LG Hamburg, Urteil vom 11.10.2019 - 324 O 657/17
Fundstelle
openJur 2020, 32584
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes – und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – zu unterlassen in Bezug auf die Klägerin und ihre Mitglieder zu behaupten und/oder behaupten zu lassen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:

a) Du bekommst deine eigene Akte in Form eines Studienberichts, der mit deinem Namen und deiner Adresse und ausführlichen Details zu deinem Heimbibelstudium (Dauer, Häufigkeit, persönliche Angaben) von den Ältesten der örtlichen Versammlung archiviert wird. Jetzt bist du offiziell und namentlich von den Z. J. erfasst.

b) ...

c) ...

d) ...

e) Als Z. J. hat man am Ende des Monates ein Formular auszufüllen, in das man einträgt, wie viele Wachttürme und Erwachet! man verteilt hat, und vor allem, wie viele Stunden man im Predigtdienst verbracht hat. Diese Formulare sammelt der Versammlungssekretär ein und schickt sie in die W.-Zentrale nach S., wo die Versammlungsstatistik ausgewertet wird,

soweit damit behauptet wird, die hier benannten Berichtsformulare würden an die W.-Zentrale nach S. gesandt werden.

f) ...

g) Durch die Äußerung

„In deiner Datenbank gibt es leider keinen passenden Erfahrungsbericht? Kein Problem, dann saugst du dir eben etwas aus den Fingern. Schließlich haben die Protagonisten der Erfahrungsberichte ohnehin nie einen Nachnamen.“

den Eindruck zu erwecken, dass die Erfahrungsberichte nicht auf wahren Begebenheiten beruhten.

h) Für dieses Amt [des Ältesten] muss man keine besonderen Voraussetzungen erfüllen. [...] Sie haben keine professionelle seelsorgerische Ausbildung, in der Regel ... kein theologisches Studium, das über die Wissensbildung des durchschnittlichen Z. J. hinausgeht.

wie geschehen in dem Buch „G., J.! –W. i. d. b. S. d. W. v.“ von M. A..

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.171,67 Euro an vorgerichtlichen Kosten zu zahlen.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin hinsichtlich des Tenors zu I.

jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 22.000,00 Euro und im Übrigen für beide Parteien jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages

und beschließt:

Der Streitwert wird auf 44.000,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zulässigkeit von Äußerungen in einem Buch und Erstattung von Abmahnkosten.

Die Klägerin ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts.

Die Beklagte ist ein Verlag, in dem das Buch „G., J.! –W. i. d. b. S. d. W. v.“ von M. A. (heute M. V.) erschienen ist, das die Beklagte als Anlage B 1 zur Akte gereicht hat.

Das Buch erschien erstmals 2014. In der Einleitung heißt es unter anderem:

„Dieses Buch beruht auf wahren Begebenheiten

Ich war von meiner Geburt im Jahre 1981 bis zu meinem Ausschluss 2003 ein Mitglied der Z. J.. Aus dieser Zeit berichte ich in diesem Buch anhand von persönlichen Erfahrungen, Eindrücken und Beobachtungen. [...] Wo es mir möglich ist, nehme ich auf aktuelle Entwicklungen in der Organisation der Z. J. Bezug. [...]"

Mit Schreiben vom 26.10.2017 ließ die Klägerin die Beklagte wegen einzelner Äußerungen in dem Buch abmahnen, Anlage K 9. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 08.11.2017 die verlangte Unterlassungsverpflichtungserklärung ab, Anlage K 10.

Die Klägerin begehrt im Nebenantrag die Erstattung der für die Abmahnung entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,3 Gebühr auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 38.500,00 Euro (7 x 5.500,00 Euro) nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer, insgesamt 1.590,91 Euro.

Die Beklagte hat das Formular eines Studienberichts – Formular S-3 „Study Report“ – als Anlage B 2 vorgelegt. In einem Brief an alle Versammlungen der Klägerin vom 15.01.1991 wurde die Aussetzung des Formulars bekannt gegeben. Die Parteien streiten darum, ob das Formular danach weiter benutzt wurde.

Als Anlage B 3.1 hat die Beklagte einen Ausdruck der Publikation „Unser Königreichsdienst“ der Klägerin vom Februar 2014 vorgelegt, von dem sie meint, dies zeige die Datenerfassungspraxis der Klägerin. Das Formular der Klägerin „Erklärung und Einwilligung hinsichtlich der Verwendung personenbezogener Daten“ hat die Beklagte als Anlage B 21 zur Akte gereicht. Als Anlagenkonvolut B 24 hat die Beklagte Erfahrungsberichte aus der Watchtower Online Library zum Stichwort „Abortion prevention“ vorgelegt.

Die Klage ist per Fax am 29.12.2017 und im Original am 02.01.2018 bei Gericht eingegangen. Die Klage ist der Beklagten am 17.01.2018 zugestellt worden.

Die Klägerin trägt vor,

ihre Ansprüche seien nicht verjährt.

Die angegriffenen Äußerungen seien unwahre Tatsachenbehauptungen. Zwar sei das streitige Buch auf den ersten Blick einer Autobiografie vergleichbar, die Grundausrichtung sei jedoch unmissverständlich eine andere. Es handele sich vielmehr um eine Analyse der Religionsgemeinschaft der Klägerin. Dies zeige sich auch auf S. 501, wo der Autor betone, welch umfangreiche Recherchen er in Vorbereitung des Buches durchgeführt habe. In den Medien rühme er sich dafür, dass seine Aussagen Tatsachen darstellen würden, die gut recherchiert seien und der Wahrheit entsprechen würden, wie Anlage K 11 belege. Für die Verbreitung unwahrer Tatsachen gebe es in der Regel keinen rechtfertigenden Grund.

Die Äußerung zu a) (Seite 20 – Anlage K 2) sei unwahr. Sie, die Klägerin, erhebe, erfasse oder speichere keinerlei Daten über Heimbibelstudien. Jedenfalls im Jahre 1990 sei die Praxis der Berichterstattung über Heimbibelstudien abgeschafft worden. Das Formular „Studienbericht“ sei auch vor 1990 nicht archiviert worden, wie Anlage K 12 belege. Ihr sei auch damals bescheinigt worden, dass das Formular „Studienbericht“ datenschutzrechtlich unbedenklich sei. Die Beklagte räume zudem selbst ein, dass die Praxis des Berichtens spätestens Mitte der 2000er Jahre zu Ende gegangen sei. Zum Zeitpunkt des Erscheinens des Buches sei sie daher unwahr gewesen. Hinsichtlich der Anwesenheitszahlen sei das Formular tatsächlich über den in der Klage genannten Zeitpunkt 1990 hinaus in Verwendung geblieben. Der Autor habe hingegen nicht gesehen, ob sich in dem gesehenen Kasten „Study Reports“ tatsächlich Aufzeichnungen über Heimbibelstudien oder nur Aufzeichnungen über Anwesenheitszahlen befunden hätten. Es werde – entgegen der Darstellung im Prolog des Buches – in der fraglichen Passage der Weg eines Konvertiten, der sich auf ein Heimbibelstudium einlasse, dargestellt. Der Autor könne zudem keine Erfahrung im Hinblick auf die Archivierung der Studienberichte haben, weil dies den Ältesten vorbehalten sei. Soweit die Kammer meine, die Äußerung beeinträchtige nicht ihre Funktion als Religionsgemeinschaft und ein Unterlassungsanspruch scheide deswegen aus, stehe dem entgegen, dass unwahre Tatsachenbehauptungen nicht von Art. 5 GG geschützt seien, sodass selbst eine geringfügige Verletzung der Rechte der Klägerin einen Unterlassungsanspruch begründen würde. Es handele sich auch nicht um eine Bagatelle, sondern um den Vorwurf einer schwerwiegenden datenschutzrechtlichen Rechtsverletzung. Es werde die Rechtstreue der Klägerin in Frage gestellt, die wiederum Voraussetzung für die Verleihung der Körperschaftsrechte ist. Die Formulare seien selbst in der Zeit vor 1990 nicht archiviert worden und nach 1990 nur noch dazu benutzt worden, die Anwesenheitszahlen in Gottesdiensten festzuhalten.

Die Äußerungen zu b) und c) (Seite 45 – Anlage K 3) seien ebenfalls unwahr. Der Autor verwende die Aussagen bewusst als „Kampfbegriff“, um den Eindruck zu erwecken, die Religionsgemeinschaft sei ein wirtschaftliches Unternehmen, das auf die Ausbeutung seiner Mitglieder ausgerichtet sei. Die Äußerung entstelle den Charakter der Klägerin als Glaubensgemeinschaft und untergrabe ihre Vertrauenswürdigkeit. Die Leitende Körperschaft sei kein Teil der W.-Gesellschaft. Niemand in der Leitenden Körperschaft sei Mitglied in einer der Rechtskörperschaften. Die W.-Gesellschaft – vollständig: W. Bibel- und Traktat-Gesellschaft, e.V. – sei in erster Linie mit Verlagsaufgaben beschäftigt. Sie entwerfe weder Lehren der Klägerin, noch lege sie Regeln, Verbote oder Gebote fest. Diese Aufgabe sei den Organen der Religionsgemeinschaft vorbehalten. Die Äußerungen verzerrten die Organisation der Klägerin. Die fragliche Gleichsetzung zwischen den Z. J. und der W.-Gesellschaft werde im Buch an mehreren Stellen erwähnt – Seiten 28, 104, 191, 215, 296, 304, 352. Eine Distanzierung des Autors von einem „Allgemeinverständnis“ sei nicht zu erkennen. Vielmehr stelle der Autor die Behauptung, die W.-Gesellschaft sei die Dachorganisation der Z. J., als eigene dar. Dies diene der bewussten Entstellung der Klägerin. Unstreitig sei die W.-Gesellschaft nicht mit der Leitenden Körperschaft auf eine Stufe zu stellen. Ebenso unwahr sei die Behauptung – c) – die Leitende Körperschaft sei ein Bestandteil des Verlags. Sie, die Klägerin, bestreite, dass die Beklagte eine ausreichende Klarstellung abgegeben habe.

Die Äußerung zu d) (Seite 94 – Anlage K 4) sei unwahr. Ihr werde vorgeworfen, für den Tod tausender Mitglieder verantwortlich zu sein. Die Zahl der Toten sei aber nicht belegt. In der Äußerung liege zudem die Behauptung, eine Bluttransfusion hätte in diesen Fällen das sichere Überleben bedeutet, dies sei medizinischer Unsinn. Zudem berufe sich S. auf eine Studie aus 1961, ohne den medizinischen Fortschritt auf dem Gebiet der „blutlosen Chirurgie“ und der „blutsparenden“ Behandlungsmethoden in Betracht zu ziehen. Die Beklagte mache sich die Äußerung zu eigen, selbst wenn es sich um einen Meinungsäußerung handeln würde. Es handele sich aber tatsächlich um eine Tatsachenbehauptung und keine Meinungsäußerung. Ihr, der Klägerin, sei kein einziger Todesfall bekannt, der allein auf die Verweigerung einer Bluttransfusion zurückzuführen sei. Kein einziger behandelnder Arzt habe bestätigen können, dass der Tod allein durch die Verweigerung einer Bluttransfusion verursacht worden sei. Im Ergebnis könne dahinstehen, ob die Beklagte die Äußerung als eigene verbreite oder lediglich intellektuelle Verbreiterin sei. Es fehle zunächst jeder Hinweis, dass lediglich die Äußerung des Bloggers wiedergegeben werde, sodass von einer zu eigen gemachten Äußerung auszugehen sei. Jedenfalls hafte die Beklagte als intellektuelle Verbreiterin, weil sie ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen sei und nicht habe einseitig berichten dürfen.

Die Äußerung zu e) (Seite 151 – Anlage K 5) sei unwahr. Die religionsrechtlichen Vorgaben der Klägerin würden die Weiterleitung der benannten monatlichen Berichtsformulare ihrer Mitglieder über deren persönliche Tätigkeit im Missionswerk an sie untersagen. Es würden lediglich Gesamtsummen der Aktivitäten aller Mitglieder einer Versammlung weitergegeben, dies diene statistischen Zwecken. Es werde durch die Aussage der Eindruck vermittelt, die Klägerin würde ihre Mitglieder überwachen. Die Beklagte räume ein Verständnis im Sinne der Klägerin ein. Tatsächlich sei dies jedoch das einzige Verständnis. Es liege auch keine Klarstellung nach den Vorgaben der Stolpe-Entscheidung vor. Im Kern behaupte die Beklagte, die Berichtskarten würden an die W.-Zentrale geschickt werden. Dies sei unwahr. Insbesondere ergebe sich dies auch nicht aus den Anlagen B 21 und B 23. Darin sei vielmehr jeweils ein begrenzendes Element für die Verwendung der Daten enthalten, wenn es dort (unstreitig) heißt: „in Übereinstimmung mit den berechtigten religiösen Interessen“. Die Einwilligung sei danach an einen bestimmten Zweck gebunden. Da in der Datenschutzerklärung der Zweck mit „Führung der Verkündigerberichtskarte der Versammlung“ angeben ist, sei die Datenverwendung an die jeweilige örtliche Versammlung gebunden und wäre eine Weitergabe an das Zweigbüro gerade nicht rechtmäßig. Ein durchschnittlicher Leser müsse die gerügte Passage jedoch so verstehen, dass die monatlichen Berichtskarten nach S. geschickt werden würden. Die Klägerin rüge nicht die Meinungsäußerung, sie würde ihre Mitglieder überwachen.

Auch die Äußerung zu f) (Seiten 194, 195 – Anlage K 6) sei unwahr. Es gebe keine inoffiziell-offizielle Black-List für Musik. Zumindest hinsichtlich des Zusatzes sei die Aussage eine Entstellung der von der Klägerin geübten Glaubenspraxis. Die Hinzufügung von „offiziell“ ziele auf eine bewusste Irreführung des Lesers ab. Die Äußerung beinhalte eine Entstellung der Glaubenspraxis, weil sich die Klägerin ausdrücklich von der Erstellung irgendwelcher Black-Lists distanziere.

Die Äußerung zu g) (Seite 223 – Anlage K 7) sei unwahr und beleidigend. Um Satire handele es sich nicht. Der gesetzte Rahmen sei der einer Autobiographie eines „Insiders“. Und selbst wenn es sich um Satire handeln würde, werde dies dem verständigen und unvoreingenommenen Leser nicht klar, dieser nehme an, die Aussage sei wahr. Die Abweichung von der Wahrheit seit schwerwiegend und beeinträchtige ihren, der Klägerin, sozialen Geltungsanspruch. Erfahrungsberichte in „Der W.“ würden hinterfragt und seien schon gar nicht erfunden, wie die Klägerin in dem Artikel „Allen Dingen von Anbeginn genau nachgegangen“ ausführt. Die Äußerung untergrabe die Glaubwürdigkeit der Klägerin. Zwar verteidige sich die Beklagte damit, nicht behauptet zu haben, dass die Lebensberichte in „Der W.“ erfunden seien. Dies behaupte der Autor in der Passage jedoch ausdrücklich.

Schließlich sei auch die in h) (Seite 411 – Anlage K 8) angegriffene Äußerung, die Ältesten müssten für dieses Amt keine besonderen Voraussetzungen erfüllen, unwahr. Die Äußerung suggeriere, dass ein Ältester über keinerlei Ausbildung und theologisches Studium verfüge Die Ältesten würden jedoch nach den Vorgaben der Klägerin eine Ausbildung und fortlaufende Schulung zur Seelsorge erhalten und seien z.B. im Bereich der Gefangenenseelsorge zugelassen. Die Ältesten würden auch über ein theologisches Studium verfügen, das über den Wissensstand des durchschnittlichen Z. J. hinausgehe. Das langjährige Schulungsprogramm für Älteste vermittele besondere Kenntnisse des Religionsrechts der Klägerin und beinhalte auch eine Ausbildung in der Lehr- und Hirtentätigkeit. Es werde indes von ihr, der Klägerin, nicht beanstandet, die Geistlichen der Klägerin hätten kein (Hochschul-)Studium. Es gehe vielmehr um die Aussage, die Geistlichen müssten „keine besonderen Voraussetzungen erfüllen“ und ihre Wissensbildung gehe nicht über die des „durchschnittlichen Z. J.“ hinaus.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes – und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – zu unterlassen

in Bezug auf die Klägerin und ihre Mitglieder zu behaupten und/oder behaupten zu lassen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:

a) Du bekommst deine eigene Akte in Form eines Studienberichts, der mit deinem Namen und deiner Adresse und ausführlichen Details zu deinem Heimbibelstudium (Dauer, Häufigkeit, persönliche Angaben) von den Ältesten der örtlichen Versammlung archiviert wird. Jetzt bist du offiziell und namentlich von den Z. J. erfasst.

b) Die W.-Gesellschaft ist hingegen die Dachorganisation und der Verlag, der als Urheber die Botschaft herausgibt, die Lehren entwirft, die Regeln, die Verbote, die Gebote festlege.

c) An der geistigen Spitze der W.-Gesellschaft steht die sogenannte Leitende Körperschaft.

d) Die Leitende Körperschaft von J. Z. ist wegen des Verbots von Bluttransfusionen – gestützt auf eine Schätzung von M. S. – für mindestens 50 000 Tote seit 1961 – allein durch das Verweigern einer Bluttransfusion – verantwortlich.

e) Als Z. J. hat man am Ende des Monates ein Formular auszufüllen, in das man einträgt, wie viele Wachttürme und Erwachet! man verteilt hat, und vor allem, wie viele Stunden man im Predigtdienst verbracht hat. Diese Formulare sammelt der Versammlungssekretär ein und schickt sie in die W.-Zentrale nach S., wo die Versammlungsstatistik ausgewertet wird,

soweit damit behauptet wird, die hier benannten Berichtsformulare würden an die W.-Zentrale nach S. gesandt werden.

f) Jugendliche, die bislang kein schlechtes Gewissen hatten, hören nur noch mit schlechtem Gewissen eine Musik, die aufgrund der Meinung eines einzelnen Menschen jetzt auf der inoffiziell-offiziellen Black-List der Z. J. steht,

soweit damit behauptet wird, es gäbe eine Black-List der Z. J. für Musik.

g) Durch die Äußerung

„In deiner Datenbank gibt es leider keinen passenden Erfahrungsbericht? Kein Problem, dann saugst du dir eben etwas aus den Fingern. Schließlich haben die Protagonisten der Erfahrungsberichte ohnehin nie einen Nachnamen.“

den Eindruck zu erwecken, dass die Erfahrungsberichte nicht auf wahren Begebenheiten beruhten.

h) Für dieses Amt [des Ältesten] muss man keine besonderen Voraussetzungen erfüllen. [...] Sie haben keine professionelle seelsorgerische Ausbildung, in der Regel ... kein theologisches Studium, das über die Wissensbildung des durchschnittlichen Z. J. hinausgeht.

wie geschehen in dem Buch „G., J.! –W. i. d. b. S. d. W. v.“ von M. A..

2. Die Beklagte wird zur Zahlung von 1.590,91 Euro an vorgerichtlichen Kosten an die Klägerin verurteilt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erhebt die Einrede der Verjährung und bestreitet die rechtzeitige Übermittlung der Klageschrift per Fax vorab mit Nichtwissen.

Sie trägt vor, die angegriffenen Äußerungen seien zulässig. Der Klägerin stehe ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB (analog) i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG oder aus sonstigem Rechtsgrund nicht zu.

Die Äußerung zu a) sei unstreitig bis 1990 geübte Praxis bei der Klägerin gewesen, dies trage die Klägerin selbst vor. Es werde bestritten, dass die Formulare nach Kenntnisnahme vernichtet worden seien. Worauf sich die Schreiben in Anlage K 12 konkret beziehen würden, sei nicht erkennbar. Aus Anlage B 3.1 (= Anlage B 28) ergebe sich zudem, dass die Klägerin dazu aufrufe, personenbezogene Daten zu sammeln und sich umfassende Notizen zu den Adressaten des Predigtdienstes zu machen. Diese Informationen sollen zudem mit dem Dienstpartner geteilt werden. Parallel zu dem Brief vom 15.01.1991 an alle Versammlungen sei ein „Brief an die Ältestenschaft“ versandt worden, der faktisch die Fortsetzung der Dokumentation fordere. Der Autor des Buches habe selbst miterlebt, dass der Dienstaufseher bei einem Besuch in der Wohnung seiner Eltern einen Karteikasten mit den besagten „Study Reports“ vor sich stehen hatte. Auf der Internetseite www. j..com werde angegeben, dass der „Study Report“ bis Mitte der 2000er Jahre verwendet worden sei, wie Anlage B 3 belege. Nach den Erfahrungen des Autors seien die Notizen mit Personendaten über Heimbibelstudienteilnehmer bis mindestens 2003 unter den Mitgliedern der Versammlungen geteilt und getauscht worden. Zu den Personendaten hätten dabei in der Regel Name und Geschlecht, Familienstand und in einigen Fällen Anschrift und Telefonnummer gehört. Ob die Klägerin heute keinerlei Daten mehr über Heimbibelstudien erhebe, sei unerheblich und werde mit Nichtwissen bestritten. Die Darstellung des Autors beziehe sich auf die Zeit bis 2003. Sie, die Beklagte, habe – anders als die Klägerin meine – nicht zugestanden, dass die Äußerung zum Zeitpunkt des Erscheinungstermins unwahr gewesen sei. Selbst die Klägerin stelle klar, dass die Study Reports tatsächlich über 1990 hinaus fortgeführt worden seien, allerdings nur für die Anwesenheitszahlen in Gottesdiensten. Dies bestätige jedoch den Kerngehalt der Passage. Ein Unterlassungsanspruch entfalle schon wegen einer nur unwesentlichen Abweichung. Der Autor habe zwar das Amt des Ältesten nicht selbst innegehabt, aber sein Vater.

Die Äußerungen zu b) und c) seien ebenfalls zutreffend. Im Kontext betrachtet, werde die unter b) angegriffene Äußerung nicht aufgestellt. Das Buch differenziere zwischen dem, was „gemeinhin“ unter den Begriffen „Z. J.“ und „W.-Gesellschaft“ verstanden werde, und dem, was es damit „wirklich“ auf sich habe. Es werde ein Gegensatz-Paar geschildert. Der Autor referiere lediglich und behaupte nicht, dass die W.-Gesellschaft die religiösen Inhalte festlege. Dies sei vielmehr die Leitende Körperschaft, wie sich auf Seite 45 des Buches erschließe. Im Übrigen werde u.a. im Internet verbreitet, dass das Führungsorgan der Religionsgemeinschaft und der Verlag synonym seien, wie Anlage B 4 (Galileo) und B 5 (stern.de) belegten. Die Formulierung in der Äußerung c) sei keine Tatsachenbehauptung, sondern vielmehr eine Bewertung. Die Klägerin verbreite selbst die Beaufsichtigung und Überwachung der Publikationen durch die Leitende Körperschaft, wie sich aus Anlage B 6 ergebe. Zur personellen Verflechtung ergebe sich aus Anlage B 7 vom 15.01.2001, dass bestimmte Mitglieder der Leitenden Körperschaft zugleich Vorstandsmitglieder der Watch Tower Bible and Tract Society gewesen seien. Eine hierarchische Trennung zwischen der Leitenden Körperschaft und der W.-Gesellschaft gebe es wegen der Letztverantwortlichkeit der Leitenden Körperschaft nicht, wie Anlage B 8 zeige. Mit dem Schreiben vom 08.11.2017 (Anlage K 10) habe die Beklagte zudem eine Klarstellung abgegeben.

Die Äußerung zu d) sei kein Text aus dem Buch, sondern eine eigene Interpretation der Klägerin. Im Kontext werde deutlich, dass es nicht um eine Festlegung auf eine konkrete Zahl gehe, sondern um die Bewertung und Veranschaulichung, dass ein abstraktes Dogma zu sehr konkreten Auswirkungen führen könne, und zwar zu Todesfällen. Es handele sich um eine komplexe Äußerung, die wertend geprägt sei. Ein entstellender Eindruck werde nicht erweckt. Auch auf der Grundlage einer etwaigen Verdachtsberichterstattung bestehe kein Anspruch, weil ein Verdacht nicht auf einer Bewertung beruhen könne. Die genannten Zahlen würden ausdrücklich als Schätzung offenbart. M. S. sei wissenschaftlicher Berater der Organisation „A. f. J.h’s W. R. o. B.“ (A.). Es handele sich um einen Zusammenschluss von aktiven Z. J., die eine Reform der gegenwärtigen Blut-Doktrin anstreben würden. Vom Deutschen Ärzteblatt würde diese Organisation im Falle einer möglichen Bluttransfusion empfohlen, wie Anlage B 9 zeige. Die S.-Zahlen basierten auf einer ausführlichen Berechnung anhand einer Studie im Jahre 1993, wie sich aus den Anlagen B 10, B 11 und B 12 ergebe. Andere Berechnungen würden weit gravierendere Zahlen nennen, wie Anlage B 13.1 zeige. Die Klägerin vertrete die Blut-Doktrin öffentlich, wie Anlage B 13.2 belege.

Die Äußerung zu e) sei zutreffend. Es gehe nicht primär darum, ob die Predigtdienstzettel in die Wachturmzentrale „nach S. geschickt“ werden, sondern um den generellen Vorwurf der Überwachung. Es sei unstreitig, dass ein solcher Predigtdienstzettel monatlich geführt („Verkündigerberichtskarte S-21“ – Anlage B 14) und vom Versammlungssekretär eingesammelt werde. Hinsichtlich der Passage „... und schickt sie in die W.-Zentrale“ werde klargestellt, dass das Wort „sie“ sich auf die Versammlungsstatistik beziehe und nicht behauptet werden solle, dass auch die „Predigtdienstzettel“ nach S. geschickt werden würden. Angegriffen werde aber ohnehin der Eindruck der Überwachung, wie sich aus dem Gesamtkontext der Äußerung ergebe. Es gehe darum, dass auf Grundlage der Predigtdienstzettel eine Überwachung der Mitglieder stattfinde, und zwar durch Außenstehende wie den Kreisaufseher, und dass dieser Einblick in die Unterlagen nehmen könne. Ob dies in S. oder vor Ort passiere, sei im Gesamtkontext ohne Belang. Dieser Eindruck entspreche der Wahrheit. Die Überwachung sei von der Beklagten anhand zahlreicher Beispiele belegt worden. Die Überwachungsmaßnahmen würden von der Klägerin auch nicht bestritten werden. Auf der Berichtskarte werde im unteren Teil darauf hingewiesen, dass dem Mitglied bekannt sei, dass die Angaben von der Religionsgemeinschaft verwendet werden würden. Eine Überwachung finde aber auch örtlich statt, dies ergebe sich aus dem „Ältesten-Handbuch“. Auch überörtlich finde eine Überwachung statt, wie Anlagenkonvolut B 15 belege. Soweit die angegriffene Äußerung mehrdeutig sei, sei jedenfalls mit der abgegebenen Klarstellung ein etwaiger Unterlassungsanspruch entfallen. Das Formular gemäß Anlage B 21 sehe eine Einwilligung in die Verwendung personenbezogener Daten im „Zweigbüro“ – Deutschland-Zentrale in S., Anlage B 22 – vor. Die Standardeinwilligung nehme Bezug auf die Datenschutzerklärung auf jw.org, wie Anlage B 23 zeige. Entgegen der Darstellung der Klägerin willige der Z. J. gemäß Anlagen B 21 und B 23 ein, dass seine Daten nicht nur von der örtlichen Versammlung, sondern auch vom zuständigen Zweigbüro in S. und sogar von der weltweiten Religionsgemeinschaft genutzt werden könnten. Ein Unterlassungsanspruch bestehe danach weder hinsichtlich des ursprünglich begehrten Eindrucks der Überwachung, noch hinsichtlich der Versendung der Predigtdienstzettel nach S..

Die Äußerung zu f) beinhalte nach Ansicht der Klägerin die Behauptung, es gebe eine Black-List für Musik. Diese Behauptung werde aber im Kontext gar nicht aufgestellt. Im Buch heiße es auf Seite 179/180 ausdrücklich, dass es keinen offiziellen Index gebe. Im Kontext (Seite 193) werde demgegenüber dargestellt, dass auch ohne einen offiziellen Index die Äußerung eines Ältesten zu einem „Tabu“ führen könne. „Inoffiziell-offiziell“ in der Passage meine gerade nicht, dass es eine schriftliche Verbotsliste gebe. Im Übrigen habe es in offiziellen Publikationen Erwähnungen von Bands mit negativer Konnotation gegeben. Aufgrund solcher Publikationen sei es nach den Erfahrungen des Autors immer wieder zu „Verzichts-Empfehlungen“ durch Älteste gekommen. Es sei bemerkenswert, dass die Klägerin zu den von der Beklagten dargestellten Beispielen nichts erwidere.

Die Äußerung zu g) gebe nicht den Text des Buches auf Seite 223 wieder, sondern enthalte eine Interpretation. Die gerügte Aussage sei nicht enthalten. Es handele sich um eine komplexe Äußerung. Das Verständnis der Klägerin decke sich nicht mit dem Textverständnis des Durchschnittslesers. Die Passage sei in einen größeren Kontext eingebettet und habe einen parodistischen Ansatz. Durch die erkennbar extreme Überzeichnung werde die schablonenhafte Wirkung der W.-Artikel parodiert. Die Passage sei Satire, dies sei aufgrund der verwendeten Elemente unzweifelhaft erkennbar. Es werde die Gefahr der Kritiklosigkeit und Blindgläubigkeit aufgezeigt. Die angeblich verdeckt enthaltene Aussage, dass „alles erfunden“ sei, sei nicht enthalten. Vielmehr handele es sich bei der Formulierung „dann saugst du dir eben etwas aus den Fingern“ um die satirische Einkleidung und nicht den Satirekern. Dieser sei vielmehr die Aussage, dass die Erfahrungsberichte keinen Nachnamen oder Namen enthielten und daher nicht auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfbar seien. Unstreitig sei eine Vielzahl von Erfahrungsberichten veröffentlicht worden, deren Protagonist namentlich unvollständig oder gar nicht genannt werde, so dass der Wahrheitsgehalt für Außenstehende nicht überprüfbar sei. Dieser wahre Tatsachenkern werde in der Passage mit den Mitteln der Satire/Parodie überzeichnet. Dass es unzutreffende Erfahrungsberichte gebe, werde auf der Internetseite jwvictims.org – Anlage B 17 – anhand von zwei Beispielen gezeigt. Auch die Erfahrungsberichte in Anlagenkonvolut B 24 belegten durch den gleichen „Plot“ und teilweise wortgleiche Formulierungen den wahren Tatsachenkern. Dieser Tatsachenvortrag sei mangels Reaktion der Klägerin unstreitig.

Die Äußerung zu h) übe Kritik an den geringen Voraussetzungen für das Amt des Ältesten. Die von der Klägerin herausgegriffenen Formulierungen seien Teil einer größeren Passage, in deren Kontext sie zulässig seien. Unstreitig sei für das Amt des Ältesten kein Hochschulstudium erforderlich, wie Anlagen B 19 und B 20 zeigten. So sei es auch in der Passage gemeint, wie sich aus dem Vergleich mit den Katholiken ergebe. In sämtlichen Glaubensgemeinschaften werde ein Hochschulstudium vorausgesetzt, wie sich aus Anlage B 18 ergebe. Hinsichtlich der Formulierung, dass „keine professionelle seelsorgerische Ausbildung“ nötig sei, handele es sich um eine gemischte Aussage, deren wertende Elemente überwiegen würden. Das Wort „professionell“ enthalte ein Qualitätsurteil über das „Niveau“ der Tätigkeit. In der Gesamtbetrachtung gehe es darum, wie gut die Ältesten für ihre verantwortungsvolle Aufgabe vorbereitet seien. Es gehe um eine professionelle Ausbildung im Sinne eines Hauptberufs, wie der Vergleich mit der katholischen Kirche zeige. Für die Meinungsäußerung gebe es auch tatsächliche Bezugspunkte, wie der Autor mit Blick auf ein Schulungsvideo der Klägerin auf Seite 272 darstelle. Die Klägerin habe nicht angegriffen, dass die Ältesten „in der Regel keinerlei therapeutische Fähigkeiten“ hätten. Es handele sich um eine zulässige Meinungsäußerung, der Autor treffe ein Qualitätsurteil. Hierfür gebe es mangels hauptberuflicher Ausbildung der Ältesten hinreichende tatsächliche Anknüpfungspunkte. Auch durch die Ausübung disziplinarischer Funktionen und die Verhängung drastischer Sanktionen im Rechtskomitee würden Älteste Rechtsprechung ohne adäquate Ausbildung ausüben, wie sich aus Anlage B 26 und Anlagenkonvolut B 27 ergebe. Die angegriffene Passage sei damit Teil einer gemischten Äußerung, die überwiegend wertend geprägt sei. Die Klägerin löse hingegen mit ihrem Textverständnis die Aussage aus ihrem Kontext, dies sei unzulässig. In der Äußerung würden sich kontextorientiert Tatsachen und Meinungen vermengen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.06.2018 und 21.06.2019 Bezug genommen. Die Kammer hat gemäß Beweisbeschluss vom 27.09.2019 Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen V.. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme und der Aussage des Zeugen wird auf das Protokoll vom 21.06.2019 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist in der Sache nur zum Teil begründet.

I. Anspruchsgrundlage

Der Klägerin als juristischer Person des öffentlichen Rechts steht ein allgemeines Persönlichkeitsrecht gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB in Verbindung mit Art. 1, 2 Abs. 1 GG nicht zu. Als juristische Person des öffentlichen Rechts ist sie aber auch nicht Trägerin eines allgemeinen Unternehmenspersönlichkeitsrechts gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG.

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2000 – 2 BvR 1500/97 –, BVerfGE 102, 370-400, juris Rz. 74 ff.) im Rahmen des Verfahrens, in dem es um die Zuerkennung des Status‘ einer Körperschaft des Öffentlichen Rechts an die Klägerin ging, ausgeführt:

74 1. Art. 140 GG erklärt die Weimarer Kirchenartikel zu Bestandteilen des Grundgesetzes. Ihre Auslegung hat sich nunmehr von den Wertungen des Grundgesetzes leiten zu lassen (BVerfGE 19, 226 <236>; 53, 366 <400>). Insbesondere sind die Weimarer Kirchenartikel Bestandteil des Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes, welches das Grundrecht der Religionsfreiheit ohne Gesetzesvorbehalt in den Katalog unmittelbar verbindlicher Grundrechte übernommen und es so gegenüber der Weimarer Reichsverfassung erheblich verstärkt hat (vgl. BVerfGE 33, 23 <30 f.>). Die Gewährleistungen der Weimarer Kirchenartikel sind funktional auf die Inanspruchnahme und Verwirklichung des Grundrechts der Religionsfreiheit angelegt (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG; vgl. BVerfGE 42, 312 <322>).

75 2. Im Kontext des Grundgesetzes ist der den Religionsgemeinschaften in Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV angebotene Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ein Mittel zur Entfaltung der Religionsfreiheit (vgl. K. Meyer-Teschendorf, Der Körperschaftsstatus der Kirchen, AöR 103 <1978>, S. 329 ff.; M. Morlok/M. Heinig, Parität im Leistungsstaat - Körperschaftsstatus nur bei Staatsloyalität?, NVwZ 1999, S. 697, 700 f.). Der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts soll die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Religionsgemeinschaften unterstützen. Die Religionsgemeinschaften mit öffentlich- rechtlichem Status sind in gleichem Umfang grundrechtsfähig wie Religionsgemeinschaften privat-rechtlicher Rechtsform.

76 Sie stehen dem Staat als Teile der Gesellschaft gegenüber (vgl. BVerfGE 53, 366 <387>; 70, 138 <160 f.>). Dass sie ihre Tätigkeit frei von staatlicher Bevormundung und Einflussnahme entfalten können, schafft die Voraussetzung und den Rahmen, in dem die Religionsgemeinschaften das Ihre zu den Grundlagen von Staat und Gesellschaft beitragen können (vgl. E.-W. Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: Säkularisation und Utopie. Ernst Forsthoff zum 65. Geburtstag, Stuttgart et al. 1967, S. 75, 93; ders., Demokratie als Verfassungsprinzip, in: J. Isensee/P. Kirchhof <Hrsg.>, Handbuch des Staatsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 1995, § 22 Rn. 61 f.).

77 Damit unterscheiden sich die korporierten Religionsgemeinschaften im religiös-weltanschaulich neutralen Staat des Grundgesetzes, der keine Staatskirche oder Staatsreligion kennt (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV), grundlegend von den Körperschaften des öffentlichen Rechts im verwaltungs- und staatsorganisationsrechtlichen Verständnis. Sie nehmen keine Staatsaufgaben wahr, sind nicht in die Staatsorganisation eingebunden und unterliegen keiner staatlichen Aufsicht (vgl. BVerfGE 18, 385 <386>; 19, 1 <5>; 30, 415 <428>; 42, 312 <332>; 66, 1 <19 f.>).

Indes legen die Ausführungen in Abs. 74 (s.o.) und der Umstand, dass das Bundesverfassungsgericht sich in dieser Entscheidung gerade mit dem Grundrecht aus Art. 4 GG auseinandersetzen musste, nahe, dass sich die weiteren Ausführungen nur auf die Religionsfreiheit beziehen. Insbesondere lassen die abstrakten Ausführungen im Rahmen der Frage, ob der Klägerin der Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts zuzuerkennen ist, nicht erkennen, dass das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung zu der Frage herbeiführen wollte, ob Kirchen, die den Status als öffentlich-rechtliche Körperschaften inne haben, ein allgemeines Unternehmenspersönlichkeitsrecht zusteht.

Letztere Frage hat – zeitlich nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – indes der Bundesgerichtshof gerade hinsichtlich eines äußerungsrechtlichen Falles und gerade für eine Kirche in Form einer öffentlich rechtlichen Körperschaft (in diesem Fall für ein Bistum als zur Katholischen Kirche gehörender Körperschaft des öffentlichen Rechts) entschieden und ausdrücklich verneint. Dabei hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass diesen Körperschaften lediglich strafrechtlicher Ehrschutz über §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 185 ff. StGB zusteht (BGH, Urteil vom 22. November 2005 – VI ZR 204/04 –, juris Rz. 8 ff.):

8 1. Die Revision rügt erfolglos die Aktivlegitimation des Klägers zu 2 (Erzbistum K.).

9 a) Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass auch juristische Personen des öffentlichen Rechts wie das klagende Bistum zivilrechtlichen Ehrenschutz gegenüber Angriffen in Anspruch nehmen können, durch die ihr Ruf in der Öffentlichkeit in unzulässiger Weise herabgesetzt wird. Zwar haben sie weder eine "persönliche" Ehre noch können sie wie eine natürliche Person Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sein; sie genießen jedoch, wie § 194 Abs. 3 StGB zeigt, im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben - hier im Bereich der Seelsorge und der Verbreitung und Vertretung von Glaubensinhalten - strafrechtlichen Ehrenschutz, der über §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 185 ff. StGB zivilrechtliche Unterlassungsansprüche begründen kann (vgl. Senatsurteile vom 22. Juni 1982 - VI ZR 251/80 - NJW 1982, 2246 und vom 16. November 1982 - VI ZR 122/80 - NJW 1983, 1183, jeweils m.w.N.; BVerfGE 93, 266, 291).

10 b) Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist weiterhin die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Kläger zu 2 durch die Berichterstattung selbst betroffen ist.

11 Wenn die Revision meint, dass nur Mitarbeiter einer juristischen Person von einer Äußerung betroffen sein könnten, trifft dies für den vorliegenden Sachverhalt nicht zu. Auch wenn die juristische Person durch ihre Mitarbeiter bzw. gesetzlichen Vertreter handelt, kann sie doch - wie soeben ausgeführt - selbst Rechtsträger sein und deshalb Unterlassungsansprüche geltend machen, wenn sie in ihrer Rechtsstellung beeinträchtigt wird. Dies gilt im vorliegenden Fall bereits deshalb, weil das Erzbistum als Institution mehrfach direkt benannt bzw. angesprochen ist.

12 Soweit die Revision mit der Unterscheidung zwischen Erzbistum und Erzdiözese in Zweifel zieht, ob das Erzbistum eine juristische Person sei, kann zur Beseitigung dieser Zweifel auf BGHZ 124, 173, 174 f. verwiesen werden, wonach im Bereich der katholischen Kirche dem Bistum als der maßgeblichen Territorialgliederung die grundgesetzlich geschützte Rechtsstellung (Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 WRV) als Körperschaft öffentlichen Rechts zukommt (vgl. auch Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 10. Auflage, Art. 140, Rn. 12).

Dieser Rechtsstreit hatte vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofs bereits dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 19. Februar 2004 – 1 BvR 417/98 –, juris), ohne dass sich – soweit aus den veröffentlichten Entscheidungsgründen ersichtlich – das Bundesverfassungsgericht abweichend zum anzuwendenden Maßstab geäußert hätte.

Vor diesem Hintergrund vermag die Kammer nicht zugrunde zu legen, dass der Klägerin – entgegen der ausdrücklichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Katholischen Kirche – ein allgemeines Unternehmenspersönlichkeitsrecht zustünde.

Der Klägerin kann jedoch gemäß §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB, 185 StGB oder §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB, 186 StGB ein Unterlassungsanspruch zustehen. Der Bundesgerichtshof hat die Anforderungen, unter denen öffentlich rechtliche Körperschaften zivilrechtliche Unterlassungsansprüche aus §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB, 185 ff. StGB geltend machen können, konkretisiert (BGH, Urteil vom 02. Dezember 2008 – VI ZR 219/06 –, juris 9, 17) und insoweit ausgeführt:

9 1. Zutreffend ist lediglich der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass die Klägerinnen als juristische Personen (Anstalten) des öffentlichen Rechts grundsätzlich zivilrechtlichen Ehrenschutz gegenüber Äußerungen in Anspruch nehmen können, durch die ihr Ruf in der Öffentlichkeit in unzulässiger Weise herabgesetzt wird (Senat, Urteile vom 22. Juni 1982 - VI ZR 251/80 - VersR 1982, 904; vom 16. November 1982 - VI ZR 122/80 - VersR 1983, 139; vom 22. November 2005 - VI ZR 204/04 - VersR 2006, 382; vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07 - VersR 2008, 971, 973). Zwar haben sie weder eine "persönliche Ehre", noch sind sie Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Weil sie aber, wie § 194 Abs. 3 StGB zeigt, im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben strafrechtlichen Ehrenschutz genießen, kann dieser über §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB, 185 ff. StGB auch zivilrechtliche Unterlassungsansprüche begründen (Senat, Urteil vom 16. November 1982 - VI ZR 122/80 - aaO; vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07 - aaO, m.w.N.).

(...)

17 Wenn die Ehrenschutzvorschriften der §§ 185 ff. StGB auf juristische Personen des öffentlichen Rechts bezogen werden, dienen sie nicht dem Schutz der persönlichen Ehre, sondern verfolgen das Ziel, dasjenige Mindestmaß an öffentlicher Anerkennung zu gewährleisten, das erforderlich ist, damit die betroffene Einrichtung ihre Funktion erfüllen kann und das unerlässliche Vertrauen in die Integrität öffentlicher Stellen nicht in Frage gestellt wird. Tritt dieser Schutzzweck in einen Konflikt mit der Meinungsfreiheit, so ist deren Gewicht besonders hoch zu veranschlagen, weil das Grundrecht gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet (vgl. BVerfG, NJW 2006, 3769, 3771 m.w.N.; Senat, Urteil vom 30. Mai 2000 - VI ZR 276/99 - NJW 2000, 3421, 3422; BerlVerfGH, NJW 2008, 3491, 3493 f.).

Äußerungsrechtliche Unterlassungsansprüche öffentlich rechtlicher Körperschaften (einschließlich Kirchen, die als öffentlich rechtliche Körperschaft verfasst sind) bestehen damit, soweit eine üble Nachrede im Sinne des § 186 StGB vorliegt, wobei weiter zu berücksichtigen ist, dass die Ehrschutzvorschriften in diesem Zusammenhang nicht dem Schutz der persönlichen Ehre dienen, sondern lediglich dazu, dasjenige Mindestmaß an öffentlicher Anerkennung zu gewährleisten, das erforderlich ist, damit die betroffene Einrichtung ihre Funktion erfüllen kann und das unerlässliche Vertrauen in die Integrität öffentlicher Stellen nicht in Frage gestellt wird.

II. In der Sache

Nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen steht der Klägerin ein zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch grundsätzlich zu. § 186 StGB setzt die Äußerung einer Tatsachenbehauptung voraus, die geeignet ist, einen anderen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen; die Tatsachenbehauptung muss nicht erweislich wahr sein. Den Nachweis hat grundsätzlich der Äußernde zu führen. Der Vorsatz muss sich nicht auf die Unwahrheit der Behauptung beziehen (Vendt in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht, 3. Auflage 2016, 33. Abschnitt Rn. 15 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind nur hinsichtlich der Äußerungen zu a), e), g) und h) erfüllt. Im Übrigen fehlt es entweder an einer derartigen Herabwürdigung der Klägerin, die ihre Funktionsausübung als Kirche beeinträchtigt, oder es handelt sich um zulässige Meinungsäußerungen.

Im Einzelnen:

Angegriffen sind Äußerungen in einem Buch, das der Einleitung nach einen Erfahrungsbericht eines ehemaligen Z. J. darstellen soll, der im Jahre 2003 aus den Z. J. ausgeschlossen wurde. Das Buch ist im Jahre 2014 erschienen. Das Verständnis des Lesers ist danach geprägt von der Vorstellung, dass eigene Erlebnisse des Autors bis zum Jahre 2003 und gegebenenfalls Recherchen für die Zeit danach bis zum Erscheinungsdatum des Buches in die Erzählungen eingeflossen sind. In diesem Kontext sind die angegriffenen Äußerungen zu sehen.

Hinsichtlich der einzelnen Äußerungen kommt es für die zutreffende Einordnung darauf an, den Sinngehalt der Äußerung zu ermitteln. Hierzu hat der Bundesgerichtshof unter anderem ausgeführt (BGH, Urteil vom 10. Januar 2017 – VI ZR 561/15 –, juris Rz. 11):

Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Sie unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Ziel der Deutung ist stets, den objektiven Sinngehalt zu ermitteln. Dabei ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden maßgeblich noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut - der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann - und dem allgemeinen Sprachgebrauch sind bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu berücksichtigen, soweit diese für das Publikum erkennbar sind. Zur Erfassung des vollständigen Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (st. Rspr.; z.B. Senatsurteile vom 27. September 2016 - VI ZR 250/13, juris Rn. 12; vom 12. April 2016 - VI ZR 505/14, VersR 2016, 938 Rn. 11; vom 18. November 2014 - VI ZR 76/14, BGHZ 203, 239 Rn. 19; vom 27. Mai 2014 - VI ZR 153/13, AfP 2014, 449 Rn. 13 f., jeweils mwN).

Für die angegriffenen Äußerungen gilt danach Folgendes:

1. Die Äußerung in a) (Seite 20 – Anlage K 2)

„Du bekommst deine eigene Akte in Form eines Studienberichts, der mit deinem Namen und deiner Adresse und ausführlichen Details zu deinem Heimbibelstudium (Dauer, Häufigkeit, persönliche Angaben) von den Ältesten der örtlichen Versammlung archiviert wird. Jetzt bist du offiziell und namentlich von den Z. J. erfasst.“

begründet einen Unterlassungsanspruch der Klägerin. Mit der Äußerung wird der Klägerin eine umfassende Datenerfassung, -sammlung und -archivierung unterstellt, ohne dass vorher eine Einwilligung des Betroffenen eingeholt wurde. Dies würde einen schweren Verstoß gegen den Datenschutz darstellen.

Es handelt sich um eine Tatsachenbehauptung. Für die Abgrenzung von Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung gilt, dass eine Tatsachenbehauptung vorliegt, wenn der Gehalt der Äußerung entsprechend dem Verständnis des durchschnittlichen Rezipienten der objektiven Klärung zugänglich ist, weil er als etwas Geschehenes grundsätzlich dem Beweis offen steht, er also mit den Mitteln der Beweiserhebung überprüfbar ist (vgl. Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, 4. Kapitel Rn. 43 ff. m.w.N.; Soehring, Presserecht, 4. Auflage 2010 § 14 Rn. 3, 4 m.w.N.). Eine Meinungsäußerung liegt demgegenüber vor, wenn eine Äußerung nicht dem Beweise zugänglich ist, sich insbesondere nicht mit dem Kriterium „wahr oder unwahr“ messen lässt, sondern vom Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet ist, also einen Vorgang oder Zustand an einem vom Kritiker gewählten Maßstab misst (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Juni 1982 – 1 BvR 1376/79 –, BVerfGE 61, 1-13; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rz. 4; Wenzel, aaO 4. Kapitel Rn. 48 m.w.N.).

Nach diesen Maßgaben handelt es sich bei Äußerung a) um eine Tatsachenbehauptung, da es sich mit den Mitteln des Beweises feststellen lässt, ob die Klägerin ohne Einwilligung entsprechende Daten erhebt und archiviert oder nicht.

Im Hinblick auf Tatsachenbehauptungen hat das Bundesverfassungsgericht zudem ausgeführt (BVerfG, Beschluss vom 09. Oktober 1991 – 1 BvR 1555/88 –, BVerfGE 85, 1-23, juris Rz 45):

„Daher endet der Schutz der Meinungsfreiheit für Tatsachenbehauptungen erst dort, wo sie zu der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Meinungsbildung nichts beitragen können. Unter diesem Gesichtspunkt ist unrichtige Information kein schützenswertes Gut. Das Bundesverfassungsgericht geht deswegen davon aus, daß die erwiesen oder bewußt unwahre Tatsachenbehauptung nicht vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfaßt wird (vgl. BVerfGE 61, 1 <8>).“

Prozessual ist davon auszugehen, dass die angegriffene Behauptung unwahr ist. Nach der in das Zivilrecht transformierten Beweislastregel des § 186 StGB hat derjenige, der Behauptungen aufstellt oder verbreitet, die geeignet sind, den Betroffenen in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder sonst wie seinen sozialen Geltungsanspruch zu beeinträchtigen, im Streitfalle ihre Richtigkeit zu beweisen (vgl. Soehring, Presserecht, 5. Auflage, § 30 Rn. 24). Eine Eignung zur Herabwürdigung liegt dann vor, wenn der Kritisierte in rechtlicher, sittlicher oder sonstiger Hinsicht einer nach Auffassung eines größeren, nicht individuell bestimmten Teiles der Bevölkerung besonderen Unwürdigkeit geziehen wird (Wenzel, 6. Aufl. Kap. 5 Rn. 216). Demgemäß liegt die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit der angegriffenen Behauptung bei der Beklagten.

Den entsprechenden Beweis hat die Beklagte nicht erbracht, sodass prozessual von der Unwahrheit auszugehen ist. Für die Wahrheit des streitigen Vortrags hat die Kammer den von der Beklagten angebotenen Zeugen V. (den Autor des Buches) gehört. In der Beweisaufnahme vom 16.08.2019 konnte sich die Kammer jedoch von der Wahrheit der inkriminierten Behauptung nicht überzeugen.

Der Zeuge hat bekundet, die Berichte über Heimbibelstudien seien „bis zu einem gewissen Zeitraum vom Dienstaufseher/Versammlungssekretär gesammelt“ worden. Er selbst habe bei einer Gelegenheit in seinem Elternhaus miterlebt, dass bei einer Ältesten-Zusammenkunft ein Karteikasten auf dem Tisch gestanden habe, in dem das vorderste Blatt ein sog. Study Report gewesen sei. Was hinter diesem obersten Blatt in dem Karteikasten gewesen sei, wusste der Zeuge nicht. Ob der gesehene Study Report ausgefüllt gewesen sei, konnte der Zeuge nicht mit Sicherheit sagen. Wer den Karteikasten mitgebracht habe, vermochte der Zeuge ebenfalls nicht zu sagen. Er gehe jedoch davon aus, dass der Versammlungssekretär, Herr U. K., den Kasten mitgebracht habe. Er habe bei ihm – Herrn K. – später solche Karteikästen gesehen. Nach der von dem Zeugen geschilderten Situation hat er den Karteikasten erst in einer Pause im Wohnzimmer auf dem Tisch stehen sehen können, als die Kinder, zu denen er gehörte, Tee und Gebäck hätten reinbringen dürfen. Nach dieser Schilderung hat der Zeuge mithin keine eigene Wahrnehmung gehabt, wer den Kasten mitgebracht hatte. Soweit er den Kasten dem Versammlungssekretär K. zugeordnet hatte, handelt es sich erkennbar um eine Schlussfolgerung, keine Wahrnehmung. Der Zeuge hat indes auch bekundet, dass er nicht mitbekommen habe, dass seine Eltern Study Reports in Karteikästen aufgehoben hätten. Dies schließt jedoch nicht aus, dass die Eltern des Zeugen, von diesem unbemerkt, ebenfalls Study Reports in Karteikästen aufbewahrt hatten, sodass ebenfalls nicht auszuschließen ist, dass es sich auch um einen Kasten seiner Eltern gehandelt haben könnte.

Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch das Alter des Zeugen zur Zeit des wiedergegebenen Geschehens, das für seine Wahrnehmungs- und Erinnerungsfähigkeit von Relevanz ist. Während er zunächst sein damaliges Alter mit 6 oder 7 Jahren angab, erweiterte er diese zeitliche Spanne auf das beharrliche Nachhaken des Prozessbevollmächtigten der Beklagten schließlich auf ein Alter von höchstens 10 bis 11 Jahren. Jenes später angegebene Alter würde angesichts des Geburtsjahrgangs 1981 des Zeugen den Vortrag der Beklagten, die Klägerin habe noch nach 1990/1991 die Study Reports archiviert, erheblich besser stützen können, als ein Alter von 6 bis 7 Jahren, mithin ein Geschehen im Jahre 1987 oder 1988. Es kann jedoch dahinstehen, ob nicht aus aussagepsychologischer Sicht der spontanen Äußerung von 6 bis 7 Jahren mehr Glauben zu schenken ist, als der auf beharrliche Nachfrage des Beklagtenvertreters, ob der Zeuge nicht auch älter gewesen sein könnte bei der Ältesten-Versammlung, eingeräumten Möglichkeit, er könne auch älter, höchstens jedoch 10 bis 11 Jahre gewesen sein.

Denn der Schilderung des Zeugen lässt sich schon nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, ob der von dem Zeugen gesehene Study Report ausgefüllt war und ob es sich um einen aktuellen oder archivierten Study Report gehandelt hat. Ebenfalls lässt sich nicht mit der gebotenen Überzeugung feststellen, dass dieser Study Report dem Versammlungssekretär zuzuordnen ist. Der Zeuge vermochte lediglich zu schlussfolgern, dass der Karteikasten dem Versammlungssekretär gehört haben dürfte. Anhaltspunkte, die eine konkrete Zuordnung stützen würden, konnte der Zeuge nicht mitteilen.

Weiter kommt hinzu, dass der Zeuge nach erstem Bekunden eine Situation vor 1990 schilderte und es erst auf Nachfragen des Beklagtenvertreters für möglich hielt, dass sich die Situation erst in der Zeit um 1990 abgespielt haben könnte. Der Zeuge hat auch geschildert, dass eine solche Ältesten-Versammlung danach nicht mehr in seinem Elternhaus stattgefunden hat. Er konnte zwar bekunden, dass die Study Reports auch von seinen Eltern verwendet und ausgefüllt worden seien, räumte jedoch zugleich ein, dass später – in den späten 90er Jahren – auf Notizen zurückgegriffen wurde. Diese von dem Zeugen geschilderte spätere Änderung, die indes noch vor dem Ausscheiden des Zeugen aus den Z. J. und erheblich vor dem Erscheinen seines Buches erfolgte, steht der Beweisbehauptung, die Berichte über Heimbibelstudien seien auch nach 1990 archiviert worden und die Praxis der Berichterstattung über Heimbibelstudien sei auch nach 1990/1991 fortgeführt worden, entgegen. Es geht in der inkriminierten Äußerung ausdrücklich um einen Study Report („Studienbericht“), der mit bestimmten, der Äußerung nach vorher festgelegten Inhalten („mit deinem Namen und deiner Adresse und ausführlichen Details zu deinem Heimbibelstudium (Dauer, Häufigkeit, persönliche Angaben)“) gefüllt wird. Die später angefertigten Notizen dienten demgegenüber nach den Angaben des Zeugen der persönlichen Erinnerung über die Haus-zu-Haus-Besuche und wurden, so der Zeuge, nicht an die Ältesten gesandt. Angesichts dieser Schilderungen des Zeugen zeigt sich ein erheblicher Unterschied zwischen den vormals verwendeten Study Reports und den später genutzten, persönlichen Notizen. Selbst wenn es sich mithin bei dem von ihm gesehenen Study Report bei dem Ältesten-Treffen in seinem Elternhaus um einen ausgefüllt, archivierten Report gehandelt hätte, wäre die angegriffene Behauptung durch die weiteren Schilderungen über die Praxis nach 1990/1991 widerlegt.

Da die Beklagte den Beweis nicht führte, waren die Gegner nicht zu hören.

Nach alledem ist im Ergebnis davon auszugehen, dass die inkriminerte Behauptung, es würden Study Reports von der Klägerin gesammelt und archiviert werden, nicht als bewiesen anzusehen ist.

Ist danach jedoch von der Unwahrheit auszugehen, fehlt es zum einen an einem betroffenen Grundrecht auf Seiten der Beklagten, denn Art. 5 Abs. 1 GG schützt – wie ausgeführt – nicht die erwiesen oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptung. Zum anderen muss es die Klägerin aus grundsätzlichen Gründen nicht hinnehmen, dass unwahre Äußerungen, die ihre Funktion beeinträchtigen, über sie verbreitet werden.

Der für die Klägerin als öffentlich-rechtliche Körperschaft geltende strenge Maßstab ist erfüllt, da ihr mit der Äußerung letztlich schwere datenschutzrechtliche Verfehlungen vorgeworfen werden. Es kommt hinzu, dass sie auf die Rechtswidrigkeit ihrer früheren Praxis von staatlicher Seite hingewiesen wurde. Es wäre ein besonders schweres Fehlverhalten, wenn sie die Praxis trotzdem vorgeführt hätte.

Dem von der Beklagten im Nachgang der Beweisaufnahme vorgetragenen Argument, die Zielrichtung der Kammer bei der Beweisaufnahme und deren Bewertung sei überraschend, ist nicht zu folgen. Die Kammer hat bereits in der ersten mündlichen Verhandlung – in Ansehung der in den wechselseitigen Schriftsätzen ausgetauschten Argumente – darauf hingewiesen, dass für die Äußerung in a) maßgeblich ist, ob die Klägerin in dem beschriebenen Umfang (massenhaft) Daten ohne Einwilligung erhebt und sammelt und dass der erhobene Vorwurf die Klägerin gerade dann beeinträchtigt, wenn unwahr berichtet wird, dass sie diese Daten speichere und archiviere. Dies beinhaltet die angegriffene Aussage, dass schon nach dem ersten Heimbibelstudium eine „Akte“ (in Form eines Studienberichts) über den Betroffenen angelegt werden würde. Diese Zielrichtung war auch Gegenstand der Beweisaufnahme, an der die Beklagte, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, teilhatte. Während und unmittelbar nach der Beweisaufnahme ist die nun erhobene Rüge der Überraschung nicht zur Sprache gebracht worden.

2. Die Passagen unter b) und c) (Seite 45 – Anlage K 3)

Die W.-Gesellschaft ist hingegen die Dachorganisation und der Verlag, der als Urheber die Botschaft herausgibt, die Lehren entwirft, die Regeln, die Verbote, die Gebote festlege.

An der geistigen Spitze der W.-Gesellschaft steht die sogenannte Leitende Körperschaft.

sind demgegenüber zulässig verbreitet worden. Es handelt sich im Kontext des Abschnitts, in dem sie stehen, um Aussagen über das allgemeine Verständnis, das mit den Z. J. verbunden ist. Dies wird deutlich durch die Formulierungen „Für die Z. J. selbst und viele Außenstehende gibt es da keinen Unterschied. Beide Begriffe werden synonym verwendet.“ und die unmittelbar nachfolgende Distanzierung des Autors „Objektiv – und vor allem subjektiv – betrachtet sind das zwei verwandte, aber dennoch verschiedene Welten. Am Ende des Buches wirst du verstehen, was ich meine.“ Anhand dieser Einkleidung der angegriffenen Äußerung zu b) wird für den Leser deutlich, dass es sich nicht um eine Behauptung des Autors, sondern lediglich um die Wiedergabe eines allgemeinen Verständnisses handelt, zu dem sich der Autor gerade abgrenzen will. Er hat sich danach die Äußerung zu b) nicht zu eigen gemacht. Es kommt im Übrigen hinzu, dass für den Leser aus dieser Gegenüberstellung des allgemeinen Verständnisses einerseits und der Schilderungen des Autors andererseits letztlich offen bleibt, ob es sich um eine Tatsachenbehauptung handelt oder ob nicht vielmehr eine Bewertung im Vordergrund steht, die die Allgemeinheit anhand des vorhandenen Wissens über die Struktur der Klägerin vorgenommen hat. Auch aus diesem Grunde scheidet ein Unterlassungsanspruch nach Maßgabe der oben dargestellten, strengen Kriterien, die für die Klägerin gelten, aus.

Letztlich wird zudem das eigene Verständnis des Autors an anderer Stelle im Buch sichtbar. So heißt es unter anderem auf Seite 23 des Buches „... Unternehmen namens W. ..., das die Ideologie der Z. J. steuert und vertreibt, ...“. Der Autor gibt damit zu erkennen, dass er mit dem Begriff „Dachorganisation“ nicht eine gesellschaftliche Hierarchie meint, die die Klägerin mit der Passage in B) angreifen möchte, sondern eine Bewertung der Bedeutung der W.-Gesellschaft aus Sicht eines Z. J.. Die wiederholte Verwendung des Begriffs „Dachorganisation“ in Bezug auf die W.-Gesellschaft in dem Buch führt daher zu keiner anderen Bewertung. Die angegriffene Darstellung hat sich der Autor nicht als Tatsachenbehauptung zu eigen gemacht. Aus diesem Grunde verfängt auch das Verständnis der Klägerin, der Autor stelle mit der angegriffenen Passage die W.-Gesellschaft auf eine Stufe mit der Leitenden Körperschaft, nicht. Zum einen zeigen die Ausführungen des Autors im Buch, dass die W.-Gesellschaft das nach außen tretende „Sprachrohr“ ist, das dem Z. J. die Botschaften verkündet. Dies ist unstreitig wahr. Zum anderen wird aus der Äußerung in c) deutlich, dass W.-Gesellschaft und Leitende Körperschaft gerade nicht auf einer Stufe stehen. Dies wird zudem von der weiteren Passage auf Seite 45 des Buches deutlich, wo es heißt „Die Inhalte aller Publikationen, die die W.-Gesellschaft herausgibt, werden von der Leitenden Körperschaft kuratiert. Sie allein entscheidet, ...“. Für den Leser bleibt danach kein Raum anzunehmen, die W.-Gesellschaft und die Leitende Körperschaft stünden auf einer Ebene.

Ähnliches gilt für die Äußerung in c). Die Klägerin meint, der Autor stelle hier die Leitende Körperschaft als einen Teil der W.-Gesellschaft dar. Dieses Verständnis entsteht jedoch nicht, auch nicht als mögliches Verständnis im Sinne der sog. Stolpe-Rechtsprechung (vgl. dazu vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 2005 – 1 BvR 1696/98 –, BVerfGE 114, 339-356). Zum einen steht dem bereits der Einschub „geistigen Spitze“ entgegen, der eine Abgrenzung zu einer gesellschaftsrechtlichen Hierarchie schafft. Zum anderen erschließt sich aus den nachfolgenden Sätzen, was der Autor meint, wenn es dort heißt: „Sie [die Leitende Körperschaft] steht sechs Komitees vor, in denen alles geregelt wird, was zu regeln ist. Die zwei wichtigsten: die Dienstabteilung ... sowie die Schreibabteilung, die für die Inhalte der Publikationen der W.-Gesellschaft zuständig ist.“. Es ist danach nicht nur fernliegend, sondern ausgeschlossen anzunehmen, die Leitende Körperschaft sei ein Teil der W.-Gesellschaft. Die Beaufsichtigung und Steuerung der Inhalte der Publikationen der W.-Gesellschaft wird auch im unmittelbar nachfolgenden Satz deutlich „Die Inhalte aller Publikationen, die die W.-Gesellschaft herausgibt, werden von der Leitenden Körperschaft kuratiert. Sie allein entscheidet, ...“.

Nach alledem scheidet ein Unterlassungsanspruch der Klägerin hinsichtlich der Passagen b) und c) aus.

3. Die Äußerung unter d) (Seite 94 – Anlage K 4)

Die Leitende Körperschaft von J. Z. ist wegen des Verbots von Bluttransfusionen – gestützt auf eine Schätzung von M. S. – für mindestens 50 000 Tote seit 1961 – allein durch das Verweigern einer Bluttransfusion – verantwortlich.

ist in dieser Form im Buch nicht enthalten. Dort heißt es auf Seite 94: „Eine konservative Schätzung des amerikanischen Bloggers M. S. geht von mindestens 50 000 Toten seit 1961 aus – allein durch das Verweigern einer Bluttransfusion.“ Im Kontext stellt sich dies als Meinungsäußerung dar, ein Unterlassungsanspruch der Klägerin scheidet nach Maßgabe der oben dargestellten Grundsätze aus.

In der Äußerung wird zum einen deutlich, dass sich der Autor nicht auf eigenes Wissen bezieht, sondern eine Schätzung von M. S. referiert.

Zum anderen geht es in der Äußerung um den Vorwurf, dass das Verweigern von Bluttransfusionen zu einer erheblichen Zahl von Todesfällen geführt habe. Dies ist – wörtlich – eine „Schätzung“ und damit offensichtlich keine Behauptung. Auch die Kausalverknüpfung zwischen dem Verweigern der Bluttransfusion und dem Tod ist Teil dieser Bewertung, da der Leser erfährt, dass M. S. nicht aus eigenem Erleben schätzt, sondern anhand von Zahlen mutmaßlich von Todesfällen unter Z. J.. Ob im konkreten Einzelfall eine Bluttransfusion den Tod sicher verhindert hätte, vermag niemand zu sagen, das weiß der Leser. Daher verfangen die Argumente der Klägerin, es sei medizinisch nicht belegt, dass eine Bluttransfusion das sichere Überleben bedeutet hätte, und allein das Verweigern der Bluttransfusion habe nicht den Tod herbeigeführt, nicht. Der Leser weiß aber auch, dass Bluttransfusionen grundsätzlich Leben retten können – und dieser Gegensatz zu der Gewissensentscheidung von Z. J. ist die im größeren Kontext getroffene Aussage.

Der Umstand, dass Bluttransfusionen bei den Z. J. verboten sind, ist demgegenüber unstreitig. Nachfolgend werden im Buch zwei Beispiele geschildert, in denen es um die Entscheidung, kein Blut zu erhalten, geht. Diese Passagen greift die Klägerin nicht an.

4. Die Aussage unter e)

Als Z. J. hat man am Ende des Monates ein Formular auszufüllen, in das man einträgt, wie viele Wachttürme und Erwachet! Man verteilt hat, und vor allem, wie viele Stunden man im Predigtdienst verbracht hat. Diese Formulare sammelt der Versammlungssekretär ein und schickt sie in die W.-Zentrale nach S., wo die Versammlungsstatistik ausgewertet wird,

soweit damit behauptet wird, die hier benannten Berichtsformulare würden an die W.-Zentrale nach S. gesandt werden,

ist zu untersagen. Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der unterstrichenen Teilaussage zu.

In der Passage geht es um eine zentrale Datenerfassungspraxis der Klägerin. Teil dieser Datenerfassung ist im Kontext der Äußerung (auch) der Predigtdienstzettel, denn es heißt „Diese Formulare sammelt der Versammlungssekretär ein und schickt sie in die W.-Zentrale nach S.“. Der Plural in „sie“ beinhaltet den Predigtdienstzettel, denn von diesem ist im vorgehenden Satz die Rede. Dass es nachfolgend heißt „wo die Versammlungsstatistik ausgewertet wird“ lässt nicht das Verständnis entstehen, nur eine Versammlungsstatistik werde nach S. geschickt. Denn vorangehend ist nur von „ein Formular“ die Rede, in dem es um die verteilten Zeitschriften und die Stunden im Predigtdienst geht. Beide Angaben befinden sich demnach auf einem Formular. Eine inhaltliche Trennung der nach S. geschickten Daten ist ersichtlich nicht möglich.

Unstreitig werden die Predigtdienstzettel nicht in die Zentrale nach S. geschickt. Soweit die Beklagte anhand der Anlagen B 21 und B 23 argumentiert, dass die Formulare ein Einverständnis in die Datenverarbeitung in der Zentrale beinhalteten, kommt es darauf nicht an, weil dies nicht Gegenstand der Äußerung ist.

Soweit die Beklagte klargestellt hat, dass das Wort „sie“ sich auf die Versammlungsstatistik beziehen sollte, wird dies dem Wortverständnis des Lesers nicht gerecht, weil nach der Passage nicht die „Versammlungsstatistik“ nach S. geschickt wird, sondern in S. die Versammlungsstatistik ausgewertet wird. Die Versammlungsstatistik wird im vorangehenden Teil der Passage nicht erwähnt, sodass sich „sie“ nicht darauf beziehen kann. Es liegt kein Fall einer mehrdeutigen Äußerung vor, hinsichtlich derer die Beklagte durch eine einfache Klarstellung (vgl. grundsätzlich dazu BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 2005 – 1 BvR 1696/98 –, BVerfGE 114, 339-356 s.o. aber auch Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 21. Mai 2019 – 7 U 109/18 –, juris Rz. 60) möglicherweise frei werden könnte. Denn jedenfalls – zwingend – bezieht sich „sie“ auf den Predigtdienstzettel, um den es in dem voranstehenden Satz geht. Eine Klarstellung reichte daher unter keinen Umständen aus.

Auch hier wird gegenüber der Klägerin ein sehr schwerwiegender Vorwurf in Bezug auf den Umgang mit sensiblen Daten erhoben.

5. Die Passage in f) (Seiten 194, 195 – Anlage K 6)

Jugendliche, die bislang kein schlechtes Gewissen hatten, hören nur noch mit schlechtem Gewissen eine Musik, die aufgrund der Meinung eines einzelnen Menschen jetzt auf der inoffiziell-offiziellen Black-List der Z. J. steht,

soweit damit behauptet wird, es gäbe eine Black-List der Z. J. für Musik,

ist zulässig verbreitet worden. Unstreitig gibt es keine „offizielle“ Black-List für Musik, dies ist jedoch auch nicht der Gegenstand der angegriffenen Passage. Die Passage fasst den vorangehenden Abschnitt im Buch zusammen, in dem es darum geht, dass ein Mitglied der Leitenden Körperschaft ein Musik-Album verurteilt habe, weil das Cover unter bestimmten Lichtverhältnissen das Gesicht Satans zeige. Eine solche Ansage eines Mitglieds der Leitenden Körperschaft führe in der Folge, so der Autor, dazu, dass diese Band verpönt sei, weil – so das Mitglied der Leitenden Körperschaft – wahre Christen keine Musik einer solchen Band hören würden. Dies bedeute in der Konsequenz, so der Autor, dass jeder, der diese Ansage zu der Band missachte, mit Argwohn betrachtet werde. Dies fasst der Autor abschließend in der streitigen Aussage zusammen. Es handelt sich um eine Meinungsäußerung, keine Tatsachenbehauptung.

Dem Leser ist im Kontext der Passage bewusst, dass es nicht um einen „offizielle“, geschriebene Black-List geht und niemand eine bestimmte Musik ausdrücklich verboten hat, sondern dass eine solche, von offizieller Seite (Leitende Körperschaft) geäußerte Meinung zu einem bestimmten Musik-Album einem Verbot dieser Musik gleichkommt, weil der Wunsch, sich wie ein wahrer Christ zu verhalten, um nicht den Argwohn anderer auf sich zu ziehen, dazu führt, dass diese Musik nicht mehr gehört werden kann. So heißt es im nachfolgenden Absatz: „Ich weiß, es klingt verrückt, paranoid, womöglich sogar völlig unglaubwürdig. Aber ich habe solche Automatismen nicht nur einmal während meiner Zeit bei den Z. J. erlebt.“.

6. Der in g) durch die Äußerung (Seite 223 – Anlage K 7)

„In deiner Datenbank gibt es leider keinen passenden Erfahrungsbericht? Kein Problem, dann saugst du dir eben etwas aus den Fingern. Schließlich haben die Protagonisten der Erfahrungsberichte ohnehin nie einen Nachnamen.“

erweckte Eindruck, dass die Erfahrungsberichte nicht auf wahren Begebenheiten beruhten, ist zu untersagen.

Einen besonderen Schutz unter dem Blickwinkel der Satire kann die angegriffene Passage entgegen der Ansicht der Beklagten nicht für sich in Anspruch nehmen. Denn Voraussetzung dafür, dass eine Äußerung unter dem Gesichtspunkt der Satirefreiheit einen besonderen Schutz genießt, ist, dass der Rezipient die satirische Überzeichnung erkennt, so dass er die Veränderung als Teil der für satirische Darstellungen typischen Verfremdungen und Verzerrungen deuten und damit für seine Meinungsbildung bewertend einordnen kann (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 14. Februar 2005 – 1 BvR 240/04 –, juris Rz. 26 m.w.N.). So ist zu berücksichtigen, dass das Buch als umklammernde Einkleidung der streitgegenständlichen Äußerung keine Satire, sondern ein Erlebnisbericht sein will. So heißt es bereits im Vorwort „Ich habe die Namen und Eigenschaften einzelner Protagonisten geändert, um Persönlichkeitsrechte zu wahren. Ansonsten ist alles ziemlich genau so passiert.“ Der Leser erwartet daher keine satirische Übertreibung in den Schilderungen des Autors, sondern einen lebensnahen Bericht über die Erlebnisse während seiner Mitgliedschaft bei den Z. J..

Der Abschnitt „Wir basteln uns einen W.-Artikel. Grundkurs für Anfänger. Modul 1“, in den die streitigen Äußerung eingebettet ist, beleuchtet die Entstehung eines W.-Buches oder –Artikels. Dem Leser werden angefangen von der Themenfindung, über die Überschrift, den Aufhänger, die einzusetzenden Veranschaulichungen und die Einbettung eines Testimonials bis zur Beweisführung und dem Appell an das Gewissen Erläuterungen zu den einzelnen Bestandteilen eines W.-Artikels gegeben. In diesem Kontext erscheint die inkriminierte Passage im Abschnitt zum Testimonial. Angesichts der sonstigen Abschnitte im Buch geht der Leser dabei nicht davon aus, dass der Autor hier in satirischer Weise mit Übertreibungen und Verzerrungen arbeitet, sondern lediglich in ironischer Weise vorführt, dass ein W.-Artikel nicht schwer zu schreiben ist – obwohl er beim Leser dann einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen wird.

In diesem Kontext entsteht der angegriffene Eindruck in der zitierten Passage zwingend. Falls es keinen echten Erfahrungsbericht gebe, solle man sich einen „aus den Fingern saugen“, und das sei deshalb möglich, weil angesichts fehlender Nachnamen der Protagonisten niemand nachprüfen könne, ob es diese Person überhaupt gebe und sie das Geschilderte wirklich erlebt habe. In der Quintessenz entsteht beim Leser zwingend der Eindruck, dass zumindest ein Teil der Erfahrungsberichte nicht auf wahren Begebenheiten beruhen würden.

Dieser Eindruck ist unwahr, davon ist prozessual auszugehen. Die Beklagte bezieht sich hierzu auf die Anlagen B 17 und B 24, die indes lediglich Schlussfolgerungen aufgrund bestimmter wörtlicher Übereinstimmungen wiedergeben, dass einzelne Beiträge „fake“ bzw. ausgedacht seien. Dies belegt indes weder, dass Erfahrungsberichte tatsächlich ausgedacht seien, noch sind die Schlussfolgerungen, die sich auf bestimmte Übereinstimmungen in Formulierungen stützen, in sich schlüssig.

Der unwahre Eindruck ist zu untersagen. Es liegt auf der Hand, dass die Klägerin in ihren Rechten schwer verletzt ist, wenn ihr letztlich vorgeworfen wird zu lügen.

7. Die Äußerung in h) (Seite 411 – Anlage K 8)

Für dieses Amt [des Ältesten] muss man keine besonderen Voraussetzungen erfüllen. [...] Sie haben keine professionelle seelsorgerische Ausbildung, in der Regel ... kein theologisches Studium, das über die Wissensbildung des durchschnittlichen Z. J. hinausgeht.

ist ebenfalls zu untersagen. Der Äußerung wohnt inne, dass die Ältesten keine fachlichen Qualifizierungen aufweisen, die über die „Wissensbildung des durchschnittlichen Z. J.“ hinausgehen. Die Äußerung beinhaltet den tatsächlichen Kern, dass die Ältesten lediglich über das Basiswissen eines durchschnittlichen Z. J. verfügen. Diese Aussage ist unstreitig unwahr.

Die Beklagte wendet hierzu im Wesentlichen ein, dass es sich insgesamt um eine Meinungsäußerung handele und die Ältesten in der Regel kein Hochschulstudium und keine professionelle Ausbildung im Sinne eines Hauptberufs aufweisen würden. Während letzteres unstreitig der Fall ist – eine in diesem Sinne verstandene professionelle Ausbildung ist nicht Voraussetzung für das Amt des Ältesten – erfahren die Ältesten nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin jedenfalls Schulungen, die ihnen besondere – über den Wissensstand des durchschnittlichen Z. J. hinausgehende – und für ihr Amt wesentliche Kenntnisse vermitteln würden.

Soweit die Beklagte meint, mit der Äußerung werde Kritik an den geringen Voraussetzungen für das Amt des Ältesten geübt, mag eine solche Kritik berechtigt sein. Indes ist dies nicht Gegenstand des Verbots, sondern gerade die dargestellte, unzutreffende Bezugnahme auf den Wissensstand des durchschnittlichen Z. J. begründet die Verletzung des Ansehens der Klägerin.

8. Es besteht auch die für den Unterlassungsanspruch notwendige Wiederholungsgefahr. Diese wird durch die Erstbegehung indiziert und es sind keine Anhaltspunkte erkennbar, dass sie hier gleichwohl widerlegt sein könnte.

Das Ergebnis wäre im Übrigen nicht anders ausgefallen, wenn Art. 4 GG berücksichtigt wird.

III. Verjährung

Soweit Unterlassungsansprüche der Klägerin im vorliegenden Fall gemäß den vorstehenden Ausführungen begründet sind, greift die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung nicht durch. Das Fax der vollständigen Klage ist am 29.12.2017 bei Gericht eingegangen. Nach ständiger Rechtsprechung (siehe hierzu Zöller, ZPO, 32. Auflage, § 167 Rn. 5 und § 519 Rn. 18) genügte der Faxeingang. Wegen §§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, 167 ZPO war die Verjährung ab diesem Zeitpunkt gehemmt. Die Zustellung der Klage an die Beklagte erfolgte auch „demnächst“. Die Klage ist am 17.01.2018 zugestellt worden. Insbesondere wären etwaige Verzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebes nicht der Klägerin anzulasten (vgl. BGH, Urteil vom 10. September 2015 – IX ZR 255/14 –, juris Rz. 15). Die Klägerin war wegen § 2 Abs. 3 S. 2 GKG i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 1 Landesjustizkostengesetz Hamburg zudem von der Leistung eines Gerichtskostenvorschusses befreit, sodass § 12

IV. Abmahnkosten

Der Klägerin steht nach Maßgabe der begründeten Unterlassungsansprüche auch ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Kosten der Abmahnung gemäß Anlage K 9 zu. Begründet sind vorliegend die Anträge zu a), e), g) und h). Hinsichtlich der Äußerung zu e) wurde in der Abmahnung bereits darauf hingewiesen, dass an die „Mandantschaft“ keine Berichte, sondern lediglich „die Summe der Zahlen“ weitergegeben werde. Hieraus war für die Beklagte erkennbar, dass die Klägerin die Übermittlung der Berichte an die Zentrale in S. in Abrede nimmt, so dass die spätere Konkretisierung des Unterlassungsanspruchs auf die tenorierte Unterstreichung bereits Gegenstand der Abmahnung war. Ähnliches gilt für die Äußerung in g), soweit nunmehr ein Eindruck formuliert wurde. Die Klägerin hatte bereits in der Abmahnung darauf hingewiesen, dass in der betreffenden Passage die unwahre Behauptung stecke, die Lebensberichte seien erfunden.

Demgemäß steht der Klägerin ein Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Kosten hinsichtlich dieser vier Äußerungen dem Grunde nach zu. Bei Ansatz eines jeweiligen Gegenstandswerts von 5.500,00 Euro (insgesamt 22.000,00 Euro) und einer 1,3 Gebühr nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer ergibt sich ein Anspruch in Höhe von 1.171,67 Euro.

V. Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, zu § 96 ZPO sah sich die Kammer nicht veranlasst. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Der Streitwertbeschluss hat seine Grundlage in §§ 3, 4 ZPO.