VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.06.2020 - 11 S 427/20
Fundstelle
openJur 2020, 34873
  • Rkr:

1. Ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, den ein Ausländer während eines laufenden Asylverfahrens und während Zeiten einer Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylG stellt, löst die Erlaubnisfiktion des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht aus.

2. Beantragt in Baden-Württemberg ein Ausländer zur Sicherung der Durchführung eines auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels gerichteten Verwaltungsverfahrens die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und ist für die Titelerteilung das Landratsamt in seiner Eigenschaft als untere Ausländerbehörde zuständig, ist passivlegitimiert das Land.

3. Die Entscheidung, ob sich das Land in einem solchen Fall im gerichtlichen Verfahren durch das Landratsamt oder durch das für die Durchführung der Abschiebung landesweit zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe vertreten lässt, obliegt dem Land.

4. Ein Ausländer, der sich zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz im Besitz einer sogenannten Verfahrensduldung befindet, ist als "geduldet" im Sinne des § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG anzusehen.

5. Die einmalige Wiederholung einer Klassenstufe steht der Annahme eines erfolgreichen Schulbesuchs im Sinne des § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht per se entgegen. Entscheidend ist eine wertende Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21. Januar 2020 - 5 K 15/20 - mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Dem Antragsgegner wird vorläufig untersagt, die Abschiebung der Antragsteller zu vollziehen. Dies gilt in Bezug auf die Antragstellerin zu 3) bis zum bestandskräftigen Abschluss des Verfahrens, das durch deren am 10. April 2019 beim Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis eingegangenen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG eingeleitet worden ist, und in Bezug auf die übrigen Antragsteller bis zum Eintritt der Volljährigkeit der Antragstellerin zu 3) am 1. März 2022.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 15.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Mit ihrer Beschwerde verfolgen die Antragsteller das Begehren weiter, bis zum bestandskräftigen Abschluss des auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an die Antragstellerin zu 3) gerichteten Verfahrens nicht abgeschoben zu werden.

I.

Die Antragsteller sind kosovarische Staatsangehörige. Nach eigenen Angaben reisten sie am 17. Dezember 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Der am 1. März 2004 geborenen Antragstellerin zu 3) wurde erstmals am 2. Juli 2015 eine Duldung erteilt, die zunächst bis 1. Januar 2016 befristet war und fortan - mit Ausnahme einer eintägigen Unterbrechung am 16. Juni 2016 - laufend bis 8. September 2017 verlängert wurde. Ab 15. Februar 2018 war die Antragstellerin zu 3) im Besitz einer Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung, nachdem sie und die Antragsteller zu 1), 2), 4) und 5) bereits am 5. September 2016 einen Asylantrag gestellt hatten. Für den am 14. Oktober 2016 in ... geborenen Antragsteller zu 6) war am 1. Juni 2017 ein Asylantrag gestellt worden. Mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 2. November 2017 wurden die Anträge der Antragsteller auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung sowie auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus als offensichtlich unbegründet abgelehnt und ihnen die Abschiebung in den Kosovo angedroht. Auf die hierauf gestellten Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ordnete das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 6. Juni 2018 - A 6 K 15253/17 - die aufschiebende Wirkung der Klagen der Antragsteller gegen die Abschiebungsandrohung in dem Bescheid vom 2. November 2017 an. Mit Gerichtsbescheid vom 29. März 2019 - A 6 K 15252/17 - stellte das Verwaltungsgericht Karlsruhe das Verfahren ein, soweit die Klagen zurückgenommen worden waren, und hob im Übrigen den angegriffenen Bescheid auf.

Mit Schriftsatz vom 8. April 2019, eingegangen am 10. April 2019, beantragte die Antragstellerin zu 3) beim Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 1 AufenthG. Mit Schriftsatz vom 24. Juni 2019 nahm sie gegenüber dem Bundesamt ihren Asylantrag zurück. Daraufhin stellte das Bundesamt mit Bescheid vom 16. Juli 2019 das Asylverfahren ein, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, und drohte der Antragstellerin zu 3) unter Setzung einer einwöchigen Ausreisefrist die Abschiebung in den Kosovo an. Laut Abschlussmitteilung des Bundesamts vom 10. September 2019 gilt der Bescheid als am 25. Juli 2019 zugestellt und trat Bestandskraft am 9. August 2019 ein.

Mit weiterem Bescheid vom 16. Juli 2019 lehnte das Bundesamt die Anträge der Antragsteller zu 1) und 2) sowie 4) bis 6) auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung sowie auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus als offensichtlich unbegründet ab, verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG, setzte eine einwöchige Ausreisefrist und drohte die Abschiebung in den Kosovo an. Die hiergegen gerichteten Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 18. September 2019 - A 7 K 4996/19 - ab. Laut Mitteilung des Bundesamts vom 26. September 2019 ist die Abschiebungsandrohung seit 4. Oktober 2019 vollziehbar.

Bereits mit Schreiben vom 16. September 2019, eingegangen am 19. September 2019, hatte das Regierungspräsidium Karlsruhe das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis angewiesen, der Antragstellerin zu 3) für die Dauer von drei Monaten eine Duldung aus familiären Gründen zu erteilen. Mit Email vom 13. November 2019 erklärte die zuständige Sachbearbeiterin des Regierungspräsidiums gegenüber dem Landratsamt, der Duldungsgrund sei nunmehr in "sonstige Gründe" zu ändern. Im Übrigen sei die Duldung gemäß der Duldungsanweisung zu erteilen. Mit Email vom 20. November 2019 teilte die Sachbearbeiterin dem Landratsamt mit, weitere Duldungsgründe lägen nicht mehr vor. Lediglich das Verfahren nach § 25a AufenthG werde abgewartet. Daraufhin stellte das Landratsamt der Antragstellerin zu 3) am 6. Dezember 2019 eine bis 6. März 2020 gültige Duldung aus. Nach Mitteilung des Regierungspräsidiums Karlsruhe wurde die Duldung zwischenzeitlich verlängert.

Schon am 30. Oktober 2019 hatte die Antragstellerin zu 3) Untätigkeitsklage - 5 K 7104/19 - zum Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Mit Bescheid vom 11. Dezember 2019 lehnte das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG ab. Die Antragstellerin zu 3) sei lediglich im Besitz einer sogenannten Verfahrensduldung und damit nicht "geduldet" im Sinne des § 25a Abs. 1 AufenthG. Im Übrigen mangele es an einem erfolgreichen vierjährigen Schulbesuch, § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Ebenso wenig bestehe eine positive Integrationsprognose im Sinne des § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG. Zudem liege ein atypischer Sonderfall vor. Gegen den ablehnenden Bescheid erhob die Antragstellerin zu 3) mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2019 Widerspruch, über den - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden ist.

Am 2. Januar 2020 stellten die Antragsteller beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (5 K 15/20). Mit Beschluss vom 21. Januar 2020, dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller zugestellt am 24. Januar 2020, lehnte das Verwaltungsgericht die Anträge ab. Ein sicherungsfähiger Anspruch der Antragstellerin zu 3) auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG bestehe nach summarischer Prüfung nicht. Die Erteilungsvoraussetzungen lägen nicht vor, da sie kein "geduldeter" Ausländer im Sinne der genannten Vorschrift sei. Hierfür sei das Bestehen eines materiell-rechtlichen Duldungsgrundes erforderlich. Ungeachtet der umstrittenen Frage, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzung erfüllt sein müsse, habe die Antragstellerin zu 3) weder bei Antragstellung am 8. April 2019 eine materielle verfahrensunabhängige Duldung innegehabt noch sei dies im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung der Fall. Zum Zeitpunkt der Antragstellung sei ihr Aufenthalt gestattet gewesen, weil sie sich noch im Asylverfahren befunden habe. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sei sie lediglich im Besitz einer rein verfahrensbezogenen Duldung. Mangels sicherungsfähigen Anspruchs der Antragstellerin zu 3) lägen auch in Bezug auf die übrigen Antragsteller keine Gründe für die Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 2b AufenthG vor.

Die Antragsteller haben am 3. Februar 2020 Beschwerde eingelegt, die sie mit am 24. Februar 2020 beim Verwaltungsgerichtshof per Fax eingegangenem Schriftsatz wie folgt begründen: Ein Ausschluss für rein verfahrensbezogene Duldungen, wie ihn das Verwaltungsgericht annehme, finde im Gesetz keine Grundlage. Im Übrigen habe der Antragstellerin zu 3) jedenfalls vorübergehend eine materiell-rechtliche Duldung aus Art. 6 GG zugestanden. Zudem erfülle sie alle Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 1 AufenthG. Insbesondere habe sie ihre schulischen Leistungen deutlich verbessert. Nach dem Bericht ihrer Klassenlehrerin werde sie im Sommer 2020 den Hauptschulabschluss sicher erreichen. Sie sei in ihrer Klasse bestens integriert und habe eine Ausbildungsstelle in Aussicht. Die Beschwerde macht des Weiteren geltend, dass angesichts des voraussichtlich bestehenden Anspruchs der Antragstellerin zu 3) auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auch die übrigen Antragsteller nicht abgeschoben werden dürften. Mit Schriftsatz vom 20. März 2020 haben die Antragsteller unter Vertiefung ihres Vorbringens auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Dezember 2019 - 1 C 34.18 - Bezug genommen. Hieraus lasse sich ableiten, dass eine verfahrensbezogene Duldung ausreiche, um den Anwendungsbereich des § 25a Abs. 1 AufenthG zu eröffnen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und macht geltend, hinsichtlich des Antrags der Antragstellerin zu 3) schon nicht passivlegitimiert zu sein. Im Übrigen könne der Antrag auch bei Zugrundelegung der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keinen Erfolg haben. Zwar verfüge die Antragstellerin zu 3) derzeit über den Status einer Duldung. Da die zuständige untere Ausländerbehörde den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt habe, habe sie allerdings zum Ausdruck gebracht, dass die Voraussetzungen für eine Verfahrensduldung gerade nicht vorlägen. Eilrechtsschutz hiergegen sei nach § 80 Abs. 5 VwGO beim Verwaltungsgericht zu beantragen.

II.

Die Beschwerde der Antragsteller hat Erfolg. Aus den fristgerecht in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 1, 3 und 6 VwGO) ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht abgelehnt hat. Die danach erforderliche eigenständige Prüfung des Rechtsschutzbegehrens durch den Senat (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 21.02.2020 - 11 S 2/20 -, juris Rn. 12, und vom 28.03.2019 - 11 S 623/19 -, juris Rn. 11; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 146 Rn. 43) führt zu dem Ergebnis, dass die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig (1.) und begründet (2.) sind.

1. Die Anträge sind zulässig, insbesondere statthaft. Das Rechtsschutzbegehren der Antragsteller zielt darauf, bis zum bestandskräftigen Abschluss des Verfahrens, das durch den am 10. April 2019 beim Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis eingegangenen Antrag der Antragstellerin zu 3) auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG eingeleitet worden ist, nicht abgeschoben zu werden. Mithin geht es der Antragstellerin zu 3) um die Sicherung des Verfahrens auf Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis, während die übrigen Antragsteller, die selbst keine Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt haben, hieraus Duldungsgründe für sich ableiten. Letztere können das von ihnen verfolgte Rechtsschutzziel von vornherein nur im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 bis 3 VwGO erreichen. Im Ergebnis nichts Anderes gilt in Bezug auf den Antrag der Antragstellerin zu 3). Auch insoweit ist statthafte Antragsart im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die vorläufige Sicherung des Aufenthaltsrechts während des anhängigen Verwaltungsverfahrens um die Erteilung eines Aufenthaltstitels hat in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu erfolgen, wenn der Antrag auf Erteilung dieses Titels zum Entstehen einer Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG geführt hat und diese durch die Verbescheidung des Antrags wieder erloschen ist. Hier ist im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu entscheiden, ob die dem Antragsteller durch die Ablehnung seines Antrags genommene Rechtsposition wieder eingeräumt werden soll. Löste der Behördenantrag eine solche Fiktionswirkung nicht aus, ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 bis 3 VwGO eine Aussetzung der Abschiebung allein aus verfahrensrechtlichen Gründen zu erstreben (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.09.2018 - 11 S 1973/18 -, juris Rn. 13 m. w. N.).

Der am 10. April 2019 beim Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis eingegangene Antrag der Antragstellerin zu 3) auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG hat keine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG ausgelöst. Eine Fortbestandsfiktion nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG scheidet schon deshalb aus, weil die Antragstellerin zu 3) zu keinem Zeitpunkt und damit auch nicht am 10. April 2019 Inhaberin eines gültigen Aufenthaltstitels gewesen ist. Der Eintritt einer Erlaubnisfiktion nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG oder einer Duldungsfiktion nach § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Zum Zeitpunkt der Beantragung der Aufenthaltserlaubnis war der Aufenthalt der Antragstellerin zu 3) infolge des noch laufenden Asylverfahrens gestattet, vgl. § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Die Fiktionswirkung nach der - hier allenfalls in Betracht kommenden - Regelung des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist dadurch nicht ausgelöst worden. Danach gilt der Aufenthalt eines Ausländers, der sich, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragt, bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Nach herrschender Ansicht, der sich der Senat unter Aufgabe der gegenteiligen Auffassung im Beschluss vom 5. September 2012 - 11 S 1639/12 -, juris Rn. 6, anschließt, löst ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, den ein Ausländer während eines laufenden Asylverfahrens und während Zeiten einer Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylG stellt, die Erlaubnisfiktion des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht aus (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 11.09.2018 - 13 ME 392/18 -, juris Rn. 4; Bay. VGH, Beschluss vom 22.04.2016 - 19 ZB 15.318 -, juris Rn. 8; OVG Bremen, Beschluss vom 27.10.2009 - 1 B 224/09 -, juris Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 17.03.2009 - 18 E 311/09 -, juris Rn. 2 ff.; Samel, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 81 AufenthG Rn. 37; Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, § 43 Rn. 13 <Stand: Juni 2014>; i.E. wohl auch Zeitler, in: HTK-AuslR, Stand: 05.03.2020, § 81 AufenthG Rn. 91 ff.). In diesem Fall wird der Eintritt einer Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG durch die speziellen asylrechtlichen Bestimmungen von § 55 Abs. 2 und § 43 Abs. 2 Satz 2 AsylG eingeschränkt bzw. verdrängt. Nach § 55 Abs. 2 AsylG erlöschen mit der Stellung eines Asylantrags im Grundsatz alle aufenthaltsrechtlichen Positionen des Asylbewerbers (mit Ausnahme eines Aufenthaltstitels mit einer Geltungsdauer von mehr als sechs Monaten), unter anderem auch die in § 81 Abs. 3 AufenthG bezeichneten Wirkungen eines Antrags auf Erteilung des Aufenthaltstitels. Beantragt ein erfolgloser Asylbewerber in einem ausländerrechtlichen Verfahren lediglich die Verlängerung eines Aufenthaltstitels mit einer Geltungsdauer bis zu sechs Monaten oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, greift die Bestimmung des § 43 Abs. 2 Satz 2 AsylG, wonach § 81 AufenthG der Abschiebung nicht entgegensteht. Diese Regelungen sollen - wie auch § 55 Abs. 3 AsylG - bei erfolglosen Asylbewerbern grundsätzlich die Ableitung eines aufenthaltsrechtlichen Vorteils aus einem Verfahren auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels bzw. aus der (bloßen) Dauer aussichtsloser Asylverfahren verhindern. Wird - wie im Falle der Antragstellerin zu 3) - der Antrag auf (erstmalige) Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dem eine Aufenthaltsgestattung auslösenden Asylantrag gestellt, so muss aus den genannten Vorschriften, insbesondere aus § 55 Abs. 2 Satz 1 AsylG, und dem dargestellten Regelungszweck geschlossen werden, dass dann die mit einer Antragstellung gegebenenfalls verbundenen Fiktionen gleichfalls nicht eintreten sollen (so bereits Nds. OVG, Beschluss vom 11.09.2018 - 13 ME 392/18 -, juris Rn. 4; Bay. VGH, Beschluss vom 22.04.2016 - 19 ZB 15.318 -, juris Rn. 8; Samel, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 81 AufenthG Rn. 37).

2. Die Anträge haben in der Sache Erfolg. Sie richten sich gegen den richtigen Antragsgegner (a), und die Antragsteller haben die für den Erlass der einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsansprüche (b) sowie einen Anordnungsgrund (c) glaubhaft gemacht.

a) Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist er auch hinsichtlich des Antrags der Antragstellerin zu 3) passivlegitimiert. Begehrt der Ausländer im Wege des Eilrechtsschutzes die vorläufige Aussetzung einer bevorstehenden Abschiebung, ist stets der Rechtsträger der für die Abschiebung zuständigen Behörde passivlegitimiert. In Baden-Württemberg ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 AAZuVO landesweit das Regierungspräsidium Karlsruhe zuständig. Der Antrag ist daher gegen das Land Baden-Württemberg zu richten. Begründet ist der Antrag in der Regel jedoch nur, wenn die Behörden des in Anspruch genommenen Rechtsträgers nicht nur für die Abschiebung zuständig sind, sondern darüber hinaus auch die Prüfungskompetenz hinsichtlich der materiellen Umstände haben, die der Abschiebung nach dem Vortrag des Antragstellers entgegenstehen sollen. Sind für diese Umstände dagegen nicht Behörden des Landes Baden-Württemberg zuständig, sondern Behörden eines anderen Rechtsträgers (insbesondere der Bundesrepublik Deutschland oder der Gemeinden), ist der Antrag gegen diesen Rechtsträger zu richten (VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 21.02.2020 - 11 S 2/20 -, juris Rn. 15, und vom 28.08.2019 - 11 S 1794/19 -, juris Rn. 11). Für die Erteilung des von der Antragstellerin zu 3) begehrten Aufenthaltstitels ist gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, § 2 Satz 1 Nr. 3, § 4 Abs. 1 AAZuVO und § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a LVwVfG das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis in seiner Funktion als untere Ausländerbehörde zuständig mit der Folge, dass insoweit richtiger Antragsgegner das - hier in Anspruch genommene - Land ist.

Dass das Land im gerichtlichen Verfahren auch hinsichtlich des Antrags der Antragstellerin zu 3) durch das Regierungspräsidium Karlsruhe vertreten wird, ist unschädlich. Die Passivlegitimation des Landes Baden-Württemberg wird hierdurch nicht berührt. Davon zu unterscheiden ist die Frage, durch welche Behörde sich das Land im gerichtlichen Verfahren vertreten lässt. Nach § 1 Abs. 2 der Anordnung der Landesregierung über die Vertretung des Landes in gerichtlichen Verfahren und förmlichen Verfahren vor den Verwaltungsbehörden vom 17. Januar 1955 (GBl. S. 8) i. V. m. Ziff. I Abs. 1 Nr. 1 der Bekanntmachung der Ministerien über die Vertretung des Landes in gerichtlichen Verfahren und förmlichen Verfahren vor den Verwaltungsbehörden vom 28. Februar 2012 (GBl. S. 138) kann das Land Baden-Württemberg in gerichtlichen Verfahren sowohl durch die Regierungspräsidien als auch durch die Landratsämter als unteren Verwaltungsbehörden vertreten werden. Die Auswahl obliegt dem Land. Dieses hat auf ausdrückliche Nachfrage des Senats hinsichtlich des Antrags der Antragstellerin zu 3) an seiner Vertretung durch das Regierungspräsidium Karlsruhe festgehalten. In der vorliegenden Fallkonstellation mag zwar - auch wenn bereits Widerspruch erhoben worden ist, über welchen vorliegend das Regierungspräsidium Karlsruhe in seiner Eigenschaft als höhere Ausländerbehörde (vgl. § 2 Satz 1 Nr. 2 AAZuVO) zu entscheiden hat - eine Vertretung durch die für die Titelerteilung zuständige Behörde - hier: das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis - sachnäher erscheinen. Zulässigkeitsbedenken ergeben sich hieraus mit Blick auf § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO aber nicht.

b) Ein Anordnungsanspruch ist im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.01.2020 - 11 S 2956/19 -, juris Rn. 11 m. w. N.) sowohl in Bezug auf die Antragstellerin zu 3) (aa) als auch in Bezug auf die übrigen Antragsteller (bb) glaubhaft gemacht.

aa) Es erscheint überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragstellerin zu 3) ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 1 AufenthG zusteht. Die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG steht dem nicht entgegen, da es sich bei der Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG um eine solche nach Maßgabe des Abschnitts 5 des Aufenthaltsgesetzes handelt. Die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 25a Abs. 1 AufenthG liegen voraussichtlich vor (1). Soweit die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG teilweise nicht erfüllt sind, ist das von dem Antragsgegner bislang nicht ausgeübte Ermessen aus § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG voraussichtlich zugunsten der Antragstellerin zu 3) auf Null reduziert (2). Anhaltspunkte für eine der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG entgegenstehende atypische Fallkonstellation sind nicht ersichtlich (3).

(1) Entgegen der Auffassung des Antragsgegners dürften die Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erfüllt sein. Nach § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG soll einem jugendlichen oder heranwachsenden geduldeten Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich seit vier Jahren ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhält (Nr. 1), er im Bundesgebiet in der Regel seit vier Jahren erfolgreich eine Schule besucht oder einen anerkannten Schul- oder Berufsabschluss erworben hat (Nr. 2), der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt wird (Nr. 3), es gewährleistet erscheint, dass er sich aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann (Nr. 4) und keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Ausländer sich nicht zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt (Nr. 5).

(a) Die am 1. März 2004 geborene Antragstellerin zu 3) ist 16 Jahre alt und damit Jugendliche im Sinne des § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG, vgl. § 1 Abs. 2 JGG.

(b) Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts ist die Antragstellerin zu 3) als geduldete Ausländerin im Sinne des § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG anzusehen. Ein Ausländer ist geduldet, wenn ihm eine rechtswirksame Duldung erteilt worden ist oder er einen Rechtsanspruch auf Duldung hat (vgl. zu § 25b AufenthG BVerwG, Urteil vom 18.12.2019 - 1 C 34.18 -, juris Rn. 24). Nicht abschließend geklärt ist, ob darüber hinaus eine bestimmte "Qualität" der Duldung zu fordern ist, insbesondere ob auch eine rein verfahrensbezogene Duldung, die lediglich zur Absicherung des Verfahrens über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist, als Duldung im Sinne des § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG anzusehen ist. Die Frage ist in der Rechtsprechung einiger Obergerichte verneint worden (vgl. - teilweise zu § 25b AufenthG - Bay. VGH, Beschlüsse vom 13.05.2019 - 10 CE 19.811 -, juris Rn. 12, und vom 23.04.2018 - 19 CE 18.851 -, juris Rn. 25; Nds. OVG, Beschluss vom 28.05.2018 - 8 ME 31/18 -, juris Rn. 4; OVG B.-Bbg., Beschluss vom 11.01.2018 - OVG 11 S 98.17 -, juris Rn. 8; OVG NRW, Beschluss vom 19.10.2017 - 18 B 1197/17 -, juris Rn. 2; offenlassend VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.05.2018 - 11 S 1810/16 -, juris Rn. 63). Diese Auffassung wird im Wesentlichen mit der Erwägung begründet, es sei nicht Zweck eines behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens, das dem Erlass bzw. der Überprüfung einer Entscheidung diene, die Voraussetzungen für eine positive Entscheidung erst herbeizuführen. Auch sei erforderlich, dass der Ausländer den Aufenthaltserlaubnisantrag aus dem Duldungsstatus heraus stelle, weshalb die Duldung der Antragstellung typischerweise zeitlich vorauszugehen habe. Das Bundesverwaltungsgericht hat inzwischen in Bezug auf die Vorschrift des § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG entschieden, dass es im Falle einer ausdrücklich erteilten Duldung nicht zusätzlich eines materiellen Duldungsanspruchs bedürfe, wobei maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen dieser Voraussetzung nicht der Zeitpunkt der Antragstellung, sondern der Zeitpunkt der Erteilung, im gerichtlichen Verfahren mithin der allgemein maßgebliche Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung der Tatsacheninstanz sei (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.12.2019 - 1 C 34.18 -, juris Rn. 23 f.). Hierzu führt das Bundesverwaltungsgericht aus (Rn. 23, 28 ff.):

Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen dieser Voraussetzung ist entgegen verbreiteter Auffassung (vgl. etwa Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Dezember 2019, § 25b AufenthG Rn. 10; Welte, ZAR 2015, 376 <378>; Allgemeine Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zur Einfügung des § 25b Aufenthaltsgesetz durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015, S. 4) nicht der Zeitpunkt der Antragstellung, sondern der Zeitpunkt der Erteilung, im gerichtlichen Verfahren mithin der allgemein maßgebliche Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz. Der Wortlaut der Norm enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber vom allgemein maßgeblichen Zeitpunkt hier für ein einzelnes Tatbestandsmerkmal (ggf. auch zusätzlich für die von § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG geforderten Voraufenthaltszeiten) hätte abweichen wollen. Auch den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 18/4097 S. 42) ist nichts zu entnehmen, was auf eine konzeptionell ebenfalls in Betracht kommende Vorverlagerung des Duldungserfordernisses auf den Antragszeitpunkt hindeutet. Normzweck und -struktur erfordern jedenfalls nicht zwingend, dass die Duldung bzw. der Duldungsgrund schon bei Antragstellung vorliegen muss, mit der Folge, dass es unmöglich wäre, in den persönlichen Anwendungsbereich des § 25b AufenthG "hineinzuwachsen" (vgl. Röder, in: Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, 2. Edition, Stand 1. Oktober 2019, AufenthG § 25b Rn. 7; a.A. etwa OVG Münster, Beschluss vom 19. Oktober 2017 - 18 B 1197/17 - juris Rn. 2). [...]

Zum anderen ist auch ein Ausländer, der sich (lediglich) im Besitz einer sogenannten Verfahrensduldung befindet, im Sinne von § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG "geduldet". Die verbreitete Gegenauffassung (vgl. etwa OVG Münster, Beschlüsse vom 17. August 2016 - 18 B 696/16 - und vom 19. Oktober 2017 - 18 B 1197/17 - beide juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Januar 2018 - OVG 11 S 98.17 - juris Rn. 8; OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. Mai 2018 - 8 ME 31/18 - juris Rn. 4) findet keine hinreichende Anknüpfung im Gesetz. § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG verlangt lediglich das Vorliegen einer Duldung (oder einen Anspruch auf eine solche), ohne dabei nach verschiedenen Duldungsgründen zu differenzieren. Für eine teleologische Reduktion der Vorschrift dahingehend, dass eine Verfahrensduldung grundsätzlich nicht ausreicht, um die Eigenschaft als "geduldeter Ausländer" im Sinne von § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu begründen, fehlt es bereits an einer klaren, ungewollten Überschreitung der inhaltlichen Regelungsabsicht durch den Normtext und besteht weder ein zwingender Grund noch ein unabweisbares Bedürfnis.

Keine andere Beurteilung rechtfertigt die im Ansatz zutreffende Erwägung, es sei nicht Zweck eines behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens, das dem Erlass bzw. der Überprüfung einer Entscheidung diene, die Voraussetzungen für eine positive Entscheidung erst herbeizuführen. Denn die Ausländerbehörden können derartige Folgen weitgehend selbst vermeiden, indem sie Duldungen zur Durchführung eines auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG gerichteten Gerichtsverfahrens bei Fehlen anderweitiger Duldungsgründe insbesondere im Sinne von § 60a Abs. 2 AufenthG einschließlich Satz 3 der Vorschrift nur erteilen, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Die sogenannte Verfahrensduldung ist dabei keine eigene, im Aufenthaltsgesetz besonders geregelte Duldungsart, sondern muss ihre Grundlage jeweils in § 60a Abs. 2 Satz 1, Satz 2 oder Satz 3 AufenthG finden.

Dass für die Dauer von Verwaltungs- oder gerichtlichen Verfahren jedenfalls nicht stets eine sogenannte Verfahrensduldung zu erteilen ist, folgt im Umkehrschluss aus der in § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG getroffenen, begrenzten Regelung. Sie kann aber zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG erteilt werden, wenn eine Aussetzung der Abschiebung notwendig ist, um die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlichen und tatsächlich gegebenen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Dauer des Verfahrens aufrechtzuerhalten und so sicherzustellen, dass eine aufenthaltsrechtliche Regelung einem möglicherweise Begünstigten zugutekommen kann (vgl. näher OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. August 2017 - 13 ME 213/17 - juris Rn. 3 m.w.N.). Je besser insoweit die Erfolgsaussichten sind, desto eher werden die Voraussetzungen für eine Verfahrensduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG (effektiver Rechtsschutz als rechtliches Abschiebungshindernis) oder zumindest nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG (Ermessensduldung) erfüllt sein. Hingegen genügt nicht, wenn ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG beantragt hat, die nach § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG erforderlichen Voraufenthaltszeiten oder auch eine andere Voraussetzung der Norm noch nicht erfüllt, ohne dass dies erheblichen Klärungsbedarf aufwirft. In diesem Fall hat es die Behörde in der Hand, den Antrag zügig abzulehnen und aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten, ohne eine Verfahrensduldung zu erteilen. Es ist dann Sache des betroffenen Ausländers, einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu stellen, wenn er die Voraussetzungen des § 25b AufenthG gleichwohl für gegeben hält.

Da eine wegen materieller Abschiebungshindernisse erteilte Duldung die Eigenschaft als "geduldeter Ausländer" auch dann begründet, wenn sie rechtswidrig ist (s.o.), sind keine Gründe ersichtlich, diese Eigenschaft im Falle einer "grundlos" erteilten Verfahrensduldung ohne eine entsprechende Einschränkung im Gesetz zu verneinen. Denn auch der Verfahrensduldung kommt die einem Verwaltungsakt eigene Bindungs- und Tatbestandswirkung zu. Konsequenterweise ist die Zeit einer nur zur Durchführung eines Verfahrens nach § 25b AufenthG erteilten Duldung dann auch bei dem nach § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG erforderlichen ununterbrochenen (u.a.) geduldeten

Voraufenthalt zu berücksichtigen, zumal es insoweit an einer Sonderregelung fehlt, wie sie nunmehr etwa in § 60b Abs. 5 Satz 1 AufenthG für die neugeschaffene "Duldung für Personen mit ungeklärter Identität" getroffen worden ist. Ob atypische Voraufenthalte, bei denen die erforderliche Zeitdauer erst unter Einbeziehung von (rechtswidrigen) Verfahrensduldungszeiten ohne Integrationseignung bzw. -wirkung erreicht wird, einen Ausnahmefall begründen können, der in der Rechtsfolge zu einer Abweichung von dem gesetzlich vorgesehenen Soll-Anspruch führt, lässt der Senat offen.

Diese Ausführungen lassen sich auf die Regelung des § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG übertragen mit der Folge, dass auch in deren Anwendungsbereich ein Ausländer als "geduldet" anzusehen ist, der sich zum allgemein maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz lediglich im Besitz einer sogenannten Verfahrensduldung befindet. In Bezug auf die Beurteilung der Sach- und Rechtslage lässt sich dem Wortlaut des § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass von dem allgemein maßgeblichen Zeitpunkt abzuweichen wäre. Insbesondere für eine Vorverlagerung des Duldungserfordernisses auf den Antragszeitpunkt ist nichts ersichtlich. Auch den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 17/4401 S. 16, 19; BT-Drs. 18/4097, S. 23, 42) lässt sich hierzu nichts entnehmen. Ebenso wie im Anwendungsbereich des § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG erfordern auch Normzweck und -struktur des § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht zwingend, dass die Duldung bzw. der Duldungsgrund schon bei Antragstellung vorliegen muss, mit der Folge, dass es unmöglich wäre, in den persönlichen Anwendungsbereich des § 25a AufenthG "hineinzuwachsen" (i.E. ebenso OVG B.-Bbg., Beschluss vom 04.03.2020 - 6 S 10/20 -, juris Rn. 9).

Ebenso wenig wie der Wortlaut des § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG zwischen verschiedenen Duldungsgründen differenziert, finden sich in der insoweit wortgleichen Regelung des § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG Anhaltspunkte dafür, dass Ausländer, denen lediglich eine sogenannte Verfahrensduldung erteilt worden ist, vom Anwendungsbereich nicht erfasst werden. Auch im Rahmen des § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist für eine teleologische Reduktion dahingehend, dass eine Verfahrensduldung grundsätzlich nicht ausreicht, um die Eigenschaft als "geduldeter Ausländer" zu begründen, kein Raum. Die Erwägung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Ausländerbehörden es weitgehend selbst in der Hand haben, sogenannte Verfahrensduldungen nur dann zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 60a Abs. 2 Satz 1, Satz 2 oder Satz 3 AufenthG vorliegen, greifen auch im Anwendungsbereich des § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG ohne Weiteres durch.

Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei der Antragstellerin zu 3) um eine geduldete Ausländerin. Nach Auskunft des Antragsgegners ist sie zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im Besitz einer Duldung. Dass es sich hierbei lediglich um eine sogenannte Verfahrensduldung handelt, ist nach obigen Ausführungen unschädlich.

(c) Die Antragstellerin zu 3) dürfte sich zudem seit vier Jahren ununterbrochen geduldet bzw. mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhalten. In der Zeit vom 2. Juli 2015 bis 8. September 2017 war sie - mit Ausnahme einer eintägigen Unterbrechung am 16. Juni 2016 - im Besitz einer Duldung. Bereits ab Stellung des Asylantrags am 5. September 2016 war ihr Aufenthalt gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylG gestattet. Die Aufenthaltsgestattung ist infolge der Rücknahme des Asylantrags gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG mit Zustellung des Einstellungsbescheids, der laut Mitteilung des Bundesamts vom 10. September 2019 als am 25. Juli 2019 zugestellt gilt, kraft Gesetzes erloschen. Seit 6. Dezember 2019 ist die Antragstellerin zu 3) wieder im Besitz von Duldungen.

Hinsichtlich der eintägigen Duldungslücke am 16. Juni 2016 kann offenbleiben, ob sie schon wegen ihres Bagatellcharakters als unschädlich zu betrachten ist (vgl. in anderem Zusammenhang BVerwG, Urteil vom 18.12.2019 - 1 C 34.18 -, juris Rn. 51). Denn auf sie wird es im Hauptsacheverfahren voraussichtlich nicht mehr ankommen. Das gerichtliche Hauptsacheverfahren über die Untätigkeitsklage der Antragstellerin zu 3) wird aller Voraussicht nach nicht vor dem 17. Juni 2020 rechtskräftig abgeschlossen werden, so dass die Duldungslücke am 16. Juni 2016 für die Beurteilung des vierjährigen Voraufenthalts außer Betracht wird bleiben können.

Soweit der Aufenthalt der Antragstellerin zu 3) in der (deutlich länger andauernden) Zeit vom 25. Juli bis (einschließlich) 5. Dezember 2019 weder gestattet noch (förmlich) geduldet war, dürfte es nicht zu einer anspruchsschädlichen Unterbrechung gekommen sein. Zeiträume, in denen dem Ausländer eine Duldung zwar nicht förmlich erteilt wurde, er aber einen Anspruch auf Duldungserteilung hatte, sind anzurechnen (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 19.03.2012 - 8 LB 5/11 -, juris Rn. 71; Zühlcke, in: HTK-AuslR, § 25a AufenthG Rn. 57 <Stand: 23.1.2020>; Röcker, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 25a AufenthG Rn. 11). So dürfte der Fall hier liegen. Die Antragstellerin zu 3) hatte in dem hier maßgeblichen Zeitraum voraussichtlich einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Danach ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. In der Zeit vom 25. Juli bis 4. Oktober 2019 dürfte die Abschiebung der Antragstellerin zu 3) nach Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK rechtlich unmöglich gewesen sein. In diesem Zeitraum war zwar die minderjährige Antragstellerin zu 3) vollziehbar ausreisepflichtig, nicht aber ihre Eltern, die Antragsteller zu 1) und 2), mit denen sie eine familiäre Lebensgemeinschaft bildet. Letztere sind erst seit dem 4. Oktober 2019 vollziehbar ausreisepflichtig, nachdem das Verwaltungsgericht ihren Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamts vom 16. Juli 2019 abgelehnt hatte. Spätestens am 4. Oktober 2019 dürfte sich indes der Anspruch der Antragstellerin zu 3) auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG bereits so weit verdichtet haben, dass ihr seither ein Anspruch auf Erteilung einer (verfahrensbezogenen) Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zusteht (vgl. zu den Maßstäben BVerwG, Urteil vom 18.12.2019 - 1 C 34.18 -, juris Rn. 30). Insbesondere der erforderliche vierjährige Voraufenthalt war zu diesem Zeitpunkt schon erfüllt. Auch die übrigen Erteilungsvoraussetzungen (zu diesen sogleich) dürften bereits vorgelegen haben. Hinzu kommt, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe als die für die Duldungserteilung zuständige Behörde das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis bereits mit Schreiben vom 16. September 2019, eingegangen am 18. September 2019, angewiesen hatte, der Antragstellerin zu 3) eine für drei Monate gültige Duldung zu erteilen und ihr die entsprechende Bescheinigung binnen zwei Wochen auszuhändigen. Seine Anordnung hatte das Regierungspräsidium zwar zunächst auf die familiären Bindungen gestützt, mit Emails vom 13. und 20. November 2019 indes klargestellt, dass die Duldung nunmehr wegen des Verfahrens nach § 25a AufenthG erteilt werde. Aus welchen Gründen die Anordnung vom 18. September 2019 erst am 6. Dezember 2019 umgesetzt worden ist, lässt sich allein nach Lage der Akten nicht beurteilen und bedarf ggf. der Aufklärung im Hauptsacheverfahren.

(d) Des Weiteren dürfte die Antragstellerin zu 3) seit über vier Jahren erfolgreich eine Schule im Bundesgebiet besuchen. Ein erfolgreicher Schulbesuch liegt vor, wenn zu erwarten ist, dass der Schüler die Schule mindestens mit einem Hauptschulabschluss beenden wird. Maßgeblich für die Prognose sind die bisherigen schulischen Leistungen, die Regelmäßigkeit des Schulbesuchs, die Versetzung in die nächste Klassenstufe sowie das Arbeits- und Sozialverhalten (vgl. OVG Sachs.-Anh., Beschluss vom 17.10.2016 - 2 M 73/16 -, juris Rn. 4; Nds. OVG, Urteil vom 19.03.2012 - 8 LB 5/11 -, juris Rn. 72; Röcker, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 25a AufenthG Rn. 12; ferner BT-Drs. 17/5093, S. 15 sowie BT-Drs. 18/4097, S. 42).

Nach diesen Maßstäben ist - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - ein erfolgreicher Schulbesuch der Antragstellerin zu 3) durchaus erkennbar. In der Zeit vom 2. Februar 2015 bis 30. Juli 2017 war sie Schülerin der ...-Schule, einer Gemeinschaftsschule in ..., wo sie in den ersten Monaten die Förderklasse besuchte und später in die Regelklasse integriert wurde. An der ...-Schule ist sie zum Ende der Schuljahre stets in die nächsthöhere Klasse versetzt worden. Im Schuljahr 2017/18 war die Antragstellerin zu 3) Schülerin der Werkrealschule ..., wo ihr die Versetzung in die - nunmehr - 9. Klasse nicht gelungen ist. Seit dem Schuljahr 2018/19 besucht die Antragstellerin zu 3) die Hauptschule der ...-Schule in ..., wo sie zunächst die 8. Klasse wiederholte und derzeit (Schuljahr 2019/20) die 9. Klasse besucht. Verhalten und Mitarbeit wurden im Schuljahr 2016/17 jeweils mit "gut" und im Schuljahr 2017/18 jeweils mit "befriedigend" bewertet. Im Schuljahr 2018/19 und im ersten Halbjahr 2019/20 wurde ihr Sozialverhalten stets mit "befriedigend" und ihr Arbeitsverhalten zunächst ebenfalls mit "befriedigend" sowie zuletzt mit "ausreichend" bewertet. Die 20 Schulstunden umfassende Projektprüfung (im Rahmen der Hauptschulabschlussprüfung) im ersten Halbjahr 2019/20 hat sie mit der Note "gut" abgeschlossen. Im ersten Halbjahr 2018/19 hat sie fünf Tage und sechs Stunden gefehlt (davon fünf Tage und eine Stunde unentschuldigt), im zweiten Halbjahr 2018/19 sechs Tage und vier Stunden (davon fünf Tage unentschuldigt) und im ersten Halbjahr 2019/20 zwei Tage und vier Stunden (davon ein Tag und zwei Stunden unentschuldigt).

In einer Gesamtschau all dieser Umstände ist festzustellen, dass die Antragstellerin zu 3) seit inzwischen über fünf Jahren regelmäßig und erfolgreich die Schule besucht. Die (unentschuldigten) Fehlzeiten in den letzten drei Halbjahren halten sich in einem niederschwelligen Bereich und fallen im Verhältnis zu den für einen erfolgreichen Schulbesuch sprechenden Aspekten nicht entscheidend ins Gewicht (vgl. in diesem Zusammenhang Zühlcke, in: HTK-AuslR, § 25a AufenthG Rn. 84 f. m. w. N. <Stand: 23.01.2020>), zumal diesbezüglich im letzten Halbjahr eine Besserungstendenz erkennbar ist. Das Arbeitsverhalten weist zwar eine negative Tendenz auf, ist aber nie mit "mangelhaft" oder "ungenügend" bewertet worden und genügt damit noch den Anforderungen. Auch der Umstand, dass die Antragstellerin zu 3) vor knapp zwei Jahren (einmalig) nicht versetzt worden ist und die Versetzung im darauffolgenden Jahr "nur" auf Beschluss der Zeugniskonferenz erfolgte, steht der Annahme eines erfolgreichen Schulbesuchs nicht per se entgegen (vgl. auch OVG Sachs.-Anh., Urteil vom 07.12.2016 - 2 L 18/15 -, juris Rn. 77). Denn die Antragstellerin zu 3) hat ihre schulischen Leistungen seither erkennbar verbessert und stabilisiert. Ausweislich der Stellungnahme ihrer Klassenlehrerinnen sowie der Schulleiterin der ...-Schule vom 24. Juli 2019 hat sie insbesondere ihre Deutschkenntnisse, die gemessen an ihrer Aufenthaltsdauer in Deutschland als überdurchschnittlich gut einzuschätzen seien, in Wort und Schrift deutlich verbessern können. Sie mache auch weiterhin Fortschritte, sei sehr bemüht und nehme regelmäßig am Kurs "Deutsch als Zweitsprache" teil. Nach ihren derzeitigen Leistungen und ihrem bisherigen Werdegang sei davon auszugehen, dass sie einen guten, qualifizierten Hauptschulabschluss erreichen werde. An dieser Einschätzung halten Klassenlehrerin und Schulleiterin auch in ihrer Stellungnahme vom 30. Januar 2020 fest, wonach die Antragstellerin zu 3) aller Voraussicht nach den Hauptschulabschluss im Sommer 2020 sicher erreichen werde. Für diese Annahme dürfte zudem sprechen, dass die Antragstellerin zu 3) im vergangenen Halbjahr die Projektprüfung im Rahmen der Hauptschulabschlussprüfung mit "gut" bestanden hat. Vor diesem Hintergrund und angesichts des Umstands, dass die (weiteren) Abschlussprüfungen in wenigen Wochen stattfinden werden, sprechen im Übrigen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass sich die Antragstellerin zu 3) im Hauptsacheverfahren auf die zweite Alternative des § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG wird berufen können, wonach als bildungsbezogenes Integrationskriterium ein im Bundesgebiet erworbener anerkannter Schulabschluss genügt (vgl. auch Zühlcke, in: HTK-AuslR, § 25a AufenthG Rn. 86 <Stand: 23.01.2020>), ohne dass es auf die obigen Erwägungen noch ankäme.

(e) Den Antrag auf Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis hat die Antragstellerin zu 3) vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt, vgl. § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG.

(f) Zudem erscheint gewährleistet, dass sie sich aufgrund ihrer bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann. Die nach § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG erforderliche Erwartung, dass der Ausländer sich aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in sozialer, wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann, erfordert eine positive Integrationsprognose. Geboten ist eine die konkreten individuellen Lebensumstände des ausländischen Jugendlichen oder Heranwachsenden berücksichtigende Gesamtbetrachtung, etwa der Kenntnisse der deutschen Sprache, des Vorhandenseins eines festen Wohnsitzes und enger persönlicher Beziehungen zu dritten Personen außerhalb der eigenen Familie, des Schulbesuchs und des Bemühens um eine Berufsausbildung und Erwerbstätigkeiten, des sozialen und bürgerschaftlichen Engagements sowie der Akzeptanz der hiesigen Rechts- und Gesellschaftsordnung (vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 22.08.2019 - 3 B 394/18 -, juris Rn.17; Nds. OVG, Urteil vom 08.02.2018 - 13 LB 43/17 -, juris Rn. 65 m. w. N.). Diese Prognose ist aufgrund der bisherigen Integrationsleistungen zu erstellen (BT-Drs. 17/5093 S. 15).

Nach diesen Maßstäben fällt die Integrationsprognose für die Antragstellerin zu 3) positiv aus. Sie ist im Alter von zehn Jahren nach Deutschland gekommen und lebt inzwischen seit fünfeinhalb Jahren hier, verfügt über einen festen Wohnsitz, besucht regelmäßig und erfolgreich die Schule und hat sich insgesamt bereits recht gut integriert. Ausweislich der Stellungnahmen ihrer Klassenlehrerinnen sowie der Schulleitung vom 24. Juli 2019 und vom 30. Januar 2020 sind ihre Deutschkenntnisse gemessen an ihrer Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet (überdurchschnittlich) gut. Sie ist sehr gut in die Klassengemeinschaft integriert und hat sowohl innerhalb der Klasse als auch klassenübergreifend schnell Freundschaften geschlossen, was auch die zahlreichen "Petitionsbriefe" ihrer Klassenkameraden in der Ausländerakte belegen. In der Klasse übernimmt sie Dienste und verrichtet diese gewissenhaft. In den letzten beiden Schuljahren hat sie vier Praktika absolviert, in denen sie gute bis sehr gute Leistungen erbracht hat. Zudem hat sie sich augenscheinlich um einen Ausbildungsplatz bemüht, da ihr ein solcher laut ihren Lehrerinnen nach dem Hauptschulabschluss ab September 2020 in einem Einzelhandelsbetrieb in Aussicht gestellt worden ist. Die Antragstellerin zu 3) achtet die hiesige Rechtsordnung. Strafrechtlich ist sie nie in Erscheinung getreten. Auch die übrigen Antragsteller, mit denen die Antragstellerin zu 3) in einer familiären Lebensgemeinschaft lebt, sind um Integration bemüht. Der Antragsteller zu 1) ist seit zwei Jahren bei demselben Unternehmen, der ... OHG, in Vollzeit beschäftigt. Die Antragsteller zu 4) bis 6) gehen in die Schule bzw. in den Kindergarten. Die Antragstellerin zu 4) hat nach Auskunft ihrer Klassenlehrerin bisher an allen Klassenfahrten teilgenommen, unter anderem an einer Fahrradtour und einer Skifreizeit. Laut Kindergartenbescheinigung vom 28. Januar 2020 gelingt die Zusammenarbeit mit den Eltern, den Antragstellern zu 1) und zu 2), sehr gut. Die Familie nehme offen und interessiert am Kindergartengeschehen teil. Nach alledem spricht deutlich mehr für eine gelungene Integration der Antragstellerin zu 3) als dagegen (vgl. in diesem Zusammenhang Zühlcke, in: HTK-AuslR, § 25a AufenthG Rn. 101 <Stand: 23.01.2020>).

(g) Es bestehen schließlich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin zu 3) sich nicht zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt (vgl. § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG).

(2) Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG sind erfüllt (a). Soweit die Antragstellerin zu 3) nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist ist, dürfte von der Einhaltung dieser Voraussetzung gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG im Wege der Ermessensreduzierung auf Null abzusehen sein (b).

(a) Dass die Antragstellerin zu 3) zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhalts auf (ergänzende) öffentliche Leistungen angewiesen ist, steht der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 1 Satz 2 AufenthG nicht entgegen, da sie sich derzeit in schulischer Ausbildung befindet. Die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG wird für die Dauer einer schulischen Ausbildung durch die Sonderregelung des § 25a Abs. 1 Satz 2 AufenthG verdrängt (Röcker, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 25a AufenthG Rn. 8). Die Identität der Antragstellerin zu 3) ist durch Vorlage des noch bis 2. Dezember 2023 gültigen kosovarischen Reisepasses geklärt, § 5 Abs. 1 Nr. 1a und 4 AufenthG. Ein Ausweisungsinteresse ist ebenso wenig ersichtlich wie eine Beeinträchtigung oder Gefährdung der Interessen der Bundesrepublik Deutschland, § 5 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AufenthG.

(b) Die Antragstellerin zu 3) ist zwar nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist (§ 5 Abs. 2 AufenthG). Von dem Visumerfordernis dürfte aber nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG im Ermessenswege abzusehen sein. Zwar ist entsprechend dem Zweck der Norm, eine zusammenfassende Sonderregelung für die Aufnahme in das Bundesgebiet aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen zu schaffen, eine umfassende und grundsätzlich offene Abwägung zwischen den hinter § 5 Abs. 2 AufenthG stehenden öffentlichen Interessen und den privaten Interessen des Ausländers zu treffen. Doch ist hierbei zugunsten des Ausländers gerade die gesetzgeberische Intention, gut integrierten Jugendlichen bzw. Heranwachsenden eine eigene gesicherte Aufenthaltsperspektive durch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis einzuräumen, und damit das öffentliche Interesse an der Legalisierung des Aufenthalts angemessen zu berücksichtigen. Unterstrichen wird dieser Aspekt dadurch, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 25a Abs. 1 AufenthG die ursprüngliche "Kann"-Regelung zu einer "Soll"-Regelung aufgewertet hat (Zühlcke, in: HTK-AuslR, § 25a AufenthG Rn. 32 <Stand: 23.01.2020>). Hinzu kommt die Wertung aus Nr. 5.2.3 Abschnitt A der Verwaltungsvorschriften des Innenministeriums Baden-Württemberg zum Ausländerrecht vom 2. November 2010, die zwar am 29. Dezember 2017 außer Kraft getreten sind, nach denen nach den Vorgaben der zuständigen obersten Landesbehörde aber im Grundsatz weiter verfahren werden soll (https://im.baden-wuerttemberg.de/de/migration/auslaender-und-fluechtlingspolitik/verwaltungsvorschriften/; zuletzt abgerufen am 03.06.2020). Danach ist in den Fällen, in denen - wie hier - der Ausländer die Voraussetzungen eines Soll- oder Regelanspruchs erfüllt, das Ermessen dahingehend auszuüben, dass von einer Nachholung des Visumverfahrens abgesehen wird, sofern - was hier nicht der Fall ist - keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Visumverfahren bewusst umgangen wurde.

(3) Liegen die Voraussetzungen vor, soll die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erteilt werden. Die Soll-Regelung bedeutet, dass die Aufenthaltserlaubnis in der Regel erteilt werden muss und nur bei Vorliegen von atypischen Umständen nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden ist (Zühlcke, in: HTK-AuslR, § 25a AufenthG Rn. 2 <Stand: 23.01.2020>). Dass hier ein atypischer Fall gegeben ist, ist nicht ersichtlich. Soweit ein solcher in dem angegriffenen Bescheid darin gesehen wird, dass die Antragstellerin zu 3) die Duldung willentlich durch Rücknahme ihres Asylantrags herbeigeführt habe, vermag dies nicht zu überzeugen. Das Bundesverwaltungsgericht hat freilich in seinem Urteil vom 18. Dezember 2019 - 1 C 34.18 -, juris Rn. 31, offengelassen, ob atypische Voraufenthalte, bei denen die erforderliche Zeitdauer erst unter Einbeziehung von Zeiten rechtswidriger Verfahrensduldungen ohne Integrationseignung bzw. -wirkung erreicht wird, einen Ausnahmefall begründen können. So liegt der Fall hier aber schon gar nicht. Denn der Antragstellerin zu 3) dürfte - wie oben ausgeführt - seit Rücknahme ihres Asylantrags durchweg ein Anspruch auf Erteilung einer Duldung zugestanden haben. Im Übrigen hat sie während der gesamten Dauer ihres Aufenthalts im Bundesgebiet anerkennenswerte Integrationsleistungen erbracht. Sie entspricht damit dem vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Bild einer jugendlichen Ausländerin mit positiver Integrationsprognose. Ein etwaiges öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung wird daher durch die nach Art. 8 EMRK (Schutz des Privatlebens) schutzwürdigen privaten Belange an der Legalisierung des Aufenthalts überwogen.

bb) Die übrigen Antragsteller haben einen Anspruch auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG und damit einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. § 60a Abs. 2b AufenthG greift nicht ein, da die Antragstellerin zu 3) die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG (noch) nicht besitzt. Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Es kann dahinstehen, ob die vorgelegten Atteste des Herrn Dr. med. ... ... vom 21. Januar 2020 und des Universitätsklinikums ... vom 24. Januar 2020 den Anforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG genügen und eine der Abschiebung der Antragstellerin zu 2) entgegenstehende Erkrankung hinreichend glaubhaft gemacht ist. Denn die Antragsteller zu 1) und 2) sowie 4) bis 6) haben jedenfalls glaubhaft gemacht, dass ihre Abschiebung gegenwärtig rechtlich unmöglich ist, weil sie zu einer unzumutbaren Verletzung des Rechts auf Schutz der Familie aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG sowie aus Art. 8 EMRK führen würde.

Die in Art. 6 Abs. 1 und 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet die Ausländerbehörde dazu, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, in ihren Erwägungen angemessen zur Geltung zu bringen. Kann die bereits gelebte Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, weil weder dem Kind noch seinem Elternteil das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.12.2008 - 2 BvR 1830/08 -, juris Rn. 26 f.). Art. 6 GG entfaltet ausländerrechtliche Schutzwirkungen nicht schon bzw. allein aufgrund formalrechtlicher familiärer Bindungen. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.5.2008 - 2 BvR 588/08 -, juris Rn. 14; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 28.03.2019 - 11 S 623/19 -, juris Rn. 13).

Nach diesen Maßstäben fällt die zu treffende Abwägung zwischen dem Schutz der familiären Bindungen der Antragsteller einerseits und den einwanderungspolitischen Belangen des Antragsgegners andererseits zugunsten der Antragsteller aus. Die Antragsteller leben in einer schützenswerten familiären Lebensgemeinschaft. Die Antragsteller zu 1) und 2) üben in Bezug auf die übrigen Antragsteller sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht die elterliche Sorge aus; dass zudem eine tatsächliche Verbundenheit zwischen den Antragstellern besteht, erscheint nicht ansatzweise zweifelhaft. Mit dem vorliegenden Beschluss wird in Bezug auf die Antragstellerin zu 3) die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht vorerst ausgesetzt, bis das Verfahren über ihren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis rechtskräftig abgeschlossen ist. Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet ist damit zwar weiterhin nicht rechtmäßig. Sie darf aber derzeit auch nicht abgeschoben werden und sich daher vorerst weiter hier aufhalten. Würden die Antragsteller zu 1) und 2) in den Kosovo abgeschoben, wäre die erst 16 Jahre alte Antragstellerin zu 3) im Bundesgebiet ohne elterlichen Beistand. Die hiermit verbundene Trennung würde zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in die durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Eltern-Kind-Beziehung führen. Das Kindeswohl erfordert daher im vorliegenden Einzelfall den weiteren Verbleib der Antragsteller zu 1) und 2) im Bundesgebiet. Eine gemeinsame Ausreise in den Kosovo ist der Antragstellerin zu 3) nicht zumutbar. Dieser ginge hierdurch der Anspruch verloren, der durch den vorliegenden Beschluss mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG gerade gesichert werden soll. Ohne die Antragsteller zu 1) und 2) dürfen wiederum auch die minderjährigen Antragsteller zu 4) bis 6) nicht abgeschoben werden (Art. 6 GG, Art. 8 EMRK). Da die durch den Schutz der familiären Lebensgemeinschaft vermittelten Duldungsansprüche der Antragsteller zu 1), 2), 4) bis 6) voraussichtlich nur bestehen, solange die Antragstellerin zu 3) minderjährig ist, wird die einstweilige Anordnung insoweit bis zum Eintritt der Volljährigkeit am 1. März 2022 befristet.

c) Es besteht auch ein Anordnungsgrund. Die Antragstellerin zu 3) ist seit Eintritt der Bestandskraft des Bescheids des Bundesamts vom 16. Juli 2019 sowie dem Ablauf der darin gesetzten Ausreisefrist von einer Woche vollziehbar ausreisepflichtig. Die übrigen Antragsteller sind auf Grundlage des sie betreffenden weiteren Bescheids des Bundesamts vom 16. Juli 2019 vollziehbar ausreisepflichtig, nachdem das Verwaltungsgericht es abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung ihrer gegen den Bescheid gerichteten Klagen anzuordnen, und die einwöchige Ausreisefrist abgelaufen ist. Der Antragsgegner strebt grundsätzlich die Abschiebung der Antragsteller auf Grundlage der Abschiebungsandrohungen in den genannten Bescheiden an und hat bislang nur mit Blick auf das Verfahren nach § 25a AufenthG von Abschiebemaßnahmen abgesehen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47, § 39 Abs. 1, § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG, wobei der Senat je Antragsteller einen Streitwert in Höhe von 2.500,- EUR zugrunde legt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 13.11.2019 - 11 S 2996/19 -, juris Rn. 56).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.