VG Sigmaringen, Beschluss vom 27.04.2020 - 3 K 1422/20
Fundstelle
openJur 2020, 34801
  • Rkr:

Für die Beurteilung, ob ein nach § 4 Abs 3 S 2 und 3 der CoronaVO zulässiges Mischsortiment angeboten wird, bedarf es einer Gesamtbetrachtung. Soweit nähere, valide Angaben über Umsatz und unterstützende Werte von den Betrieben gemacht werden, sind diese in die Gesamtbetrachtung miteinzubeziehen.

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 23. April 2020 gegen die Anordnung der Antragsgegnerin vom 21. April 2020 wird wiederhergestellt bzw. angeordnet.

2. Es wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt, dass § 4 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-Cov-2 (Corona-Verordnung - CoronaVO) vom 17. März 2020 in der Fassung vom 23. April 2020, in Kraft getreten am 27. April 2020, der Öffnung des Betriebes des Drogeriemarktes mit Mischsortiment mit den Teilbereichen (Spielwaren, Schreibwaren, Haushalt, Parfümerie und Multimedia) in den am M, B gelegenen Geschäftsräumen der Antragstellerin zu den jeweils geltenden Ladenöffnungszeiten für den Publikumsverkehr nicht entgegensteht, sofern die jeweils geltenden Vorgaben zur Zutrittssteuerung, Vermeidung von Warteschlangen und zum sonstigen örtlichen Infektionsschutz eingehalten werden.

3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

4. Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen eine Untersagungsverfügung auf der Grundlage der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-Cov-2 (Corona-Verordnung - CoronaVO).

Die Antragstellerin betreibt in B eine Filiale ihres Drogeriemarkts mit einem Mischsortiment. Das Mischwarensortiment besteht unter anderem aus Drogerie (ca. 705 m² Verkaufsfläche), Lebensmittel (Naturshop ca. 179 m²), Multimedia (ca. 345 m²), Parfümerie (182 m²), Spielwaren (ca. 472 m²), Schreibwaren (ca. 350 m²) und Haushalt (ca. 346 m²). Das gesamte Sortiment der Antragstellerin wird auf vier Stockwerken (Untergeschoss, Erdgeschoss, 1. und 2. Obergeschoss) mit einer Gesamtverkaufsfläche von ca. 2.500 m² verteilt angeboten. Nach Inkrafttreten der CoronaVO hat sie die Bereiche Spielwaren und Schreibwaren im UG, den Bereich Haushalt, der sich im Teil des 1. OG und den Bereich Multimedia, der sich im Bereich 2. OG befindet, für den Publikumsverkehr gesperrt. Nach einem Besuch von Mitarbeitern des Ordnungsamtes der Antragsgegnerin und dem Hinweis, dass auch der gesamte Bereich Parfümerie aufgrund "fehlender Systemrelevanz" zu schließen sei, hängte die Antragstellerin den Bereich "Düfte und Schminke" ab.

In der Folge fragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin an, inwieweit eine Öffnung der Bereiche Spielwaren, Schreibwaren, Haushalt und Multimedia für den Publikumsverkehr zu realisieren sei. Dabei stellte die Antragstellerin diverse Informationen, insbesondere zu dem in der Filiale getätigten Umsatz sowie über den vorhandenen Warenbestand, zur Verfügung.

Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin unter Verweis auf die Auslegungshinweise des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg mit, dass als Beurteilungskriterium hinsichtlich der Öffnungsvoraussetzungen bei einem Mischsortiment maßgeblich die Verkaufsfläche zu berücksichtigen sei. Ob die vorgelegten Umsatzzahlen stimmen, könne nicht verifiziert werden. Dies stelle vor dem Hintergrund des Normzwecks der Verordnung, eine Menschenansammlung zu vermeiden und nur den Grundbedarf zu decken, ein legitimes Ziel dar. Das Geschäft der Antragstellerin wäre bei einer vollständigen Öffnung ein Publikumsmagnet in der Innenstadt.

Mit Schreiben vom 14.04.2020 beantragte die Antragstellerin die Gestattung der unverzüglichen Öffnung der Bereiche Spielwaren, Schreibwaren, Haushalt, Multimedia und Parfümerie (soweit betroffen).

Die Antragsgegnerin untersagte der Antragstellerin mit Anordnung vom 21.04.2020 die Öffnung der Bereiche Spielwaren, Schreibwaren, Haushalt, Parfümerie und Multimedia in der Filiale und sprach ein Verbot des Verkaufs des Warensortiments der genannten Bereiche aus (Ziffer 1). Die unter Ziffer 1 genannten Bereiche müssten vom restlichen, zulässigen Warensortiment räumlich abgetrennt werden (Ziffer 2). Zugleich ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung dieser Ziffern an (Ziffer 3) und drohte für den Fall, dass dieser Anordnung nicht nachgekommen werde, ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 Euro an. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, dass die Untersagung des Verkaufs des unter Ziffer 1 genannten Sortimentes auf § 4 Abs. 3 CoronaVO beruhe. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 2. Alt. CoronaVO sei der Geschäftsbetrieb von Drogerien grundsätzlich zulässig. Nach Maßgabe der § 4 Abs. 3 Satz 2 und 3 CoronaVO dürften Geschäfte, die ein Mischsortiment mit einem gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 12 CoronaVO unzulässigem Warenanteil anbieten, den erlaubten Teil allein weiterverkaufen, wenn eine räumliche Abtrennung zum zulässigen Warenanteil möglich sei und erfolge.

Vorliegend überwiege in der Gesamtschau der unzulässige Warenanteil. Laut den Auslegungshinweisen des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg entscheide die örtlich zuständige Polizeibehörde in Zweifelsfällen nach den Umständen des Einzelfalls in einer überschlägigen Gesamtbetrachtung, in der Regel durch Inaugenscheinnahme. Als Hilfskriterium könne insbesondere die Verkaufsfläche oder der Umsatz herangezogen werden. Der erlaubte Sortimentsanteil überwiege, wenn alle erlaubten Sortimente zusammen mehr als 50 Prozent des Gesamtsortiments bildeten. Dabei lege die Antragsgegnerin die Verkaufsfläche zugrunde. Dies sei eine zulässige, objektive und für die prüfende Behörde nachvollziehbare und sachdienliche Herangehensweise. Demnach würden in der gegenständlichen Filiale im Untergeschoss ausschließlich Spielwaren, im Erdgeschoss geschätzt zu mindestens einem Viertel Parfümerieartikel, im 1. Obergeschoss geschätzt zur Hälfte Haushalts- (Besteck, Geschirr) und Geschenkartikel und im 2. Obergeschoss vollumfänglich Multimediaartikel (CDs, DVDs, Computerspiele) angeboten. In der Gesamtheit werde somit auf der überwiegenden Verkaufsfläche der Filiale ein unzulässiges Warensortiment angeboten. Daher bedürfe es einer räumlichen Abtrennung zum zulässigen Sortimentsteil. Die Auslegungshinweise sähen nicht vor, dass neben dem Kriterium der Verkaufsfläche kumulativ noch Kriterien des Umsatzes berücksichtigt werden müssten. Vielmehr sei eine alternative Herangehensweise (Fläche oder Umsatz) für die Gesamtbeurteilung ausreichend. Als Vollsortimenter mitten in der Innenstadt fungiere die Filiale als Kunden- und Menschenmagnet. Oberste Zielsetzung der CoronaVO sei es, eine Infektionswelle u.a. durch zu großzügiges Öffnen des Einzelhandels und damit eine Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern. Vor diesem Hintergrund sei eine restriktive Herangehensweise angemessen und sachgerecht. Das besondere öffentliche Interesse an der baldigen Realisierung ergebe sich daraus, dass bei Nichtbefolgung und Öffnung aller Sortimentsteile eine Gefährdung der Gesundheit der Kunden, Mitarbeiter und der Allgemeinheit im Hinblick auf den schwerwiegenden Verlauf der Erkrankung an dem Coronavirus SARS-CoV2 einherginge. Eine vorzeitige Öffnung könnte dazu führen, dass die Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 einen nicht kontrollierbaren Verlauf nehme und die Bevölkerung auf nicht absehbare Zeit erheblichen gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt werde.

Die Antragstellerin legte mit anwaltlichem Schreiben vom 23.04.2020 Widerspruch gegen diese Anordnung ein und begehrt mit Schriftsatz vom gleichen Tage die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die aufschiebende Wirkung im Zuge einer Verletzung der Grundrechte der Antragstellerin aus Art. 12, 14 GG wiederherzustellen sei. Aus den übermittelten Bestandsmengen- und Umsatzunterlagen ergebe sich, dass der Verkauf von Artikeln aus dem Bereich Drogerie, Lebensmittel und Getränke einen Umfang von 50 % überschreite. Die Öffnung der beantragten Bereiche sei nach der Maßgabe der § 4 Abs. 3 Satz 2 und 3 CoronaVO gerechtfertigt. Zudem sei die CoronaVO aufgrund des Fehlens einer geeigneten Ermächtigungsgrundlage unwirksam. Ein allgemeines Verbot der Schließung von Verkaufsstellen für alle sogenannten Nichtstörer im Rahmen von präventiven Maßnahmen trage § 32 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, 2 IfSG nicht. Auf der Grundlage der CoronaVO könne die Beurteilung der Antragsgegnerin zum Vorliegen des Mischsortiments keinen Bestand haben. Insbesondere sei der Umsatz ein exakter, genauer Maßstab, um das Überwiegen eines Mischsortiments beurteilen zu können, was die Antragsgegnerin ermessensfehlerhaft nicht berücksichtigt habe. Die reine Verkaufsfläche sei - im Gegensatz zum Umsatz - eine sehr ungenaue und gestaltbare Größe. Der Umsatz entziehe sich jeglicher Fremdbeeinflussung und sei das objektivere Kriterium. Die Verkaufsfläche diene hingegen als grobes Muster und biete sich als Hilfskriterium erst an, wenn der Umsatz unbekannt sei. In Geschäften sei die Darbietung der Artikel stetigem Wandel und Änderungen unterworfen. Allein die Präsentation von Haushaltswaren und Spielwaren benötige bereits mehr Platz als das Anbieten von Drogeriewaren mit kleineren Waren und damit geringeren Platzbedürfnissen. Die Verkaufsfläche sei zudem im Verhältnis zum Umsatz ein in sich nicht schlüssiges und in sich auch widersprüchliches Auslegungskriterium. Je mehr Fläche zur Verfügung stehe, desto besser könnten die derzeit geltenden Abstandsregelungen zur Vermeidung von Ansteckungen umgesetzt werden. Nachdem der erlaubte Sortimentsanteil im Rahmen des Mischsortiments bei der Antragstellerin überwiege, sei die Anordnung der in Ziffer 2 verfügten räumlichen Trennung rechtswidrig und verletze die Antragstellerin ebenfalls in ihren Rechten aus Art. 12, 14 GG. Insbesondere werde durch die Begrenzung der Verkaufsfläche gem. § 4 Abs. 3 Satz 2 und 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 12a CoronaVO unzulässigerweise in die Berufsausübungsfreiheit eingegriffen.

Durch die Öffnung aller Sortimentsteile finde keine Gefährdung der Gesundheit von Kunden, Mitarbeitern und der Allgemeinheit im Hinblick auf den schwerwiegenden Verlauf der Erkrankung mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 statt. Die Antragstellerin halte strikt die erforderlichen Hygiene-Standards nach § 4 Abs. 5 CoronaVO zum Schutz der Kunden und Mitarbeiter ein.

Die Antragstellerin beantragt wörtlich,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 23.04.2020 gegen die Anordnung der Antragsgegnerin vom 21.04.2020 wird wiederhergestellt.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Antragsgegnerin verweist im Wesentlichen auf die Begründung des angefochtenen Bescheids vom 21.04.2020. Eine zusätzliche Berücksichtigung der Umsatzzahlen sei nicht erforderlich. Von der ca. 2.500 m² großen Verkaufsfläche würden insoweit ca. 60 % der Flächen von nach der CoronaVO unzulässigen Warensortimenten in Anspruch genommen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die elektronisch übermittelte Behördenakte und die Gerichtsakte verwiesen sowie ergänzend Bezug genommen.

II.

Der Antrag der Antragstellerin ist sachdienlich auszulegen. Soweit sich der gestellte Antrag ausdrücklich auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Untersagungsanordnung vom 21.04.2020 bezieht, wird dem sinngemäßen Rechtsbegehren, nämlich der Frage inwieweit die Antragstellerin ihr Geschäft auf der Basis ihres gestellten Antrages vom 14.04.2020 mit den zusätzlichen Teilbereichen öffnen darf, nicht vollständig Rechnung getragen.

Insoweit war der Antrag ergänzend sachdienlich wie im Tenor dargestellt auszulegen. Da die Antragstellerin ohne die Regelung in § 4 Abs. 3 CoronaVO zu dem von ihr angestrebten Betrieb des Drogeriemarktes mit Mischsortiment berechtigt wäre, ist eine Formulierung des Antrags dergestalt angebracht, dass die genannte Norm dem nicht entgegensteht. Die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkungen betrifft insofern nur die angegriffene Untersagungsverfügung, trifft als solche allerdings nicht die im Kern begehrte Aussage über die weitere Zulässigkeit der Ausübung des beantragten Betriebes.

Der so verstandene Antrag auf Wiederherstellung und Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (hierzu 1.) sowie Feststellung der Zulässigkeit des Betreibens des beantragten Drogeriemarktes mit den zusätzlichen Teilbereichen (hier zu 2.) hat nach dieser Maßgabe Erfolg.

1. Der Antrag ist als Antrag auf Anordnung sowie Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässig und unbegründet.

a. Der Antrag, der sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der verfügten Untersagung der beantragten Öffnung der Bereiche Spielwaren, Schreibwaren, Haushalt, Parfümerie und Multimedia (Ziffern 1) sowie die verlangte räumliche Abtrennung des Warensortiments (Ziffer 2) richtet, ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alternative 2 VwGO statthaft. Soweit sich die Antragstellerin zusätzlich gegen die mit Ziffer 4 angeordnete Zwangsgeldandrohung wendet, ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alternative 1 VwGO zulässig.

Die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs entspricht den formellen Anforderungen des § 80 Abs.2 Satz 1 Nr.4, Abs.3 VwGO. Die Antragsgegnerin hat eine derartige besondere Dringlichkeit für die Zeit eines möglichen Rechtsbehelfsverfahrens dargelegt, indem sie ausgeführt hat, dass bei Nichtbefolgung und Öffnung aller Sortimentsteile eine Gefährdung der Gesundheit der Kunden, Mitarbeiter und der Allgemeinheit im Hinblick auf den schwerwiegenden Verlauf der Erkrankung an dem Coronavirus SARS-CoV2 einherginge. Die Antragsgegnerin hat mit der Begründung klargestellt, dass sie sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst ist. Im Übrigen kommt es auf die inhaltliche Richtigkeit der Erwägungen zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht an. Vielmehr trifft das Gericht im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO unter Würdigung aller relevanten Umstände eine eigene Entscheidung über die Rechtfertigung des Sofortvollzugs.

b. Der Antrag ist begründet, da der Widerspruch gegen die Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin vom 21.04.2020 bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung von Sach- und Rechtslage voraussichtlich Erfolgsaussichten besitzt. Das private Aussetzungsinteresse überwiegt dabei gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse.

Die gerichtliche Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO setzt eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes bis zur endgültigen Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben, gegen das öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung voraus. Diese Abwägung fällt in der Regel zu Lasten des Antragstellers aus, wenn bereits im Aussetzungsverfahren bei summarischer Prüfung zu erkennen ist, dass sein Rechtsbehelf offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 17. Mai 2004 - 2 BvR 821/04, juris Rn. 15 ff.; BVerwG, Beschluss vom 09. September 1996 - 11 VR 31.95, juris Rn. 16). Dagegen überwiegt das Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs in aller Regel, wenn sich der Rechtsbehelf als offensichtlich begründet erweist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. April 2005 - 4 VR 1005.04, BVerwGE 123, 241-247, juris Rn. 12). Bleibt der Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache bei der in dem Aussetzungsverfahren nur möglichen summarischen Prüfung offen, kommt es auf eine reine Abwägung der widerstreitenden Interessen an (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. April 1974 - IV C 21.74, juris Rn. 6 ff.).

Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, hat der Antrag nach summarischer Prüfung in der Sache mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg, denn der Bescheid mit der Untersagungsverfügung (aa.), Trennungsanordnung (bb.) sowie der Zwangsmittelandrohung (cc.) ist voraussichtlich rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

aa. Die Untersagungsverfügung der in Ziffer 1 der Anordnung vom 21.04.2020 benannten Teilbereiche dürfte sich als materiell rechtswidrig erweisen.

Die Verfügung der Antragsgegnerin stützt sich dabei maßgeblich auf die Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-Cov-2 (Corona-Verordnung - CoronaVO) vom 17.03.2020 in der Fassung vom 23.04.2020 (Sechste Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Corona-Verordnung).

Nach § 4 Abs. 1 CoronaVO ist der Betrieb insbesondere von nicht in Abs. 1 genannten Einrichtungen, darunter Verkaufsstellen des Einzelhandels, die nicht zu den in Absatz 3 genannten Einrichtungen gehören, bis zum 3. Mai 2020 für den Publikumsverkehr untersagt. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 CoronaVO sind von dieser in Absatz 1 getroffenen Untersagung ausgenommen insbesondere Apotheken, Drogerien, Sanitätshäuser, Hörgeräteakustiker, Optiker und Praxen für die medizinische Fußpflege (Nr. 6) sowie sonstige Einzelhandelsgeschäfte mit einer Verkaufsfläche von nicht mehr als 800 Quadratmetern (Nr. 12a). Wenn Mischsortimente angeboten werden, dürfen Sortimentsteile, deren Verkauf nicht nach Satz 1 gestattet ist, verkauft werden, wenn der erlaubte Sortimentsteil überwiegt; diese Stellen dürfen dann alle Sortimente vertreiben, die sie gewöhnlich auch verkaufen. Wenn bei einer Stelle der verbotene Teil des Sortiments überwiegt, darf der erlaubte Teil allein weiter verkauft werden, wenn eine räumliche Abtrennung möglich ist. Die Sätze 2 und 3 finden nur Anwendung, wenn keine Ausnahme nach Satz 1 Nummer 12a vorliegt (§ 4 Abs. 3 Satz 2, 3 und 4 CoronaVO).

Zweifel an der Geeignetheit der Ermächtigungsgrundlage dürften vorliegend nicht bestehen. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat insoweit bereits ausgeführt, dass § 28 Abs.1 IfSG nach seinem Wortlaut, seinem Sinn und Zweck und dem Willen des Gesetzgebers zu Maßnahmen auch gegenüber Nichtstörern ermächtigt, wenn auch gewisse Bedenken hinsichtlich der Frage der Eignung der CoronaVO zur landesweiten Schließung von privaten Dienstleistungsbetrieben und Verkaufsstellen vor dem Hintergrund des Vorbehalts des Gesetzes bestehen. Angesichts der durch eine Schließung einer Vielzahl von Verkaufsstellen und Dienstleistungsbetrieben aufgrund einer Rechtsverordnung bestehenden Betroffenheit ist jedoch von einer sehr beträchtlichen Eingriffstiefe in grundrechtlich gewährleistete Schutzbereiche auszugehen. Die Intensität der mit der Schließung verbundenen Eingriffe in die Berufsfreiheit ist für jeden einzelnen betroffenen Betrieb, der sich auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen kann, ausgesprochen hoch (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 09. April 2020 - 1 S 925/20, juris Rn. 37 ff.; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06. April 2020 - 13 B 398/20.NE, juris Rn. 36 ff.; Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, Beschluss vom 14. April 2020 - 1 B 89/20, juris Rn. 31 ff.; Beschluss vom 23. April 2020 - 1 B 107/20; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 30. März 2020 - 20 CS 20.611, juris Rn. 9 ff.). Inwieweit die Rechtsverordnung dem Vorbehalt des Gesetzes genügt, bedarf es einer abschließenden Klärung im Hauptsacheverfahren. Dieser Frage muss allerdings vorliegend nicht weiter nachgegangen werden, da dem Antrag bereits aus anderen Gründen stattzugeben war.

Für eine Untersagung des Betriebes bedarf es nach der Maßgabe von § 4 Abs. 3 Satz 2 und 3 CoronaVO eines überwiegenden, unzulässigen Mischsortimentes. Ein solcher unzulässiger Mischbetrieb liegt bei dem hier zu beurteilenden Drogeriemarkt nach dem einschlägigen Ausnahmetatbestand des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 CoronaVO nicht vor. Die Antragsgegnerin hat das Vorliegen eines überwiegenden Mischsortiments in fehlerhafter Weise abgelehnt.

Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau und das Ministerium für Soziales und Integration hat bezüglich dieser Regelung eine gemeinsame Richtlinie zur Öffnung von Einrichtungen des Einzelhandels erlassen. Zusätzlich hat das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Auslegungshinweise zur Corona-Verordnung veröffentlicht. Die Richtlinie führt insoweit folgendes aus:

"Alle Geschäfte, die bisher schon geöffnet waren, dürfen weiterhin geöffnet bleiben (ohne eine Begrenzung der Verkaufsfläche). § 4 Abs. 3 Nr. 12 a der Corona-Verordnung bietet eine zusätzliche Öffnungsmöglichkeit für alle Geschäfte, die aufgrund sonstiger Vorschriften der Corona-Verordnung nicht öffnen dürfen und deren geöffnete Verkaufsfläche 800 m² nicht übersteigt. Zweck dieser Flächenbegrenzung ist es, die Verkaufsöffnung so zu begrenzen, dass die Kundenfrequenz auf ein unter dem Gesichtspunkt des Infektionsschutzes vertretbares Maß begrenzt bleibt."

Nach den Auslegungshinweisen des Wirtschaftsministeriums gelten für die Beurteilung von Mischsortimenten folgende Grundsätze:

"Mischsortimente: Wenn Mischsortimente angeboten werden, dürfen Sortimentsteile, deren Verkauf nicht gestattet ist, verkauft werden, wenn der erlaubte Sortimentsteil überwiegt; diese Stellen dürfen dann alle Sortimente vertreiben, die sie gewöhnlich auch verkaufen. Wenn bei einer Stelle der verbotene Teil des Sortiments überwiegt, darf der erlaubte Teil allein weiterverkauft werden, wenn eine räumliche Abtrennung möglich ist (§ 4 Abs. 3 S. 2 CoronaVO). Bei dem Betrieb der Einrichtung ist die Einhaltung der erforderlichen Hygienestandards gem. § 4 Abs. 5 CoronaVO sicherzustellen.

Beurteilungsmaßstab für Mischsortimente: Die örtlich zuständigen Behörden können in Zweifelsfällen nach den Umständen des Einzelfalls in einer überschlägigen Gesamtbetrachtung entscheiden, i. d. R. durch Inaugenscheinnahme. Als Hilfskriterium kann insbesondere die Verkaufsfläche oder der Umsatz herangezogen werden. Der erlaubte Sortimentsanteil überwiegt, wenn alle erlaubten Sortimente zusammen mehr als 50 Prozent des Gesamtsortiments bilden (50 % + x)."

An die Gemeinsame Richtlinie des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau und des Ministeriums für Soziales und Integration zur Öffnung von Einrichtungen des Einzelhandels gemäß § 4 Absatz 3 der Corona-Verordnung sowie der Auslegungshinweise zur Corona-Verordnung des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, die der Konkretisierung und Auslegung der Vorschrift dienen sollen, und damit eine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift darstellt, ist das Gericht, anders als die Verwaltung, nicht gebunden.

Wie das Merkmal "überwiegen" des § 4 Abs. 3 Satz 2 CoronaVO zu verstehen ist, hat der Verordnungsgeber nicht ausdrücklich vorgegeben. Dem Wortlaut der Norm ist diesbezüglich weder der Maßstab der Verkehrsfläche noch des Umsatzes zu entnehmen. Dabei hat der Verordnungsgeber ersichtlich die Intention verfolgt, im Sinne eines Meistbegünstigungsprinzips dem Unternehmer ein Wahlrecht zu überlassen. Insoweit befürworten die Auslegungshinweise des Wirtschaftsministeriums ausdrücklich eine Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der nicht abschließend benannten Kriterien, insbesondere der Verkehrsfläche sowie des Umsatzes. Für die örtlichen Behörden bedarf es insoweit objektiver Maßstäbe.

Zwar ist der Antragsgegnerin grundsätzlich zuzustimmen, dass eine pauschale Angabe der Verkaufsfläche ein gewisses Indiz hinsichtlich des Überwiegens eines Mischsortiments - insbesondere im Rahmen der Attraktivität und Anziehungskraft des Warenangebotes - zukommt, und Angaben über den Umsatz den zuständigen Behörden regelmäßig nicht vorliegen, zumal die Verkaufsfläche leicht zu ermitteln ist (vgl. Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, Beschluss vom 23. April 2020 - 1 B 107/20, S. 8 ff. des Beschlusses). Allerdings hat die Antragstellerin vorliegend ergänzende Angaben über den Umsatz und den Mengenbestand des streitgegenständlichen Betriebes gemacht (vgl. Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, Beschluss vom 14. April 2020 - 1 B 95/20, S. 6 des Beschlusses).

Die Antragsgegnerin hat allerdings die im Verwaltungsverfahren übermittelten Werte in den jeweiligen Teilsortimenten des Geschäftes hinsichtlich der Umsätze in den Kalenderwochen 6/2020 und 10/2020 sowie die verfügbaren Mengen zu den Stichtagen 01.02.2020 und 29.02.2020 ohne substantiierten Vortrag hinsichtlich der Plausibilität der mitgeteilten Werte ermessensfehlerhaft zurückgewiesen. Zwar hat die Antragsgegnerin unter anderem im Rahmen eines Augenscheins die örtliche Lage im Geschäft der Antragstellerin kontrolliert, hat dabei die mitgeteilten Angaben über den Umsatz und Warenbestände aber nicht berücksichtigt. Dass die mitgeteilten Werte nicht stimmen würden, ist nicht ohne Weiteres ersichtlich. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen (Verpackungs-)Größen und dadurch erforderlichen Verkaufsflächen der angebotenen Produkte dürfte allein die Verkaufsfläche als Entscheidungsmerkmal - soweit ergänzende Berücksichtigungskriterien nachweislich vorliegen - nicht ausreichen.

Sowohl den Baugenehmigungsunterlagen als auch den eigenen Angaben der Antragstellerin ist diesbezüglich zu entnehmen, dass ein Überwiegen eines klassischen Drogeriebetriebes auf der verfügbaren Gesamtverkaufsfläche von ca. 2.500 m² nicht angenommen werden kann. Die Teilbereiche Drogerie, Naturshop, OTC sowie Parfümerie übersteigen insoweit nicht die Mehrheitsgrenze von 50,01 % der verfügbaren Verkaufsflächen. Insoweit wäre allein auf dieser Grundlage ein Überwiegen des unzulässigen Mischsortiments anzunehmen.

Unter Berücksichtigung des nicht unerheblichen Eingriffes in das Grundrecht der wirtschaftlichen Berufsausübung gemäß Art. 12 Abs. 1 GG ist allerdings - wie das Wirtschaftsministerium zutreffend feststellt - eine Gesamtbetrachtung geboten, soweit valide Informationen den Behörden vorliegen. Den übermittelten Werten ist insofern zu entnehmen, dass die Antragstellerin zu den Stichzeitpunkten der 6. und 10. Kalenderwoche einen mehrheitlichen Umsatz durch Produkte, die normalerweise einem Drogeriebetrieb zuzuordnen wären, erzielt hat. In der 6. Kalenderwoche erzielte die Antragstellerin mehrheitliche Umsatzanteile allein in den Teilbereichen Drogerie, Naturshop und Bionahrung (46,52 + 1,87 + 1,39 + 2,02 %). Ein mehrheitlicher Umsatz durch derartige Produkte lässt sich auch in der 10. Kalenderwoche feststellen (47,88 + 2,01 + 2,13 + 2,68 %), wobei hier der von der Antragsgegnerin gerügte Teilbereich Parfümerie noch nicht umfasst ist. In beiden Wochen lässt sich bereits numerisch ein Überwiegen des zu berücksichtigenden Umsatzes (d.h. über 50,01 %) feststellen. Diese Werte werden zusätzlich durch die weiteren Angaben über die in der Filiale befindlichen Warenmengen zu den Stichtagen 01.02.2020 sowie 29.02.2020 bestätigt. Demnach entfiel der Mengenfilialbestand am 01.02.2020 mehrheitlich, d.h. über den maßgeblichen Wert von 50,01 % auf Produkte, die in einem "regulären" Drogeriesortiment aufzufinden wären - d.h. Teilsortimente Drogerie, Naturshop und Bionahrung: 50,37 + 0,98 + 1,24 + 1,83 % - wobei auch hier der Bereich "Parfümerie" zunächst unberücksichtigt bleibt. Auch am weiteren mitgeteilten Stichtag des 29.02.2020 liegt ein über 50 % liegender Anteil des Warenbestandes vor (49,08 + 0,93 + 1,28 + 1,84 %).

Im Rahmen der - unter Berücksichtigung von Art. 12 GG gebotenen - Gesamtbetrachtung des Tatbestandsmerkmals "überwiegen" kann vorliegend nicht angenommen werden, dass der verbotene Teil des Mischsortiments der Antragstellerin den erlaubten, regulär angebotenen Teil des Sortiments überwiegt. Die Antragsgegnerin war insoweit gehalten, die mitgeteilten Werte in ihre Gesamtbetrachtung miteinzubeziehen. Ein pauschaler und nicht substantiierter Hinweis auf unvollständige oder gar gefälschte Bilanzen verkennt den erheblichen, anhaltenden Eingriff in die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin. Dass die Daten der Antragstellerin unzutreffend sein könnten, ist zur Überzeugung des Gerichts nicht ansatzweise dargelegt und im Übrigen nicht ersichtlich. Durch die fehlende Berücksichtigung der Umsatz- und Filialbestandsmengen hat die Antragsgegnerin in der Hinsicht das Vorliegen eines überwiegenden, erlaubten Mischsortiments zu Unrecht verneint. Weder die Tatsache, dass die Verkaufsfläche des klassischen Drogeriebetriebs nicht überwiegt noch die Verteilung des Geschäftes auf mehrere Etagen vermag vorliegend die Annahme zu begründen, dass die bisher gesperrten Teilbereiche den Großteil des Geschäftes der Antragstellerin ausmachen. Ersichtlich liegt der Fokus des Angebotes und damit auch die Attraktivität auf den angebotenen Produkten des täglichen Bedarfes wie z.B. der Kosmetik, Lebensmittel, Körperpflege und des Haushaltes, d.h. Waren, die üblicherweise in einem Drogeriemarkt zu erwerben sind. Die weiteren Teilbereiche stellen ersichtlich eine Ergänzung des übrigen Angebotes dar. Allein das Abstellen auf die Verkehrsfläche der diesbezüglichen Teilbereiche wird dem spezifischen Charakter des Betriebes der Antragstellerin nicht gerecht.

Handelt es sich bei dem Mischsortiment daher um einen überwiegend erlaubten Sortimentsteil, so kann die Untersagungsverfügung der in der Anordnung vom 21.04.2020 genannten Teilbereiche keinen Bestand haben. Eine Begrenzung auf eine Verkaufsfläche von 800 m² kommt insofern nicht in Betracht, da es sich bei dem Betrieb der Antragstellerin um einen Drogeriebetrieb nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 CoronaVO handelt, der ausdrücklich nicht von der Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 12a CoronaVO umfasst ist. Eine Beurteilung über die Zulässigkeit der Beschränkung auf 800 m² bedarf es vorliegend nicht, zumal das Wirtschaftsministerium ausweislich der Anwendungshinweise selbst bestimmten Geschäften die Betriebsausübung unabhängig von der Größe der Verkaufsfläche gestattet.

bb. Die in Ziffer 2 des Bescheides vom 21.04.2020 getroffene räumliche Trennungsanordnung kann vor dem Hintergrund des obig Ausgeführten keinen Bestand haben. Handelt es sich bei dem Betrieb der Antragstellerin nicht um einen unzulässigen Mischbetrieb, besteht für die Anordnung einer diesbezüglichen Trennung der Sortimente keine ausreichende Grundlage.

cc. Soweit die Antragsgegnerin Nr. 3 des Bescheides die Androhung eines Zwangsgeldes angedroht hat, kann dieser Verfügungsteil vor dem Hintergrund des bereits Ausgeführten ebenfalls keinen Bestand haben, da es insoweit an einer entsprechend vollstreckbaren Grundverfügung fehlt.

2. Soweit die Antragstellerin mit ihrem sachdienlich ausgelegten Antrag zusätzlich begehrt, im Wege der einstweiligen Anordnung die Feststellung zu erlangen, dass sie berechtigt ist, die mit Antrag vom 14.04.2020 benannten Teilbereiche ihres Geschäftes zu öffnen, hat dieser ebenfalls Erfolg.

Der Antrag ist sachdienlich wie oben dargestellt auszulegen. Da die Antragstellerin zu dem von ihr angestrebten Betrieb des Drogeriemarktes mit Mischwarensortiment berechtigt wäre, ist eine Formulierung des Antrags dergestalt angebracht, dass die Norm des § 4 Abs. 3 CoronaVO diesem Vorhaben nicht entgegensteht. So verstanden ist der Antrag zulässig. Insbesondere ist eine auf Feststellung gerichtete einstweilige Anordnung hier statthaft, da sich die Frage der Betriebsöffnung unmittelbar nach der CoronaVO beurteilt, ohne dass eine behördliche Zulassungsentscheidung vorgesehen wäre. Die Auslegung des § 4 Abs. 3 Satz 2 und 3 CoronaVO ist zwischen den Beteiligten streitig. Allein die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist insoweit nicht ausreichend. Der Antragstellerin ist es - auch mit Blick auf die Bußgeldbewehrung - nicht zuzumuten, auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung das Geschäft zu betreiben und erst gegen eine weitere, mögliche, künftige behördliche Untersagungsverfügung - wie die hier vorliegende Anordnung vom 21.04.2020 - Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Erforderlich ist mit anderen Worten, dass der Antragsteller einen materiellen Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung gerade im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Anordnungsgrund) glaubhaft macht.

Der Anordnungsgrund folgt im Wesentlichen daraus, dass die Betriebsschließung einen massiven Eingriff in die gem. Art. 12 GG garantierte Berufsfreiheit darstellt und mit gravierenden finanziellen Einbußen einhergeht, die eine Gefährdung von Arbeitsplätzen und des Unternehmens nach sich ziehen.

Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Sie hat glaubhaft gemacht, dass § 4 Abs. 3 CoronaVO der Öffnung der beantragten Teilbereiche ihres Geschäfts nicht entgegensteht, da sie höchstwahrscheinlich den Tatbestand des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 CoronaVO i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 2 und 3 CoronaVO erfüllen dürfte: die Öffnung der beantragten Teilbereiche dürfte keinen Verstoß gegen die Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 2 und 3 CoronaVO darstellen. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

3. Dem vorliegenden Antrag ist nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses (insbesondere den mitgeteilten Umsatzwerten) sowie der Vorwegnahme der Hauptsache.