OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.03.2002 - Verg 43/01
Fundstelle
openJur 2012, 124530
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß der 2. Vergabekammer des Bundes beim Bundeskartellamt vom 5. November 2001 (VK 2 - 34/01) aufgehoben.

2. Der Antragsgegnerin wird untersagt, entgeltliche Verträge mit einem Auftragswert oberhalb des Schwellenwerts im Sinne des § 100 Abs. 1 GWB betreffend die Leistungen oder Teile der Leistungen zur nationalen Stützungsstruktur für die Gemeinschaftsinitiative EQUAL (ursprünglich am 14. Juni 2000 ausgeschrieben unter 2000/S 90-059308) zu schließen, ohne zuvor ein Verfahren zur Erteilung von Aufträgen nur im Wettbewerb und im Wege transparenter Vergabe (§§ 97 ff. GWB) durchzuführen.

3. Es wird festgestellt, daß folgende von der Antragsgegnerin und der Beigeladenen miteinander geschlossene Verträge nichtig sind: Öffentlich-rechtlicher Vertrag vom 15. Juni 2001 und „den Beleihungsvertrag ergänzende Vereinbarung„ vom 22. August 2001.

4. a) Die Antragstellerin hat 5 % der gesamten Kosten des Vergabenachprüfungsverfahrens beider Instanzen einschließlich der notwendigen Aufwendungen, die der Antragsgegnerin in beiden Instanzen und der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren entstanden sind, zu tragen.

b) Der Antragsgegnerin werden 95 % der gesamten Kosten erster Instanz einschließlich der ihr und der Antragstellerin entstandenen notwendigen Aufwendungen auferlegt.

c) Die Antragsgegnerin hat je 63 % der im Beschwerdeverfahren entstandenen Gerichtskosten und notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin zu tragen.

d) Die Beigeladene hat je 32 % der im Beschwerdeverfahren entstandenen Gerichtskosten und notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin zu tragen.

e) Jeweils 95 % der ihnen im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen fallen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen selbst zur Last.

f) Die Hinzuziehung je eines anwaltlichen Bevollmächtigten war für die Antragstellerin und die Antragsgegnerin in beiden Instanzen und für die Beigeladene im Beschwerdeverfahren notwendig.

5. Beschwerdewert: 869.196,19 Euro (= 1,7 Mio. DM).

Gründe

(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)

A.

Die Europäische Kommission hat vor einiger Zeit die Gemeinschaftsinitiative "EQUAL" neu ins Leben gerufen. EQUAL verfolgt das Ziel, neue Methoden zur Bekämpfung von Diskriminierungen und Ungleichheiten jeglicher Art im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt durch transnationale Zusammenarbeit zu fördern. Weiteres hierzu ergibt sich aus den Leitlinien der EG-Kommission für die Gemeinschaftsinitiative EQUAL vom 14. 4. 2000, auf die Bezug genommen wird. Für dieses Programm werden in Deutschland in den nächsten (fünf bis sechs) Jahren Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) in Höhe von mehr als 500 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Mit Blick auf EQUAL hatte die Antragsgegnerin am 14. Juni 2000 einen Leistungsauftrag zur Technischen Hilfe ("nationale Stützungsstruktur") im nicht offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Die Antragstellerin und die Beigeladene hatten sich - neben anderen Bewerbern - um die Teilnahme an dem damaligen Vergabeverfahren beworben und waren von der Antragsgegnerin auch zur Abgabe eines Angebots aufgefordert worden. Beide gaben auch Angebote für den ausgeschriebenen Leistungsauftrag zur Technischen Hilfe ab. Die Antragstellerin beanstandete seinerzeit aber auch (u. a.) die ungenügende Bestimmtheit und Unvollständigkeit der Ausschreibungsunterlagen, insbesondere das Fehlen eines Gesamtverfahrenskonzepts sowie die Beteiligung der Beigeladenen am Vergabeverfahren, weil die Beigeladene dadurch einen erheblichen Informationsvorsprung erhalten habe, daß ihr aufgrund eines zuvor mit der Antragsgegnerin abgeschlossenen Vertrages die Abfassung des Textes zum sogenannten PGI (das waren von den Mitgliedstaaten einzureichende und von der EG-Kommission zu genehmigende Entwürfe von Programmen im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative EQUAL) übertragen worden war. Mit diesen Beanstandungen hatte die Antragstellerin in einem gegen die Antragsgegnerin angestrengten Nachprüfungsverfahren zunächst keinen Erfolg: Die 2. Vergabekammer des Bundes wies den Nachprüfungsantrag durch Beschluß vom 26. 7. 2000 (VK 2 - 16/00) zurück. Der von der Antragstellerin mit sofortiger Beschwerde angerufene Senat verlängerte durch Beschluß vom 5. 10. 2000 (Verg 14/00) gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde und brachte in den Beschlußgründen zum Ausdruck, daß er den Nachprüfungsantrag für begründet halte; denn die Ausschreibungsbedingungen, insbesondere der den Bietern von der Antragsgegnerin übersandte Leistungskatalog, seien auch unter Berücksichtigung des Umstands, daß es sich um eine funktionale Leistungsbeschreibung (§ 8 Nr. 2 VOL/A) handele, unvollständig und genügten nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit, die die VOL/A in den §§ 8 und 16 Nr. 1 im Interesse der Bieter stelle, und der (damaligen) Ausschreibung fehle es - wie der Senat näher begründete - insgesamt an der vorauszusetzenden Vergabereife. Aufgrund dieses Beschlusses hob die Antragsgegnerin noch vor der mündlichen Verhandlung das Vergabeverfahren am 7. 11. 2000 auf, weil sie - wie sie mit Schreiben vom selben Tage (auch) an die Antragstellerin erklärte - mit der Aufhebung der Ausschreibung durch den Senat rechnete. In diesem Schreiben vom 7. 11. 2000 teilte die Antragsgegnerin (auch) der Antragstellerin wörtlich mit:

"Nachdem das PGI nunmehr vollständig vorliegt, soll - unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf - alsbald ein neues Ausschreibungsverfahren hinsichtlich der Technischen Hilfe "EQUAL" eingeleitet werden."

In der nachfolgenden mündlichen Verhandlung des Beschwerdeverfahrens vom 24. 1. 2001, an der auch die Beigeladene teilnahm, erklärte die Antragsgegnerin nochmals ihre Absicht, die Auftragsvergabe erneut auszuschreiben. Mit seiner Beschwerdeentscheidung vom 14. 2. 2001 (teilweise veröffentlicht in WuW/E Verg 459) hat der Senat festgestellt, daß die von der Antragsgegnerin durchgeführte Ausschreibung der nationalen Stützungsstruktur für EQUAL vom 14. 6. 2000 wegen der Unvollständigkeit des Leistungskatalogs den vergaberechtlichen Anforderungen der §§ 8, 16 Nr. 1 VOL/A nicht genügte, und daß die Antragstellerin hierdurch in ihren Rechten verletzt worden ist.

Entgegen ihren ursprünglichen Erklärungen hat die Antragsgegnerin den Leistungsauftrag zur nationalen Stützungsstruktur für EQUAL bis jetzt nicht erneut ausgeschrieben. Vielmehr schloß sie, ohne die Antragstellerin hiervon und von den Vorbereitungen hierzu etwas wissen zu lassen, mit der Beigeladenen am 15. 6. 2001 einen mit der Überschrift "Öffentlichrechtlicher Vertrag" versehenen Vertrag, dessen § 1 als "Gegenstand des Vertrages" bestimmt:

"Dieser Vertrag regelt die Verleihung der Befugnis an efp, auf der Grundlage des Programms im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative EQUAL zur Bekämpfung von Diskriminierungen und Ungleichheiten im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland - Entscheidung der Kommission Nr. K(2001)582 vom 18. April 2001 - ("EQUAL") Verwaltungsaufgaben auf dem Gebiet der Zuwendungen im eigenen Namen und in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts wahrzunehmen, insbesondere als Zuwendungsempfänger Fördermittel in Form von Zuwendungen an die Endbegünstigten weiterzugeben (Beleihung gemäß § 44 Abs. 3 der Bundeshaushaltsordnung - BHO) sowie als Rahmenvereinbarung das Zuwendungsverhältnis zwischen Bund und efp."

In § 2 des Vertrags vom 15. 6. 2001 übertrug die Antragsgegnerin der Beigeladenen zahlreiche "Aufgaben und Befugnisse" (so ausdrücklich § 2 Abs. 2). Zur Gewährleistung der sachgerechten Erfüllung dieser ihr übertragenen Aufgaben und Befugnisse habe die Beigeladene ein "zukunftssicheres, rechnergestütztes Verwaltungssystem als zentrales Steuerungs-, Begleit-, Finanzabwicklungs- und Kontrollinstrument" zu entwickeln, zu implementieren und zu verwenden. Damit werde "die Mittelbewirtschaftung nach allen einschlägigen Rechtsvorschriften sichergestellt und die Umsetzung und Dokumentation von EQUAL entsprechend den deutschen und europäischen Rechtsvorschriften verwaltungstechnisch durchgeführt". Gemäß § 3 des Vertrags sollte die Beigeladene von Seiten des Bundes "Zuwendungen zum Zwecke der Weitergabe" im Rahmen der Durchführung von EQUAL erhalten. § 8 des Vertrages bestimmte, daß die "Beleihung" für die Zeit vom 15. 6 2001 bis zum 31. 12. 2008 gelte; die Antragsgegnerin könne der Beigeladenen "die hiermit übertragenen Befugnisse" jederzeit wieder entziehen und die "Beleihung" mit einer Frist von 6 Monaten kündigen. Eine Vergütung für die "Erfüllung der" der Beigeladenen "übertragenen Aufgaben und Befugnisse" (vgl. § 2 des Vertrags) war im Vertragstext vom 15. 6. 2001 nicht schriftlich niedergelegt worden.

Am 22. 8. 2001 unterzeichneten die Antragsgegnerin und die Beigeladene einen weiteren schriftlichen Vertragstext. In der Präambel hielten die Vertragspartner fest, sie wollten mit dieser "den Beleihungsvertrag [vom 15. 6. 2001] ergänzenden Vereinbarung" das Rechtsverhältnis zueinander "weiter konkretisieren und die Rechtssituation ausdrücklich regeln". In § 4 war von den "Aufgaben" der Beigeladenen die Rede, die sie in enger und ständiger Kooperation mit dem Bund wahrnehmen werde. Der mit "Kostenerstattung" überschriebene § 5 bestimmte in Abs. 1, daß die Beigeladene "eine Erstattung der tatsächlich angefallenen förderfähigen Ausgaben im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1685/2000 der Kommission vom 28. Juli 2000 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 des Rates hinsichtlich der Zuschußfähigkeit der Ausgaben für von den Strukturfonds kofinanzierte Operationen, einschließlich ihres Anhangs" erhalte. In einem weiteren Satz des § 5 Abs. 1 dieses Vertrags hieß es, die "Vergütung" für die Jahre 2004 bis 2008 werde im Lichte der Kostenentwicklung unter Berücksichtigung der von der Beigeladenen vorgelegten Kostenkalkulation vom 24. 7. 2000 angepaßt.

In der Zeit zwischen den beiden Vertragsunterzeichnungen hatte die Antragstellerin am 22. 6. 2001 beim Landgericht Berlin den Erlaß einer einstweiligen Verfügung des Inhalts beantragt, der Antragsgegnerin zu untersagen, den Auftrag für die nationale Stützungsstruktur betreffend EQUAL an ein in Konkurrenz zu ihr stehendes Unternehmen, insbesondere an die Beigeladene, zu vergeben, ohne zuvor eine Ausschreibung gemäß den §§ 97 ff. GWB durchzuführen. Durch Beschluß vom 1. 8. 2001 (23 O 308/01) erklärte sich das Landgericht Berlin für unzuständig und verwies das Verfahren nach den §§ 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG i. V. m. § 104 Abs. 2 Satz 1 GWB an die Vergabekammer des Bundes. Nach deren Aufforderung, zu den formellen und materiellen Fragen dieses Verfahrens Stellung zu nehmen und entsprechende Anträge zu stellen, reichte die Antragstellerin am 12. 9. 2001 den Antrag ein, den Beleihungsvertrag und die mit ihm verbundenen weiteren Vereinbarungen zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Technische Hilfe für EQUAL gemäß den §§ 97 ff. GWB öffentlich auszuschreiben. Zur Begründung führte sie (u. a.) aus, die Beleihung sei nichtig, weil sie ohne vorherige öffentliche Ausschreibung der Dienstleistung vorgenommen worden sei und den Erfordernissen der §§ 57 und 59 Abs. 1 VwVfG nicht entspreche.

Wenige Tage zuvor, am 7. 9. 2001, hatte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Berlin einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit der der Antragsgegnerin untersagt werden solle, weitere Maßnahmen betreffend den Vollzug des zwischen ihr und der Beigeladenen vereinbarten Beleihungsvertrages durchzuführen, insbesondere auf der Grundlage dieses Vertrages Leistungen an die Beigeladene zu bewirken und weitere Vereinbarungen zu treffen. Auch dort führte die Antragstellerin zur Begründung aus, der Beleihungsvertrag sei nichtig.

Durch Beschluß vom 5. 11. 2001 hat die Vergabekammer, gestützt auf § 94 Satz 1 VwGO bzw. § 148 ZPO in entsprechender Anwendung, nach rechtlichem Gehör, aber gegen den Widerspruch der Antragstellerin und der Antragsgegnerin

das Verfahren bis zur Erledigung des beim Verwaltungsgericht Berlin unter dem Geschäftszeichen VG 20a - 329.01 anhängigen Rechtsstreits ausgesetzt.

Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde mit folgenden Anträgen eingelegt,

den Beschluß der Vergabekammer vom 5. 11. 2001 aufzuheben, auch soweit durch Nichtentscheidung ihr (der Antragstellerin) Antrag als abgelehnt gelte;

(in der in der mündlichen Verhandlung vom 20. 2. 2002 zu Protokoll erklärten Fassung:) festzustellen, daß der Beleihungsvertrag vom 15. 6. 2001 und der Vertrag vom 22. 8. 2001 zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen nichtig sind;

die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Technische Hilfe für die Gemeinschaftsinitiative "EQUAL" nach den Regelungen der §§ 97 ff. GWB öffentlich auszuschreiben.

In der mündlichen Verhandlung hat die Antragstellerin den vorstehenden Antrag zu III. ersetzt durch den bisherigen Hilfsantrag zu III. a),

der Antragsgegnerin zu verbieten, entgeltliche Verträge mit einem Auftragswert oberhalb des Schwellenwerts i. S. v. § 100 Abs. 1 GWB betreffend die Leistungen oder Teile der Leistungen zur nationalen Stützungsstruktur für die Gemeinschaftsinitiative EQUAL (ursprünglich ausgeschrieben unter 2000/S 90-059308 vom 14. 6. 2000) ohne vorherige öffentliche Ausschreibungen gemäß den §§ 97 ff. GWB zu schließen.

Wegen eines weiteren als Hilfsantrag aufrechterhaltenen Antrags zu III. b) wird auf Seite 2 des Schriftsatzes der Antragstellerin vom 19. 2. 2002 Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene, die den Beleihungsvertrag vom 15. 6. 2001 und den weiteren Vertrag vom 22. 8. 2001 für wirksam halten, beantragen jeweils,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze einschließlich der mitüberreichten Anlagen Bezug genommen.

B.

I.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig.

1. Die von der Vergabekammer ausgesprochene Aussetzung des Verfahrens ist eine "Entscheidung der Vergabekammer", gegen die die sofortige Beschwerde gemäß § 116 Abs. 1 GWB statthaft ist. Die Verfahrensaussetzung kann - entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin - nicht als eine sogenannte Zwischenentscheidung, gegen die die sofortige Beschwerde unstatthaft wäre, gewertet werden. Aus zwei Gründen ist die Verfahrensaussetzung fehlerhaft und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten:

a ) Die Vorschriften der §§ 107 bis 115 GWB über das Verfahren vor der Vergabekammer sehen eine Aussetzung des Verfahrens wegen einer entscheidungserheblichen Vorfrage über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist (vgl. § 94 VwGO und § 148 ZPO), nicht vor. Das kann nicht als eine planwidrige Lücke des Gesetzes, die im Wege der Analogie zu den Vorschriften anderer Verfahrensgesetze (also zu den §§ 94 VwGO, 148 ZPO) geschlossen werden könnte und müßte, angesehen werden. Vielmehr würde eine solche Analogie dem Sinn der besonderen Verfahrensvorschriften der §§ 107 ff. GWB widersprechen. Das Verfahren vor der Vergabekammer, deren Bedeutung der Gesetzgeber im übrigen durch die ausschließliche Zuständigkeit für die in § 104 Abs. 2 Satz 1 GWB definierten Ansprüche gegen öffentliche Auftraggeber in einem Vergabeverfahren hervorgehoben hat, ist durch größtmögliche Beschleunigung geprägt. Gemäß § 110 Abs. 1 Satz 2 GWB hat die Vergabekammer bei ihrer gesamten Tätigkeit - trotz der Geltung des Untersuchungsgrundsatzes - darauf zu achten, daß der Ablauf des Vergabeverfahrens nicht unangemessen beeinträchtigt wird. Sie muß ihre Entscheidung über den Nachprüfungsantrag schriftlich innerhalb einer Frist von nur fünf Wochen treffen und begründen. Lediglich bei besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten darf der Vorsitzende im Ausnahmefall die Entscheidungsfrist - durch Mitteilung an die Beteiligten - um den erforderlichen Zeitraum verlängern (§ 113 Abs. 1 GWB). Das Überschreiten der (eventuell verlängerten) Entscheidungsfrist zieht eine harte Sanktion des Gesetzes nach sich: Ohne daß es auf ein Verschulden der Vergabekammer an der Fristversäumung ankommt, gilt der Nachprüfungsantrag als abgelehnt. Durch diese Sanktion will der Gesetzgeber dem Beschleunigungsgebot des § 113 Abs. 1 GWB besonderen Nachdruck verleihen. Auch den Beteiligten selbst obliegt es gemäß § 113 Abs. 2 Satz 1 GWB, durch ihre Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts zu einem "raschen" Abschluß des Verfahrens beizutragen. Aus allen diesen der Beschleunigung dienenden Vorschriften ist zu schließen, daß die Vergabekammer über die für ihre Endentscheidung relevanten Vorfragen - incidenter im Rahmen ihres Verfahrens als Vorstufe zu ihrer Vergabenachprüfungsentscheidung - selbst entscheiden muß, auch wenn die Vorfrage der Gegenstand eines anderen gleichzeitigen Verfahrens ist, in dem über die Vorfrage verbindlich entschieden werden wird. Daß auf diese Weise zwei Institutionen nebeneinander mit derselben Frage befaßt sind (die Vergabekammer allerdings nur als Vorfrage), ist auch deshalb hinzunehmen, weil die über die Vorfrage incidenter zu treffende Entscheidung der Vergabekammer an der Bestandskraft und an der Bindungswirkung (§ 124 Abs. 1 GWB) ihrer Endentscheidung nicht teilhat.

Wenn aber die Vergabekammer nicht (in Analogie zu den §§ 94 VwGO, 148 ZPO) aussetzen darf, sondern entscheiden muß, stellt ihre dennoch getroffene Aussetzungsentscheidung eine Ablehnung vergaberechtlichen Rechtsschutzes und damit eine Ablehnung des Nachprüfungsantrags auf Zeit dar. Während des Aussetzungszeitraums kann der Antragsteller seine Chancen im Vergabeverfahren nicht wahrnehmen. Ist es - wie im vorliegenden Fall - streitig, ob der öffentliche Auftraggeber einem anderen Bewerber schon den zu vergebenden Auftrag wirksam erteilt hat, kann sich mit jedem Tag des Aussetzungszeitraums, während dessen dieser Bewerber den ihm - möglicherweise unwirksam - erteilten Auftrag tatsächlich bereits durchführt, der Umfang und damit die Attraktivität des Auftrags hinsichtlich der Gewinnchancen schmälern. Das wirkt sich dann als Verkürzung des Vergaberechtsschutzes aus, wenn der Antragsteller schließlich obsiegt, weil sich der erteilte Auftrag als unwirksam herausstellt, und die Vergabekammer (oder der Vergabesenat) die völlige oder teilweise Wiederholung des Vergabeverfahrens unter Beachtung aller Vergaberechtsregeln anordnet. Daher kann eine Verfahrensaussetzung, die über einen - in Relation zur fünfwöchigen Entscheidungsfrist betrachtet - vernachlässigbar kurzen Zeitraum hinausgeht, nach Sinn und Zweck des Vergaberechtsschutzes nicht hingenommen werden. Das gilt sicherlich im vorliegenden Fall, in dem das Verwaltungsgericht Berlin in dem Rechtsstreit, dessentwegen die Vergabekammer ihr Verfahren durch den angefochtenen Beschluß ausgesetzt hat, bis jetzt (d. h. bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat) noch keine Entscheidung getroffen hat, wodurch seit dem Beschluß der Vergabekammer weitere dreieinhalb Monate ergebnislos verstrichen sind, und den dortigen Verfahrensbeteiligten (wie sie dem Senat mitgeteilt haben) nicht einmal eine zeitliche Perspektive für die zu treffende Entscheidung eröffnet hat, weil Zweifel an der (Rechtsweg-)Zuständigkeit bestehen.

Aus den vorstehenden Gründen ist die Verfahrensaussetzung daher als eine die Antragstellerin beschwerende Entscheidung - wegen ihres Effekts der Antragsablehnung auf Zeit - mit dem gesetzlichen Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde (§ 116 Abs. 1 GWB) anfechtbar.

b) Im vorliegenden Fall war die von der Vergabekammer beschlossene Verfahrensaussetzung überdies auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil die Anwendungsvoraussetzungen der analog herangezogenen Vorschriften nicht erfüllt sind. Eine nach den §§ 94 VwGO, 148 ZPO zulässige Aussetzung setzt nämlich voraus, daß die Entscheidung in einem anderen Rechtsstreit oder einem Verwaltungsverfahren für die Entscheidung vorgreiflich ist, die im auszusetzenden Verfahren ergehen soll. Dies ist nur der Fall, wenn über eine für das auszusetzende Verfahren entscheidungserhebliche Vorfrage in dem anderen Verfahren entschieden wird, der dortigen Entscheidung also präjudizielle Bedeutung zukommt (vgl. statt aller: Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl., § 148 Rdnr. 5). Es reicht daher nicht aus, wenn sich in dem anderen Verfahren dasselbe entscheidungserhebliche Element ebenfalls nur als Vorfrage stellt. So liegt der Fall hier: In dem beim Verwaltungsgericht Berlin anhängigen Eilverfahren geht es gemäß dem von der Antragstellerin begehrten Entscheidungsausspruch nur darum, ob die weitere Durchführung des von der Antragsgegnerin und der Beigeladenen am 15. 6. 2001 abgeschlossenen "Beleihungsvertrags" für die Zukunft untersagt werden kann oder nicht. Eine Entscheidung des Inhalts, die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit des "Beleihungsvertrags" festzustellen, ist (als Entscheidungssatz des Verwaltungsgerichts) dort nicht beantragt worden. Vielmehr ist die Frage, ob der "Beleihungsvertrag" nichtig/unwirksam ist oder nicht, für das dortige Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin, falls das Verwaltungsgericht Berlin zuständig ist, ebenfalls nur eine Vorfrage. Hinzu kommt, daß in einem Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ohnehin keine der materiellen Rechtskraft fähigen Entscheidungen ergehen können. Auch aus diesem Grunde kann die vom Verwaltungsgericht Berlin noch zu treffende Entscheidung keinesfalls eine präjudizielle Bedeutung für dieses Nachprüfungsverfahren erlangen.

2. Die Antragstellerin hat ihre sofortige Beschwerde, die es ihr ermöglicht, ihren erstinstanzlichen Nachprüfungsantrag vor dem Beschwerdegericht weiter zu verfolgen, rechtzeitig eingelegt.

Für den Beginn der zweiwöchigen Beschwerdefrist (§ 117 Abs. 1 GWB) ist die Zustellung des angefochtenen Aussetzungsbeschlusses der Vergabekammer maßgebend (und diese Frist ist unzweifelhaft eingehalten worden), nicht aber - wie die Antragsgegnerin meint - der 4. 10. 2001, der Tag also, an dem die ersten fünf Wochen nach Eingang der Sache bei der Vergabekammer (30. 8. 2001) infolge des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Berlin (in dem bei diesem Gericht von der Antragstellerin eingeleiteten Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung) abliefen. Die Antragsgegnerin begründet ihre Gegenansicht damit, nach dem bindenden Verweisungsbeschluß des Landgerichts Berlin vom 1. 8. 2001 handele es sich bei dem als Verfügungsantrag bei ihm anhängig gemachten Rechtsschutzbegehren um einen Nachprüfungsantrag im Sinne des GWB, dieser sei der Vergabekammer am 30. 8. 2001 zugegangen, folglich hätte sie über den Antrag gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 GWB binnen fünf Wochen bis zum 4. 10. 2001 entscheiden müssen; da das nicht geschehen sei und die erste Fristverlängerungsverfügung des Kammervorsitzenden (gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB) erst danach, am 11. 10. 2001, und damit zu spät getroffen worden sei, sei mit Ablauf des 4. 10. 2001 die gesetzliche Ablehnung des Nachprüfungsantrags gemäß § 116 Abs. 2 Halbs. 2 GWB (sogenannte Ablehnungsfiktion) eingetreten. Diese Ablehnung sei inzwischen bestandskräftig geworden, weil die Antragstellerin nicht, wie es gemäß § 117 Abs. 1 GWB erforderlich gewesen wäre, bis zum 18. 10. 2001 sofortige Beschwerde eingelegt habe. Dieser Ansicht kann jedoch nicht zugestimmt werden:

Die fünfwöchige Entscheidungsfrist des § 113 Abs. 1 Satz 1 GWB beginnt mit der Einreichung des Nachprüfungsantrags bei der Vergabekammer. Die Einreichung eines Nachprüfungsantrags, und zwar gerade bei der Vergabekammer, ist gemäß den §§ 107, 108 GWB allein Sache des Antragstellers. Daran ist auch deshalb unabdingbar festzuhalten, weil für die Darlegungen in der Nachprüfungsantragsschrift bestimmte, (nur) für das Nachprüfungsverfahren eigentümliche Zulässigkeitsvoraussetzungen zu beachten sind (vgl. § 107 Abs. 2 und 3 sowie § 108 Abs. 2 GWB bezüglich der Darlegung der gegenüber dem Auftraggeber erfolgten Rüge). Diese Verfahrensobliegenheiten kann - wie sich von selbst versteht - nur der Antragsteller selbst erfüllen. Folglich kann ein (anderes) Gericht, das ein bei ihm eingelegtes Rechtsschutzbegehren der Sache nach als ein Begehren im Sinne des § 104 Abs. 2 Satz 1 GWB auslegt und auffaßt, dieses Begehren (durch Abgabe oder Verweisung der Sache) nicht für den Antragsteller bei der Vergabekammer "einreichen" (mit allen Konsequenzen der §§ 107 ff. GWB, insbesondere des § 113 Abs. 1 Satz 1 GWB). Anders ausgedrückt: Die (gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG ohnehin nicht zulässige) Verweisung einer Sache von einem Gericht an eine Vergabekammer (eine Verwaltungsbehörde, s. die gesetzliche Überschrift vor § 102 GWB sowie § 114 Abs. 3 Satz 1 GWB) kann einer "Einreichung" des Nachprüfungsantrags bei der Vergabekammer durch den Antragsteller selbst mit Blick auf die §§ 107, 113 Abs. 1 Satz 1 GWB nicht gleichgeachtet werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 17 a Abs. 2 GVG, auf den das Landgericht Berlin seinen Verweisungsbeschluß gestützt hat, und aus der in dieser Vorschrift (Satz 3) angeordneten Bindungswirkung. Es kann hier offen bleiben, ob von der Bindungswirkung nicht dann eine Ausnahme gemacht werden muß, wenn ein Gericht den bei ihm anhängigen Rechtsstreit - entgegen der ihm durch § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG allein eingeräumten Kompetenz - nicht an ein anderes Gericht, sondern an eine Verwaltungsbehörde (wie die Vergabekammer) verweist. Denn die Bindungswirkung ist jedenfalls beschränkt: Der Verweisungsbeschluß ist für das "Gericht", an das der Rechtsstreit verwiesen wird, nur "hinsichtlich des Rechtsweges" bindend (§ 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG). Das bedeutet, daß die volle Rechtsschutzfunktion für das Rechtsschutzbegehren, so wie es beschaffen ist, auf das aufnehmende "Gericht" übergeht, daß sich damit aber der Charakter des Rechtsschutzbegehrens selbst nicht ändern kann (vgl. Zöller/Gummer, a.a.O., § 17 b GVG, Rdnr. 2). Folglich verwandelt sich ein Antrag zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (vgl. § 940 ZPO) durch eine Verweisung allein nicht in einen Nachprüfungsantrag, der darauf gerichtet ist, daß auf ein Vergabeverfahren eingewirkt wird und endgültige Maßnahmen getroffen werden, um eine Rechtsverletzung (des Antragstellers) zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern (vgl. § 114 Abs. 1 Satz 1 GWB).

Demzufolge begann im vorliegenden Fall die Entscheidungsfrist des § 113 Abs. 1 Satz 1 GWB erst am 12. 9. 2001, als die Antragstellerin infolge der vorherigen Aufforderung des Kammervorsitzenden, zu den sich aus der Verweisung ergebenden Fragen dieses Verfahrens Stellung zu nehmen und entsprechende Anträge zu stellen, für ein Nachprüfungsverfahren ihr geeignet erscheinenden Vortrag brachte und dementsprechende Anträge einreichte. Die am 12. 9. 2001 beginnende Fünf-Wochenfrist ist aber dann durch die Vorsitzendenverfügung vom 11. 10. 2001 rechtzeitig verlängert worden.

II.

Die sofortige Beschwerde ist mit den Anträgen, die die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellt hat, begründet. Dabei macht der Senat von der ihm durch § 123 Satz 2 Halbs. 1 GWB eingeräumten Befugnis Gebrauch, in der Sache selbst zu entscheiden. Da die Sache entscheidungsreif ist, hält der Senat es für unangemessen, die Entscheidung der Vergabekammer wegen des oben unter I. 1. behandelten Rechtsfehlers lediglich aufzuheben und die Sache gemäß § 123 Satz 2 Halbs. 2 GWB zur erneuten Entscheidung an die Vergabekammer zurückzuverweisen.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

a) Die Antragsgegnerin hält den Nachprüfungsantrag für unzulässig, weil es an einem Vergabeverfahren im Sinne der §§ 102, 107 ff. GWB fehle, hilfsweise, weil ein etwaiges Vergabeverfahren durch die mit der Beigeladenen abgeschlossenen Verträge vom 15. 6. und 22. 8. 2001 vor Beginn des Nachprüfungsverfahrens beendet worden sei und beide Verträge nicht nichtig, vielmehr wirksam seien. Dieser Ansicht, die zumindest im Ergebnis von der Beigeladenen geteilt wird, kann nicht zugestimmt werden.

Im rechtlichen Ansatz trifft es allerdings zu, daß die in den §§ 102, 107 GWB vorgesehene Möglichkeit der Anrufung der Vergabekammer (oder der Vergabenachprüfungsinstanzen überhaupt) auf die Zeit beschränkt ist, zu der auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens eingewirkt werden kann, wenn sich bei der Nachprüfung ein Verstoß gegen zu beachtende Vergaberegeln feststellen lassen sollte (vgl. BGH NZBau 2001, 151, 152 ff.). Dementsprechend ist es inzwischen höchstrichterlich geklärt, daß ein Nachprüfungsantrag unzulässig ist, wenn das Vergabeverfahren schon vor der Antragseinreichung durch wirksame Erteilung des Auftrags an einen Bieter abgeschlossen worden ist (BGH a.a.O.). Aber auch die Frage, ob überhaupt schon ein Vergabeverfahren begonnen hat, ist für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags bedeutsam, weil den Nachprüfungsinstanzen durch die §§ 102 ff. GWB als eigentliche Aufgabe der Primärrechtsschutz während eines Vergabeverfahrens , also der Schutz der sich um die Erteilung eines öffentlichen Auftrags (§§ 99 100 GWB) bewerbenden Unternehmen (vgl. §§ 97 Abs. 7, 107 Abs. 2 GWB) vor Vergaberechtsfehlern übertragen worden ist. Dem entspricht es, daß die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags ein konkretes Vergabeverfahren - im Rechtssinne der Nachprüfungsregeln - voraussetzt, das im Zeitpunkt der Antragstellung (oder spätestens der mündlichen Verhandlung) schon begonnen haben muß. Einen vorbeugenden Rechtsschutz sehen die §§ 102 ff. GWB nicht vor (vgl. Senatsbeschluß v. 20. 6. 2001 - Verg 3/01 - NZBau 2001, 696, 698 m. w. Nachw.).

Für den Begriff eines der Nachprüfung zugänglichen (schon begonnenen) "Vergabeverfahrens" kann jedoch nicht unbedingt auf irgendwelche vom öffentlichen Auftraggeber bereits eingeleitete Förmlichkeiten - wie z.B. eine Ausschreibung (die im vorliegenden Fall nach der ursprünglichen, dann aber aufgehobenen Ausschreibung unterblieben ist) - abgestellt werden. Denn ein (sogar besonders schwerwiegender) Vergaberechtsfehler, der mit dem Nachprüfungsantrag angefochten werden kann, besteht gerade darin, daß die Ausschreibung einer Vergabe rechtswidrig unterblieb. Für die Zwecke des Primärrechtsschutzes ist daher nicht ein formelles, sondern ein materielles Verständnis des "Vergabeverfahrens" notwendig (Senat, a.a.O.; zustimmend: BayObLG, Beschl. v. 22. 1. 2002 - Verg 18/01, Umdruck S. 8 f.). Danach kann nicht mehr (z. B.) von einer bloßen Markterkundung gesprochen werden, sondern ist der Beginn eines konkreten Vergabeverfahrens jedenfalls dann anzunehmen, wenn sich der öffentliche Auftraggeber zur Deckung eines akuten Bedarfs, also zur Beschaffung von Waren, Bau- oder Dienstleistungen entschlossen hat und mit organisatorischen und/oder planerischen Schritten - insbesondere (aber nicht nur) mit Kontakten zu potentiellen Anbietern - beginnt zu regeln, auf welche Weise (insbesondere mit welcher Vergabeart) und mit welchen gegenständlichen Leistungsanforderungen das Beschaffungsvorhaben eingeleitet und durchgeführt und wie die Person oder der Personenkreis des oder der Leistenden ermittelt und dann mit dem Endziel eines verbindlichen Vertragsschlusses ausgewählt werden soll (Senat, a.a.O., S. 698 f.; zustimmend: BayObLG, a.a.O.; vgl. auch Thüringer OLG, VergabeR 2001, 52, 54).

Legt man dieses materielle Verständnis des für den Rechtsschutz maßgeblichen Begriffs des Vergabeverfahrens zugrunde, kann es gar keinem Zweifel unterliegen, daß die Antragsgegnerin spätestens im Frühjahr 2001 (wieder) mit einem konkreten Vergabeverfahren zur Beschaffung von (Dienst-)Leistungen zur Technischen Hilfe (nationale Stützungsstruktur) für EQUAL begonnen hat. Der Senat kann es sich ersparen, die einzelnen planerischen und organisatorischen Schritte der Antragsgegnerin sowie deren Kontakte und Verhandlungen mit der von vornherein in erster Linie ins Auge gefaßten Anbieterin, der Beigeladenen, anhand der im Verfahren eingereichten Unterlagen (Kopien insbesondere von Bestandteilen der Verwaltungsakten des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung - BMA) in diesem Beschluß nachzuzeichnen. Es genügt ein Blick auf das "Produkt" des Beschaffungsverfahrens, also auf die beiden Verträge vom 15. 6. und 22. 8. 2001. Gemäß dem Vertrag vom 15. 6. 2001 sind der Beigeladenen nicht nur "Befugnisse [also Rechte] verliehen" worden, sondern es sind ihr - worüber auch die Überschrift des § 2 ("Umfang der Beleihung") nicht hinwegtäuschen kann - in großem Umfang Aufgaben, d. h. zu erbringende Leistungen, vor allem Dienstleistungen übertragen worden, worin nach Ansicht des Senats bei wertender Betrachtung die Hauptbedeutung dieses Vertrags liegt. Aus der Fülle der übertragenen Aufgaben sei aus dem nicht einmal abschließenden ("insbesondere") Katalog des § 2 Abs. 1 und 2 des Vertrags vom 15. 6. 2001 zitiert:

Vorbereitung, Auswahl, Beurteilung, Bewilligung, Durchführung, Begleitung, finanzielle Abrechnung und Kontrolle der förderfähigen Interventionen und Operationen im Rahmen von EQUAL;

Durchführung von Informations- und Publizitätsmaßnahmen . . . ;

kontinuierliche Unterstützung, Beratung und Begleitung der Projektträger und Entwicklungspartnerschaften;

Beratung und Unterstützung des Bundes bei der Vernetzung, Identifizierung, Verbreitung und Anwendung beispielhafter Lösungen, die im Rahmen der Durchführung von EQUAL entwickelt werden;

Transnationale Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission, den anderen EU-Mitgliedstaaten . . . ;

Entwicklung und Implementierung eines zukunftssicheren, rechnergestützten Verwaltungssystems;

Erstellung einer zentralen Datenbank.

Unmittelbar Begünstigter dieser der Beigeladenen zur Erfüllung übertragenen Leistungen ist - wie sich (auch) von selbst versteht - die Antragsgegnerin als ihre Vertragspartnerin; das ergibt sich im übrigen auch aus folgenden Klauseln des Vertrags vom 15. 6. 2001: § 5 (bei schuldhafter Schlechterfüllung hat die Beigeladene dem Bund den hieraus entstehenden Schaden zu ersetzen), § 6 (die Beigeladene untersteht im Rahmen des Vertrags vom 15. 6. 2001 der Aufsicht des BMA), sowie aus dem "das Rechtsverhältnis zueinander weiter konkretisierenden" Vertrag der Antragsgegnerin und der Beigeladenen vom 22. 8. 2001 (in dessen § 4 es unter der Überschrift "Zusammenarbeit" heißt: Die Beigeladene "wird ihre Aufgaben in enger und ständiger Kooperation mit dem Bund wahrnehmen.").

Es braucht für die vorstehende Feststellung, daß die Antragsgegnerin (spätestens) im Frühjahr 2001 erneut mit einem konkreten Vergabeverfahren zwecks Beschaffung der Leistungen zur Technischen Hilfe für EQUAL begonnen hat, nicht geprüft zu werden, wie es zu beurteilen ist, daß die Antragsgegnerin als rechtliche Grundlage für diese Leistungen ausweislich des Vertrags vom 15. 6. 2001 einen öffentlichrechtlichen Vertrag gewählt hat (und damit de facto es vermieden hat, die §§ 97 ff. GWB und die weiteren Vergaberechtsregeln, insbesondere die VOL/A, anzuwenden). Denn auch die Wahl dieser Vertragsart kann nicht die Erkenntnis verhindern, daß die Antragsgegnerin tatsächlich ein Beschaffungsvorhaben durchgeführt hat, wobei - das ist für die Feststellung eines konkreten Vergabeverfahrens im vorliegenden Begründungszusammenhang erforderlich, aber auch ausreichend - die beschafften oder zu beschaffenden Leistungen ihrer Art nach keineswegs darauf festgelegt sind, Gegenstand eines öffentlichrechtlichen Vertrages zu sein, sondern ohne weiteres einer auf den Abschluß eines zivilrechtlichen Vertrages gerichteten Vergabeverfahrensart unterzogen werden können (was sogar in erster Linie in Betracht kommt, wie die ursprüngliche Ausschreibung beweist). Daß die Antragsgegnerin die Beschaffung der Leistungen zur Technischen Hilfe mit einem öffentlichrechtlichen Vertrag hat durchführen wollen, ist (nur) relevant für die jetzt nachfolgende Prüfung, ob das faktisch begonnene Vergabe- oder Beschaffungsverfahren durch Vertragsschluß beendet worden ist, sowie für die sich danach anschließende Prüfung, ob der Nachprüfungsantrag auch begründet ist.

Die beiden Verträge vom 15. 6. und 22. 8. 2001 haben das Vergabeverfahren (im Sinne der vorstehenden Feststellung) jedoch nicht beendet, weil sie nichtig oder unwirksam sind - ein Unterschied, der für das Ergebnis des vorliegenden Verfahrens unerheblich ist. Die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit der beiden Verträge ergibt sich aus zwei nebeneinander bestehenden und jeder für sich ausreichenden Gründen.

aa) Der Vertrag ("Beleihungsvertrag") vom 15. 6. 2001 ist schon deshalb nichtig, weil er der erforderlichen Schriftform ermangelt (§§ 57, 59 Abs. 1 VwVfG, 125 Satz 1 BGB).

Die Antragsgegnerin hat mit der Beigeladenen am 15. 6. 2001 erklärtermaßen einen "öffentlichrechtlichen Vertrag" schließen wollen, durch den der Beigeladenen die in dem Vertragstext vorgesehenen Befugnisse und Aufgaben übertragen werden sollten. Gemäß § 57 VwVfG ist ein öffentlichrechtlicher Vertrag schriftlich zu schließen, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist. Der "Soweit"-Satz hat im vorliegenden Fall keine Bedeutung, weil es für die Art und den Regelungsinhalt des Vertrags vom 15. 6. 2001 keine andere rechtliche Formvorschrift gibt. Der Zweck der in § 57 VwVfG vorgeschriebenen Schriftform besteht in erster Linie darin, dem öffentlichen Interesse an Offenlegung, Inhaltsklarheit und Beweisbarkeit des vereinbarten Vertragsinhalts Rechnung zu tragen (vgl. Hennecke in Knack, VwVfG, 6. Aufl., § 57 Rdnr. 2.1 und 4; Tiedemann in Obermayer, VwVfG, 3. Aufl., § 57 Rdnr. 2; Bonk in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 57 Rdnr. 4). Diesem Normzweck entsprechend umfaßt das Schriftformerfordernis nach Umfang und Inhalt alle Vertragserklärungen aller Vertragsteile, insbesondere die für das Zustandekommen vertragswesentlichen Punkte, aber auch die sonstigen Abreden. Das bedeutet, daß sich Leistungen und Gegenleistungen nach Gegenstand, Umfang und Dauer eindeutig und zweifelsfrei aus der (den) Vertragsurkunde(n) selbst ergeben müssen; außerhalb davon liegende Umstände dürfen erst und nur dann herangezogen werden, wenn sich dafür zureichende Anhaltspunkte aus den Vertragsurkunden ergeben. Nur diejenigen Nebenpflichten, die sich als selbstverständlich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergeben, brauchen urkundlich nicht festgehalten zu werden (vgl. zum Vorstehenden: Bonk a.a.O., Rdnr. 16; Tiedemann a.a.O., Rdnr. 9; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 57 Rdnr. 8). Diesen Anforderungen an die Vollständigkeit der schriftlichen Beurkundung der Vertragseinigung genügt der Vertragstext vom 15. 6. 2001 nicht:

Die Vertragsurkunde vom 15. 6. 2001 enthält nichts von der Einigung der Parteien über die von der Antragsgegnerin zu erbringende Gegenleistung. Im Hinblick auf die enorme Fülle der von der Beigeladenen zu erfüllenden Aufgaben wäre es abwegig und lebensfremd, anzunehmen, die Vertragsparteien hätten sich nicht schon vor oder bei der Unterzeichnung der Vertragsurkunde vom 15. 6. 2001 über die der Beigeladenen gebührende Gegenleistung - zumindest im Grundsatz - geeinigt. Laut der wenig später von der Beigeladenen aufgestellten "Vorkostenkalkulation" ging es immerhin um ein Geschäftsvolumen von 16.572.910 Euro (zuzüglich MWSt). Daß eine irgendwie geartete Einigung (deren Inhalt aus den Akten nicht hervorgeht) am 15. 6. 2001 schon bestand, geht aus der am selben Tage gesendeten E-Mail-Nachricht des damals im BMA zuständigen Referatsleiters B... an die Abteilung Z des BMA hervor:

"Lieber Herr B. . . .,

anbei der mit dem BMF . . . abgestimmte Beleihungsvertrag. Alle schriftlich vom BMF übermittelten Änderungswünsche sind berücksichtigt worden. . . Der privatrechtliche Vertrag mit der Vergütung geht der Abteilung Z gesondert zu."

(von der Antragstellerin als Anlage ASt 29 vorgelegt; Hervorhebung hinzugefügt)

Bei der Erörterung der vorstehenden Erwägungen im Senatstermin haben die Antragsgegnerin und die Beigeladene die Tatsache, daß am 15. 6. 2001 bereits eine Einigung über die an die Beigeladene zu zahlende Vergütung vorlag, nicht in Abrede gestellt. Die Beigeladene hat lediglich unter Hinweis auf § 5 des weiteren Vertrags vom 22. 8. 2001 eingewandt, es sei europarechtlich, also von der EG-Kommission vorgegeben gewesen, welcher Betrag an "Vergütung" (= Kostenerstattung) an sie, die Beigeladene zu zahlen sei; das habe daher nicht schriftlich fixiert zu werden brauchen. Diese Argumentation ist nicht stichhaltig: Die in § 5 des Vertrags vom 22. 8. 2001 in Bezug genommene EG-Verordnung Nr. 1685/2000 der Kommission vom 28. 7. 2000 mit Durchführungsbestimmungen zur EG-Verordnung Nr. 1260/1999 des Rates hinsichtlich der Zuschußfähigkeit der Ausgaben für von den Strukturfonds kofinanzierte Operationen regeln nur die Höhe der "förderfähigen Ausgaben", reglementieren aber nicht die Höhe des Entgelts, das die Mitgliedstaaten ihren Dienstleistern für die Technische Hilfe (für EQUAL) selbst zahlen. Wenn sich also die Vertragsparteien, wie dem Vortrag der Beigeladenen entnommen werden kann, am 15. 6. 2001 einig waren, daß die Tätigkeit der Beigeladenen nur nach Maßgabe der "förderfähigen Ausgaben" vergütet werden solle, mußte diese die Gegenleistungspflicht der Antragsgegnerin wohl begrenzende Absprache unbedingt in die Vertragsurkunde aufgenommen werden (wobei eine Bezifferung der Vergütung oder "Kostenerstattung" im Vertragstext dann noch nicht notwendig war, wenn auch die mündliche Einigung noch nicht bis zu einer Bezifferung konkretisiert, sondern nur den Grunde nach getroffen war). Nur so konnte der vom Normzweck (des § 57 VwVfG) geforderten Offenlegung und Inhaltsklarheit des tatsächlich vereinbarten Vertragsganzen Genüge getan werden. Gegen die Richtigkeit der Argumentation der Beigeladenen spricht auch, daß die Vertragspartner es immerhin am 22. 8. 2001 für notwendig befunden haben, die Vergütungsregelung schriftlich zu fixieren.

Die Folge davon, daß die Einigung der Vertragsparteien über die der Beigeladenen zustehende "Vergütung" oder nur Kostenerstattung nicht in die Vertragsurkunde vom 15. 6. 2001 aufgenommen worden ist, besteht in der Nichtigkeit des gesamten Vertrages vom 15. 6. 2001 (vgl. Bonk a.a.O., Rdnr. 25; Hennecke a.a.O., Rdnr. 4; Tiedemann a.a.O., Rdnr. 20; Kopp/Ramsauer a.a.O., Rdnr. 14). Die von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung geäußerte Ansicht, der Formmangel sei durch die spätere schriftliche Fixierung der Vergütungsvereinbarung im Vertrag vom 22. 8. 2001 mit seiner ausdrücklichen Bezugnahme auf den ersten Vertrag vom 15. 6. 2001 behoben worden, ist unzutreffend. Denn dem ersten Vertrag vom 15. 6. 2001 fehlt - verständlicherweise - eine Bezugnahme auf den späteren Vertrag (wobei eine solche Bezugnahme den Mangel der Nichtbeurkundung der am 15. 6. 2001 schon getroffenen Einigung über die Vergütung nicht beseitigt hätte). Ist aber der erste Vertrag (form-)nichtig, so konnte er durch den über zwei Monate später nachfolgenden zweiten Vertrag vom 22. 8. 2001, der bei weitem nicht alle Regelungen des ersten Vertrages erneut mitbeurkundete, nicht zum Leben erweckt werden. Überdies fehlt dem zweiten Vertrag die Zustimmung des Bundesfinanzministeriums (s. nachfolgend bb)). Ist und bleibt aber der Grundvertrag vom 15. 6. 2001 nichtig, so kann auch der zweite Vertrag vom 22. 8. 2001, dessen Zweck darin bestand, den Grundvertrag zu "ergänzen" und das Rechtsverhältnis der Vertragspartner zueinander "weiter zu konkretisieren", nicht für sich allein wirksam werden, sondern wird von der Nichtigkeit des Grundvertrags miterfaßt.

bb) Der Vertrag vom 15. 6. 2001 ist auch deshalb nicht wirksam geworden, vielmehr unwirksam geblieben, weil es an der erforderlichen Einwilligung des Bundesfinanzministeriums (BFM) in der gehörigen Weise fehlt (§ 58 Abs. 2 VwVfG).

Gemäß § 44 Abs. 3 Satz 1 Bundeshaushaltsordnung (BHO) kann juristischen Personen des privaten Rechts mit ihrem Einverständnis die Befugnis verliehen werden, Verwaltungsaufgaben auf dem Gebiet der Zuwendungen im eigenen Namen und in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts wahrzunehmen, wenn sie die Gewähr für eine sachgerechte Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben bieten und die Beleihung im öffentlichen Interesse liegt. Auf diese Vorschrift beruft sich die Antragsgegnerin; § 1 des Vertrags vom 15. 6. 2001 nimmt auf die Vorschrift Bezug. Die Verleihung (und die Entziehung) der Befugnis obliegen gemäß Satz 2 der Vorschrift dem zuständigen Bundesministerium; die Verleihung bedarf der Einwilligung des BMF. In direkter Anwendung des § 44 Abs. 3 Satz 1 BHO ist die Verleihung der Befugnis ein Verwaltungsakt. Wird anstatt eines Verwaltungsakts ein öffentlichrechtlicher Vertrag über die Verleihung der Befugnis geschlossen, so wird dieser gemäß § 58 Abs. 2 VwVfG erst wirksam, nachdem diejenige Behörde, deren Einwilligung zum Erlaß des Verwaltungsakts erforderlich gewesen wäre, in der vorgeschriebenen Form mitgewirkt hat. Daran fehlt es hier:

Das BMA hat zwar eine Einwilligungserklärung des BMF (vom 22. 3. 2001, von der Antragstellerin eingereichte "Anlage Akte 6") eingeholt. Diese Einwilligung ist jedoch aus folgenden Gründen unzureichend: In dem Schreiben des BMF vom 22. 3. 2001 heißt es ausdrücklich, Grundlage der Einwilligung sei der vom BMA am 13. 3. 2001 [die dort stattdessen geschriebene Jahreszahl 2000 ist ein offensichtlicher Schreibfehler] übersandte Entwurf eines Beleihungsvertrags. In diesem Entwurf war ebenso wie in dem später unterschriebenen Vertragstext vom 15. 6. 2001 die der Beigeladenen zugebilligte Gegenleistung nicht aufgeführt. Die Höhe der Gegenleistung ist aber - wie sich von selbst versteht - ein wesentlicher Punkt für die Beurteilung der Frage, ob die Beleihung "im öffentlichen Interesse liegt" (§ 44 Abs. 3 Satz 1 BHO). Daher hat das BMF die Höhe der Gegenleistung in seine Prüfung, bevor es die Einwilligung erteilt, einzubeziehen. Tatsächlich hat das BMF seine Prüfung auch auf die Höhe der der Beigeladenen nach dem Vertrag zustehenden Gegenleistung erstreckt. Wie aus dem Einwilligungsschreiben vom 22. 3. 2001 hervorgeht, hat der zuständige Referent E... von dem damals beim BMA zuständigen Referenten B... eine telefonische Auskunft eingeholt. In dem Einwilligungsschreiben heißt es sodann: "Entsprechend der telefonischen Auskunft . . . gehe ich davon aus, . . . daß eine Kofinanzierung aus Mitteln des Bundeshaushalts nicht erfolgt." Diese Auskunft war jedoch unrichtig: Aus einem internen, korrigierten Bericht des BMA an den Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestags betreffend die Durchführung von "EQUAL" sowie der Programme "XENOS" und "Lokales Kapital für soziale Zwecke" - der nach dem 15. 11. 2001 verfaßte Bericht ist als Anl. ASt 26 von der Antragstellerin vorgelegt worden - geht hervor, daß für alle drei Programme (von denen EQUAL jedoch das mit Abstand größte ist) bisher insgesamt Mittel in Höhe von 1.759.174 Euro an die Beigeladene gezahlt worden sind, davon 1.122.192 Euro aus dem Bundeshaushalt und nur 636.982 Euro aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF). Bei der Erörterung dieser Fakten im Senatstermin hat der Senat zum Ausdruck gebracht, daß sich (u. a.) daraus ergebe, daß die der Beigeladenen übertragenen Leistungen zur Technischen Hilfe für EQUAL durchaus - entgegen der Grundlage für die Einwilligung des BMF - aus Mitteln des Bundeshaushalts kofinanziert werden. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben dem nicht widersprochen.

Demzufolge deckt die Einwilligung des BMF den Vertrag vom 15. 6. 2001 in einem wesentlichen Punkt - in einem der Essentialia jedes Vertrags, der Gegenleistung - nicht ab. Das ist sogar - ausweislich der dem Senat unterbreiteten Bestandteile der Verwaltungsakten des BMA - durch eine dem BMA zuzurechnende Täuschung verursacht worden. Da das BMF seine Einwilligung ausdrücklich nur auf die Grundlage des ihm vorgelegten Vertragsentwurfs bezogen hat, diese Grundlage aber das wirklich Vereinbarte nur unvollständig und unzureichend wiedergab, kann die Einwilligung nicht als den Vorschriften der §§ 44 Abs. 3 Satz 2 BHO, 58 Abs. 2 VwVfG genügend gewertet werden. Daher ist der Vertrag vom 15. 6. 2001 auch aus diesem Grund bisher nicht wirksam geworden (§ 58 Abs. 2 VwVfG). Das gilt auch für den Vertrag vom 22. 8. 2001, weil er nach seinem Zweck keine eigene "Lebensberechtigung" hat, vielmehr in seiner Existenz von der Wirksamkeit des Vertrags vom 15. 6. 2001 abhängig ist.

cc) Der Senat läßt im vorliegenden Beschluß offen, ob der Vertrag vom 15. 6. 2001 (und damit auch derjenige vom 22. 8. 2001) noch aus einem dritten Grund nicht wirksam geworden ist. In der mündlichen Verhandlung hat der Senat mit den Beteiligten erörtert, ob der von der Antragsgegnerin und der Beigeladenen beabsichtigte Vertrag vom 15. 6. 2001, falls er als öffentlichrechtlicher Vertrag oder wegen seiner besonderen Eigenart eines Beleihungsvertrags - wie die Antragsgegnerin meint - nicht dem Vergaberechtsregime (§§ 97 ff. GWB) unterfällt, dann in die Rechte der Antragstellerin eingreift, indem er die durch Gesetz (§ 97 Abs. 7 GWB) eingeräumte und bis zum Vertragsschluß auch bestehende Rechtsposition der Antragstellerin zunichte macht, wie im ersten Vergabeverfahren ihren Anspruch darauf geltend machen zu können, daß die Antragsgegnerin die ansonsten zwingend anzuwendenden Vergaberechtsvorschriften einhält (zum Begriff der "Rechte eines Dritten" gemäß § 58 Abs. 1 VwVfG vgl. u.a.: Bonk a.a.O., § 58, Rdnr. 13 u. 14, m. w. Nachw.; Kopp/ Ramsauer a.a.O., § 58, Rdnr. 5 u. 6, m. w. Nachw.). Falls man einen solchen Eingriff in Rechte der Antragstellerin im Sinne des § 58 Abs. 1 VwVfG annimmt, hätte das zur Konsequenz, daß ein öffentlichrechtlicher Vertrag wie derjenige vom 15. 6. 2001, auch in seiner besonderen Eigenschaft als Beleihungsvertrag, zu seiner Wirksamkeit der schriftlichen Zustimmung der Antragstellerin bedürfte. Der Senat läßt diese Rechtsfrage hier deshalb offen, weil sie wegen der beiden anderen Nichtigkeits- oder Unwirksamkeitsgründe nicht mehr entscheidungserheblich ist und ihre Beantwortung überdies von der weiteren Rechtsfrage abhängt, ob denn öffentlichrechtliche Verträge, die Beschaffungscharakter haben, wirklich vom Vergaberechtsregime freigestellt sind. Die Frage ist bekanntlich sehr umstritten (vgl. den Rechtsprechungsbericht NZBau 2001, 427, 433 unter XII. d); der BGH hat die Frage bisher ausdrücklich offen gelassen, NZBau 2001, 517, 520). Wenn man öffentlichrechtliche Verträge einschließlich der Beleihungsverträge dem Vergaberecht unterwirft, behält die Antragstellerin ihre Rechtsposition aus § 97 Abs. 7 GWB. Dann ließe sich die Anwendung des § 58 Abs. 1 VwVfG nicht mehr rechtfertigen.

dd) Da die von der Antragsgegnerin und der Beigeladenen abgeschlossenen Verträge vom 15. 6. und 22. 8. 2001 nichtig (s. o. unter aa) oder unwirksam (s. o. unter bb) sind, ist das Beschaffungsvorhaben der Antragsgegnerin, gerichtet auf die Leistungen zur Technischen Hilfe (nationale Stützungsstruktur) für EQUAL, und damit das dementsprechende Vergabeverfahren im Rechtssinne noch nicht beendet. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Zumindest bis zum 30. 6. 2002 und möglicherweise noch darüber hinaus, falls sich die Antragsgegnerin mit ihrer zum 30. 6. 2002 ausgesprochenen Kündigung der beiden Verträge gegenüber der Beigeladenen nicht durchsetzen sollte, nimmt die Antragsgegnerin fortlaufend Leistungen, die die Beigeladene aufgrund der Verträge erbringt, entgegen. Dies geschieht, da die Verträge nichtig oder unwirksam sind, ohne jede Rechtsgrundlage. Dem Staat ist es aber insbesondere nach Haushaltsrecht und Vergaberecht untersagt, sich Leistungen von privatwirtschaftlichen Unternehmen erbringen zu lassen, ohne eine geeignete Rechtsgrundlage hierfür zu schaffen. Folglich liegt in jeder einzelnen Annahme einer Leistung der Beigeladenen (oder in jedem dementsprechenden Gewährenlassen) eine erneute "defacto"-Vergabe. Das zeigt, daß das Vergabeverfahren im Rechtssinne nicht beendet ist, bevor nicht eine wirksame Rechtsgrundlage für die fortlaufenden Leistungen geschaffen ist (im Ergebnis ebenso: BayObLG a.a.O., Umdruck S. 9).

Auch insoweit kann sich die Antragsgegnerin nicht mit Erfolg darauf berufen, daß sie die hier in Rede stehenden Leistungen (die derzeit von der Beigeladenen erbracht werden) nicht im Wege eines zivilrechtlichen Vergabeverfahren, sondern durch öffentlichrechtlichen Beleihungsvertrag habe vergeben wollen. Da ihr dies als eventuell (s. o.) statthafte Ausnahme vom Vergaberechtsregime nicht wirksam gelungen ist und der Antragsgegnerin somit die (eventuell durchgreifende) öffentlichrechtliche Rechtfertigung nicht zur Verfügung steht, kommt es für die rechtliche Beurteilung nur auf den allgemeinen, "normalen" Charakter des Beschaffungsvorgangs an: Es handelt sich nach der Art der von der Antragsgegnerin nachgefragten Leistungen - wie ernstlich nicht bezweifelt werden kann - um eine Beschaffung im Sinne der §§ 97 Abs. 1, 99 GWB und damit um ein Beschaffungsvorhaben, das dem Vergaberechtsregime unterfällt. Das ist von der Antragsgegnerin im ersten Vergabeverfahren, das zu den Senatsentscheidungen im Beschwerdeverfahren Verg 14/00 geführt hat, selbst nicht bezweifelt worden und kann auch jetzt nicht angezweifelt werden (wie die Antragsgegnerin in ihrem jüngst erstellten, als Anlage ASt 25 vorgelegten internen Bericht zur Gemeinschaftsinitiative EQUAL unter C.2.2.1. zutreffend hervorhebt, hat die EG-Kommission in ihrem im Jahre 1999 veröffentlichten Entwurf von Leilinien für EQUAL in Textziffer 42 bestimmt, daß für die Tätigkeiten im Rahmen der Technischen Hilfe die normalen Ausschreibungsverfahren gelten).

b) Entgegen der Ansicht der Beigeladenen ist die Antragstellerin auch antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB.

Die Antragstellerin hat an Aufträgen zur Technischen Hilfe für EQUAL unmißverständlich ihr Interesse bekundet. Das ist in zwei Vergabenachprüfungsverfahren aktenkundig und braucht hier nicht im einzelnen wiedergegeben zu werden. Der Vorschrift des § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB, darzulegen, daß ihr durch die Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht, ist unter den gegebenen Umständen schon dadurch genügt, daß ihr durch die Nichtanwendung jeglicher Vergabevorschriften (nach der Aufhebung der ersten Ausschreibung) bisher die Möglichkeit genommen worden ist, im Wettbewerb ein aussagekräftiges und detailliertes Angebot zur Erbringung der Leistungen, für die ein rechtmäßiges Vergabeverfahren mit einer ordnungsgemäßen Leistungsbeschreibung erst noch eröffnet werden muß, abzugeben (vgl. Senat, NZBau 2001, 696, 702; BayObLG a.a.O., Umdruck S. 10).

Der Einwand der Beigeladenen, der Antragstellerin fehle die Antragsbefugnis deshalb, weil sie an einem hypothetischen Vergabeverfahren aufgrund ihrer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an Entwicklungspartnerschaften nicht teilnehmen dürfte, ist unberechtigt. Daß sich die Antragstellerin in der Zwischenzeit, während die Antragsgegnerin das Vergaberecht überhaupt nicht beachtet und kein reguläres Vergabeverfahren durchgeführt hat, an Entwicklungspartnerschaften beteiligt hat, ist ihr nicht zu verargen. Damit kann sie nicht gegen irgendwelche Bestimmungen, die in einem förmlichen Vergabeverfahren gelten, verstoßen haben. Für ein eventuell neu zu eröffnendes förmliches Vergabeverfahren sind zunächst einmal die von der Antragsgegnerin aufzustellenden Vergabebedingungen und sodann das Verhalten der Antragstellerin (die die Aufkündigung der Entwicklungspartnerschaften angekündigt hat) abzuwarten.

2. Der Nachprüfungsantrag ist begründet.

Das ergibt sich schon aus den bisherigen Ausführungen, wobei insbesondere auf den Abschnitt B. II. 1. a) dd) Bezug genommen wird. Aus diesem Abschnitt folgt, daß es im jetzigen Zeitpunkt nicht darauf ankommt, ob die Antragsgegnerin nach dem 30. 6. 2002 die in Rede stehenden Leistungen nicht mehr an Unternehmen vergeben, sondern - wie sie behauptet - selbst ausführen wird (wobei die Antragstellerin den Realitätsgehalt dieser Behauptung mit Blick auf frühere Äußerungen der Antragsgegnerin, die sich bisher aufgrund der personellen und sachlichen Ausstattung des BMA nicht in der Lage gesehen hat, dieses "inhaltlich sehr anspruchsvolle und verwaltungsmäßig äußerst schwierige Programm" selbst durchzuführen [vgl. u.a. den oben zitierten Bericht an den Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestage, Anlage ASt 26], mit gutem Grund anzweifelt). Die Antragsgegnerin ist gehalten, eine rechtmäßige Grundlage für die Beschaffung von Leistungen anderer Unternehmen zur Technischen Hilfe für EQUAL zu schaffen, solange sie solche Drittleistungen ab jetzt benötigt. Nach der derzeitigen Sach- und Rechtslage kann eine solche rechtmäßige Grundlage nur durch ein den §§ 97 ff. GWB entsprechendes Vergabeverfahren bewirkt werden. Es ist weder prozessual notwendig noch von der Sache her angezeigt, noch Ausführungen dazu zu machen, ob die Antragsgegnerin nochmals den "öffentlichrechtlichen Weg gehen" und (im Falle eines wirksamen Gelingens) dadurch rechtmäßig (d. h. ohne unzulässige Gesetzesumgehung) die Anwendung des Vergaberechts vermeiden kann. Der Senat versagt sich solche Ausführungen, weil die Antragsgegnerin selbst nicht signalisiert hat, die Aktion eines Beleihungsvertrags wiederholen zu wollen, und er sich nach der Diskussion der vorliegenden Angelegenheit in der (Presse-)Öffentlichkeit in den letzten Monaten nicht vorstellen kann, daß eine solche Aktion nochmals wiederholt werden wird.

Der Feststellungsausspruch zu 3. ist gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit § 256 Abs. 2 ZPO gerechtfertigt (vgl. Kopp, VwGO, 10. Aufl., § 43, Rdnr. 33; der Senat wendet in ständiger Rechtsprechung zur Schließung der Lücken der §§ 116 ff. GWB, die dem Recht des Kartellverwaltungsverfahrens nachgebildet worden sind, die geeignet erscheinenden Vorschriften der VwGO analog an; vgl. Senat, NZBau 2001, 165, 166).

C.

Die Kostenentscheidung für die erste Instanz beruht auf § 128 Abs. 3 und 4 GWB, diejenige für die zweite Instanz auf einer analogen Anwendung des § 128 Abs. 3 und 4 GWB sowie der §§ 154 Abs. 3, 155 Abs. 2, 159, 162 Abs. 3 VwGO (vgl. hierzu Senat, NZBau 2000, 440, 444 und 2001, 165 ff.). Die Antragstellerin hat zwar - vom Ergebnis her und wirtschaftlich betrachtet - im wesentlichen obsiegt, ist aber mit ihrem ursprünglichen Antrag, daß der Senat die Antragsgegnerin strikt verpflichte, nunmehr die Leistungen der Technischen Hilfe für EQUAL auszuschreiben, nicht durchgedrungen, sondern hat diesen Antrag nach Erörterung im Senatstermin zurückgenommen. Das muß sich in der Kostenentscheidung, wenn auch nur mit einer geringfügigen Quote, niederschlagen.

Der Senat nimmt an, daß der Beschwerdewert dieses Verfahrens sich nicht unterscheidet vom Streitwert des vorherigen Beschwerdeverfahrens Verg 14/00 (1,7 Mio. DM).

Jaeger Dicks Kühnen