VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.05.2020 - A 11 S 2277/19
Fundstelle
openJur 2020, 34842
  • Rkr:

1. Der Umstand, dass ein Asylbewerber Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Familienangehörigen unterliegt, zählt bei der Prognose, ob für ihn eine nach § 60 Abs. 5 AufenthG und Art. 3 EMRK relevante tatsächliche Gefahr besteht, zu den Gesichtspunkten, die bei der Gesamtwürdigung aller Umstände des Falles zu berücksichtigen sind.

2. Das Bestehen solcher Unterhaltsverpflichtungen entbindet mit Blick auf § 60 Abs. 5 AufenthG und Art. 3 EMRK nicht vom Erfordernis, die Gefahrenprognose unter Würdigung aller Umstände des konkreten Falles vorzunehmen. Dabei spielen der tatsächliche Unterhaltsbedarf der Familienangehörigen, das Vorhandensein von Vermögen, die bisherige Form der Bedarfsdeckung sowie die Bereitschaft Dritter (insbesondere naher Familienangehöriger), erforderlichenfalls zur Bedarfsdeckung beizutragen, eine wichtige Rolle.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. Februar 2019 - A 9 K 16824/17 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Kläger begehrt mit seinem Berufungszulassungsantrag die Zulassung der Berufung gegen das oben genannte Urteil des Verwaltungsgerichts. Das Verwaltungsgericht hat mit dem angegriffenen Urteil die Klage des Klägers abgewiesen, die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen, weiter hilfsweise das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf null zu befristen sowie den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. Oktober 2017 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht. Der Kläger hat seinen Antrag auf Zulassung der Berufung auf die Berufungszulassungsgründe des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG (Divergenz), des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG in Verbindung mit § 138 Nr. 3 VwGO (Versagung des rechtlichen Gehörs) sowie - hilfsweise - des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) gestützt. Der Antrag hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung gegen das angegriffene Urteil aus zumindest einem der geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

1. Die vom Kläger angenommene Divergenz zur Rechtsprechung des erkennenden Senats ist nicht gegeben. Entgegen der Auffassung des Klägers beruht das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts nicht im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG auf einer Abweichung von einer Entscheidung des erkennenden Senats.

a) Eine unter dem Gesichtspunkt der Divergenz rügefähige Abweichung liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift ausdrücklich oder konkludent von einem in der Rechtsprechung eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichte aufgestellten Rechtssatz mit einem widersprechenden Rechtssatz abgerückt ist und die angegriffene Entscheidung auf dieser Abweichung beruht. Unerheblich ist, ob die Abweichung bewusst oder unbewusst erfolgt ist. Zur Darlegung der Rechtssatzdivergenz ist es erforderlich, dass ein die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter Rechtssatz aufgezeigt wird, der zu einem ebensolchen Rechtssatz in der Entscheidung des höheren Gerichts in Widerspruch steht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11.12.2018 - 5 PB 3.18 -, juris Rn. 10, und vom 22.03.2012 - 2 B 148.11 -, juris Rn. 3).Andererseits gefährdet nicht jeder Rechtsverstoß die Einheit der Rechtsprechung, weshalb die Verkennung oder fehlerhafte Anwendung eines Rechtssatzes keine Divergenzrüge eröffnet; eine Divergenz begründende Abweichung liegt daher etwa nicht vor, wenn das Verwaltungsgericht einen Rechtssatz eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten höheren Gerichte übersehen oder - ob zu Recht oder nicht - als nicht anwendbar eingestuft hat (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.08.2018 - A 12 S 1286/18 -, juris Rn. 5).

b) Diesen Anforderungen wird der Zulassungsantrag des Klägers nicht gerecht. Dabei kann offen bleiben, ob die knappen Ausführungen des Klägers auf den Seiten 1, 2 und 4 der mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 1. August 2019 vorgelegten Begründung des Berufungszulassungsantrags den Darlegungserfordernissen nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügen. Denn selbst wenn man dies bejahte, lässt sich nicht feststellen, dass das angegriffene Urteil auf der Anwendung eines Rechtssatzes beruht, mit dem das Verwaltungsgericht von einem Rechtssatz aus der aktuellen Rechtsprechung des erkennenden Senats abgerückt wäre.

Der Kläger stützt seine Annahme, dass eine relevante Divergenz zur Rechtsprechung des erkennenden Senats bestehe, allein auf eine Textpassage im angegriffenen Urteil, in der sich das Verwaltungsgericht mit der Frage auseinandersetzt, ob im Falle des Klägers ein nationales Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 5 AufenthG festzustellen ist. Mit Blick auf etwaige Unterhaltsverpflichtungen des Klägers gegenüber seiner in Afghanistan lebenden Ehefrau und ihren ebenfalls in Afghanistan lebenden, gemeinsamen, minderjährigen Kindern hat das Verwaltungsgericht folgende Feststellung getroffen:

Ist seiner Ehefrau und seinen Kindern derzeit ein Leben in Afghanistan ohne Unterstützung durch den Kläger möglich, bestünde für ihn im Falle der Rückkehr nach Afghanistan trotz bestehender gesetzlicher Verpflichtung zur Unterhaltsleistung gegenüber seiner Familie faktisch nur die Notwendigkeit der eigenen Existenzsicherung.

Aus Sicht des Klägers ist das Verwaltungsgericht mit dieser Feststellung von folgendem Rechtssatz aus der Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Anwendung von § 60 Abs. 5 AufenthG auf Asylbewerber aus Afghanistan abgerückt (vgl. hierzu etwa das Urteil des erkennenden Senats vom 29. Oktober 2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 101 f., mit weiteren Nachweisen aus der jüngeren Rechtsprechung des Senats):

Im Falle leistungsfähiger, erwachsener Männer ohne Unterhaltsverpflichtung und ohne bestehendes familiäres oder soziales Netzwerk sind bei Rückkehr aus dem wesentlichen Ausland in Kabul die hohen Anforderungen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG, Art. 3 EMRK nicht erfüllt, sofern nicht besondere, individuell erschwerende Umstände festgestellt werden können.

Der Kläger ist der Annahme, diesem Rechtssatz sei im Umkehrschluss zu entnehmen, dass junge Männer mit Unterhaltsverpflichtungen grundsätzlich die Anforderungen des Abschiebungsverbots erfüllen. Diese Annahme trifft in ihrer Pauschalität aber nicht zu.

Daraus folgt aber grundsätzlich keine Pflicht des Gerichts, den Beteiligten vorab seine Rechtsauffassung und seine Würdigung des tatsächlichen Vorbringens mitzuteilen. Aufgrund von Art. 103 Abs. 1 GG sind die Gerichte weder verpflichtet, einen Kläger auf etwaige Unstimmigkeiten und Widersprüche in seinem Vortrag hinzuweisen oder bereits in der mündlichen Verhandlung das - mögliche oder voraussichtliche - Ergebnis der Sachverhalts- oder Beweiswürdigung mitzuteilen, noch besteht eine grundsätzliche Hinweis- oder Aufklärungspflicht in Bezug auf die Rechtsansicht des Gerichts. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung bzw. Entscheidungsfindung nach der mündlichen Verhandlung erfolgt (vgl. dazu BVerwG, Beschlüsse vom 01.07.2013 - 8 BN 1.13 -, juris 10, vom 13.12.2011 - 5 B 38.11 -, juris Rn. 11, vom 11.05.1999 - 9 B 1076.98 -, juris Rn. 10, und vom 17.11.1995 - 9 B 505.95 -, juris Rn. 3).

Im Asylprozess ist es zudem Sache des Asylsuchenden, von sich aus einen in sich stimmigen, widerspruchsfreien Sachverhalt zu schildern (vgl. BVerwG, Urteile vom 20.07.1987 - 9 C 147.86 -, juris Rn. 16, und vom 22.03.1983 - 9 C 68.81 -, juris Rn. 5).

Die Würdigung des Sachverhalts ist ebenso wie die des Ergebnisses einer Anhörung oder einer Beweiserhebung grundsätzlich der richterlichen Rechtsfindung zuzuordnen und kein Verfahrensvorgang, an dem die Prozessbeteiligten - etwa durch Mitteilung von Zwischenergebnissen der richterlichen Würdigung - zu beteiligen wären. Auch die ohne richterlichen Hinweis erfolgte Bewertung eines Asylvorbringens als unglaubhaft gründet auf Feststellungen zu Tatsachen, zu denen sich der Asylbewerber äußern konnte, und berührt daher nicht den Schutzbereich des Art. 103 Abs. 1 GG. Das rechtliche Gehör wird aber verletzt, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter - selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen - nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht rechnen musste (vgl. dazu BVerfG, Beschlüsse vom 14.10.2010 - 2 BvR 409/09 -, juris Rn. 20, und vom 29.05.1991 - 1 BvR 1383/90 -, juris Rn. 7; BVerwG, Beschlüsse vom 14.06.2019 - 7 B 25.18 -, juris Rn. 14, vom 01.07.2013 - 8 BN 1.13 -, juris 10, vom 20.11.2012 - 2 B 56.12 -, juris Rn. 5, und vom 23.12.1991 - 5 B 80.91 -, juris Rn. 3).

Eine unzulässige Überraschungsentscheidung ist nur anzunehmen, wenn das Gericht einen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der der Beteiligte nach dem bisherigen Prozessverlauf - selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen - nicht rechnen musste (vgl. zum Ganzen BVerfG, Beschlüsse vom 13.02.2019 - 2 BvR 633/16 -, juris Rn. 24, vom 31.05.1995 - 2 BvR 736/95 -, juris Rn. 27, vom 19.05.1992 - 1 BvR 986/91 -, juris Rn. 36, und vom 29.05.1991 - 1 BvR 1383/90 -, juris Rn. 7; BVerwG, Beschlüsse vom 13.12.2011 - 5 B 38.11 -, juris Rn. 11, vom 11.05.1999 - 9 B 1076.98 -, juris Rn. 10, und vom 17.11.1995 - 9 B 505.95 -, juris Rn. 3; Urteil vom 10.04.1991 - 8 C 106.89 -, juris Rn. 8).

b) Nach diesem Maßstab hat der Kläger nicht dargelegt, dass das angegriffene Urteil auf einer Verletzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 103 Abs. 1 GG beruht.

Die Darlegungen des Klägers betreffen auch in diesem Zusammenhang ausschließlich die Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichts mit der Frage, ob dem Kläger Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK zusteht. Dabei bezieht sich der Kläger auf die nachfolgend zitierten Ausführungen im angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts:

Zwar ist der Kläger - anders als in den zitierten Entscheidungen des VGH Baden-Württemberg ausgeführt - nicht alleinstehend, sondern hat nach eigenen Angaben eine Ehefrau und zwei Kinder, die nach Angaben des Klägers beim Bundesamt bei den Schwiegereltern leben. Dass diese dort wirtschaftliche Not leiden würden, hat der Kläger weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren vorgetragen. Im Widerspruch zu seinen Angaben beim Bundesamt steht die erstmals mit Schreiben vom 20.02.2019 aufgestellte Behauptung des Klägers, seine Frau und seine zwei minderjährigen Kinder befänden sich seit seiner Flucht selbst auf der Flucht vor den Taliban und wechselten ständig ihren Aufenthalt. Das Gericht hält diese widersprüchliche und erst kurz vor der Verhandlung vorgetragene neue Sachverhaltsdarstellung nicht für glaubhaft. Dies ergibt sich auch daraus, dass das Gericht eine Verfolgung des Klägers selbst durch die Taliban nicht für glaubhaft hält, noch weniger wahrscheinlich ist dann die Verfolgung seiner Ehefrau und seiner beiden sechs und acht Jahre alten Kinder. Soweit der Kläger vorgetragen hat, er arbeite bei McDonalds und unterstütze seine Familie finanziell, ist weder vorgetragen, seit wann noch in welcher Höhe und auf welche Art und Weise der Kläger Geldzahlungen an seine Familie leistet. Überweisungsbelege oder ähnliches hat der Kläger nicht vorgelegt. Ist seiner Ehefrau und seinen Kindern derzeit ein Leben in Afghanistan ohne Unterstützung durch den Kläger möglich, bestünde für ihn im Falle der Rückkehr nach Afghanistan trotz bestehender gesetzlicher Verpflichtung zur Unterhaltszahlung gegenüber seiner Familie faktisch nur die Notwendigkeit der eigenen Existenzsicherung. Diese ist dem Kläger auch deshalb möglich, weil seine Schwester deutsche Staatsangehörige ist und in Deutschland lebt und daher auch insoweit mit gewisser Unterstützung zumindest vorübergehend gerechnet werden kann.

Der Kläger moniert, er habe nicht damit rechnen müssen, die Erbringung von Unterhaltszahlungen an seine Familie durch Überweisungsbelege oder in sonstiger Weise nachweisen zu sollen. Das Gericht habe zum Thema der Erbringung von Unterhaltsleistungen in der mündlichen Verhandlung keine Fragen gestellt. Er - der Kläger - habe hingegen schon in der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mitgeteilt, dass er vor seiner Ausreise für den Lebensunterhalt der Familie aufgekommen sei. Weiter habe er keinen Zweifel daran gelassen, dass zu seiner Familie eine intakte Verbindung mit empfundenen, gegenseitigen Beistandspflichten bestehe. Er habe im laufenden Klageverfahren auch mitgeteilt, dass er seine Familie aus seinem Erwerbseinkommen finanziell unterstütze. Im Übrigen entspreche es dem typischen Bild einer afghanischen Familie, dass der männliche Ehegatte den Lebensunterhalt verdiene.

Aus diesem Vorbringen lässt sich nicht ableiten, dass der Kläger durch die angegriffene Entscheidung in mit Art. 103 Abs. 1 GG unvereinbarer Weise "überrascht" worden ist. Wie bereits oben gezeigt, oblag es dem Kläger, die in seiner Sphäre liegenden Umstände, die für die Entscheidung über sein Asylbegehren von Bedeutung sind, stimmig und in sich widerspruchsfrei zu schildern. Weiter konnte der im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht rechtsanwaltlich vertretene Kläger spätestens seit dem Urteil des erkennenden Senats vom 12. Oktober 2018 (A 11 316/17) damit rechnen, dass die Frage, in welchem Umfang seine Ehefrau und seine minderjährigen Kinder existenziell auf seine Unterhaltszahlungen angewiesen sind, im Zusammenhang mit der Prüfung, ob ihm nationaler Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG zusteht, von zentraler Bedeutung sein würde. Hier drängte es sich dem Kläger auf, dem Verwaltungsgericht darzulegen, dass und in welchem Umfang die Familie des Klägers auf dessen Unterhaltsleistungen angewiesen ist, in welchem Umfang der Kläger seit seiner Ausreise aus Afghanistan tatsächlich Unterhaltsleistungen erbracht hat und weshalb nicht damit zu rechnen ist, dass Dritte Unterstützungsleistungen erbringen, wenn der Kläger hieran aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage in Kabul gehindert sein sollte. Tatsächlich ist der Kläger erstmals mit Schriftsatz seines früheren Prozessbevollmächtigten vom 20. Februar 2019 kurz darauf eingegangen, dass er noch Unterhaltsleistungen für seine Familie erbringe. Hierbei hat er sich auf die bloße Mitteilung beschränkt, dass er seine Familie aus seinem in Deutschland erzielten Erwerbseinkommen "unterstütze". Im Übrigen hat er "Parteivernehmung" angeboten. Eine persönliche Anhörung des Klägers ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 22. Februar 2019 erfolgt. Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass der Kläger im Verlauf dieser Anhörung keine Gelegenheit hatte, sich zur Frage des Unterhalts für seine Familie zu äußern, ergeben sich weder aus dem Protokoll zur mündlichen Verhandlung noch aus den Darlegungen des Klägers im Berufungszulassungsverfahren. Eine Verpflichtung des Verwaltungsgerichts, den Kläger zu diesem Thema gezielt zu befragen oder ihn darauf hinzuweisen, dass sein bisheriger Vortrag aus Sicht des Gerichts lückenhaft und in sich widersprüchlich ist, bestand angesichts der deutlich erkennbaren Relevanz des Themas für das Begehren des Klägers nicht.

3. Auch der vom Kläger nur "hilfsweise" geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechend dargelegt.

a) Stützt ein Antragsteller seinen Berufungszulassungsantrag auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG), so genügt er dem Darlegungserfordernis aus § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG nur dann, wenn er in Bezug auf die Rechtslage oder die Tatsachenfeststellung eine konkrete, entscheidungserhebliche, klärungsfähige und berufungsgerichtlich klärungsbedürftige Frage aufwirft. Dabei obliegt es dem Antragsteller zu erläutern, warum diese Frage bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht hinreichend geklärte Probleme aufwirft, die über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam sind und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts der berufungsgerichtlichen Klärung bedürfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.06.2019 - 1 BvR 587/17 -, juris Rn. 33). Aus der Begründung des Antrags muss deshalb deutlich werden, warum prinzipielle Bedenken gegen einen Standpunkt bestehen, den das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil zu einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage eingenommenen hat. Der Antragsteller hat ferner darzulegen, warum es über die Auseinandersetzung mit seinem individuellen Rechtsschutzanliegen hinaus erforderlich ist, dass sich auch das Berufungsgericht klärend mit der aufgeworfenen Frage befasst und entscheidet, ob die Bedenken durchgreifen (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats; vgl. etwa Beschlüsse vom 29.08.2018 - A 11 S 1911/18 -, juris Rn. 2, und vom 02.09.2019 - A 11 S 2312/19 -).

b) Nach diesen Maßstäben ist die grundsätzliche Bedeutung der vom Kläger aufgeworfenen Frage,

ob der o.g. Personenkreis [leistungsfähige, erwachsene Männer ohne bestehendes familiäres oder soziales Netzwerk in Kabul] auch bei bestehender Unterhaltspflicht nur unter den sehr eng gefassten, extremen Umständen noch gem. § 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot erhalten können,

nicht dargelegt.

Der Kläger lässt hier bereits unberücksichtigt, dass das Verwaltungsgericht das Bestehen relevanter Unterhaltspflichten gegenüber seinen Angehörigen im angegriffenen Urteil gerade in Zweifel gezogen hat. Der Prüfung, ob einer Rechtssache nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG grundsätzliche Bedeutung zukommt, hat der erkennende Senat aber regelmäßig die tatsächlichen und rechtlichen Einschätzungen des Verwaltungsgerichts zugrunde zu legen.

Außerdem lässt sich die aufgeworfene Frage anhand der Rechtsprechung des erkennenden Senats beantworten. Insofern wird auf die Ausführungen zu 1. verwiesen.

4. Die Darlegungen des Klägers im Berufungszulassungsverfahren betreffen - wie gezeigt - jeweils nur die vom Kläger begehrte Feststellung, dass in seinem Fall ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG besteht. Zu sonstigen Gegenständen seines mehrgliedrigen Klagebegehrens hat sich der Kläger im Berufungszulassungsverfahren nicht geäußert. Diesbezüglich mangelt es daher an der hinreichenden Darlegung eines Berufungszulassungsgrundes (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG). Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 78 Abs. 5 Satz 1 AsylG).

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit aus § 83b AsylG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.