VG Berlin, Beschluss vom 10.05.2017 - 36 L 100.17
Fundstelle
openJur 2020, 35460
  • Rkr:

Bei der Besetzung einer Stelle einer Referentin/eines Referenten eines Bezirksamtsmitglieds in einem Berliner Bezirk gilt uneingeschränkt der Grundsatz der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG.Referenten von Bezirksamtsmitgliedern sind nicht mit Büroleitern, persönlichen Referenten oder Pressesprechern vergleichbar, bei denen auf ein besonderes Vertrauensverhältnis zur Hausleitung abgestellt werden kann.

Auch bei einem heterogenen Bewerberfeld aus Beamten, Angestellten im öffentlichen Dienst und Seiteneinsteigern darf der Dienstherr die dienstlichen Beurteilungen nicht außer Acht lassen und nur auf die Momentaufnahme eines Auswahlgesprächs abstellen. Er muss in diesen Fällen eine Vergleichbarkeit von dienstlichen Beurteilungen und qualifizierten Arbeitszeugnissen herstellen.

Ein erst nachträglich gefertigter Auswahlvermerk verletzt die Dokumentationspflicht des Dienstherrn und kann keine Grundlage mehr für die bereits zuvor getroffene Auswahlentscheidung sein.

Tenor

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt, den Beigeladenen vor Ablauf von zwei Wochen nach Bekanntgabe einer erneuten Entscheidung über die Auswahl für die Stelle eines Referenten oder einer Referentin der Dezernentin der Abteilung Weiterbildung, Schule, Kultur und Sport im Bezirksamt Treptow Köpenick von Berlin zu befördern bzw. im Statusamt zu ernennen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin konkurriert mit dem Beigeladenen um die ausgeschriebene Stelle einer Referentin/eines Referenten der Bezirksstadträtin für Weiterbildung, Schule, Kultur und Sport im Bezirksamt T... von Berlin.

Der Antragsgegner schrieb im Amtsblatt von Berlin vom 0... den streitgegenständlichen Dienstposten aus. Als vorläufige Bewertung sah er die Besoldungsstufe A11 bzw. die Entgeltgruppe E 10 vor. Das Anforderungsprofil enthielt die Formulierung "Neben der Qualifikation ist eine persönliche Eignung auf Grund des besonderen Vertrauensverhältnisses zur Bezirksstadträtin/dem Bezirksstadtrat unverzichtbar." Die Antragstellerin bewarb sich mit E-Mail vom 01. Januar 2017 und legte in dem Bewerbungsschreiben ihren beruflichen Werdegang dar. Mit der Antragstellerin und dem Beigeladenen bewarben sich insgesamt 13 Personen um die ausgeschriebene Stelle. Einige der Bewerber waren Beamtinnen oder Beamte, einige Angestellte im öffentlichen Dienst, wieder andere, wie der Beigeladene, bewarben sich als Seiteneinsteiger.

Am 18. Januar 2017 nahm die Serviceeinheit Personal und Finanzen beim Bezirksamt T... von Berlin eine Vorauswahl vor, hierbei wurden die fachlichen Anforderungen nach beruflichen Kenntnissen und Erfahrungen im Aufgabengebiet weiter differenziert. Daraufhin wurden vier Bewerberinnen und Bewerber, die nach Auffassung des Antragsgegners diese vertieften Kenntnisse und Erfahrungen nicht besäßen, vorab nicht berücksichtigt. Neun Bewerberinnen und Bewerber, zu denen die Antragstellerin und der Beigeladene gehörten, lud der Antragsgegner zu Auswahlgesprächen ein. Am 23. Januar und 02. Februar 2017 fanden diese Auswahlgespräche statt. Das Auswahlgespräch sah ein 40 minütiges Interview vor, in dem verschiedene Aufgaben an die Bewerberinnen und Bewerber gestellt wurden.

Mit E-Mail vom 03. Februar 2017 teilte die Serviceeinheit Personal und Finanzen dem Beigeladenen mit, dass er - wie ihm die Bezirksstadträtin schon gesagt habe - ausgewählt worden sei und bat ihn darum, schriftlich das Stellenangebot anzunehmen, was dieser unter dem 03. Februar 2017 tat. Mit E-Mail vom 03. Februar 2017 teilte die Serviceeinheit Personal und Finanzen auch der Antragstellerin mit, dass im Ergebnis des Profilabgleichs festgestellt worden sei, dass eine andere Bewerbung den geforderten Kriterien am meisten entspräche.

Am 08. Februar 2017 wurde ein Auswahlvermerk gefertigt, aus dem sich ergab, dass der Beigeladene mit 85% der erzielbaren Punkte am besten von seiner Eignung habe überzeugen können. Die Antragstellerin erreichte ein Ergebnis von 60%.

Am 17. Februar 2017 hat die Antragstellerin Klage zu dem Az. VG 36 K 101.17 erhoben mit dem Ziel, die Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 03. Februar 2017 zu erreichen. Ferner hat sie beantragt, dem Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung vorläufig zu untersagen, den hier streitgegenständlichen Dienstposten auf den Beigeladenen zu übertragen. Die Antragstellerin hält das Anforderungsprofil für unbestimmt, da es die Formulierung enthalte: "Neben der Qualifikation ist eine persönliche Eignung auf Grund des besonderen Vertrauensverhältnisses zur Bezirksstadträtin/ dem Bezirksstadtrat unverzichtbar." Damit löse sich der Antragsgegner von sachlichen Auswahlkriterien, sondern mache die Person der Bezirksstadträtin und deren Umgang und Arbeitsweise zum maßgeblichen Bezugspunkt der Auswahlentscheidung. Sie sieht ferner einen Verstoß gegen die Dokumentationspflicht darin, dass dem Beigeladenen schon am 03. Februar 2017 mitgeteilt worden sei, dass die Bezirksstadträtin ihm bereits "gestern" mitgeteilt habe, dass sie mit ihm zusammenarbeiten wolle. Die Auswahlentscheidung sei also mithin schon am 02. Februar 2017 getroffen worden, der Auswahlvermerk datiere aber erst unter dem 08. Februar 2017. Sie rügt, dass der für die Auswahlentscheidung maßgebliche Leistungsvergleich nicht anhand aktueller dienstlicher Beurteilung, sondern allein auf Grundlage des Auswahlinterviews vorgenommen worden sei. Auch die Auswahlgespräche seien nicht hinreichend dokumentiert.

Die Antragstellerin beantragt,

dem Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung vorläufig zu untersagen, den Beigeladenen vor Ablauf von zwei Wochen nach Bekanntgabe einer erneuten Entscheidung über die Auswahl für die zur Kennzahl 3... ausgeschriebene Stelle "Referent/-in der Dezernentin/ des Dezernenten der Abteilung Weiterbildung, Schule, Kultur und Sport" zu befördern bzw. in das Statusamt zu ernennen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dienstliche Beurteilungen und Arbeitszeugnisse hätten mangels Vergleichbarkeit beim Auswahlverfahren keine tragende Rolle spielen können. Die Bewerber seien von innerhalb und außerhalb des öffentlichen Dienstes gekommen. Die Bewerber hatten deshalb unterschiedlichste Aufgabengebiete. Die Beurteilungen könnten deshalb auf Grund der aus seiner Sicht asymmetrischen Bewerberlage nicht miteinander verglichen werden. Die Antragstellerin könne sich nicht auf die nicht erfolgte Heranziehung dienstlicher Beurteilungen berufen, da sie selbst gar keine dienstliche Beurteilung eingereicht habe. Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Mai 2016 bestreitet der Antragsgegner das Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Der Beigeladene könne in die Stelle eingewiesen werden, wenn später im Hauptsacheverfahren ein möglicher Bewährungsvorsprung ausgeblendet werde.

Der Beigeladene hat sich nicht geäußert und auch kein Antrag gestellt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die von dem Antragsgegner übersandten Verwaltungsvorgänge, nämlich den zweibändigen Auswahlvorgang, verwiesen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.

Das Gericht trifft gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - eine einstweilige Anordnung, wenn glaubhaft gemacht ist (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung - ZPO -), dass die Gefahr besteht, durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes könnte die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin (Anordnungsanspruch, hierzu 2.) vereitelt oder wesentlich erschwert werden oder dass die Regelung eines vorläufigen Zustands nötig ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden (Anordnungsgrund, dazu 1.).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

1.

Der Antragstellerin steht ein Anordnungsgrund gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 VwGO zur Seite. Vorliegend war der Antragsgegner zu verpflichten, die Stelle vorläufig nicht zu besetzen und der Antragstellerin darüber hinaus eine Frist von 14 Tagen nach erneuter Auswahl einzuräumen, um gegebenenfalls erneut um Rechtschutz nachzusuchen. Dies ist notwendig, aber auch ausreichend, um dem berechtigten Interesse der Antragstellerin an effektiver Rechtsschutzgewährung Rechnung zu tragen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Juni 2012 - OVG 6 S 49.11 -, EA, S. 20).

Die vom Antragsgegner getroffene Auswahlentscheidung für die Dienstpostenvergabe und die Übertragung des Dienstpostens vermögen die Rechtsstellung der Antragstellerin aus Art. 33 Abs. 2 GG bereits jetzt zu beeinträchtigen. Die Angreifbarkeit einer Dienstpostenvergabe aufgrund der damit verbundenen Vorwirkung im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem jüngsten Beschluss vom 21. Dezember 2016 (- BVerwG 2 VR 1.16 -, juris) wieder bestätigt und damit nach Auffassung der Kammer deutlich gemacht, dass durch den Beschluss vom 10. Mai 2016 (- BVerwG 2 VR 2.15 -, juris), auf den sich der Antragsgegner bezieht, die bisherige jahrzehntelange Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Vergabe von Beförderungsdienstposten nicht aufgegeben werden sollte (anders wohl noch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. Januar 2017 - OVG 4 S 40.16 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Juli 2016 - 4 S 1083/16 - juris; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 9. September 2016 - 1 B 60/16 - juris; VG Berlin, Beschluss vom 30. Juni 2016 - VG 7 L 112.16 - juris, Rn. 38; ablehnend dagegen OVG NRW, Beschluss vom 12. Juli 2016 - 6 B 487/16 - juris; jüngst VG Berlin, Beschluss vom 30. November 2016 - VG 26 L 183.16 -; VG Berlin, Beschluss vom 18. Januar 2017 - VG 5 L 251.16 -).

2.

Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Ihr steht ein Anspruch auf eine erneute (beurteilungsfehlerfreie) Entscheidung über ihre Bewerbung zu. Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners verletzt sie in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG.

Art. 33 Abs. 2 GG vermittelt Bewerbern ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl. Jeder Bewerber um das Amt hat einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur aus Gründen zurückweist, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind (Bewerbungsverfahrensanspruch). Als Anspruch auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl wird der Bewerbungsverfahrensanspruch auch erfüllt, wenn der Dienstherr die Bewerbung ablehnt, weil er in Einklang mit Art. 33 Abs. 2 GG einen anderen Bewerber für am besten geeignet hält (BVerwG, Urteil vom 04. November 2010 - BVerwG 2 C 16/09 - juris, Rn. 21 f.).

Die Auswahl zwischen den Bewerbern um ein Beförderungsamt bzw. einen Beförderungsdienstposten steht dabei grundsätzlich im Ermessen des Dienstherrn. Für die im Rahmen der Ermessensentscheidung vorzunehmende Bewertung der Bewerber nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung steht dem Dienstherrn - ähnlich wie bei dienstlichen Beurteilungen - eine Beurteilungsermächtigung zu. Die Entscheidung des Dienstherrn, welche Bewerber aufgrund ihrer Leistungen auszuwählen sind, ist als Akt wertender Erkenntnis gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich auf die Überprüfung zu beschränken, ob der Dienstherr den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachwidrige Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. November 2012 - BVerwG 2 VR 5.12 - juris, Rn. 23 ff. m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1981 - BVerwG 2 C 42/79 - juris, Rn. 19).

Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass das Prinzip der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG auch für die Auswahl einer Referentin oder eines Referenten einer Bezirksstadträtin gilt. Zwar ist für Funktionen von Pressesprechern, Büroleitern und persönlichen Referenten in der Rechtsprechung anerkannt, dass zulässigerweise das Auswahlkriterium eines besonderen Vertrauensverhältnisses zur Hausleitung im Anforderungsprofil vorgesehen werden kann (vgl. etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. September 2014 - 13 L 1227.14 -, Rn. 74, juris), am verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab des Art. 33 Abs. 2 GG ändert dies jedoch auch für derartige Funktionen nichts. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr als die Funktion einer Referentin oder eines Referenten einer Bezirksstadträtin nicht mit den Aufgaben eines persönlichen Referenten in einer politischen Stabstelle gleichzusetzen ist. Allein mit Hinweis auf eine persönliche Präferenz der Dezernentin kann die Auswahlentscheidung deshalb nicht begründet werden.

Die Auswahlentscheidung ist gemessen an den Maßstäben der Bestenauslese schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil sie dem vierzigminütigen Auswahlgespräch ein allein ausschlaggebendes Gewicht beigemessen und überhaupt nicht auf die dienstlichen Beurteilungen und Zeugnisse der Bewerberinnen und Bewerber zurückgegriffen hat. Der Antragsgegner durfte wegen der Heterogenität des Bewerberfeldes dem Auswahlgespräch zwar ein erhöhtes Gewicht beimessen, doch müssen auch in diesen Fällen die dienstlichen Beurteilungen und Zeugnisse in ausreichendem Maße herangezogen werden. Grundsätzlich hat der Vergleich zwischen mehreren Bewerbern um ein öffentliches Amt nämlich vor allem auf der Grundlage aktueller und weit möglichst vergleichbarer dienstlicher Beurteilungen zu erfolgen (BVerfG, Beschl. v. 11.5.2011, 2 BvR 764/11, juris Rn. 11; BVerwG, Beschl. v. 20.6.2013, 2 VR 1/13, juris Rn. 46). Hinsichtlich der Frage, inwieweit der Dienstherr mögliche weitere Beurteilungsgrundlagen, etwa Ergebnisse von Prüfungen und Tests oder Bewerbungsgespräche, ergänzend zur dienstlichen Beurteilung heranzieht und wie er diese gewichtet, kommt ihm ein Beurteilungsspielraum zu (BVerfG, Beschl. v. 11.5.2011, 2 BvR 764/11, juris Rn. 12). Wenn sich eine Ausschreibung an externe wie an interne Bewerber sowie an Beamte wie auch an Angestellte richtet, können die unterschiedlichen Beurteilungsgrundlagen und -standards der Zeugnisse und Beurteilungen einen am Bestenausleseprinzip ausgerichteten Qualifikationsvergleich erschweren. Der Dienstherr hat in diesem Fall für die unterschiedlichen Beurteilungen grundsätzlich einen Vergleichsmaßstab zu bilden (OVG Lüneburg, Beschl. v. 16.12.2014, 5 ME 177/14, juris Rn. 25; VGH Kassel, Beschl. v. 30.4.2003, 1 TG 363/03, juris Rn. 8). An sich nicht vergleichbare dienstliche Beurteilungen müssen grundsätzlich vergleichbar gemacht werden (OVG Lüneburg, Beschl. v. 21.12.2015, 5 ME 196/15, juris Rn. 13). Es ist unzulässig, wenn ein Dienstherr bei seiner Auswahlentscheidung eine Vergleichbarkeit von dienstlichen Beurteilungen von vornherein nicht herstellt und allein auf einen Vergleich der Bewerber im Auswahlgespräch abstellt (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 2.9. 2011, 2 B 64/11, juris Rn. 29). Bei einem Vorstellungsgespräch handelt es sich nämlich nur um eine Momentaufnahme, die das Bild über einen Bewerber regelmäßig nur abrunden und lediglich in diesem Umfang die Beurteilungsgrundlage erweitern kann.

Hieran gemessen verletzt die Auswahlentscheidung des Antragsgegners den Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin. Denn der Antragsgegner hat zwar ein Auswahlgespräch mit den Bewerberinnen und Bewerbern konzipiert und in Beobachtungsbögen detailliert ausgewertet. In den Bewerbungsgesprächen sollten dadurch die im Anforderungsprofil genannten Kompetenzen abgeprüft und bepunktet werden. Hieraus ergab sich für die Auswahlkommission eine Punktsumme, bei der die Beigeladene auf 85%, die Antragstellerin auf 60% der erreichbaren Punktsumme kam. Bei dieser Auswahlentscheidung spielt ein Leistungsvergleich anhand der aktuellen dienstlichen Beurteilungen oder von Arbeitszeugnissen der Bewerberinnen und Bewerber aber überhaupt keine Rolle. Der Antragsgegner stellt sich vielmehr selbst auf den Standpunkt, Arbeitszeugnisse und dienstliche Beurteilungen hätten von vornherein keine Rolle bei der Auswahlentscheidung spielen können, weil sie aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit nicht vergleichbar seien und eine Vergleichbarkeit nur durch einen nicht mehr zumutbaren Verwaltungsaufwand hergestellt werden könne. Schon durch dieses Versäumnis ist die Auswahlentscheidung von vornherein und insgesamt rechtswidrig. Der Dienstherr soll nämlich die Entwicklung der Bewerberinnen und Bewerber über einen längeren Zeitraum nachvollziehen und dabei die aktuellen dienstlichen Beurteilungen, die einen aussagekräftigen Beurteilungszeitraum umfassen müssen, inhaltlich ausschöpfen. Die Durchführung von Auswahlgesprächen ist natürlich zulässig und möglich, sie können den Leistungsvergleich anhand der dienstlichen Beurteilungen aber nur ergänzen und unter keinen Umständen vollständig ersetzen (vgl. zum Ganzen BVerfG, Beschluss vom 11. Mai 2011, NVwZ 2011, 1191; Eckstein, ZBR 2016, 217/219; vgl. auch Beschluss der Kammer vom 27. Januar 2017 - VG 36 L 426.16).

Überdies ist die Auswahlentscheidung auch deshalb fehlerhaft, weil der Auswahlvermerk erst am 8. Februar 2017 gefertigt wurde und damit eine Woche, nachdem dem Beigeladenen von der Dezernentin mitgeteilt worden war, dass er für die ausgeschriebene Stelle ausgewählt sei und er das Stellenangebot unter dem 3. Februar 2017 bereits schriftlich angenommen hat. Auch der Antragstellerin war bereits am 3. Februar 2017 mitgeteilt worden, dass ihre Bewerbung nicht berücksichtigt werde. Der nachträglich gefertigte Auswahlvermerk vom 8. Februar 2017 konnte somit nicht mehr Grundlage für die spätestens am 2. Februar 2017 getroffene Entscheidung sein, den Beigeladenen auszuwählen und der Antragstellerin abzusagen. Ein nachträglich gefertigter Auswahlvermerk kann nicht den Anforderungen an die Dokumentation der Auswahlentscheidung genügen (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 -, NVwZ 2007, 1178, juris, Rn. 20; ebenso VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. September 2014 - 13 L 1227.14, juris, Rn. 67).

Auf die übrigen von der Antragstellerin geltend gemachten Einwendungen kommt es bei dieser Sachlage angesichts der nicht heilbaren Fehler der Auswahlentscheidung nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 3, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Es entspricht der Billigkeit, dass der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt, da dieser keinen Antrag gestellt und sich so keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes folgt aus §§ 52 ff. GKG.