LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 15.07.2020 - L 7 R 72/13
Fundstelle
openJur 2020, 32729
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten werden die Urteile des Sozialgerichts Rostock vom 28. Januar 2013 abgeändert und die Klage gegen den Bescheid vom 2. Mai 2013 in der Gestalt des Teilanerkenntnisses vom 29. Januar 2020 abgewiesen.

2. Die Kosten des verbundenen Verfahrens L 7 R 73/13 (Sozialgericht Rostock: S 7 R 6/10) im ersten Rechtszug trägt die Klägerin zu 2. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Statusfeststellung des Klägers zu 1. im Hinblick auf dessen Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin zu 2. für die Zeit vom 26. März 2007 bis 30. September 2017.

Der Kläger zu 1. ist Diplom-Ingenieur für Maschinenbau und war seit dem 14. November 1994 in verschiedenen Funktionen für die Klägerin zu 2. tätig.

Gesellschafter der Klägerin zu 2. waren ursprünglich Herr U. K. sowie die G. V. GbR, welche jeweils 50 % des Stammkapitals von 100.000 DM hielten. Diese Gesellschafter schieden zum 26. März 2007 aus der GmbH aus und veräußerten ihre Anteile wie folgt:

Kläger zu 1.10 %   Ralph Kamenz30 %   Barbara Kamenz30 %   Alexander Kamenz30 %   

Am gleichen Tag wurde ein neuer Gesellschaftsvertrag geschlossen, durch welchen das Stammkapital auf 100.000 € angehoben wurde, ohne Veränderungen hinsichtlich der Geschäftsanteile vorzunehmen. Weiter wurde der Kläger zum einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt, ein entsprechender Anstellungsvertrag geschlossen und eine Geschäftsordnung für die Geschäftsführer beschlossen.

Nach § 6 des Gesellschaftsvertrages war für Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich die einfache Mehrheit erforderlich. Lediglich für die Auflösung, Erhöhung des Stammkapitals, Änderungen des Gesellschaftsvertrages sowie Unternehmensverträge nach §§ 292, 293 AktG war eine Mehrheit von 90 % vorgesehen.

Der Anstellungsvertrag enthielt in § 1 die Regelung, dass der Wiederruf der Bestellung zum Geschäftsführer nur bei Vorliegen eines durch die Rechtsprechung anerkannten wichtigen Grundes erfolgen könne. Dies gelte auch für die fristlose Kündigung dieses Vertrages. Im Übrigen war eine ordentliche Kündigungsfrist von 24 Monaten vorgesehen.In § 3 war geregelt, dass der Kläger für über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehende Geschäfte und Maßnahmen der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedurfte. Weiter waren eine Reihe von zustimmungsbedürftigen Geschäften explizit aufgeführt. Es handelt sich um insgesamt 15 Fallgruppen, zu denen unter anderem Grundstücksgeschäfte, Bürgschaften, Anschaffungen von Gegenständen des Anlagenvermögens von mehr als 10.000 € sowie die Aufnahme von Krediten mit mehr als 20.000 € gehörten.

Auch die Geschäftsordnung sah in § 15 eine umfangreiche Liste von zustimmungsbedürftigen Rechtsgeschäften vor, welche nur teilweise mit denjenigen des Anstellungsvertrages übereinstimmten. Aufgeführt waren hier u.a. die Erteilung von Prokuren und Generalvollmachten, die Einstellung von Mitarbeitern mit einer Jahresvergütung von mehr als 25.000 € sowie die Gewährung von Umsatzbeteiligungen oder Versorgungszusagen.

Mit Schreiben vom 30. Dezember 2008 beantragte die Beratungsgesellschaft für Betriebliche Altersversorgung und Vergütung mbH (BERAG) als Vertreterin beider Kläger bei der Beklagten die Feststellung des Nichtvorliegens der Versicherungspflicht des Klägers zu 1. seit dem 26. März 2007 sowie die Erstattung der seitdem zu Unrecht entrichteten Sozialversicherungsbeiträge.

Zur Begründung wurde insbesondere darauf verwiesen, dass der Kläger zu 1. der einzige operativ tätige Geschäftsführer sei und als einziger der Gesellschafter über einschlägige Branchenkenntnisse verfüge, so dass er für das Unternehmen unabkömmlich sei. Durch die Regelung in § 1 Nr. 2 seines Anstellungsvertrages sei seine Position als Organ der GmbH gesichert, da er nur aus wichtigem Grund abberufen werden könne. Weiter wurde eine Reihe von Umständen (insbesondere Vergütung, Arbeitszeit, Urlaub) vorgetragen, welche nach dem Gesamtbild für eine selbständige Tätigkeit sprächen.

Die Beklagte hörte die Kläger mit Schreiben vom 10. Februar 2009 zu der beabsichtigten Einstufung als abhängige Beschäftigung an. Daraufhin wurden durch die Bevollmächtigte nochmals umfangreich die Umstände aufgeführt, welche im Rahmen der Gesamtabwägung für die Auffassung der Kläger sprächen. Insbesondere wurde geltend gemacht, dass der Kläger zu 1. faktisch nicht weisungsgebunden sei, da er allein in der Lage sei, die GmbH zu leiten und zu führen.

Mit identischen Bescheiden an beide Kläger vom 26. Mai 2009 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Klägers zu 1. als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin zu 2. ab dem 26. März 2007 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Zur Begründung wurde eine im Einzelnen dargestellte Gesamtwürdigung aller für und gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechenden Merkmale vorgenommen.

Die Kläger legten hiergegen am 4. Juni 2009 Widerspruch ein und wiederholten zur Begründung das bisherige Vorbringen. Die Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheiden vom 4. Dezember 2009 zurückgewiesen. Die Begründung entsprach im Wesentlichen derjenigen des Ausgangsbescheides.

Am 5. Januar 2010 haben die Kläger jeder für sich Klage zum Sozialgericht Rostock erhoben, welche in gesonderten Verfahren (S 7 R 5/10 und S 7 R 6/10) geführt wurden. Zur Begründung wurden die Ausführungen aus dem Vorverfahren wiederholt und weiter geltend gemacht, dass der Kläger „Kopf und Seele“ des Unternehmens sei. Eine abhängige Beschäftigung liege trotz des Kapitalanteils von nur 10 % nicht vor, da die Mitgesellschafter die ihnen zustehenden Kontrollrechte tatsächlich nicht ausübten und sich vollumfänglich aus dem laufenden Geschäftsbetrieb heraushielten.

In der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2013, welche für beide Verfahren gemeinsam stattfand, hat der Kläger zu 1. ergänzend ausgeführt, er habe am 27. Dezember 2012 von Herrn R. K. weitere 23 % der Geschäftsanteile erworben, so dass er nunmehr 33 % der Anteile halte. Es seien auch (nicht näher benannte) Veränderungen am Gesellschaftsvertrag vorgenommen worden. Er könne diese Unterlagen heute jedoch nicht vorlegen.

Die Geschäftsordnung sei nur im ersten Jahr nach ihrer Verabschiedung als Orientierung genutzt worden, wobei in dieser Zeit allerdings keine zustimmungsbedürftigen Geschäfte angefallen seien. Hintergrund der Zustimmungsvorbehalte sei gewesen, dass er für die Familie Kamenz aus geschäftlicher Sicht ein Fremder gewesen sei und es sich für sie um ein neues Geschäftsfeld gehandelt habe. Nach dem ersten Jahr sei die Zustimmungspflicht nicht mehr mit den betrieblichen Erfordernissen als kompatibel angesehen worden, ohne dass allerdings eine Anpassung der Geschäftsordnung vorgenommen worden sei. Tatsächlich habe er nie Zustimmungen einholen müssen. Er habe nur 10 % der Anteile erworben, da er zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr Geld gehabt habe. Weiter habe er der Gesellschaft ein Darlehen von 10.000 € gewährt.

Die Kläger haben jeweils sinngemäß beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2009 zu verpflichten festzustellen, dass der Kläger zu 1. seit dem 26. März 2007 nicht in einem abhängigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zu der Klägerin zu 2. steht.

Die Beklagte hat jeweils beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat unter Wiederholung der bisherigen Ausführungen insbesondere darauf hingewiesen, dass der Kläger zu 1. weder Kraft seines Anteils am Stammkapital noch aufgrund einer allgemeinen Sperrminorität einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben könne.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen R. K., welcher unter anderem folgendes bekundet hat: Es sei tatsächlich so gewesen, dass sie die Rechte aus den Verträgen (Geschäftsführervertrag, Geschäftsordnung, Gesellschaftsvertrag) nie wahrgenommen hätten. Insbesondere die Zustimmungspflichten seien nie gelebt worden. Er und sein Sohn seien Händler und würden sich im Geschäftsfeld der GmbH nicht auskennen. Sie hätten das Unternehmen als Investition angesehen. Sofern sie Zweifel an der ordnungsgemäßen Tätigkeit des Geschäftsführers gehabt hätten, hätten sie sich eher von diesem getrennt, als mehr Einfluss auf die Firma zu nehmen. Die von ihnen neben der Stammeinlage investierten Gesellschafterdarlehen beliefen sich auf 600.000 €.

Das Sozialgericht hat mit zwei Urteilen vom 28. Januar 2013 die angefochtenen Bescheide abgeändert und festgestellt, dass der Kläger zu 1. seit dem 30. Dezember 2008 nicht in einem sozialversicherungspflichtigen abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu der Klägerin zu 2. stehe. Zur Begründung wurde im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts liege bei Geschäftsführern einer GmbH ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht vor, wenn diese an der Gesellschaft beteiligt seien und allein oder jedenfalls mit Hilfe ihrer Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden könnten (BSG, Urteil vom 24. September 1992, 7 RAr 12/92 m.w.N.). Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zur GmbH habe das Bundessozialgericht daher verneint, wenn der Geschäftsführer über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft oder über eine Sperrminorität verfüge, um ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschaft zu verhindern (BSG, a.a.O.). Beide Fallgruppen lägen hier im Zeitraum ab dem 26. März 2007 nicht vor, da der Kläger jedenfalls bis zum 26. Dezember 2012 nur über 10 % der Gesellschaftsanteile verfügt habe. Allerdings könne auch bei geringer Kapitalbeteiligung ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen sein, wenn der Geschäftsführer hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort seiner Tätigkeit im Wesentlichen weisungsfrei sei und wirtschaftlich gesehen seine Tätigkeit nicht für ein fremdes, sondern für ein eigenes Unternehmen ausübe.

Ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliege, hänge davon ab, ob die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale oder die für eine selbständige Tätigkeit überwögen (BSG, Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R). Maßgebend sei stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimme sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliege, ergebe sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden sei. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehe der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich sei.

In der Gesamtschau aller maßgeblichen Tatsachen ergebe sich für den Zeitraum ab dem 30. Dezember 2008, dass die Merkmale für eine selbständige Tätigkeit überwögen, was im Einzelnen umfangreich ausgeführt wurde.

Soweit der Kläger über den tenorierten Umfang hinaus die Feststellung begehre, dass er bereits seit dem 26. März 2007 nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu der Beigeladenen stand, habe die Klage keinen Erfolg. Dies deshalb, weil der Kläger bis zum 29. Dezember 2008 nicht alleiniger Geschäftsführer der Beigeladenen gewesen sei. Der Kläger sei im Zeitraum 26. März 2007 bis 29. Dezember 2008 neben U. K. Geschäftsführer gewesen. Alle Entscheidungen hätten dem sogenannten „4- Augen-Prinzip“ unterlegen. Wirksame Einflussnahme- und Kontrollmöglichkeiten hätten somit durch den ebenfalls vor Ort eingesetzten und über einschlägige Branchenkenntnisse verfügenden weiteren Geschäftsführer bestanden.

Die Beklagte hat gegen die am 20. Februar 2013 zugestellten Urteile am 14. März 2013 Berufung eingelegt und sich zur Begründung auf die aktuelle BSG-Rechtsprechung berufen. Die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehe der formellen Vereinbarung nur dann vor, wenn eine formlose Abbedingung rechtlich möglich sei. Umgekehrt sei die Nichtausübung eines Rechts so lange unbeachtlich, wie dieses nicht wirksam abbedungen sei. Vorliegend habe der Kläger zu 1. nach § 3 des Geschäftsführervertrages für eine Vielzahl von Geschäften und Maßnahmen der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedurft, wobei diese ausdrücklich das Recht gehabt habe, den Katalog der zustimmungsbedürftigen Geschäfte zu erweitern. Diese Regelungen des Geschäftsführervertrages seien nicht formlos abdingbar gewesen, da nach § 9 Änderungen und Zusätze zu diesem Vertrag der Schriftform bedurften. Der Kläger sei auch mit Geschäftsanteilen von 33.000 € weiterhin Minderheitsgesellschafter und es sei ihm auch keine Sperrminorität eingeräumt worden.

Weiter hat die Beklagte ihren Bescheid vom 2. Mai 2013 vorgelegt, mit welchem die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert wurde, dass seit dem 26. März 2007 Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe und vom 26. März 2007 bis 31. Dezember 2010 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung bestanden habe. Ab dem 1. Januar 2011 bestehe Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht mehr. Der Bescheid werde Gegenstand des anhängigen Gerichtsverfahrens.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Sozialgerichts Rostock vom 28. Januar 2013 abzuändern und die Klage gegen den Bescheid vom 2. Mai 2013 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 29. Januar 2020 abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil unter Bezugnahme auf dessen Entscheidungsgründe und tragen ergänzend folgendes vor:

Unter dem Eindruck der mündlichen Verhandlung habe die Gesellschafterversammlung noch am 28. Januar 2013 die Geschäftsordnung vom 26. Mai 2007 mit sofortiger Wirkung außer Kraft gesetzt. Es wurden der entsprechende Beschluss sowie der bereits in der mündlichen Verhandlung thematisierte Vertrag zur Übertragung von 23 % der Gesellschaftsanteile vom 27. Dezember 2012 sowie der am gleichen Tag geänderte Gesellschaftsvertrag vorgelegt. Die Änderung des Gesellschaftsvertrages bezieht sich darauf, dass das Quorum für außerordentliche Beschlüsse (Auflösung etc.) von 90 % auf 60 % abgesenkt wurde.

Die Kläger haben weitere Umstände vorgetragen, welche nach ihrer Auffassung für eine selbständige Tätigkeit sprechen. So habe der Kläger zu 1. der Gesellschaft bis 2013 Gesellschafterdarlehen von insgesamt 16.000 € gewährt und im Rahmen einer Unternehmenssanierung im Jahr 2015 auf die Hälfte hiervon verzichtet. Im Jahr 2014 seien vom Kläger zu 1. weitere Darlehen über ca. 25.000 € gewährt worden. Beginnend ab Februar 2014 habe der Kläger wegen einer wirtschaftlichen Krise des Unternehmens einer Reduzierung seiner Geschäftsführerbezüge um 20 % bzw. 1.200 € monatlich zugestimmt. Er habe weiterhin auf Urlaubsabgeltung für die vergangenen Geschäftsjahre verzichtet. Entscheidend sei jedoch, dass der Kläger sich für ein von der Gesellschaft im Jahr 2014 aufgenommenes Darlehen über 250.000 € in voller Höhe selbstschuldnerisch verbürgt habe.

Über das Vermögen der Klägerin zu 2. wurde am 1. Oktober 2017 das Insolvenzverfahren eröffnet und Dr. Achim Ahrend zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser hat die Auffassung vertreten, dass das Verfahren (hinsichtlich der Klägerin zu 2.) die Insolvenzmasse betreffe und daher unterbrochen sei.

Mit Beschluss vom 17. Dezember 2019 wurden beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Im Verhandlungstermin vom 29. Januar 2020 hat der Beklagtenvertreter klargestellt, dass mit dem Bescheid vom 2. Mai 2013 die ursprünglichen Bescheide vom 26. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2009 nicht nur abgeändert, sondern vollständig aufgehoben worden sind. Zudem werde der Bescheid vom 2. Mai 2013 dahingehend abgeändert, dass lediglich bis zum 30. September 2017 Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und im Recht der Arbeitsförderung bestanden habe.

Der Bevollmächtigte des Klägers zu 1. hat daraufhin erklärt, dass er ein ggf. in dieser Erklärung liegendes Teilanerkenntnis annehme.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Streitgegenstand ist nach der Erklärung des Beklagtenvertreters im Verhandlungstermin vom 29. Januar 2020 ausschließlich noch der Bescheid vom 2. Mai 2013, welcher den ursprünglich angefochtenen Bescheid vollständig ersetzt hat. Durch die zugleich erfolgte Begrenzung des Geltungszeitraumes dieses Bescheides hat sich der Rechtsstreit teilweise erledigt, so dass nur noch über die Sozialversicherungspflicht des Klägers zu 1. bis zum 30. September 2017 zu entscheiden ist.

Das Verfahren ist durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin zu 2. nicht unterbrochen. Eine Unterbrechung tritt gemäß § 240 ZPO ein, wenn das Verfahren die Insolvenzmasse betrifft. Diese umfasst nach § 35 InsO das gesamte Vermögen des Schuldners bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sowie das während des Verfahrens langte. Damit tritt bei nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten keine Unterbrechung ein. Eine lediglich wirtschaftliche Beziehung zur Masse reicht nicht aus (BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004, X ZB 40/02). Die hier streitige Feststellung der Versicherungspflicht nach § 7a SGB IV betrifft die Insolvenzmasse nicht direkt. Es besteht allenfalls eine wirtschaftliche Beziehung, weil auf der Grundlage der bejahten Versicherungspflicht erst die Einzugsstelle Beitragsansprüche begründen kann (so auch: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. März 2016, L9 KR 114/13, juris Rn. 44). Für dieses Ergebnis sprechen auch Gründe der Praktikabilität, weil die Unterbrechung bei getrennten Klagen sowohl des Geschäftsführers als auch der Gesellschaft nur letzteres Verfahren betreffen würde. Im Verfahren des Geschäftsführers könnte unabhängig hiervon entschieden werden, was über die Beiladung auch Bindungswirkung gegenüber der beigeladenen Gesellschaft hätte. Die Schutzwirkung einer Unterbrechung kann unter diesen Umständen nicht eintreten.

In der Sache erweist sich der angefochtene Bescheid nach der zuletzt immer weiter konkretisierten BSG-Rechtsprechung zum Status eines GmbH-Geschäftsführers als rechtmäßig. Für die Einstufung als selbständig oder abhängig beschäftigt kommt es nunmehr allein auf dessen gesellschaftsrechtliche Stellung an (Urteil vom 14. März 2018, B 12 KR 13/17 R). Ein Fremdgeschäftsführer ist hiernach stets abhängig beschäftigt. Ein am Gesellschaftskapital beteiligter Geschäftsführer ist nur dann selbstständig tätig, wenn er mindesten 50 % der Anteile hält oder eine echte Sperrminorität hat. Auf eine Gesamtabwägung der übrigen Umstände kommt es nicht mehr an.

Der Kläger zu 1. ist hiernach unzweifelhaft als abhängig beschäftigt einzustufen, denn er verfügt weder über 50 % des Gesellschaftskapitals noch über eine echte Sperrminorität. Für Beschlüsse der Gesellschafterversammlung war grundsätzlich nur die einfache Mehrheit erforderlich. Selbst die besonderen Beschlüsse zu Auflösung, Kapitalerhöhung etc. konnte der Kläger zu keinem Zeitpunkt verhindern. Ursprünglich war hierfür eine Mehrheit von 90 % erforderlich, so dass die 10 % des Klägers irrelevant waren, ab dem 27. Dezember 2012 waren 60 % erforderlich, welche auch ohne die 33 % des Klägers erreicht werden konnten. Darüber hinaus stehen auch die diversen Zustimmungsvorbehalte im Anstellungsvertrag und der Geschäftsordnung einem maßgeblichen Einfluss des Klägers zu 1. auf die Geschicke der Gesellschaft entgegen.

Der Bescheid vom 2. Mai 2013 entspricht auch im Übrigen den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. Urteil des BSG vom 26. Februar 2019 – B 12 R 8/18 R – und enthält anders als die ursprünglich streitgegenständlichen Bescheide keine unzulässige Elementenfeststellung des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung.

Bei der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, dass die Kostenfreiheit des Klägers zu 1. nach § 183 SGG dazu führt, dass auch das verbundene Verfahren der nicht privilegierten Klägerin zu 2. kostenfrei wird (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, § 183 Rn. 2a). Allerdings gilt dies erst ab dem Zeitpunkt der Verbindung, so dass für die erste Instanz noch eine Kostenentscheidung nach § 197a SGG, 154 VwGO zu treffen war.

Im Rahmen der nach § 193 SGG zutreffenden Billigkeitsentscheidung hat der Senat unbeschadet des erst im Berufungsverfahrens ergangenen Bescheides vom 2. Mai 2013 und des angenommenen Teilanerkenntnisses vom 29. Januar 2020 keine Veranlassung für eine – anteilige – Kostentragung durch die Beklagte gesehen, da die Beteiligten stets allein die Frage nach dem Vorliegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung des Klägers zu 1. bzw. die Rechtsfrage der Verfahrensunterbrechung nach § 240 ZPO thematisiert haben.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

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