VG Karlsruhe, Gerichtsbescheid vom 08.05.2020 - 10 K 1716/19
Fundstelle
openJur 2020, 34860
  • Rkr:

Mitglieder des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg haben grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass das Versorgungswerk in einem Änderungsbescheid nach § 11 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 der Satzung des Versorgungswerks (VwS) eine Kostengrundentscheidung trifft. Dies gilt auch dann, wenn die Mitglieder gegen einen anhand einer Schätzung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 VwS ergangenen Veranlagungsbescheid Widerspruch eingelegt haben und das Versorgungswerk den Änderungsbescheid nach § 11 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 VwS auf diesen Widerspruch hin erlassen hat.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Ergänzung zweier Beitragsbescheide um Kostenentscheidungen.

Der Kläger ist Rechtsanwalt und seit dem 01.10.1994 Mitglied des beklagten Versorgungswerks. Im Laufe seiner Mitgliedschaft setzte der Beklagte den vom Kläger monatlich zu zahlenden Beitrag mehrmals auf den Regelpflichtbeitrag fest, da der Kläger erforderliche Einkommensangaben nicht gemacht habe. Der Kläger reichte jeweils (weitere) Unterlagen zur Akte und das Versorgungswerk setzte den vom Kläger monatlich zu zahlenden Beitrag daraufhin regelmäßig wieder herab.

Mit Schriftsatz vom 14.12.2016 bat das Versorgungswerk den Kläger unter Verweis auf die satzungsrechtliche Auskunftspflicht um Vorlage seines Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2015 spätestens bis zum 31.03.2017. Der Kläger reichte mit Schriftsatz vom 11.04.2017 eine Stellungnahme seiner Steuerberaterin vom 07.04.2017 ein, wonach er im Jahr 2015 mit der Insolvenzverwaltung 1.580 € Verlust gemacht und sein Einkommen aus der Rechtsanwaltskanzlei 38.669 € betragen habe. Unter dem 07.09.2017 schrieb das Versorgungswerk dem Kläger unter Verweis auf "§ 11 Abs. 2 Ziffer 1" seiner Satzung, es benötige dringend eine Kopie des Einkommensteuerbescheides aus dem Jahr 2015, um den Beitrag für 2017 festsetzen zu können. Der Kläger werde aufgefordert, den Einkommensteuerbescheid innerhalb der nächsten 3 Wochen vorzulegen. Der Kläger teilte dem Versorgungswerk mit Schriftsatz vom 22.09.2017 mit, der Einkommensteuerbescheid 2015 sei bislang nicht erlassen worden. Mit Schriftsatz vom 06.11.2017 forderte das Versorgungswerk den Kläger erneut auf, den Einkommensteuerbescheid 2015 innerhalb von drei Wochen vorzulegen. Nach fruchtlosem Fristablauf müsste die Festsetzung auf den Regelpflichtbeitrag erfolgen. Der Kläger übersandte dem Versorgungswerk mit Schriftsatz vom 22.11.2017 einen Bescheid für 2015 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 28.07.2017, wonach die Einkünfte des Klägers 2015 42.830,97 € betragen haben. Der Einkommensteuerbescheid sei weiterhin nicht ergangen. Mit Schriftsatz vom 07.12.2017 teilte das Versorgungswerk dem Kläger mit, die übersandte Kopie des Bescheides für 2015 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sei nicht geeignet, um das Einkommen gemäß § 11 Abs. 2 Ziff. 1 VwS nachzuweisen. Man benötige weiterhin den Einkommensteuerbescheid 2015 und bitte um Zusendung, sobald der Bescheid dem Kläger vorliege. Mit Schriftsatz vom 15.12.2017 bat das Versorgungswerk den Kläger um Vorlage des Einkommensteuerbescheides 2016 direkt nach Erhalt, spätestens bis zum 31.03.2018.

Mit Bescheiden vom 08.08.2018 setzte das Versorgungswerk den monatlichen Beitrag des Klägers für die Jahre 2017 und 2018 auf den jeweiligen Regelpflichtbeitrag fest. Mit separatem Schriftsatz vom 08.08.2018 führte das Versorgungswerk aus, der Kläger gehöre zum kleinen Kreis derjenigen Mitglieder, die hartnäckig jegliche Auskunft verweigerten, was nach Prüfung seines Falles und nach Ausübung des Ermessens zur Festsetzung des Regelpflichtbeitrages führe. Der Kläger möge bitte unverzüglich die Einkommensteuerbescheide 2015 und 2016 vorlegen.

Der Kläger legte am 04.09.2018 mit Anwaltsschriftsatz Widerspruch gegen die Bescheide vom 08.08.2018 ein. Das Standardschreiben vom 08.08.2018 entspreche nicht den Tatsachen in seinem Fall. Er habe mit Schriftsatz vom 22.11.2017 mitgeteilt, dass für 2015 noch kein Einkommensteuerbescheid ergangen sei und den Feststellungsbescheid vom 28.07.2015 übermittelt. Als Anlage übersandte der Kläger dem Versorgungswerk den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 vom 12.03.2018, wonach der Kläger 2015 Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 42.268 € erzielt hat. Als weitere Anlage reichte der Kläger eine Bescheinigung seiner Steuerberaterin vom 29.08.2018 zur Akte, wonach er 2016 aus der Insolvenzverwaltung einen Verlust von 690 € gemacht und in der Rechtsanwaltskanzlei 44.079 € Einkommen erzielt habe.

Mit Bescheiden vom 11.09.2018 setzte das beklagte Versorgungswerk den Beitrag des Klägers für das Jahr 2017 und ab dem 01.01.2018 auf 658,68 € (2017) beziehungsweise 672,53 € (ab dem 01.01.2018) "gemäß § 11 Abs. 2 der Satzung neu fest".

Mit einem auf den 25.09.2018 datierenden Schriftsatz, eingegangen beim Versorgungswerk bereits am 24.09.2018, beantragte der Kläger, die beiden Bescheide vom 11.09.2018 um eine Kostenentscheidung zu ergänzen. Fürsorglich lege er gegen die beiden Bescheide Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.02.2019, welcher ausweislich eines Vermerks des Versorgungswerks am 13.02.2019 abgesandt und am 13.03.2019 noch einmal mit Postzustellungsurkunde versandt wurde, wies das Versorgungswerk die Widersprüche "vom 25.09.2018" zurück. Das Versorgungswerk sei nicht verpflichtet, die beiden Bescheide vom 11.09.2018 um eine Kostengrundentscheidung zu ergänzen, da es Erstbescheide und keine Abhilfebescheide seien. Der Kläger habe mit Schreiben vom 31.08.2018 erstmals Belege vorgelegt, unter anderem den Bescheid über die Einkommensteuer für 2015. Dieser Steuerbescheid datiere auf den 12.03.2018, mithin Monate vor dem Zugang des Schreibens des Versorgungswerks vom 08.08.2018. Der Kläger sei verpflichtet gewesen, diesen Einkommensnachweis für 2015 unverzüglich vorzulegen. Das Widerspruchsverfahren habe sich durch die Bescheide vom 11.09.2018 auf sonstige Weise erledigt. Bei einer Erledigung auf sonstige Weise bestehe keine Grundlage für eine Kostenentscheidung. Das Gesetz sehe dies nicht vor, ohne dass eine planwidrige Lücke vorliege.

Am 11.03.2019 hat der Kläger Klage erhoben. Das Versorgungswerk verkenne, dass die Erstbescheide bereits am 08.08.2018 ergangen seien. Die Bescheide vom 08.08.2018 seien rechtswidrig gewesen, da dem Versorgungswerk in Bezug auf sein Einkommen im Jahr 2015 bereits rechtskräftige Bescheide vorgelegen hätten. Die weiteren Zahlen in dem Einkommensteuerbescheid beträfen Einkünfte aus Kapitalvermögen beziehungsweise Mieteinkünfte. Was dies mit den Beiträgen an den Beklagten zu tun haben solle, sei unklar. Für 2016 habe man ihn niemals aufgefordert, einen Einkommensteuerbescheid vorzulegen. Der Einkommensteuerbescheid sei auch erst am 29.10.2018 ergangen.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

das beklagte Versorgungswerk zu verpflichten, zu den beiden Beitragsbescheiden vom 11.09.2018 eine Kostengrundentscheidung zulasten des Versorgungswerks zu treffen und den Widerspruchsbescheid vom 07.02.2019 aufzuheben, soweit er der ausgesprochenen Verpflichtung entgegensteht.

Das beklagte Versorgungswerk beantragt,

die Klage abzuweisen.

Den Festsetzungsbescheiden vom 08.08.2018 seien 10 Erinnerungsschreiben beziehungsweise Erhöhungsmitteilungen mit Fristsetzungen vorausgegangen. Den Einkommensteuerbescheid für 2015 habe der Kläger erst im Widerspruchsverfahren vorgelegt, obwohl er bereits auf den 12.03.2018 datiere und Mitglieder nach der Satzung verpflichtet seien, dem Versorgungswerk alle für die Beitragspflicht nach Grund und Höhe bedeutsamen Auskünfte zu erteilen und die verlangten Nachweise vorzulegen. Das Vorgehen des Klägers erscheine mutwillig und widerspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben. Als Rechtsanwalt habe der Kläger im Vorverfahren auch keinen Bevollmächtigten beauftragen müssen. Der Kläger habe seinen Standpunkt selbst vortragen können.

Dem Verwaltungsgericht liegt die Verwaltungsakte des beklagten Versorgungswerkes vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf diese sowie auf die im Gerichtsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

A. Die auf die Verpflichtung des beklagten Versorgungswerks, eine Kostengrundentscheidung zu Gunsten des Klägers zu treffen, gerichtete Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.04.1996 - 4 C 6.95 -, juris Rn. 15; Urteil vom 10.06.1981 - 8 C 29.80 -, juris Rn. 16) und auch im Übrigen zulässig. Sie hat gleichwohl keinen Erfolg, da sie unbegründet ist.

Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass das beklagte Versorgungswerk die Beitragsbescheide vom 11.09.2018 um eine Kostengrundentscheidung zu seinen Gunsten ergänzt. Es fehlt insoweit bereits an einer Anspruchsgrundlage (hierzu unter I.). Selbst wenn das Versorgungswerk eine Kostengrundentscheidung zu treffen hätte, könnte der Kläger sich darauf nicht mit Erfolg berufen, da die Beitragsbescheide vom 08.08.2018 rechtmäßig waren, so dass die Kostenentscheidung zulasten des Klägers lauten müsste (hierzu unter II.).

I. Mitglieder des Versorgungswerks haben grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass das Versorgungswerk in einem Änderungsbescheid nach § 11 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 der Satzung des Versorgungswerks (im Folgenden: VwS) eine Kostengrundentscheidung trifft. Dies gilt auch dann, wenn sie gegen den Bescheid des Versorgungswerks, mit dem dieses den von ihnen zu zahlenden monatlichen Beitrag zunächst anhand einer Schätzung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 VwS festgesetzt hat, fristgemäß binnen eines Monats Widerspruch eingelegt haben und das Versorgungswerk den Änderungsbescheid nach § 11 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 VwS auf diesen Widerspruch hin erlassen hat. Der Kläger hat hiernach keinen Anspruch auf Erlass einer Kostengrundentscheidung. Die Beitragsbescheide vom 11.09.2018 waren, wie das Versorgungswerk anhand der den Bescheiden beigefügten Rechtsbehelfsbelehrungen und über die Formulierung im Widerspruchsbescheid vom 07.02.2019, die Bescheide seien Erstbescheide und keine Abhilfebescheide, deutlich gemacht hat, Änderungsbescheide nach § 11 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 VwS.

Gemäß § 11 Abs. 1 VwS entspricht der monatliche Regelpflichtbeitrag dem jeweils geltenden Höchstbeitrag in der gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten nach § 158 SGB VI und ist ein bestimmter Teil der für den Sitz des Versorgungswerks maßgeblichen Beitragsbemessungsgrenze nach § 159 SGB VI. Für Mitglieder, bei denen die Summe der jährlichen Einkünfte aus selbständiger Arbeit und der jährlichen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit die Beitragsbemessungsgrenze der Angestelltenversicherung nicht erreicht, tritt auf Antrag für die Bestimmung des persönlichen Pflichtbeitrages an die Stelle der Beitragsbemessungsgrenze nach § 159 SGB VI die vorbezeichnete Summe (§ 11 Abs. 2 Satz 1 HS 1 VwS). Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 HS 1 VwS wird der Nachweis durch Vorlage des Einkommensteuerbescheides erbracht oder, solange dieser noch nicht vorliegt, durch Vorlage geeigneter Belege. Nach § 11 Abs. 4 Satz 1 VwS kann das Einkommen geschätzt werden, wenn glaubhafte Einkommensangaben und Belege trotz Aufforderung unter Fristsetzung nicht vorgelegt werden. Die Festsetzung des Beitrages aufgrund einer Einkommensschätzung kann geändert werden, wenn das Mitglied innerhalb einer Frist von 3 Monaten nach Zustellung des Beitragsbescheides glaubhaft macht, dass die Schätzung dem tatsächlichen Einkommen nicht entsprach (§ 11 Abs. 4 Satz 2 VwS).

Ausgehend hiervon haben Mitglieder des Versorgungswerks grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass das Versorgungswerk in einem Änderungsbescheid nach § 11 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 VwS eine Kostengrundentscheidung trifft. Für einen entsprechenden Anspruch gibt es im Gesetz regelmäßig keine Anspruchsgrundlage.

1. Die betroffenen Mitglieder des Versorgungswerks können sich nicht auf § 72 und § 73 Abs. 3 Satz 3 VwGO stützen.

Gemäß § 72 VwGO hilft eine Behörde, die den Widerspruch für begründet halt, dem Widerspruch ab und entscheidet über die Kosten. Gemäß § 73 Abs. 3 Satz 3 VwGO bestimmt der Widerspruchsbescheid auch, wer die Kosten trägt. Mitglieder des Versorgungswerks können hieraus keinen Anspruch ableiten, dass das Versorgungswerk in einem Änderungsbescheid nach § 11 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 VwS eine Kostengrundentscheidung trifft.

Änderungsbescheide nach § 11 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 VwS sind keine Widerspruchsbescheide im Sinne der § 72 und § 73 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Das Änderungsverfahren nach § 11 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 VwS ist ein eigenständiges Verwaltungsverfahren neben dem Widerspruchsverfahren, mithin ein aliud. Für die Änderung nach § 11 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 VwS gilt eine andere Frist als im Widerspruchsverfahren. In materieller Hinsicht kommt es auf die Rechtmäßigkeit des Ausgangsbescheides nicht an. Maßgeblich ist allein, ob das Mitglied glaubhaft macht, dass die Schätzung des Versorgungswerks seinem tatsächlichen Einkommen nicht entsprach. Ergeht im Falle einer Abänderungsentscheidung nach § 11 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 VwS keine Entscheidung über den Widerspruch des Mitglieds gegen den ursprünglichen Beitragsbescheid, ist für eine Kostenentscheidung kein Raum (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.06.1981 - 8 C 29.80 -, juris Rn. 18). Eine analoge Anwendung der § 72 und § 73 Abs. 3 Satz 3 VwGO scheidet aus, da keine planwidrige Regelungslücke vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.05.1981 - 6 C 121.80 -, juris Rn. 12 ff.).

2. § 80 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG ist ebenfalls keine einschlägige Anspruchsgrundlage.

Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Mitglieder des Versorgungswerks können sich im Abänderungsverfahren nach § 11 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 VwS nicht auf diese Vorschrift berufen.

Die Vorschriften des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes sind auf die Festsetzung von Mitgliedsbeiträgen des Versorgungswerks nicht anwendbar. Gemäß § 45 KAG gelten §§ 3, 7 und 8 KAG sinngemäß für sonstige öffentlich-rechtliche Abgaben und Umlagen, die von Gemeinden, Gemeindeverbänden und sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen mit Ausnahme des Kommunalverbands für Jugend und Soziales Baden-Württemberg erhoben werden, soweit nicht eine besondere gesetzliche Regelung besteht. Der Beitrag zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg ist eine "sonstige öffentliche Abgabe" im Sinne von § 45 KAG. Infolgedessen verdrängen die Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes und die dort in Bezug genommenen Regelungen der Abgabenordnung die Vorschriften des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.07.2012 - 9 S 569/11 -, juris Rn. 25 und 30). § 80 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG setzte zudem, selbst wenn man ihn für anwendbar halten wollte, eine dem Widerspruch stattgebende oder ihn abweisende Entscheidung voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.04.1996 - 4 C 6.95 -, Ls. 1, juris; Urteil vom 10.06.1981 - 8 C 29.80 -, juris Rn. 18; Urteil vom 11.05.1981 - 6 C 121.80 -, juris Rn. 11). Auch hieran fehlt es im Falle einer Entscheidung nach § 11 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 VwS, wie oben dargelegt wurde.

3. Auf die Vorschriften der Abgabenordnung über das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren (§§ 347 ff. AO) können sich die betroffenen Mitglieder gleichfalls nicht berufen.

Das Kommunalabgabenrecht erklärt in § 3 Abs. 1 Nr. 7 aus dem siebenten Teil der Abgabenordnung nur § 367 Abs. 2 Satz 2 AO für entsprechend anwendbar. Die §§ 347 ff. gelten damit nicht.Das abgabenrechtliche Einspruchsverfahren ist mangels gesetzlicher Erstattungsregelung und entsprechend dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (BT-Drs. 7/4292 S. 8 f.) überdies grundsätzlich kostenfrei. Weder dem Einspruchsführenden noch der Finanzbehörde steht ein Kostenerstattungsanspruch zu. Beide Seiten haben ihre jeweiligen Aufwendungen zu tragen (Cöster, in: Koenig, Abgabenordnung, 3. Auflage 2014, Vorb. zu §§ 347 bis 368 Rn. 10; vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 73 Rn. 27; Hüttenbrink, in: BeckOK VwGO, 52. Edition, Stand: 01.07.2019, § 73 Rn. 24).

4. Auf Treu und Glauben können sich die Mitglieder des Versorgungswerks in aller Regel ebenfalls nicht berufen.

Erkennt die Behörde nach eingelegtem Widerspruch, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig und zugleich deswegen der Widerspruch Erfolg versprechend ist, so stehen ihr grundsätzlich zwei Verfahrensarten zu Gebote: Sie kann dem Widerspruch unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides nach § 72 VwGO abhelfen und damit das Widerspruchsverfahren zugunsten des Widerspruchsführers formell abschließen. Sie kann aber auch in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren außerhalb des Widerspruchsverfahrens den als rechtswidrig erkannten Verwaltungsakt nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG zurücknehmen; auch damit ist der Verwaltungsakt aufgehoben (vgl. § 43 Abs. 2 VwVfG). Beide Verfahrensweisen tragen dem Anliegen des Widerspruchsführers in der Sache Rechnung. Sie unterscheiden sich der Form nach sowie hinsichtlich der kostenrechtlichen Nebenfolgen. Während § 72 VwGO für die Abhilfeentscheidung einen Kostenausspruch vorschreibt, der in der Regel nach Maßgabe von § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG zugunsten des Widerspruchsführers auszufallen hat, ist Vergleichbares für die Rücknahme eines belastenden Verwaltungsakts nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG nicht vorgesehen (BVerwG, Urteil vom 26.03.2003 - 6 C 24.02 -, juris Rn. 19). Die Wahlfreiheit der Behörde zwischen beiden Verfahrensweisen steht grundsätzlich jedoch unter dem Vorbehalt, dass der auch im öffentlichen Recht geltende Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) einzuhalten ist. Wählt die Behörde den Weg der Rücknahme nach § 48 VwVfG ausschließlich deswegen, weil sie bei erkannter Erfolgsaussicht des Widerspruchs den Widerspruchsführer um den zu erwartenden Kostenanspruch bringen will, so fällt ihr ein Formenmissbrauch zur Last mit der Folge, dass die behördliche Formenwahl nach den Grundsätzen von Treu und Glauben unbeachtlich ist. In dieselbe Richtung weist der in § 162 Abs. 1 BGB angelegte Rechtsgedanke, wonach niemand aus einem von ihm treuwidrig verhinderten Ereignis Vorteile soll ziehen dürfen. Unterlässt die Behörde daher treuwidrig die Abhilfeentscheidung nach § 72 VwGO, ohne die der Kostenerstattungsanspruch des Widerspruchsführers nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ausscheidet, dann ist sie im Hinblick auf die Kosten so zu stellen, als wäre die Abhilfeentscheidung ergangen (BVerwG, Urteil vom 26.03.2003 - 6 C 24.02 -, juris Rn. 20; Urteil vom 18.04.1996 - 4 C 6.95 -, Ls. 2 und juris Rn. 20, 22).

Auf das Abänderungsverfahren nach § 11 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 VwS sind diese Grundsätze nur bedingt übertragbar, da die Satzung des Versorgungswerks mit dem Änderungsverfahren nach § 11 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 VwS ein eigenständiges Verwaltungsverfahren vorsieht, welches neben das Widerspruchsverfahren und die Rücknahmemöglichkeit nach § 48 VwVfG tritt. Der Erlass eines Abänderungsbescheides durch das Versorgungswerk ist grundsätzlich nicht rechtsmissbräuchlich. Es steht dem Versorgungswerk frei, auch in einem laufenden Widerspruchsverfahren einen Abänderungsbescheid nach § 11 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 VwS anstelle eines Widerspruchsbescheides zu erlassen, etwa um nicht eine aufwändige Rechtmäßigkeitsprüfung des Ausgangsbescheides vornehmen zu müssen. Die Mitglieder des Versorgungswerks müssen sich an dieser Regelung der Satzung festhalten lassen. Sie stehen dem Versorgungswerk nicht als Unbeteiligte gegenüber, die durch die Satzungsregelung unbillig benachteiligt werden, haben als Mitglieder des Versorgungswerks vielmehr die Möglichkeit, auf eine Satzungsänderung hinzuwirken. Auf Treu und Glauben können sich Mitglieder des Versorgungswerks daher nur in extremen Ausnahmefällen berufen, etwa wenn der Erlass eines Änderungsbescheides anstelle einer Abhilfe im Widerspruchsverfahren im konkreten Einzelfall als treuwidrig erscheint.

Derartige ganz außergewöhnliche Umstände liegen hier nicht vor. Der Kläger hat durch die erstmalige Einreichung des Einkommensteuerbescheides für 2015 im Widerspruchsverfahren selbst eine neue Sachlage herbeigeführt. Ändert sich nach Erlass eines angegriffenen Bescheides die Sachlage, liegt, sofern die Änderung nicht im behördlichen Verantwortungsbereich liegt, sondern in demjenigen des Widerspruchsführers, grundsätzlich ein sachlich gerechtfertigter Grund vor, an Stelle einer Abhilfe- eine Rücknahmeentscheidung nach § 48 VwVfG zu treffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.03.2003 - 6 C 24.02 -, juris Rn. 22 f.). Für das Abänderungsverfahren nach § 11 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 VwS muss dies erst Recht und entsprechend gelten. Hinzu kommt hier, dass der Einkommensteuerbescheid dem Kläger im Zeitpunkt seines Widerspruchs bereits fast ein halbes Jahr vorlag. Der Kläger war gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 VwS verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid unverzüglich und unaufgefordert vorzulegen.

5. Die Mitglieder des Versorgungswerks können sich schließlich auch nicht auf den allgemeinen Gleichheitssatz berufen.

Eine Gesetzesauslegung, wonach weder Bundes- noch Landesrecht eine Erstattung der im isolierten Vorverfahren entstandenen Rechtsanwaltskosten vorsieht, verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz; sie ist nicht willkürlich (BVerfG, Beschluss vom 20.06.1973 - 1 BvL 9/71, 1 BvL 10/71 -, juris Rn. 29 ff.; Beschluss vom 29.10.1969 - 1 BvR 65/68 -, juris Rn. 11). Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, die Bürger in den verschiedenen Vorverfahren kostenrechtlich gleichzustellen; es gibt keinen allgemeinen verbindlichen Rechtsgedanken des Inhalts, dem in einem Widerspruchsverfahren obsiegenden Bürger sei stets ein Anspruch auf Erstattung seiner Kosten zuzubilligen (BVerwG, Urteil vom 27.09.1989 - 8 C 88.88 -, juris Rn. 17).

II. Die Beitragsbescheide vom 08.08.2018 waren überdies rechtmäßig, so dass eine Kostengrundentscheidung zulasten des Klägers ausfallen müsste.

Die Befugnis des Versorgungswerks, den Beitrag des Klägers für die Beitragsjahre 2017 und 2018 auf den Regelpflichtbeitrag festzusetzen, könnte sich schon aus § 11 Abs. 1 VwS ergeben haben, denn es ist nicht erkennbar, dass der Kläger für diese beiden Jahre den für die Festsetzung eines geringeren Beitrages nach § 11 Abs. 2 Satz 1 VwS erforderlichen Antrag gestellt hat. Dies kann letztlich aber dahinstehen. Denn die Befugnis zur Festsetzung des Regelpflichtbeitrages ergab sich jedenfalls aus § 11 Abs. 4 Satz 1 VwS. Nach dieser Norm kann das Einkommen geschätzt werden, wenn glaubhafte Einkommensangaben und Belege trotz Aufforderung unter Fristsetzung nicht vorgelegt werden. Die Schätzung des Beitrages auf den Regelpflichtbeitrag ist dabei grundsätzlich sachgerecht und gerichtlich nicht zu beanstanden (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 09.06.2009 - 9 S 830/09 -, Ls. 2, juris). Die Festsetzung des Beitrages auf den Regelpflichtbeitrag war hiernach jedenfalls durch § 11 Abs. 4 Satz 1 VwS gedeckt.

Das Versorgungswerk hat den Kläger sowohl in Bezug auf das Kalenderjahr 2015 als auch in Bezug auf das Kalenderjahr 2016 unter Fristsetzung entsprechend dem Erfordernis des § 11 Abs. 4 Satz 1 aufgefordert, glaubhafte Einkommensangaben zu machen und Belege vorzulegen. Mit Schriftsätzen vom 14.12.2016, 07.09.2017, 06.11.2017 und 07.12.2017 hat das Versorgungswerk den Kläger unter Fristsetzung aufgefordert, den Einkommensteuerbescheid für das Kalenderjahr 2015 vorzulegen. Die Festsetzung des Regelpflichtbeitrages wurde dem Kläger dabei ausdrücklich angedroht. Auch wurde der Kläger auf die Vorschrift des § 11 Abs. 2 Ziffer 1 VwS hingewiesen, die er aufgrund seiner langjährigen Mitgliedschaft im Versorgungswerk und aufgrund seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt aber wohl ohnehin kennt. In Bezug auf das Kalenderjahr 2016 hat das Versorgungswerk den Kläger mit Schriftsatz vom 15.12.2017 aufgefordert, den Einkommensteuerbescheid spätestens bis zum 31.03.2018 vorzulegen. Der Kläger hat diesen Schriftsatz, wie er in seiner Replik vom 15.07.2019 eingeräumt hat, erhalten. Dass das Versorgungswerk den Kläger mit Schriftsatz vom 08.08.2018 einerseits noch einmal aufgefordert hat, die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2015 und 2016 vorzulegen, andererseits den Beitrag des Klägers mit Bescheiden vom selben Tag aber bereits auf den Regelpflichtbeitrag festgesetzt hat, überrascht, hat in rechtlicher Hinsicht aber keine für das Versorgungswerk nachteiligen Konsequenzen.

Den Aufforderungen des Versorgungswerks, glaubhafte Einkommensangaben zu machen und Belege vorzulegen, ist der Kläger jeweils nicht nachgekommen. Zwar hat er mit Schriftsatz vom 11.04.2017 eine (sehr knappe und zu den späteren Steuerbescheiden im Widerspruch stehende) Bescheinigung seiner Steuerberaterin vom 07.04.2017 über sein vermeintliches Einkommen im Jahr 2015 zur Akte gereicht. Mit Schriftsatz vom 22.11.2017 hat er überdies den Bescheid vom 28.07.2017 für 2015 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zur Akte gereicht. Den Einkommensteuerbescheid vom 12.03.2018 für das Kalenderjahr 2015 hat der Kläger jedoch erst mir rund sechs Monaten Verspätung im Widerspruchsverfahren vorgelegt, obwohl § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwS bestimmt, dass der Nachweis über ein geringeres Einkommen durch Vorlage des Einkommensteuerbescheides oder, solange dieser noch nicht vorliegt, durch Vorlage geeigneter Belege zu erbringen ist. Für das Kalenderjahr 2016 hat der Kläger erst im Widerspruchsverfahren einen Beleg zur Akte gereicht.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Berufung war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO vorliegt (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Beschluss vom 08.05.2020

Der Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, wird abgelehnt.

Der Streitwert wird abweichend von der vorläufigen Festsetzung vom 13.03.2019 auf € 1.000 festgesetzt.

Gründe

Nachdem die Beitragsbescheide vom 08.08.2018 rechtmäßig waren und der Widerspruch infolgedessen keinen Erfolg gehabt hätte, war die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren nicht im Sinne des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO notwendig.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.