungen geschaffen: Wenn nämlich das Arzneimittel in der mit dem Zusatznutzen belegten Konstellation künftig als zweckmäßige Vergleichstherapie für einen neuen, nunmehr der Nutzenbewertung unterliegenden Wirkstoff fungieren sollte (zu einem solchen Fall: Beschluss des GBA vom 3. April 2014, BAnz AT 15. April 2014 B3, zum Wirkstoff Dabrafenib), würden die Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie vom GBA aufgrund der Auswirkungen des Mischpreises zu niedrig bemessen. Dies wiederum könnte den dann betroffenen pharmazeutischen Hersteller in seinen Rechten verletzen, der mangels eigener Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Preisfestlegung im früher durchgeführten Nutzenbewertungsverfahren hinnehmen muss, dass - gesetzgeberisch gewollt - der Preis seiner Neuentwicklung sich an den Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie orientieren muss.

Entsprechendes gilt zu Lasten der Krankenkassen, wenn der Mischpreis - wie unter a) dargestellt - rechtswidrig zu hoch festgesetzt wird.

4. Die aufgezeigten Probleme sprechen für das Erfordernis einer ergänzenden gesetzgeberischen Regelung zur Bildung eines Erstattungsbetrages in der Konstellation unterschiedlich nutzenbewerteter Patientengruppen. Denn die nach der derzeitigen defizitären Rechtslage praktizierte Mischpreisbildung begegnet nicht nur den beschriebenen gravierenden rechtlichen Bedenken. Zugleich handelt es sich um eine wesentliche Grundentscheidung, die die Finanzierbarkeit des Systems der GKV und Grundrechte des pharmazeutischen Herstellers betrifft (vgl. Stadelhoff, a.a.O., S. 283; Luthe in Hauck/Noftz, SGB V, Kommentar, Rdnr. 14 zu § 130b).

Jedenfalls müssten aber der GKV-Spitzenverband und die Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer auf Bundesebene (§ 130b Abs. 5 SGB V) die Rahmenvereinbarung nach § 130b Abs. 9 SGB V um Regularien zum "Ob" und "Wie" der Bildung eines Mischpreises erweitern. Die Rahmenvereinbarung in ihrer derzeitigen Fassung enthält für dieses praxisrelevante Problem keine Regelungen und wird daher der Vorgabe in § 130b Abs. 9 Satz 1 SGB V nicht gerecht, "Maßstäbe für die Vereinbarungen nach Absatz 1" zu bilden, was wiederum zur Entstehung von Rechtsstreitigkeiten wie der vorliegenden beiträgt, weil wesentliche Elemente der Preisbildung ungeregelt sind und "freihändig" gehandhabt werden. Nur mit einer solchen Regelung würde außerdem eine gleichmäßige Verwaltungspraxis der Schiedsstelle bei der Festsetzung von Mischpreisen und damit die Einhaltung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG gewährleistet.

V. Abschließend gibt der Senat zu bedenken:

1. Ein Mischpreis führt in einer Konstellation wie der vorliegenden für die vertragsärztliche Verordnungspraxis zu nicht unerheblichen Regressrisiken (vgl. Stadelhoff, a.a.O., S. 166-169). Eine vertragsärztliche Verordnung des Arzneimittels in den nicht mit einem Zusatznutzen versehenen Patientengruppen ist grundsätzlich zulässig, denn auch für diese Patientengruppen bzw. Indikationen ist es arzneimittelrechtlich zugelassen; allerdings ist der Mischpreis für diese Patientengruppen nicht nutzenadäquat, weil er, bedingt durch den oben dargestellten Vorgang der Preisbildung, rechnerisch über dem Preis der jeweiligen zweckmäßigen Vergleichstherapie liegt. Würden Vertragsärzte Idelalisib in den Teilpopulationen 1a, 1c und 1d bzw. im Anwendungsgebiet 3 verordnen, könnten sie sich unwirtschaftlich verhalten (§ 12 Abs. 1 SGB V) und der Gefahr eines Arzneimittelkostenregresses im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegen; der "global" als wirtschaftlich geltende Erstattungsbetrag kann im Einzelfall unwirtschaftlich sein (vgl. dazu Bauer u.a., IBES Diskussionsbeitrag, "Analyse und Beschreibung des AMNOG-Umsetzungsproblems in die Versorgungspraxis", Januar 2016, S. 8; Bickel in Arzneiverordnung in der Praxis, Heft 1 Januar 2016, "Frühe Nutzenbewertung nach AMNOG und Auswirkungen auf die Vertragsärzte", S. 43 [46]). Ein naheliegendes Regressrisiko besteht bei der Verordnung nutzenbewerteter Arzneimittel in den Bereichen ohne Zusatznutzen deshalb, weil durch die zweckmäßige Vergleichstherapie eine typischerweise kostengünstigere Behandlungsalternative besteht. Entsprechend dem Minimalprinzip als Ausfluss des Wirtschaftlichkeitsgebots ist mit dem geringstmöglichen Aufwand die erforderliche - ausreichende und zweckmäßige - Leistung zu erbringen, d.h. der Vertragsarzt ist bei zwei zur Behandlung einer bestimmten Gesundheitsstörung zur Verfügung stehenden, medizinisch gleichwertigen Therapieansätzen im Regelfall verpflichtet, den kostengünstigeren zu wählen; das Minimalprinzip ist grundsätzlich auch im Verhältnis zweier therapeutisch gleichwertiger, aber unterschiedlich teurer Arzneimittel zu beachten (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Februar 2016, B 6 KA 3/15 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 19; Urteil vom 13. Mai 2015, B 6 KA 18/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 37f.; Urteil vom 31. Mai 2006, B 6 KA 13/05 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 44; Urteil vom 20. Oktober 2004, B 6 KA 41/03 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 44; Urteil vom 3. Juli 2012, B 1 KR 22/11 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 14; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Oktober 2009, L 7 KA 131/06, zitiert nach juris, dort Rdnr. 52).

Gleichwohl bedarf es regelmäßig näherer normativer Konkretisierungen - etwa hinsichtlich der Verordnungsfähigkeit von bestimmten Arzneimitteln -, an denen der Arzt seine Behandlungsweise ausrichten kann. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der GBA gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V gehalten ist, eine Richtlinie für die Verordnung von Arzneimitteln zu beschließen, welche den in § 92 Abs. 2 SGB V niedergelegten detaillierten Vorgaben genügen müssen; hierzu gehören auch Regelungen, die dem Vertragsarzt eine Entscheidung über die Wirtschaftlichkeit einer Verordnung ermöglichen. Weiterhin muss der Arzt davor geschützt sein, dass eine nicht offensichtlich regelwidrige Behandlungsweise im Nachhinein auf der Grundlage ganz allgemeiner Erwägungen zu wirtschaftlichen Alternativen als fehlerhaft bewertet wird. Das schließt aber nicht aus, dass der Arzt in besonderen Konstellationen auch ohne entsprechende Konkretisierungen zur unmittelbaren Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots verpflichtet ist und aus dessen Nichtachtung Folgerungen gezogen werden dürfen. Mithin kann ein Vertragsarzt, insbesondere bei vorhandenen rechtskonformen Handlungsalternativen, die mit unterschiedlich hohen Kosten verbunden sind, auch ohne entsprechende Konkretisierung durch die Arzneimittel-Richtlinie verpflichtet sein, sich für die wirtschaftlichere Variante zu entscheiden (Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2015, B 6 KA 18/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 38).

Um offenkundig bestehenden Missverständnissen zu begegnen (vgl. nur das "Statement" des stellvertretenden Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 26. April 2017, http://www.kbv.de/html/2017_28482.php), weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, dass selbstverständlich die Wahl des teureren von zwei gleichwertigen Arzneimitteln nicht regressbehaftet sein kann, wenn es hierfür objektive medizinische Gründe gibt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Februar 2016, B 6 KA 3/15 R, zitiert nach juris, dort Rdnr.57), etwa wenn die Anwendung des kostengünstigeren Arzneimittels wegen Kontraindikationen oder unzumutbarer Nebenwirkungen ausgeschlossen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die Unwirtschaftlichkeit des teureren Arzneimittels mittels Verordnungsausschlusses oder -einschränkung in der Arzneimittel-Richtlinie "förmlich" festgestellt ist. Denn auch solcher Art ausgeschlossene Arzneimittel dürfen nach § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V "ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung" verordnet werden. Nach § 10 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Arzneimittel-Richtlinie genügt zur Begründung hierfür im Regelfall die Angabe der Indikation und gegebenenfalls die Benennung der Ausschlusskriterien für die Anwendung wirtschaftlicher Therapiealternativen in der Patientenakte (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 2. Juli 2014, B 6 KA 25/13 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 23). Nicht zuletzt deshalb weist der Senat auch darauf hin, dass Regressrisiken im Allgemeinen umso mehr minimiert werden können, je sorgfältiger ein Vertragsarzt den Verlauf und die medizinische Notwendigkeit der Pharmakotherapie dokumentiert.

Das Risiko eines Arzneikostenregresses könnte aber auch deshalb bestehen, weil nach Berichten aus der Praxis für einen Vertragsarzt nicht immer erkennbar sei, ob der Patient, für den das fragliche Arzneimittel verordnet werde, in eine Gruppe mit oder ohne Zusatznutzen falle. Dass das Ergebnis einer Nutzenbewertung, selbst wenn es vom GBA elektronisch publiziert wird, unter Vertragsärzten nicht flächendeckend bekannt sei, ist unerheblich, weil jeder Vertragsarzt die von ihm bei der Ausübung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit und somit auch bei Arzneimittelverordnung zu beachtenden rechtlichen Vorgaben (etwa Umfang der arzneimittelrechtlichen Zulassung, Rücknahme und Widerruf solcher Zulassungen, Verordnungsausschlüsse in der Arzneimittel-Richtlinie) kennen muss (§ 91 Abs. 6, § 95 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 82, § 83 SGB V) und sich im Regressfall nicht auf Unwissenheit berufen kann. Auf der anderen Seite wurden Vertragsärzte durch ihre Praxissoftware bislang offenkundig nur unzureichend über die Ergebnisse der Nutzenbewertung durch den GBA informiert (AMVSG-Entwurf, BT-Drs. 18/10208, S. 27). Darauf hat der Gesetzgeber des AMVSG insbesondere durch die Einfügung von § 35a Abs. 3a, § 73 Abs. 9 SGB V reagiert, was künftig zusätzlich zur Vermeidung von Regressrisiken beitragen dürfte.

2. Aufgefangen werden kann die beschriebene Problematik des Mischpreises jedenfalls in Einzelfällen durch Maßgaben, die der GBA seinen Beschlüssen zur Nutzenbewertung beifügt. Denn der GBA darf zur Klarstellung die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels in Bereichen ohne Zusatznutzen (wie hier in Patientengruppen a, b2, c und d) schon nach bisheriger Rechtslage auf der Grundlage von § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V einschränken oder ausschließen oder mit einem Therapiehinweis belegen. Die in § 92 Abs. 2 Satz 11 SGB V getroffene Regelung steht dem nicht entgegen. Danach kann der GBA "die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 oder durch die Vereinbarung eines Erstattungsbetrages nach § 130b hergestellt werden kann". Dieser Fall ist in einer Konstellation wie der vorliegenden grundsätzlich gegeben, denn die Wirtschaftlichkeit kann gerade nicht durch Bildung eines einheitlichen Erstattungsbetrages im Sinne eines Mischpreises für alle Patientengruppen hergestellt werden. Würde der GBA von seiner Befugnis Gebrauch machen, anlässlich der Nutzenbewertung die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels in Indikationen einzuschränken, für die kein Zusatznutzen erkennbar war, würde er die Bildung eines nutzengerechten Erstattungsbetrages erleichtern. Denn dieser müsste sich ausschließlich an derjenigen Indikation orientieren, für die der GBA einen Zusatznutzen zugebilligt hat.

Der im Beschluss des Senats vom 1. März 2017 (bei juris Rdnr. 54) enthaltene Hinweis auf die seinerzeit im Gesetzgebungsverfahren (AMVSG, Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 7. November 2016, BT-Drs. 18/10208, S. 9) befindliche Neuregelung eines § 35a Abs. 3 Satz 5 SGB V hat sich zwischenzeitlich erledigt. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung war insoweit die Regelung enthalten, dass der GBA im Rahmen des Nutzenbewertungsbeschlusses "eine Verordnungseinschränkung nach § 92 Abs. 1 Satz 1 beschließen (kann), soweit ein Zusatznutzen nicht belegt ist und die Verordnungseinschränkung zur Sicherstellung der Versorgung von einzelnen Patientengruppen erforderlich ist". Damit sollte ermöglicht werden, einen Erstattungsbetrag so zu vereinbaren, dass das Arzneimittel nur für eine bestimmte Patientengruppe verordnet wird (Gesetzesbegründung a.a.O., S. 26). Die weitere Gesetzgebungsgeschichte bestätigt die Auffassung des Senats zu den ohnehin bestehenden Kompetenzen des GBA: Zu der Neufassung des § 35a Abs. 3 Satz 5 SGB V kam es nicht, weil der Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages davon abriet (BT-Drs. 18/11449 vom 8. März 2017, S. 34). Dort heißt es:

"Die im Gesetzentwurf vorgesehene Änderung des Absatz 3 sollte der Klarstellung und Konkretisierung der Voraussetzungen dienen, unter denen der Gemeinsame Bundesausschuss eine Verordnungseinschränkung nach § 92 Absatz 1 Satz 1 mit dem Beschluss über die Nutzenbewertung und damit zeitgleich beschließen kann. Im Rahmen der öffentlichen Anhörung wurde deutlich, dass die beabsichtigte Klarstellung und Konkretisierung aber vielmehr zu der unzutreffenden Annahme führen könnte, eine Verordnungseinschränkung nach § 92 Absatz 1 Satz 1 sei grundsätzlich von einer Verordnungseinschränkung zum Zeitpunkt der Nutzenbewertung zu unterscheiden. Dies ist nicht der Fall.

Die ursprünglich vorgesehene Regelung ist entbehrlich. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann bereits nach § 92 Absatz 1 Satz 1 die Verordnung von Arzneimitteln wegen Unwirtschaftlichkeit einschränken oder ausschließen, wenn eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Diese Vorgaben sind ausreichend. (...)

Da § 92 Absatz 1 Satz 1 keinerlei Vorgaben zum möglichen Zeitpunkt einer Beschlussfassung macht und das geltende Recht auch sonst keine einschränkenden Regelungen hinsichtlich des Zeitpunkts eines solchen Beschlusses kennt, ist es dem Gemeinsamen Bundesausschuss nicht versagt, einen Beschluss über eine Verordnungseinschränkung zeitgleich mit dem Beschluss über die Nutzenbewertung zu fassen."

Allerdings wird der GBA allein die Problematik nicht vollständig auflösen können. Insbesondere steht einem zeitgleich mit der Nutzenbewertung veröffentlichten Beschluss über den Ausschluss oder die Einschränkung der Verordnungsfähigkeit bzw. über einen Therapiehinweis u.a. das in seiner Verfahrensordnung (4. Kapitel, § 5) vorgesehene Stellungnahmeverfahren entgegen. Hinzu kommt, dass der GBA nach derzeitiger Rechtslage nur berechtigt, aber nicht verpflichtet ist (§ 92 Abs. 1, Satz 1, 3. und 4. Halbsatz SGB V: "kann"; Satz 2: "soll"), bei (teilweiser) Unzweckmäßigkeit oder (teilweiser) Unwirtschaftlichkeit eines Arzneimittels einen Verordnungsausschluss, eine -einschränkung oder einen Therapiehinweis zu beschließen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2015, B 6 KA 18/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 48).

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

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