VG Düsseldorf, Beschluss vom 24.06.2020 - 40 K 4767/19.PVL
Fundstelle
openJur 2020, 32711
  • Rkr:

Die Beschränkung des Kreises der möglichen Urlaubsvertreter auf die Angehörigen derselben Abteilung ist weder ein Urlaubsplan noch ein allgemeiner Urlaubsgrundsatz. Sie unterfällt daher nicht der Mitbestimmung nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4, 1. Mitbestimmungstatbestand LPVG NRW.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Gründe

I.

Die Beteiligte, die durch den Klinikvorstand gem. § 1 Abs. 2, §§ 6, 7, 11 der Betriebssatzung für die LVR-Kliniken des Landschaftsverbands Rheinland (GV. NRW. 2009, 796 und recht.nrw.de) vertreten wird, glich mit der Einbeziehung des Standorts T. Ende Oktober 2018 die Urlaubspraxis für die Berufsgruppe "Sozialdienst" an die bei allen anderen Berufsgruppen der Dienststelle seit langem übliche Handhabung an. Ab dem Jahr 2019 sollte auch im Sozialdienst die Urlaubvertretung nur noch abteilungsintern, nicht mehr abteilungsübergreifend erfolgen können. In jeder Abteilung ist der Sozialdienst mit mindestens zwei Personen besetzt, die sich gegenseitig vertreten können. Weitere Vorgaben zur Urlaubspraxis machte die Beteiligte nicht. Sie erklärte vielmehr im gerichtlichen Verfahren, dass sie bei Kollisionen von Urlaubswünschen im Einzelfall auch abteilungsübergreifend nach verträglichen Lösungen suchen werde.

Der Antragsteller reklamierte erfolglos bei der Beteiligten, dass die geänderte Urlaubspraxis als allgemeiner Urlaubsgrundsatz seiner Mitbestimmung nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4, 1. Mitbestimmungstatbestand LPVG NRW unterliege.

Er hat am 21. Juni 2019 das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet.

Der Antragsteller meint im Wesentlichen, der Mitbestimmungstatbestand sei erfüllt, weil ohne eine Vertretungsregelung kein Urlaubsplan aufgestellt werden könne, um die erforderlichen Dienstbelange zu sichern.

Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich,

festzustellen, dass die Bitte der Beteiligten, die gegenseitige Urlaubsvertretung im Sozialdienst nur noch innerhalb der Abteilung sicherzustellen, seinem Mitbestimmungsrecht nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4, 1. Mitbestimmungstatbestand LPVG NRW unterliegt.

Die Beteiligte beantragt schriftsätzlich,

den Antrag abzulehnen.

Sie beruft sich vor allem darauf, dass die zeitliche Lage des Urlaubs von der Vertretungsregelung nicht erfasst sei, sondern der Urlaub weiterhin ohne diesbezügliche Vorgabe genommen werden könne.

II.

Der Vorsitzende konnte mit Einverständnis der Verfahrensbeteiligten allein und ohne mündliche Anhörung entscheiden, § 80 Abs. 3 Satz 2 LPVG NRW und § 79 Abs. 2 Satz 1 LPVG NRW i. V. m. § 83 Abs. 4 Satz 3 ArbGG.

Der Antrag ist unbegründet.

Die Fachkammer lässt offen, ob es sich bei der höflich als Bitte formulierten eMail von Ende Oktober 2018 um eine bindende Vorgabe handelt, die eine Maßnahme i.S.d. § 66 Abs. 1 LPVG NRW darstellt. Denn selbst bei angenommener Bindungswirkung, unterliegt die Vorgabe, dass die Urlaubsvertretung im Sozialdienst ab 2019 nur abteilungsintern erfolgen kann, nicht dem vom Antragsteller geltend Mitbestimmungstatbestand des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4, 1. Mitbestimmungstatbestand LPVG NRW. Die Beschränkung der möglichen Urlaubsvertreter auf die eigene Abteilung stellt weder einen Urlaubsplan noch einen allgemeinen Urlaubsgrundsatz dar.

Nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4, 1. Mitbestimmungstatbestand LPVG NRW hat der Personalrat, soweit - wie hier - eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen über die Aufstellung des Urlaubsplans.

1. Die Vertretungsregelung ist kein Urlaubsplan im Sinne des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4, 1. Mitbestimmungstatbestand LPVG NRW.

Mit einem Urlaubsplan ist eine konkretgenerelle Regelung gemeint, durch welche die individuellen Urlaubszeiten unter gleichrangiger Berücksichtigung der Interessen der Beschäftigten sowie der Belange eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebes koordiniert werden.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. August 2007 - 6 P 7.06, NVwZ-RR 2008, 119, und vom 19. Januar 1993 - 6 P 19.90, BVerwGE 91, 343, 344; OVG NRW, Beschluss vom 17. Februar 2000 - 1 A 697/98.PVL, PersV 2000, 569; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 23. Juni 2016 - OVG 60 OV 2.16, PersV 2016, 433; Cecior u.a., Personalvertretungsrecht NRW (Nov. 2019), § 72 Rn. 875.

Die ab 2019 auch für den Sozialdienst geltende Vertretungsregelung koordiniert nicht konkret individuelle Urlaubszeiten. Sie gibt lediglich abstrakt vor, dass die Urlaubsvertretung nur noch abteilungsintern erfolgen kann. Diese allgemeine Beschränkung des Kreises der möglichen Urlaubsvertreter ist von konkreten Urlaubszeiten unabhängig.

2. Die Vertretungsregelung stellt auch keinen allgemeinen Urlaubsgrundsatz dar, selbst wenn allgemeine Urlaubsgrundsätze unter § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4, 1. Mitbestimmungstatbestand fallen sollten.

Bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze handelt es sich in Abgrenzung zum Urlaubsplan um abstrakte und generelle Regelungen, nach denen bei der Urlaubsplanung zu verfahren ist. Diese sind denknotwendig der konkreten Urlaubsplanung vorgelagert und beziehen sich sowohl auf Verfahrensfragen etwa zur Erfassung der Urlaubswünsche als auch auf materielle Regelungen, nach welchen Gesichtspunkten unter Beachtung der gesetzlichen und tariflichen Vorschriften die Urlaubswünsche der Beschäftigten zu koordinieren sind.

Verschiedene Obergerichte sind - teils in Anlehnung an § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG - der Ansicht, dass das Tatbestandsmerkmal des Urlaubsplans auch allgemeine Urlaubsgrundsätze erfasst.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Februar 2000 - 1 A 697/98.PVL, PersV 2000, 569, und vom 11. März 1986 - CB 3/84; OVG LSA, Beschluss vom 28. Januar 2020 - 6 L 2/18, juris; BayVGH, Beschluss vom 25. November 1992, 17 P 92.3068, PersV 1993, 378; NdsOVG, Beschluss vom 4. November 1992 - 18 L 8462/91, juris; VGH BW, Beschluss vom 15. Oktober 1991 - 15 S 1934/90, ESVGH 42, 233.

Die Literatur stimmt dem durchweg zu.

Cecior u.a., Personalvertretungsrecht NRW (Nov. 2019), § 72 Rn. 876; Altvater u.a., BPersVG (2019), § 75 Rn. 139, jeweils m.w.N.

Das Bundesverwaltungsgericht hält ein so weitgehendes Begriffsverständnis für möglich, hat es sich aber - soweit ersichtlich - bislang noch nicht zu eigen gemacht.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. August 2007 - 6 P 7.06, NVwZ-RR 2008, 119.

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum parallel gelagerten betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungstatbestand ist nicht ergiebig, weil § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG abweichend vom LPVG NRW die Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze ausdrücklich als Mitbestimmungstatbestand aufführt.

Die Fachkammer hält die obergerichtliche Ansicht und die sie stützende Literaturauffassung für überzeugend. Für sie spricht, dass es letztlich keine eindeutigen Anforderungen an Art und Inhalt eines Urlaubsplanes gibt. Daher können die Übergänge zwischen Urlaubsplänen und allgemeinen Urlaubsgrundsätzen durchaus fließend sein, sodass auch allgemeine Urlaubsgrundsätze im Einzelfall dem Begriff des Urlaubsplanes zugeordnet werden könnten.

Die von der Beteiligten seit 2019 auch für den Sozialdienst angeordnete Beschränkung der möglichen Urlaubsvertreter auf die eigene Abteilung stellt gleichwohl keine Urlaubsplanung dar, selbst wenn man davon ausgeht, dass diese erweiternd zu verstehen ist und die Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze in den Mitbestimmungstatbestand einzubeziehen ist.

Denn von den Regelungen zur Koordinierung der konkreten Urlaubszeiten der Beschäftigten sind diejenigen Maßnahmen der Dienststelle zu unterscheiden, die sich auf den ordnungsgemäßen Dienstbetrieb als solchen beziehen, der eigentlichen Urlaubsplanung deshalb vorgeschaltet sind und für diese zugleich den Rahmen abstecken. Die Mitbestimmung setzt im Rahmen der Gewährung von Urlaub nämlich erst bei der eigentlichen Urlaubsplanung ein.

Vgl. vorwiegend am Beispiel von "Urlaubssperren": BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 1993 - BVerwG 6 P 19.90, BVerwGE 91, 343; OVG NRW, Beschluss vom 17. Februar 2000 - 1 A 697/98.PVL, PersV 2000, 569; OVG LSA, Beschluss vom 28. Januar 2020 - 6 L 2/18, juris (hier: Mindestanwesenheitsstärke); BayVGH, Beschluss vom 25. November 1992 - 17 P 92.3068, PersV 1993, 378; VG Hannover, Beschluss vom 12. August 2014 - 16 A 2197/13, juris; a.A. VGH BW, Beschluss vom 15. Oktober 1991 - 15 S 1934/90, ESVGH 42, 233; VG Frankfurt/M, Urteil von 10. Januar 2005 - 9 E 3338/04, IÖD 2005, 59; Rehak, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold, BPersVG (Jan. 2020), § 75 Rn. 391 m.w.N.; Daniels PersR 2015, 23, 25; Krenz, PersR 2010, 140, 142.

Bei der vom Klinikvorstand der Beteiligten festgelegten Beschränkung der Urlaubsvertreter auf abteilungsangehörige Mitarbeiter im Sozialdient handelt es sich um eine Regelung, die der eigentlichen Urlaubsplanung vorgeschaltet ist und ausschließlich das Ziel verfolgt, den ordnungsgemäßen Dienstbetrieb als solchen ganzjährig zu sichern. Denn diese Regelung bezieht sich nicht unmittelbar auf die zeitliche Lage des Urlaubs der einzelnen Beschäftigten in der Dienststelle, sondern bildet den Rahmen für die nachfolgende Urlaubsplanung in der Dienststelle. Die abstrakte Vertretungsregelung geht der Urlaubsplanung voraus.

Angesichts des schon umfassenden Verständnisses des Tatbestandsmerkmals "Urlaubsplanung", das die Fachkammer bereits zugrunde legt, besteht kein Anlass, das um den Bedeutungsgehalt "allgemeine Urlaubsgrundsätze" ausgeweitete Verständnis des Tatbestandsmerkmals "Urlaubsplanung" noch weiter auszudehnen, namentlich auf Vorgaben, die der eigentlichen Urlaubsplanung vorausgehen. Dazu gehört auch die Beschränkung des Kreises der möglichen Urlaubsvertreter.

Dies gilt umso mehr, wenn - wie von der Beteiligten unwidersprochen im Verfahren hervorgehoben - im Einzelfall die Möglichkeit besteht, Ausnahmen vom Grundsatz der abteilungsinternen Vertretung zu machen. Insofern verbleibt Raum für eine auf den Einzelfall bezogene Mitbestimmung gemäß § 74 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4, 2. Mitbestimmungstatbestand LPVG NRW, wenn die Beteiligte z. B. das Vorliegen eines Ausnahmefalls verneint.

Hieran vermag nichts zu ändern, dass sich die seit 2019 geltende Beschränkung der Urlaubsvertreter auf die eigene Abteilung mittelbar auf die zeitliche Lage des Urlaubs eines jeden Mitarbeiters im Sozialdienst auswirken kann. Denn die Zeiten, in denen keine Vertretung innerhalb der Abteilung möglich ist, bleiben regelmäßig der Urlaubsgewährung versperrt. Regelungen, die nur mittelbare Auswirkungen auf die zeitliche Lage des Urlaubs haben, stellen noch keine Urlaubsgrundsätze dar. Das erklärt sich daraus, dass insofern kein Koordinierungsbedürfnis für den Personalrat besteht, das seinerseits die Mitbestimmung bei der Urlaubsplanung aber erst rechtfertigt.

Der Antragsteller hat im Übrigen nichts dafür dargetan, dass die 2019 eingeführte Vertretungsregelung für den Sozialdienst von der Beteiligten nur vorgeschoben ist, um in Wirklichkeit eine verkappte Urlaubsplanung im personalvertretungsrechtlichen Sinne einzuführen.

Eine Kostenentscheidung unterbleibt im personalvertretungsrechtlichen Verfahren.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss kann binnen eines Monats durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster) Beschwerde eingelegt werden. Die Beschwerde ist binnen zwei Monaten zu begründen.

Die Einlegung und die Begründung können schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) erfolgen.

Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Bekanntgabe (§§ 87 Abs. 1, 2; 66 Abs. 1 ArbGG). Bei der Einlegung und Begründung der Beschwerde müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind außer den bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwälten Personen mit der Befähigung zum Richteramt zugelassen, sofern sie einer der in § 11 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 4 und 5 des ArbGG bezeichneten Organisationen angehören oder von dieser beauftragt sind. Ein vertretungsberechtigter Beteiligter kann sich selbst vertreten. Für Richter und ehrenamtliche Richter als Bevollmächtigte gilt § 11 Abs. 5 ArbGG. Die Beschwerdeschrift muss den Beschluss bezeichnen, gegen den die Beschwerde gerichtet ist und die Erklärung enthalten, dass gegen diesen Beschluss die Beschwerde eingelegt wird. Die Beschwerdebegründung muss angeben, auf welche im einzelnen anzugebenden Beschwerdegründe sowie auf welche neuen Tatsachen die Beschwerde gestützt wird (§ 89 ArbGG).Die Beschwerdeschrift soll möglichst einfach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.

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