VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.09.2004 - 10 S 1283/04
Fundstelle
openJur 2013, 13510
  • Rkr:

1. Aufgrund von Vorschriften der StPO und des EGGVG (GVGEG) darf die Staatsanwaltschaft auf Anforderung der Fahrerlaubnisbehörde eine Abschrift eines Strafurteils an diese übersenden, wenn diese im Rahmen der Überprüfung der Fahreignung eines Fahrerlaubnisbewerbers von der Verurteilung als solcher in zulässiger Weise Kenntnis erlangt hat.

2. § 2 Abs 7 Sätze 2 und 3 StVG regeln den Umfang der Ermittlungen der Fahrerlaubnisbehörde nicht abschließend. Für den Umfang der Ermittlungen der Fahrerlaubnisbehörde im Zusammenhang mit einem Fahrerlaubnisantrag ist § 2 Abs 12 StVG nicht von Bedeutung.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25. Februar 2004 - 3 K 3250/03 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Fahrerlaubnis.

Der am 13.10.1982 geborene Kläger lebte bis zu seinem 15. Lebensjahr in Kroatien. Dort erreichte er den Hauptschulabschluss. Nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1998 absolvierte der Kläger zunächst einen Sprachkurs und anschließend ein Berufsvorbereitungsjahr. Wegen unzureichender deutscher Sprachkenntnisse wurde der Kläger nochmals in einen Berufsvorbereitungslehrgang aufgenommen.

Im Juli 2002 beantragte der Kläger bei der Führerscheinstelle der Beklagten die Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse B. Die Führerscheinstelle der Beklagten holte Auskünfte anderer Stellen innerhalb des Amtes für öffentliche Ordnung und der Kriminalpolizei über gegen den Kläger vorliegende Erkenntnisse ein. Auf diese Weise erhielt die Beklagte von zwei gegen den Kläger nach § 31a BtMG eingestellten Ermittlungsverfahren wegen Besitzes von geringen Mengen Cannabis (Tatzeitpunkte 08.10. und 21.12.2001) Kenntnis. Ferner wies die Landespolizeidirektion Stuttgart II - Kriminalpolizei - auf ein gegen den Kläger durchgeführtes Strafverfahren hin. Auf ihre Aufforderung übersandte die Staatsanwaltschaft Stuttgart der Beklagten einen Abdruck des Urteils des Amtsgerichts Stuttgart - Jugendschöffengericht - vom 15.12.1999 (201 Ls 51 Js 85525/99). Durch dieses Urteil war der Kläger gemeinsam mit zwei weiteren Angeklagten der versuchten Erpressung und der gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen worden. Dem Kläger war auferlegt worden, 50 Stunden gemeinnützige unentgeltliche Arbeit nach Weisung des Jugendamtes zu leisten. Mit Schreiben vom 19.11.2002 ordnete die Beklagte gegenüber dem Kläger die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an. Als im Rahmen der Begutachtung zu klärenden Frage wurde genannt: „Ist trotz der Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotential zu erwarten, dass Herr A. die körperlichen und geistigen Anforderungen an das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppe 1 (FE-Klasse B) im Verkehr erfüllt ?“ Zur Begründung verwies die Beklagte auf das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 15.12.1999. Das Verhalten des Klägers zeige ein hohes Aggressionspotential und eine Neigung zur impulsiven Durchsetzung seiner eigenen Interessen. Dies lasse erwarten, dass er auch in konflikthaltigen Verkehrssituationen emotional impulsiv handeln und dadurch das Risiko einer Verkehrssituation noch erhöhen werde, aber auch, dass eigene Bedürfnisse aggressiv durchgesetzt werden sollen. Der Kläger habe daher nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV seine Kraftfahreignung anhand des Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung nachzuweisen. Zur Vorlage des Gutachtens wurde dem Kläger eine Frist bis zum 19.02.2003 gesetzt. Ferner wurde der Kläger unter Berufung auf § 11 Abs. 8 FeV darauf hingewiesen, dass die unterbliebene oder nicht fristgerechte Vorlage des Gutachtens als Weigerung angesehen werde.

Demgegenüber ließ der Kläger erklären, er werde das geforderte Gutachten nicht beibringen. Zur Begründung wies er darauf hin, dass er sich seit der drei Jahre zurückliegenden Tat im Alter von nicht ganz 17 Jahren nichts weiter habe zu Schulden kommen lassen.

Mit Verfügung vom 27.01.2003 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse B ab und führte zur Begründung aus: Die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei im Hinblick auf Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotential zulässig gewesen. Derjenige, der aufgrund des rücksichtslosen Durchsetzens eigener Interessen, aufgrund seines großen Aggressionspotentials oder seiner nicht beherrschten Affekte in schwerwiegender Weise die Rechte anderer verletze, lasse nicht erwarten, dass er im motorisierten Straßenverkehr die Rechte anderer Verkehrsteilnehmer respektieren werde.

Gegen diese Verfügung erhob der Kläger mit der Begründung Widerspruch, die Straftat liege mehr als drei Jahre zurück und im Zeitraum seit dieser Straftat habe er sich nichts mehr zu Schulden kommen lassen. Sein Verhalten anlässlich der mit dem Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 15.12.1999 abgeurteilten Tat lasse gerade nicht auf ein hohes Aggressionspotential und nicht beherrschbare Affekte schließen. Den Widerspruch des Klägers wies das Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 18.07.2003 zurück und führte zur Begründung aus: Das Verhalten des Klägers anlässlich der Straftat vom 09.10.1999 lasse auf ein erhöhtes Aggressionspotential schließen. Der Kläger habe den Geschädigten getreten und diesen im Bereich des Halses und der Wange verletzt. Die Beklagte habe das ihr nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV zustehende Ermessen sachgerecht ausgeübt. Denn es liege im öffentlichen Interesse, nur denjenigen ein Fahrzeug führen zu lassen, der hierzu auch geeignet sei. Hinzu komme, dass hinsichtlich des Klägers in der Vergangenheit zwei Verfahren wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz anhängig gewesen seien. Der von der Staatsanwaltschaft angenommene gelegentliche Konsum mache die Anordnung notwendig und rechtfertige die Ermessensentscheidung zu Ungunsten des Klägers. Es liege im öffentlichen Interesse, neben dem belegten aggressiven Potential des Klägers auch feststellen zu lassen, ob unter Umständen der Betäubungsmittelkonsum ebenfalls der Erteilung einer Fahrerlaubnis im Wege steht.

Am 08.08.2003 hat der Kläger mit der Begründung Klage erhoben, die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei rechtswidrig gewesen. Weder hätten die gesetzlichen Voraussetzungen vorgelegen noch habe die Beklagte ihr Ermessen rechtmäßig betätigt. Die ihm auferlegte Verpflichtung, 50 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten, sei im Jugendstrafrecht im untersten Bereich der Sanktion anzusiedeln. Der Geschädigte habe durch die Straftat lediglich kleinere Hautabschürfungen erlitten. Zu seinen Gunsten habe das Amtsgericht berücksichtigt, dass er voll geständig gewesen sei. Auch seien bei ihm nach dem Urteil des Amtsgerichts Stuttgart entwicklungsbedingte Verzögerungen festzustellen. Schädliche Neigungen habe das Amtsgericht aber gerade nicht erkannt. Zudem liege die Straftat mehr als drei Jahre zurück. Die beiden Strafanzeigen wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln könnten die angefochtene Verfügung ebenfalls nicht rechtfertigen.

Mit Urteil vom 25.02.2004 (3 K 3250/03) hat das Verwaltungsgericht Stuttgart den Bescheid der Beklagten vom 27.01.2003 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 18.07.2003 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Antrag des Klägers vom 15.07.2002 auf Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse B unter Beachtung seiner Rechtsauffassung erneut zu bescheiden. Ferner hat das Verwaltungsgericht die Hinzuziehung eines Anwalts im Vorverfahren für notwendig erklärt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Die Aufforderung zur Begutachtung sei rechtswidrig gewesen. Die Beklagte habe ihre Entscheidung mit der Kenntnis eines Urteils gerechtfertigt, die sie sich nicht hätte verschaffen, jedenfalls aber bei der Überprüfung der Fahreignung des Klägers nicht hätte verwerten dürfen. Die Fahrerlaubnisbehörde könne die ihr durch § 2 Abs. 12 Satz 2 StVG faktisch untersagte Datensammlung über Delikte Jugendlicher, für die eine Überprüfung der Fahreignung noch nicht in absehbarer Zeit anstehe, nicht dadurch ersetzen, dass sie polizeiliche Datensammlungen zur Vorratshaltung für eine ihr selbst - auch nach § 15 Abs. 1 LDSG - untersagte Speicherung von nicht zu ihrer Aufgabenerfüllung erforderlichen Daten missbrauche. Die Straftat des Klägers sei nicht nach § 28 Abs. 3 StVG i.V.m. § 59 FeV im Verkehrszentralregister einzutragen. Auch zähle die Verurteilung nicht zu denjenigen, die nach § 4 BZRG überhaupt in das Bundeszentralregister aufgenommen würden. Erst recht könne sie nicht in einem Führungszeugnis zur Vorlage bei der Verwaltungsbehörde nach § 32 Abs. 3 BZRG stehen. Damit gehöre die Jugendstraftat des Klägers zu denjenigen, von denen die Fahrerlaubnisbehörden in einem späteren Verfahren auf Erteilung der Fahrerlaubnis bundesgesetzlich in der Regel keine Kenntnis haben sollten. Die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei auch dann rechtswidrig, wenn die Beklagte das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 15.12.1999 hätte verwerten dürften. Denn das Urteil lasse gerade nicht auf ein hohes Aggressionspotential des Klägers schließen. Das Amtsgericht habe schädliche Neigungen des voll geständigen Klägers nicht erkennen können und habe bei ihm entwicklungsbedingte Verzögerungen festgestellt. Die Beklagte habe auch nicht berücksichtigt, dass hinsichtlich des Klägers keine verwertbaren Anhaltspunkte dafür bestünden, dass er seit der über drei Jahre zurückliegenden Straftat erneut gewalttätig geworden sei. Der Cannabiskonsum des Klägers könne die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens nicht rechtfertigen. Die Beklagte habe die Frage von Eignungsmängeln wegen Cannabiskonsums gerade nicht in die Formulierung der Fragestellung an die Gutachterstelle aufgenommen. Im Übrigen rechtfertige der gelegentliche Cannabiskonsum des Klägers ohne Bezug zu einer Verkehrsteilnahme keine Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde. Bei ihrer erneuten Entscheidung über den Fahrerlaubnisantrag des Klägers müsse die Beklagte deshalb davon ausgehen, dass Bedenken gegen die Fahreignung des Klägers nicht bestehen und nur noch dessen Fahrbefähigung (theoretische und praktische Fahrprüfung) zu prüfen sei.

Am 03.06.2004 ist der Beklagten der Beschluss des Senats über die Zulassung der Berufung zugestellt worden. Mit am 09.06.2004 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Beklagte zur Begründung der Berufung vorgetragen: Die Aufforderung zur Begutachtung sei entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts rechtmäßig. § 2 Abs. 12 Satz 2 StVG stehe der Verwertung des Urteils des Amtsgerichts Stuttgart vom 15.12.1999 nicht entgegen. Das Verwaltungsgericht habe bei seinen Ausführungen zu § 2 Abs. 12 Satz 2 StVG auf den früheren Wortlaut der inzwischen geänderten Norm abgestellt. Die Erhebung, Speicherung und Nutzung der übermittelten Daten sei im Sinne von § 13 Abs. 1 und § 15 Abs. 1 LDSG zulässig, weil diese Informationen zur Erfüllung der Aufgaben der Fahrerlaubnisbehörde, die Überprüfung der Fahreignung, erforderlich gewesen seien. Die Datenübermittlung durch die Polizei sei aufgrund von § 41 PolG erfolgt. § 2 Abs. 7 Satz 1 StVG regele die Ermittlungsmöglichkeiten der Fahrerlaubnisbehörde nicht abschließend. Die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts hätte zur Folge, dass die Behörde z.B. Kenntnisse über den Konsum von Drogen, der sich nicht in Eintragungen im Verkehrs- oder Bundeszentralregister niederschlagen, nicht verwerten dürfe. Auch könne es im Hinblick auf die gebotene Überprüfung der Fahreignung keine Rolle spielen, ob der Betreffende zum Zeitpunkt der Auffälligkeit noch Jugendlicher gewesen sei oder noch keinen Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis gestellt habe. Aus dem Urteil des Amtsgerichts vom 15.12.1999 gehe immerhin hervor, dass beim Kläger entwicklungsbedingte Verzögerungen vorgelegen haben. In dem angeforderten medizinisch-psychologische Gutachten hätte geklärt werden können, ob diese entwicklungsbedingten Verzögerungen noch vorhanden seien und ob diese Auswirkungen auf die Fahreignung haben. Angesichts des dem Strafurteil zugrundeliegenden Sachverhalts habe sich die Behörde nicht mit der lapidaren Feststellung des Amtsgerichts begnügen können, beim Kläger seien schädliche Neigungen nicht zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25. Februar 2004 - 3 K 3250/03 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 15.12.1999 hätte zum damaligen Zeitpunkt nicht aufgrund von § 2 Abs. 12 StVG an die Beklagte übermittelt werden dürfen, weil er erst 16 Jahre alt gewesen und die Beantragung einer Fahrerlaubnis nicht bevorgestanden habe. Die Tat sei ein typisches Jugendvergehen gewesen und habe mit der Fahreignung nichts zu tun. Selbst wenn die Beklagte das Strafurteil hätte verwerten dürfen, sei die Anordnung zur Beibringung des medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht zulässig gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, auf die Führerscheinakte der Beklagten, auf die Akte des Widerspruchsverfahrens sowie auf die Akte des Verwaltungsgerichts Stuttgart verwiesen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht die Verfügung der Beklagten vom 27.01.2003 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 18.07.2003 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Antrag des Klägers vom 15.07.2002 auf Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse B unter Beachtung seiner Rechtsauffassung erneut zu bescheiden. Denn die Klage des Klägers ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Die genannten Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Die Beklagte musste den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse B wegen seiner fehlenden Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ablehnen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG). Die Anordnung der Beklagten zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 19.11.2002 war sowohl in formeller (1) als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht (2) rechtmäßig. Der Kläger hat jedoch eine solche Untersuchung ohne ausreichenden Grund verweigert, so dass die Beklagte bei der Entscheidung über die Erteilung einer Fahrerlaubnis von der Nichteignung des Klägers ausgehen durfte (§ 11 Abs. 8 Satz 1 1. Alt. FeV). In der Aufforderung vom 19.11.2002 war der Kläger entsprechend § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV auch auf die Folgen der Verweigerung des Gutachtens hingewiesen worden. In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht weist der Senat aber im Hinblick auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid zum Cannabiskonsum des Klägers darauf hin, dass die Anhaltspunkte für eine gelegentliche Einnahme von Cannabis durch den Kläger für die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanforderung nicht von Bedeutung sind. Die Beklagte hatte den Aspekt der Einnahme von Cannabis in der Gutachtensanforderung vom 19.11.2002 gerade nicht erwähnt. Umstände, die in einer Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens nicht aufgeführt sind, können die abschließende Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde über die Verweigerung oder Entziehung der Fahrerlaubnis nur dann rechtfertigen, wenn sie unmittelbar die Ungeeignetheit des Betreffenden ungeachtet der Nichtbeibringung des angeforderten Gutachtens belegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.07.2001 - 3 C 13.01 -, NJW 2002, 78). Die vorliegenden Hinweise auf einen bloß gelegentlichen Cannabiskonsum des Klägers ohne den Nachweis eines Zusatzelements im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung reichen hierfür aber nicht aus.

1) Die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 19.11.2002 genügte zunächst den sich aus § 22 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV ergebenden formellen Anforderungen. Die Anordnung muss im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein und der Betroffene muss ihr entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das in ihr Verlautbarte die behördlichen Zweifel an seiner Fahreignung zu rechtfertigen vermag. Die verdachtsbegründenden Umstände müssen so genau bezeichnet sein, dass es dem Betroffenen möglich ist, auch unter Heranziehung eines Rechtsanwalts abzuschätzen, ob nach den Vorschriften der Fahrerlaubnis-Verordnung hinreichender Anlass zu der angeordneten Überprüfung besteht (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.07.2001 - 3 C 13.01 -, a.a.O.; Senatsbeschl. v. 24.06.2002 - 10 S 985/02 -, NZV 2002, 580, 581). Diesen Vorgaben wird das Schreiben der Beklagten vom 19.11.2002 gerecht. Mit der Angabe des Urteils des Amtsgerichts und der sich anschließenden Auseinandersetzung mit dem dort abgeurteilten Verhalten des Klägers wurde der konkrete Anlass der Gutachtensanordnung benannt. Die ausdrückliche Bezugnahme auf die Vorschrift des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV ermöglichte dem Kläger zudem die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Aufforderung hinsichtlich der von der Behörde herangezogenen Ermächtigungsgrundlage.

2) Die Aufforderung vom 19.11.2002 entsprach auch den an sie zu stellenden materiell-rechtlichen Anforderungen. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Klärung von Eignungszweifeln zur Vorbereitung einer Entscheidung über die Erteilung der Fahrerlaubnis bei Straftaten, bei denen Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotential bestehen, die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) anordnen. Diese Bestimmung trägt dem Umstand Rechnung, dass im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 GG und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens nur rechtmäßig ist, wenn die Fahrerlaubnisbehörde hinreichend konkrete Verdachtsmomente feststellt, die einen Eignungsmangel des betreffenden Fahrerlaubnisinhabers als nahe liegend erscheinen lassen (BVerfG, Beschl. v. 24.06.1993, BVerfGE 89, 69, 85 f.; Beschl. v. 20.06.2002 - 1 BvR 2062/96 -, Rn. 39, 51 und 53, NJW 2002, 2378 = DVBl 2002, 1265; Beschl. v. 08.07.2002 - 1 BvR 2428/95 -, Rn. 7, UPR 2002, 344; BVerwG, Urt. v. 05.07.2001 - 3 C 13.01 -, a.a.O.). Im Gegensatz zum Verwaltungsgericht geht der Senat davon aus, dass die Beklagte vom Urteil des Amtsgerichts Stuttgart zu Recht Kenntnis erlangt hatte (a), die Beklagte dieses Urteil im Rahmen der Überprüfung der Fahreignung des Klägers auch verwerten durfte (b) und im Hinblick auf dieses Urteil die Voraussetzungen von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV erfüllt waren (c).

a) In Bezug auf das Erfordernis einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage für die Übermittlung von personenbezogenen Daten (vgl. BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 -, BVerfGE 65, 1, 44) an die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Fahrerlaubnisbehörde bestehen gegen die Verwendung des Urteils des Amtsgerichts Stuttgart vom 15.12.1999 keine rechtlichen Bedenken. Die Beklagte war von der Landespolizeidirektion Stuttgart lediglich auf das Urteil des Amtsgerichts vom 15.12.1999 hingewiesen worden, das Urteil selbst wurde der Beklagten von der Staatsanwaltschaft Stuttgart auf Anforderung übersandt. Sowohl für die Mitteilung der Landespolizeidirektion als auch für die der Staatsanwaltschaft bestand jeweils eine ausreichende gesetzliche Grundlage.

Die gesetzliche Grundlage für die Mitteilung der Landespolizeidirektion, eine Dienststelle des Polizeivollzugsdienstes (vgl. § 70 Abs. 1 Nr. 4 PolG), an die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Fahrerlaubnisbehörde ergab sich aus § 42 PolG. Dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob die Übermittlung bereits auf § 42 Abs. 1 PolG gestützt werden konnte, wonach die Polizeibehörden (vgl. zum Streit über den Begriff der Polizeibehörde im Sinne von § 42 Abs. 1 PolG, Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 42, Rn. 11 und § 61, Rn. 2 ff. m.w.Nachw.) und die Dienststellen des Polizeivollzugsdienstes einander personenbezogene Daten übermitteln, soweit dies zur Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben erforderlich ist. Die Beklagte, die vorliegend in ihrer Eigenschaft als örtlich zuständige Fahrerlaubnisbehörde tätig wurde, ist auch Ortspolizeibehörde (§ 62 Abs. 4 Satz 1 PolG). Selbst wenn die Beklagte, die vorliegend nicht aufgrund von Eingriffsbefugnissen des Polizeigesetzes, sondern aufgrund des Straßenverkehrsgesetzes und der Fahrerlaubnis-Verordnung handelte, deshalb nicht als Polizeibehörde im Sinne von § 42 Abs. 1 PolG anzusehen gewesen wäre, wäre der Hinweis der Landespolizeidirektion gegenüber der Beklagten auf das Urteil des Amtsgerichts nach § 42 Abs. 2 PolG zulässig gewesen. Das Fahrerlaubnisrecht ist verkehrsbezogenes Gefahrenabwehrrecht (BVerfGE 40, 371, 380). Die Übermittlung dieser Daten durch die Landespolizeidirektion war auch im Sinne von § 42 Abs. 2 PolG zur Wahrnehmung der Aufgaben der Beklagten als Fahrerlaubnisbehörde erforderlich. Denn das Urteil des Amtsgerichts wies auf einen Aspekt der Persönlichkeit des Klägers hin, der die von der Beklagten nach § 2 Abs. 7 StVG zu klärende Frage der Fahreignung des Klägers betraf. Auch ist die in § 38 Abs. 2 PolG i.V.m. § 5 DVO PolG geregelte Frist für die Speicherung der Daten noch nicht abgelaufen.

Auch die Übermittlung der Urteilsabschrift durch die Staatsanwaltschaft Stuttgart auf Anforderung der Beklagten beruhte auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage. Die Heranziehung von § 481 StPO ist ausgeschlossen, weil die Beklagte jedenfalls nicht aufgrund des Polizeigesetzes handelte. Nach § 474 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 1. Alt. StPO ist aber die Erteilung einer Auskunft an eine andere öffentliche Stelle zulässig, soweit dieser Stelle in sonstigen Fällen auf Grund einer besonderen Vorschrift von Amts wegen personenbezogene Informationen aus Strafverfahren übermittelt werden dürfen. § 474 StPO regelt die Auskunftserteilung aus Akten eines Strafverfahrens für verfahrensexterne Zwecke (vgl. BT-Drucks. 14/1484, Nrn. 14 und 15, S. 25), hier die Überprüfung der Fahreignung des Klägers. Die Auskunftserteilung, über die nach dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens gemäß § 478 Abs. 1 Satz 1 StPO die Staatsanwaltschaft zu entscheiden hatte, konnte nach § 477 Abs. 1 StPO auch durch die Überlassung einer Abschrift aus der Akte erfolgen. Besondere Vorschrift im Sinne von § 474 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 1. Alt. StPO, die der Staatsanwaltschaft die Übermittlung personenbezogener Daten von Amts wegen an die Beklagte gestattete, war vorliegend § 14 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b EGGVG. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 EGGVG gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts dieses Gesetzes u.a. für die Übermittlung personenbezogener Daten von Amts wegen durch Staatsanwaltschaften an öffentliche Stellen eines Landes für andere Zwecke als die des Verfahrens, für die diese Daten erhoben worden sind. Die der Beklagten von der Staatsanwaltschaft durch die Übersendung einer Urteilsabschrift erteilte Auskunft erfolgte im Rahmen des gegen den Kläger ursprünglich durchgeführten Strafverfahrens und damit in Strafsachen im Sinne von § 14 EGGVG. Zu den personenbezogenen Daten des Beschuldigten, die im Sinne von § 14 Abs. 1 EGGVG den Gegenstand des Verfahrens betreffen, gehören auch die im Verfahren ergangenen gerichtlichen Entscheidungen (vgl. Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 5. Aufl., § 14 EGGVG, Rn. 2). Die vom Kläger beantragte Fahrerlaubnis ist eine verkehrsrechtliche Erlaubnis im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b EGGVG, die Übermittlung der personenbezogenen Daten wäre auch aus Sicht der Staatsanwaltschaft für die Versagung der Fahrerlaubnis im Sinne von § 14 Abs. 1 EGGVG erforderlich gewesen. Denn die Übermittlung hätte die Beklagte als Fahrerlaubnisbehörde entsprechend dem Zweck des § 14 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b EGGVG (vgl. BT-Drucks. 13/4709, zu § 14, S. 23) in die Lage versetzt, die zum Schutz der Allgemeinheit erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Der Übermittlung der Daten durch die Staatsanwaltschaft von Amts wegen an die Beklagte als Fahrerlaubnisbehörde hätte auch nicht entgegengestanden, dass dem Kläger durch das Urteil vom 15.12.1999 lediglich auferlegt worden war, 50 Stunden gemeinnützige unentgeltliche Arbeit nach Weisung des Jugendamtes zu leisten, und er damit nicht zu einer Strafe oder einer Maßnahme im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB verurteilt worden war. Denn die in diesen Fällen aus § 14 Abs. 2 Satz 1 EGGVG folgende Beschränkung der Übermittlungsmöglichkeiten der Staatsanwaltschaft gilt nicht bei gefährlicher Körperverletzung (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 3 EGGVG). Der Kläger ist aber vom Amtsgericht u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen worden. Auch dass das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart wegen seines Rechtsfolgenausspruchs nicht in ein Führungszeugnis für Behörden aufgenommen wird und der Beklagten nach § 41 BZRG keine unbeschränkte Auskunft erteilt würde, begründete nicht die Rechtswidrigkeit einer etwaigen Datenübermittlung seitens der Staatsanwaltschaft an die Beklagte. Die noch im Entwurf der Bundesregierung (§ 14 Abs. 2 EGGVG-E, BT-Drucks. 13/4709, S. 5 f.) für diese Fälle vorgesehene Beschränkung der Übermittlungsmöglichkeiten in Strafsachen (Bindung an §§ 41, 43 und 61 BZRG) ist nicht Gesetz geworden. Die Bundesregierung hatte dem Wunsch des Bundesrates nach Streichung des § 14 Abs. 2 EGGVG-E (vgl. BT-Drucks. 13/4709, Nr. 11, S. 42 f.) zugestimmt und lediglich in Aussicht gestellt, die notwendige Harmonisierung des Justizmitteilungsgesetzes mit den Beschränkungen des Bundeszentralregistergesetzes in einem größeren Zusammenhang weiter zu erörtern (vgl. BT-Drucks. 13/4709, Nr. 11, S. 55 f.). Der Umstand, dass die Verurteilung des Klägers nicht in ein Führungszeugnis für Behörden aufgenommen wird und zum Zeitpunkt der Übersendung der Urteilsabschrift der Eintritt der Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts mehr als zwei Jahre zurück lag, führt auch im Hinblick auf § 477 Abs. 3 Nr. 2 StPO nicht zur Rechtswidrigkeit der Datenübermittlung. Diese Beschränkung der Auskunftserteilung gilt nur gegenüber nichtöffentlichen Stellen. Dass die Kenntniserlangung der Beklagten vom Urteil des Amtsgerichts rechtmäßig war, lässt sich mittelbar auch aus der zum Zeitpunkt der Eintritt der Rechtskraft des Urteils vom 15.12.1999 noch geltenden Vorschrift des Art. 32 Abs. 2 Satz 2 des Justizmitteilungsgesetzes und des Gesetzes zur Änderung kostenrechtlicher Vorschriften und anderer Gesetze vom 18. Juni 1997 (BGBl. I S.130, jetzt § 482 Abs. 2 Satz  StPO) ableiten. Danach hätte die Landespolizeidirektion, die die Beklagte auf das gegen den Kläger ergangene Urteil hingewiesen hatte, ihrerseits von der Staatsanwaltschaft Stuttgart einen Abdruck des Urteils verlangen, diesen nach § 38 Abs. 1 PolG speichern und aufgrund von § 42 Abs. 1 oder 2 PolG an die Beklagte als Fahrerlaubnisbehörde auf deren Anfrage hin übermitteln können.

Die Anwendung von Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes sowie des Landesdatenschutzgesetzes ist wegen des Vorrangs der vorstehend aufgeführten besonderen bundes- und landesrechtlichen Bestimmungen ausgeschlossen (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BDSG und § 2 Abs. 5 Satz 1 LDSG).

b) Die Beklagte durfte das ihr rechtmäßig übermittelte Urteil des Amtsgerichts Stuttgart bei der ihr obliegenden Überprüfung der Fahreignung des Klägers auch verwerten.

Nach § 2 Abs. 7 Satz 1 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde zu ermitteln, ob der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet und befähigt ist (vgl. auch § 22 Abs. 2 FeV). Satz 2 schreibt ferner vor, dass sie dazu Auskünfte aus dem Verkehrszentralregister und dem Zentralen Fahrerlaubnisregister nach den Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes einzuholen hat. Nach Satz 3 kann sie außerdem insbesondere entsprechende Auskünfte aus ausländischen Registern oder von ausländischen Stellen einholen sowie die Beibringung eines Führungszeugnisses zur Vorlage bei der Verwaltungsbehörde nach den Vorschriften des Bundeszentralregisters verlangen. Unerheblich ist zunächst, dass das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 15.12.1999 nicht in einem der in § 2 Abs. 7 StVG aufgeführten Register erwähnt bzw. nicht in einem Führungszeugnis zur Vorlage bei einer Verwaltungsbehörde aufgeführt wird. Denn der Ansicht, die Fahrerlaubnisbehörde könne bei der Überprüfung der Fahreignung von Fahrerlaubnisbewerbern nur solche Urteile oder sonstige für den Antragsteller nachteilige tatsächliche Umstände verwerten und zum Anlass für die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens nehmen, die ihren Niederschlag in einem der dort genannten Register oder Zeugnis gefunden haben, kann nicht gefolgt werden. Bereits bei der Beratung des Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze vom 24. April 1998 (BGBl. I S. 747), durch das § 2 Abs. 7 StVG seine derzeitige Fassung erlangte, wurde davon ausgegangen, dass dort nur die wichtigsten Maßnahmen zur Ermittlung der Eignung und Befähigung des Antragstellers genannt seien und die Aufzählung nicht abschließend sei (vgl. BT-Drucks. 13/6914, Nr. 2, S. 65). Auch der Wortlaut der Norm spricht gegen eine Beschränkung der Fahrerlaubnisbehörde auf die dort genannten Maßnahmen zur Klärung der Fahreignung des Antragstellers. Zudem widerspräche eine Beschränkung der Fahrerlaubnisbehörde an den Inhalt der in § 2 Abs. 7 StVG aufgeführten Register bzw. des Registers ihrer Verpflichtung, durch eine Überprüfung der Fahrerlaubnisbewerber im Hinblick auf Eignungsmängel die Sicherheit des allgemeinen Straßenverkehrs sicherzustellen. Die Beklagte hat in der Berufungsbegründung zu Recht darauf hingewiesen, dass z.B. der Konsum von Drogen oder psychische Auffälligkeiten, die für die Fahreignung von großer Bedeutung sind, sich häufig nicht in einem der Register und im Führungszeugnis niederschlagen. Wäre die Fahrerlaubnisbehörde zur Nachprüfung der Fahreignung eines Antragstellers auf die Register bzw. das Führungszeugnis beschränkt, könnten solche Gesichtspunkte, von denen sie auf anderen Wegen Kenntnis erlangt hat, zum Nachteil des hochrangigen öffentlichen Interesses an der Sicherheit des allgemeinen Straßenverkehrs nicht berücksichtigt werden.

Auch kann den Überlegungen des Verwaltungsgerichts zur Bedeutung der Vorschrift des § 2 Abs. 12 Satz 2 StVG für die hier von der Beklagten eingeleiteten Ermittlungen zur Überprüfung der Fahreignung des Klägers nicht gefolgt werden. Das Verwaltungsgericht geht wohl von einer Art „Fernwirkung“ des § 2 Abs. 12 Satz 2 StVG dahingehend aus, dass tatsächliche für die Fahreignung oder -befähigung relevante Umstände, die, falls sie ursprünglich der Fahrerlaubnisbehörde aufgrund von § 2 Abs. 12 Satz 1 StVG übermittelt und nach Satz 2 der Vorschrift zu löschen gewesen wären, von der Fahrerlaubnisbehörde in einem späteren Verfahren unter keinen Umständen mehr zum Nachteil des Betroffenen verwertet werden dürfen. Dieser Ansatz kommt vorliegend nur auf dem Hintergrund der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 19. März 2001 (BGBl. I S. 386) und auch zum Zeitpunkt der Verurteilung geltenden Fassung des § 2 Abs. 12 Satz 2 StVG in Betracht, von der das Verwaltungsgericht ohne Hinweis auf die inzwischen erfolgte Änderung des § 2 Abs. 12 Satz 2 StVG ausgegangen ist (S. 5 oben des Abdrucks). Bis zum Inkrafttreten des genannten Gesetzes vom 19. März 2001 am 01.04.2001 hatte § 2 Abs. 12 Satz 2 folgenden Wortlaut: „Soweit die mitgeteilten Informationen für die Beurteilung der Eignung oder Befähigung nicht erforderlich sind, insbesondere weil die betreffende Person keine Fahrerlaubnis besitzt oder beantragt hat, sind die Unterlagen unverzüglich zu vernichten“. Aber auch ausgehend von diesem zum Zeitpunkt der Beantragung der Fahrerlaubnis und der Einholung der Auskünfte nicht mehr geltenden Wortlaut des § 2 Abs. 12 Satz 2 StVG kann der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht gefolgt werden. Dem Wortlaut des § 2 Abs. 7 und Abs. 12 Satz 2 StVG kann nicht entnommen werden, dass eine aufgrund von § 2 Abs. 12 Satz 2 StVG erfolgte Vernichtung von Unterlagen die Möglichkeiten der Fahrerlaubnisbehörde zur Überprüfung der Fahreignung und -befähigung im Zusammenhang mit einem Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis nach § 2 Abs. 7 StVG einschränkt, wenn die Speicherung dieser Daten durch andere Stellen, wie hier z.B. die Speicherung durch die Landespolizeidirektion nach § 38 Abs. 1 PolG, und auch die Übermittlung durch die Polizei nach § 42 PolG bzw. durch die Staatsanwaltschaft nach § 474 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 7 EGGVG grundsätzlich vorgesehen ist. Ferner ist den Materialien zu § 2 StVG kein Hinweis auf eine solche Beschränkung des § 2 Abs. 7 StVG zu entnehmen (BT-Drucks. 13/6914, S. 48 und 65). Die vom Verwaltungsgericht vertretene Ansicht entspricht auch nicht dem Zweck des § 2 Abs. 12 StVG. Dieser besteht darin, im Hinblick auf das hohe Gut der Verkehrssicherheit die unterschiedlichen landesrechtlichen Vorschriften zur Datenübermittlung von der Polizei an die Fahrerlaubnisbehörden zu harmonisieren und eine einheitliche Grundlage zu schaffen (BT-Drucks. 13/6914, S. 48). § 2 Abs. 12 StVG betrifft den hier nicht gegebenen Fall, dass die Polizei von sich aus und ohne vorherige Aufforderung durch die Fahrerlaubnisbehörde diese über Umstände und Ereignisse informiert, die aus Sicht der übermittelnden Stelle für die Beurteilung der Eignung und Befähigung von Bedeutung sein können. Es soll durch diese Bestimmung zur Erleichterung der Überprüfung der Fahreignung von Bewerbern und Inhabern von Fahrerlaubnissen sichergestellt werden, dass die Fahrerlaubnisbehörde von der Polizei, die wegen ihrer besonderen Nähe zu tatsächlichen Geschehnissen, die Zweifel an der Eignung oder Befähigung eines Fahrerlaubnisinhabers oder Antragstellers erwecken, eher Kenntnis von relevanten Umständen erlangt, fortlaufend die für ihre Aufgaben erforderlichen Informationen erhält. Zudem schränkt die Auffassung des Verwaltungsgerichts die aus § 2 Abs. 7 StVG folgende Verpflichtung der Fahrerlaubnis zur Überprüfung der Fahreignung und -befähigung ohne ausreichenden Grund ein. Die Behörde wäre danach an der Verwertung von solchen Hinweisen auf Fahreignungs- oder -befähigungsmängel gehindert, die ihr früher mitgeteilt worden sind, die sie aber entsprechend § 2 Abs. 12 Satz 2 StVG vernichtet hat. Dies wäre mit dem hochrangigen öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs, dessen Sicherstellung gerade vorrangige Aufgabe der Fahrerlaubnisbehörden ist, nicht zu vereinbaren. Schließlich muss bei der Bestimmung des Verhältnisses von § 2 Abs. 7 und Abs. 12 Satz 2 StVG zum Zeitpunkt der Anfrage der Beklagten bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft berücksichtigt werden, dass der Gesetzgeber die frühere Formulierung „insbesondere weil die betreffende Person keine Fahrerlaubnis besitzt oder beantragt hat“, auf die sich das Verwaltungsgericht zur Begründung der von ihm vorgenommenen Einschränkung der Aufklärungsmöglichkeiten der Fahrerlaubnisbehörde nach § 2 Abs. 7 StVG stützt, durch das Gesetz vom 19. März 2001 (BGBl. I S. 386) und damit vor dem Fahrerlaubnisantrag des Klägers vom Juli 2002 gestrichen hat. In der Gesetzesbegründung wird darauf abgestellt, dass die bisherige Aussage eine nicht sachgerechte und unzulässige Verkürzung darstelle. Denn von der Polizei an die Fahrerlaubnisbehörde mitgeteilte Tatsachen, die auf Eignungsmängel schließen lassen, seien nicht nur von Bedeutung für das Führen von fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugen, sondern auch für das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen wie Mofas (vgl. BT-Drucks. 14/4304).

c) Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts waren im Hinblick auf das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 15.12.1999 auch die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV erfüllt.

Im Hinblick auf das Merkmal „Straftaten“ ist zunächst unerheblich, dass der Kläger vom Amtsgericht nicht zu einer Strafe oder einer Maßnahme im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB verurteilt worden war. Denn das Gericht hat den Kläger im Urteil wegen versuchter Erpressung und gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen. Damit ist rechtskräftig festgestellt worden, dass der Kläger einen Straftatbestand verwirklicht sowie rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat. Ohne Bedeutung ist ferner, dass es sich bei dem Urteil des Amtsgerichts Stuttgart um die erste strafrechtliche Verurteilung des Klägers handelte. Die Anwendung von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV, der im systematischen Zusammenhang mit § 2 Abs. 4 StVG und § 11 Abs. 1 Satz 3 FeV steht, kommt auch in Betracht, wenn bisher nur eine Verurteilung wegen einer Straftat erfolgt ist (vgl. Senatsbeschl. v. 25.07.2001 - 10 S 614/00 -, NZV 2002, 604). Dass der Kläger zur Tatzeit Heranwachsender war und Jugendstrafrecht zur Anwendung kam, ändert an den tatbestandlichen Voraussetzungen nichts.

Entgegen dem Ansatz des Verwaltungsgerichts, das auf das Vorhandensein eines verfestigten Aggressionspotential abstellt, ist zu beachten, dass die Norm nur von Anhaltspunkten für ein hohes Aggressionspotential spricht. Untersuchungsmaßnahmen sind nach der Konzeption der § 22 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. §§ 11 bis 14 FeV zulässig, wenn aufgrund von tatsächlichen Umständen Zweifel an der Fahreignung bestehen. Steht die Nichteignung des Betroffenen dagegen bereits fest, unterbleibt nach § 11 Abs. 7 FeV eine weitere Untersuchung und die Behörde hat die beantragte Fahrerlaubnis wegen Nichteignung des Antragstellers abzulehnen. Zudem ist die Beurteilung der Persönlichkeit des Betroffenen durch das Strafgericht für die von der Fahrerlaubnisbehörde nach Maßgabe des § 2 Abs. 7 FeV eigenverantwortlich vorzunehmende Überprüfung der Fahreignung des Antragstellers nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Nach dem Gesetz ist die Überprüfung und Beurteilung der Fahreignung und -befähigung eines Fahrerlaubnisbewerbers Sache der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde.

Entsprechend der vorstehend dargelegten Bedeutung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV ist eine Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens dann gerechtfertigt, wenn sich aus einer Straftat Hinweise für ein hohes Aggressionspotential ergeben, die im Hinblick auf die durch die Verkehrsteilnahme eines ungeeigneten Fahrzeugführers am öffentlichen Straßenverkehr gefährdeten hochrangigen Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer eine Überprüfung geboten erscheinen lassen. Diese Voraussetzungen waren vorliegend erfüllt. Aus den tatsächlichen Feststellungen des Urteils ergaben sich ausreichende Hinweise auf eine beim Kläger vorhandene hohe Angriffslust bzw. Streitsüchtigkeit. Der Kläger hatte das Opfer der Straftat mit seinem beschuhten Fuß getreten und ihm damit Verletzungen in besonders sensiblen Körperbereichen - Wange und Hals - zugefügt, ohne dass der Geschädigte hierzu auch nur ansatzweise Anlass geboten hatte; im Gegenteil hatte der Kläger zuvor versucht, dem Opfer Geld abzupressen. Zudem hatte der Kläger aus einer Gruppe von drei Mittätern heraus gehandelt und die von den Mittätern geschaffene Situation der Übermacht ausgenutzt, um das Opfer zu erpressen und die Situation zu seinem eigenen rechtswidrigen Vorteil auszunutzen. Dies deutet darauf hin, dass der Kläger bei der Tat bestrebt war, Macht über andere Menschen auszuüben und nicht davor zurückgeschreckt ist, eine Situation der Übermacht zur Verletzung eines Wehrlosen auszunutzen. Diese Anhaltspunkte werden nicht dadurch beseitigt, dass der Kläger zur Tatzeit Heranwachsender war.

Die auf die Nichtbeibringung des geforderten Gutachtens gestützte Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Fahrerlaubnis erweist sich auch im Hinblick darauf nicht als rechtswidrig, dass die Straftat des Klägers vom Oktober 1999 zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung nahezu fünf Jahre zurückliegt und der Kläger zwischenzeitlich strafrechtlich nicht mehr auffällig geworden ist. Ungeachtet der hier nicht klärungsbedürftigen Frage, ob eine Straftat ohne zeitliche Begrenzung Anlass für eine Gutachtensanforderung nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV sein kann, geht der Senat davon aus, dass auch zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung im Hinblick auf die im Urteil vom 15.12.1999 zu Tage tretende Umstände die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtmäßig wäre.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.