OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 10.06.2020 - 6 U 46/18
Fundstelle
openJur 2020, 45733
  • Rkr:

1. Der für die Verwirkung markenrechtlicher Unterlassungsansprüche nach § 21 Abs. 2 MarkenG notwendige Fünf-Jahres-Zeitraum beginnt nicht zu laufen, so lange der Markeninhaber die Nutzung konkludent gestattet und nicht nur geduldet hat.

2. Zur Unterscheidung des Kommissionärs und Handelsvertreters vom Kommissionsagenten

3. Es besteht kein Ausgleichsanspruch für den Kommissionsagenten nach § 89b Abs. 1 HGB, wenn die vertragliche Verpflichtung des Agenten fehlt, dem Hersteller oder Lieferanten nach Vertragsende seinen Kundentamm so zu übertragen, dass dieser sich diesen bei Vertragsende sofort und ohne Weiteres nutzbar machen kann. Hieran fehlt es, wenn der Betrieb eines Mono-Shops für Schuhe mangels Zugriffs des Herstellers auf die Räumlichkeiten nicht fortgesetzt werden kann.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.2.2018 wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Schlussurteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23.1.2019 teilweise abgeändert und die Klägerin auf die Widerklage verurteilt, an die Beklagte 6.809,75 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.2.2018 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

Dieses Urteil und das Teilurteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110.000,- € abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um markenrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche im Hinblick auf die klägerische Marke "X" sowie um widerklagend geltend gemachte Ansprüche auf Handelsvertreterausgleich und Schadensersatz.

Die Beklagte betrieb seit 2007 zwei Schuhläden, einen in Stadt1 und einen weiteren in Stadt2. Sie schloss am 29.6.2007 mit der Klägerin einen Vertrag für die Filiale Stadt2, der als Kommissionsvertrag bezeichnet wurde (Bl. 71 d.A.). Die Filiale in Stadt1 wurde im Rahmen von zwischen den Parteien geschlossenen Kaufverträgen beliefert. Die Forderungen der Klägerin aus diesem Kaufverträgen verrechnete diese regelmäßig mit den Provisionsansprüchen der Beklagten aus dem Kommissionsvertrag.

Die Beklagte wählte anhand von Lagerlisten die Kommissionsware für die Filiale in Stadt2 aus, ließ diese von der Klägerin anliefern und gab nicht verkaufte Kommissionsware wieder zurück. Die Beklagte verkaufte die Kommissionsware zu den von der Klägerin vorgegebenen Endverbraucherpreisen. Die unbare Zahlungsabwicklung erfolgte über ein von der Klägerin gestelltes EC-Kartengerät.

Mit Schreiben vom 19.5.2017 ließ die Klägerin den Kommissionsvertrag mit Wirkung zum 30.6.2017 kündigen. Zugleich erklärte sie die Kündigung des Gestattungsvertrages im Hinblick auf die Nutzung von "Markenzeichen der X GmbH" mit sofortiger Wirkung. Für vorhandene oder bis 30.06. auszuliefernde Kommissionsware erklärte die Klägerin ihr Einverständnis mit einem Abverkauf. Für sämtliche zukünftige Bestellungen verwies die Klägerin auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die dort enthaltene Vorkasseregelung. Die Beklagte widersprach den Kündigungen und setzte die Verwendung der Bezeichnung "X" in beiden Filialen fort. Die Klägerin stellte die Belieferung der Beklagten zum 1.7.2017 ein bzw. machte diese in Stadt1 von Vorkasse abhängig, woraufhin die Beklagte die Einzahlung der täglichen Bareinnahmen aus der Filiale Stadt2 am 7.8.2017 sowie die Überweisung der unbaren EC- und Kreditkartenumsätze am 11.8.2017 einstellte.

Die Klägerin hat einen Unterlassungsanspruch im Hinblick auf die Verwendung des Zeichens "X" geltend gemacht und die Feststellung der Schadenersatzpflicht beantragt. Die Beklagte hat widerklagend einen Provisionsausfallschaden sowie einen Handelsvertreterausgleichsanspruch bezüglich der Filiale in Stadt2 und einen Schadenersatzanspruch wegen Einstellung der Belieferung der Filiale Stadt1 geltend gemacht.

Das Landgericht hat durch Teil-Urteil vom 19.2.2018, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, die Beklagte zur Unterlassung verurteilt sowie deren Verpflichtung zum Schadenersatz festgestellt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stünden Unterlassungsansprüche aus §§ 5, 15 MarkenG zu, soweit die Beklagte in Stadt1 ihr Ladenlokal und Kassenbons mit der Bezeichnung "X" gekennzeichnet habe. Die Kündigung der Gestattung der Bezeichnung "X" im Schreiben vom 19.5.2017 durch die Klägerin sei zum 1.12.2017 wirksam geworden, so dass die Beklagte seit diesem Zeitpunkt das nach § 5 Abs. 2 MarkenG geschützte Firmenschlagwort der Klägerin verletze. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin sei auch weder nach § 21 Abs. 2 MarkenG noch nach § 21 Abs. 4 MarkenG i.V.m. § 242 BGB verwirkt. Es fehle für beide Tatbestände an einer Duldung der Bezeichnung durch die Klägerin. Diese setze nämlich voraus, dass der Zeicheninhaber eine Benutzung des Zeichens hätte verhindern können. Dies sei im vorliegenden Fall jedoch ausgeschlossen gewesen, da eine Gestattung der Klägerin zur Nutzung des Zeichens durch die Beklagte vorgelegen habe. Aus den Besuchen des Geschäftsführers der Klägerin in den Geschäften der Beklagten sowie aus dem Schriftverkehr lasse sich erkennen, dass die Klägerin mit einer Nutzung der Bezeichnung durch die Beklagte einverstanden gewesen sei. Zwischen den Parteien sei jedenfalls konkludent ein Vertrag zustande gekommen, in den die Klägerin der Beklagten gestattet habe, dass Zeichen auf unbestimmte Zeit und unentgeltlich zu nutzen. Aus dem Verhalten der Klägerin könne geschlossen werden, dass sie die Benutzung nicht nur geduldet habe, sondern mit ihr auch einverstanden gewesen sei. Der Annahme eines Gestattungsvertrages stehe auch nicht entgegen, dass dieser nicht schriftlich geschlossen worden sei. Der für eine Verwirkung nach § 21 Abs. 2 MarkenG maßgebliche Zeitraum habe daher frühestens mit Beendigung des Gestattungsvertrages und somit nicht vor Zugang der Kündigung vom 19.5.2017 begonnen. Bei dem auf unbestimmte Zeit geschlossenen Gestattungsvertrag handelt es sich um ein Dauerschuldverhältnis, das in entsprechender Anwendung der §§ 314, 580, 624, 793 BGB ordentlich gekündigt werden könne. Im Hinblick auf die Laufzeit der Gestattung seine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Monatsende angemessen, so dass die Gestattung wirksam zum 30.11.2017 gekündigt worden sei. Auch nach § 21 Abs. 4 MarkenG i.V.m. § 242 BGB liege keine Verwirkung vor, da auch hier hinsichtlich des Zeitraums auf den Zeitraum der Gestattung und den hierdurch begründeten Besitzstand nicht abgestellt werden könne.

Mit Schlussurteil vom 23.01.2019, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, auf den zwischen den Parteien geschlossenen Kommissionsvertrag finde das Handelsvertreterrecht keine analoge Anwendung, da es sich bei den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag um einen Kommissionsvertrag und nicht einen Kommissionsagenturvertrag handele. Die Beklagte habe die von der Klägerin gelieferten Schuhe im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung verkaufen sollen. Auch fehle es eine Abtretung der Forderungen aus der Veräußerung der Waren an den Unternehmer. Zudem habe die Klägerin die gelieferte Kommissionsware nicht vorgegeben, sondern die Beklagte habe sich die von der Klägerin zu liefernden Schuhe aussuchen können. Jedenfalls aber sei die Beklagte nach den vertraglichen Bedingungen nicht verpflichtet gewesen, den erworbenen Kundenstamm auf die Klägerin zu übertragen. Die Klägerin habe nach Beendigung des Kommissionsverhältnisses die Filiale in Stadt2 unter der Geschäftsbezeichnung nicht weiterführen können, da die Beklagte die Filiale in Stadt2 weiterbetrieben habe. Deshalb sei nicht ersichtlich, welchen erheblichen Vorteil die Klägerin aus den zu Verfügung gestellten Informationen der Beklagten hätte haben können. Ersatzansprüche im Hinblick auf die eingestellte Weiterbelieferung mit schon zuvor bestellten Schuhen bestehe trotz des vertragswidrigen Verhaltens der Klägerin nicht, da der Klägerin ihrerseits ein fälliger Herausgabeanspruch gegen die Beklagte im Hinblick auf die zu diesem Zeitpunkt noch vorhandene Kommissionsware zugestanden habe. Die Berechtigung zum Weiterverkauf der Kommissionsware habe unter dem Vorbehalt der täglichen Einzahlung der Bareinnahmen auf das Konto der Klägerin und der Überweisung der unbaren Umsätze gestanden, die die Beklagte eingestellt habe.

Hiergegen wenden sich die Berufungen der Beklagten. Sie ist der Auffassung, das Teilurteil sei schon nach § 301 ZPO unzulässig, da die Gefahr widersprechender Entscheidungen bestehe. Der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsanspruch sowie der mit der Widerklage geltend gemachte Provisionsausfallschaden hingen dem Grunde und der Höhe nach davon ab, ob und wann die von der Klägerin erklärte Kündigung des Kommissionsvertrages und des Gestattungsvertrages wirksam geworden sei. Darüber hinaus sei das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin die Markennutzung durch die Beklagte gestattet habe. Fehle eine schriftliche Dokumentation, sei in der Regel davon auszugehen, dass kein über eine konkludente Gestattung hinausgehender Abschluss eines Gestattungsvertrages vorliege. Der Vertrag sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als Kommissionsagentenvertrag einzuordnen. Die vertragliche Pflicht zur Übertragung des Kundenstamms folge aus § 80 Abs. 2 HGB und sei auch nicht vertraglich abbedungen worden. Auch sei nicht erforderlich, dass der Kommittent nach Beendigung des Kommissionsagenturverhältnisses die Filiale des Kommissionsagenten unter derselben Geschäftsbezeichnung weiterbetreiben könne. Im Hinblick auf den Provisionsausfallschaden habe der Beklagten eine sechsmonatige Kündigungsfrist nach § 89 HGB zugestanden.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Teilurteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.2.2018 sowie das Schlussurteil vom 23.01.2019, Az. 3-08 O 121/17 abzuändern und die Klage abzuweisen sowie die Klägerin auf die Widerklage zu verurteilen, an die Beklagte 69.317,02 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

Der Senat hat mit Beschluss vom 29.5.2019 das Verfahren 6 U 45/19 (Berufung gegen das Schlussurteil) zu dem Verfahren 6 U 46/18 (Berufung gegen das Teilurteil) hinzuverbunden.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

Während die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil keinen Erfolg hat, hat die Berufung gegen das Schlussurteil teilweise Erfolg.

A.

Ob das Teilurteil des Landgerichts zulässig war, kann dahinstehen, da inzwischen durch Verbindung der beiden Berufungen gegen das Teil- und das Schlussurteil jedenfalls Heilung eingetreten ist. Die Unzulässigkeit eines Teilurteils kann nämlich geheilt und deshalb von seiner Aufhebung abgesehen werden, wenn sich die prozessuale Situation so entwickelt hat, dass es nicht mehr zu widersprüchlichen Entscheidungen kommen kann. Dies ist der Fall, wenn - wie hier - das Rechtsmittelgericht die gegen das Teilurteil und das Schlussurteil eingelegten zulässigen Rechtsmittel zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbindet (BGH NJW 1991, 3036).

B.

Die zulässige Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht einen Unterlassungsanspruch aus §§ 5 Abs. 2, 15 Abs. 4 MarkenG sowie einen Schadensersatzanspruch der Klägerin nach § 15 Abs. 5 MarkenG vereint. Die Beklagte hat das Zeichen "X" für ihre Ladengeschäfte in Stadt2 und Stadt1 rechtswidrig verwendet; eine Verwirkung ist nicht eingetreten.

1. Eine Verwirkung nach § 21 Abs. 2 MarkenG scheitert daran, dass der Duldungszeitraum von fünf Jahren nicht erfüllt ist. Die Markennutzung durch die Beklagte erfolgte jedenfalls vor Kündigung des Gestattungsvertrages am 19.5.2017 aufgrund einer Gestattung durch die Klägerin rechtmäßig, so dass die Frist für eine Verwirkung frühestens zu diesem Zeitpunkt zu laufen begann.

a) Zur Abgrenzung von - den Lauf der Frist nach § 21 Abs. 2 MarkenG auslösenden - Duldung zur - nicht für die Vorschrift relevanten - Gestattung gilt Folgendes:

Der Begriff der "Duldung" setzt voraus, dass der Anspruchsberechtigte die Rechtsverletzung untätig hinnimmt, obwohl ihm ein rechtliches Vorgehen dagegen möglich wäre (EuGH, GRUR 2012, 519 Rn 44 - Budvar/Anheuser-Busch zum - vollharmonisierten - Kennzeichenrecht nach § 21 Abs. 1 MarkenG). Mit "Duldung" ist eine ausdrückliche oder konkludente Gestattung der Zeichennutzung gerade nicht gemeint. Hat der Zeicheninhaber die Zeichennutzung nämlich erlaubt, stehen ihm schon gar keine Verbotsansprüche zu, die der Verwirkung unterliegen könnten. Eine erlaubte Benutzung ist deshalb keine geduldete Benutzung. Die Fünfjahresfrist beginnt deshalb nicht, solange der Inhaber des prioritätsjüngeren Zeichens zur Nutzung berechtigt ist (BGH GRUR 2006, 56 Rn 41, 43 - BOSS-Club). Die häufig auch "Gestattung" genannte Zustimmung ist eine Willenserklärung und von der rein faktischen Duldung mit Verwirkungsfolgen zu unterscheiden. Ihr Inhalt ist der Verzicht auf das Verbietungsrecht (vgl. BGH GRUR 1993, 574, 575 - Decker). Sie kann auch konkludent erteilt werden. Ob der erforderliche Rechtsbindungswille gegeben ist, ist nach objektiven Kriterien aus der Perspektive des Empfängerhorizonts zu beurteilen, unter Berücksichtigung insbesondere auch der wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung für den Erklärungsempfänger und indiziell auch des nachträglichen Parteiverhaltens (BGH GRUR 2006, 56, 59 - BOSS-Club: mangelnde Detaillierung, insbesondere fehlende Befristung und Entgeltregelung, steht Bindung nicht entgegen). Die Gestattung der Benutzung ist schuldrechtlicher Natur (z.B. BGH GRUR 2007, 811 - grundke.de, Tz. 15, zu § 12 BGB; BGH GRUR 2002, 967, 970 - Hotel Adlon), allerdings entgegen der Auffassung der Beklagten und im Abgrenzung zur Lizenz kein gegenseitiger Vertrag, sondern ein einseitiges Rechtsgeschäft.

An das Vorliegen einer solchen Willenserklärung sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen, denn die Zustimmung kommt gegenüber dem Erklärungsempfänger einem Verzicht des Markeninhabers auf sein ausschließliches Recht im Sinne von § 14 MarkenG gleich (BGH GRUR 2012, 928 Rn 15 - Honda-Grauimport). Der Wille zum Verzicht auf dieses Recht muss daher mit Bestimmtheit erkennbar sein. Dies schließt jedoch nicht aus, dass die Zustimmung unter Umständen auch konkludent erteilt werden kann (BGH GRUR 2012, 928 Rn 15 - Honda-Grauimport; BGH GRUR 2011, 820 Rn 21 - Kuchenbesteck-Set).

b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Einschätzung des Landgerichts, die Klägerin habe konkludent die Nutzung des Unternehmenskennzeichens durch die Beklagte gestattet, nicht zu beanstanden.

In wirtschaftlicher Hinsicht ist zunächst auf die enge Verbindung der Parteien hinzuweisen, die über eine reine Lieferantenbeziehung hinausgeht. Dies beginnt damit, dass zunächst die Klägerin selbst unter dem Zeichen X in Stadt2 ein Ladengeschäft betrieben hatte, dieses dann aber nicht mehr selbst weiterbetrieben hatte, sondern durch eine "Vorgänger-Gesellschaft" der Beklagten (an der die Verantwortlichen der Beklagten auch beteiligt waren) an einem neuen Standort in Stadt2. Die enge Bindung wird durch den Kommissionsvertrag zwischen den Parteien und die Tatsache bestätigt, dass der Geschäftsführer der Klägerin das Ladenlokal in Stadt2 besichtigt und sich die Ladenkennzeichnung in Stadt2 angesehen hat. Nach der Besichtigung hat die Klägerin nicht etwa die Verwendung der Marke gerügt oder nicht mehr reagiert, sondern sich vielmehr ausdrücklich positiv zur Gestaltung des Ladens äußert (Anlage B 3)

Aus der relevanten Sicht der Beklagten musste das Verhalten der Klägerin als Gestattung verstanden werden, zumal nicht naheliegend ist, dass die Beklagte sich seit 2005 in einem - auch strafrechtlich relevanten - Zustand der dauerhaften Markenrechtsverletzung wähnte; dies wäre nämlich die Konsequenz, wenn man - wie die Beklagte - keine Gestattung annähme. Die Beklagte hat also über Jahre eng mit der Klägerin zusammengearbeitet (enger als ein normaler Händler und nach ihrer Ansicht wie ein Kommissionsagent) und will nun im Nachhinein diese 12-jährige Zusammenarbeit als dauerhaften Rechtsbruch sehen. Das überzeugt den Senat nicht.

Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im kaufmännischen Rechtsverkehr eine Dokumentation des Vertragsschlusses erfolgt, schließt dies nicht aus, dass eine Gestattung auch konkludent erfolgen kann. Der BGH hat in der Entscheidung Ecosoil (GRUR 2016, 201, Rn 31) in diesem Zusammenhang nämlich weiter ausgeführt: "Fehlt eine entsprechende Dokumentation, wird in der Regel davon auszugehen sein, dass kein über eine konkludente Gestattung hinausgehender Abschluss eines Gestattungs- oder Lizenzvertrags vorliegt (BGH, GRUR 2013, 1150 Rn 51 - Baumann)". Dies schließt eine konkludente Gestattung gerade nicht aus.

Die Beklagte rügt mit der Berufung weiter, das Landgericht habe nicht zwischen den Läden in Stadt2 und Stadt1 unterschieden. Dies überzeugt nicht. Zwar wurde der Laden in Stadt1 "normal" betrieben und nicht in einem Kommissionsystem. Das Verhalten der Klägerin ist aber nach Auffassung des Senats dahingehend auszulegen, dass es die gesamte Tätigkeit der Beklagten betraf, zumal beide Läden unter Nutzung des Zeichens "X" geführt wurden. Die Beklagte verweist im Übrigen selbst darauf (Bl. 335), dass es "vertraglich und tatsächlich gelebter Übereinkunft" entsprochen habe, die Kaufpreisansprüche aus der Belieferung des Ladenlokals in Stadt1 mit den Provisionsansprüchen aus dem Verkauf von Kommissionsware in Stadt2 zu verrechnen. Dies spricht auch deutlich für eine entsprechende gemeinsame Betrachtung der Handlungen der Beklagten hinsichtlich beider Standorte.

2. Eine Verwirkung nach § 21 Abs. 4 MarkenG i.V.m. § 242 BGB liegt ebenfalls nicht vor.

Soweit umstritten ist, ob eine Verwirkung gemäß § 242 BGB aufgrund der Vollharmonisierung im Markenrecht in Betracht kommt, wenn der Anwendungsbereich des § 21 Abs. 1, 2 MarkenG eröffnet ist, kann dies im Ergebnis dahinstehen. Jedenfalls sind die allgemeinen Grundsätze der Verwirkung gemäß § 242 BGB stets anwendbar, wenn Ansprüche aus einem Schutzrecht geltend gemacht werden, das nicht der Harmonisierung der MMRL unterliegt, hier also dem Recht aus § 5 (BeckOK MarkenR/Goldmann, 16. Ed. 14.1.2019, MarkenG § 21 Rn 17, 18).

Auch hier ist jedoch eine Duldung der Markennutzung durch den Markeninhaber erforderlich, die ausgeschlossen ist, solange der Markeninhaber wegen einer Gestattung nicht gegen die Nutzung vorgehen kann. Schon das für eine Verwirkung notwendige Zeitmoment liegt daher nicht vor.

3. Die Nutzung der Marke erfolgte auch rechtswidrig. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Gestattung jedenfalls wirksam zum 1.12.2017 gekündigt worden ist.

Dabei ist davon auszugehen, dass - wie bei jedem Dauerschuldverhältnis - eine Beendigung einer Gestattung aus wichtigem Grund immer möglich sein muss. In besonders gelagerten Fällen kann auch ohne entsprechende Abrede eine ordentliche Kündigung mit angemessener Frist analog §§ 584, 624, 723 BGB möglich sein (vgl. BGH GRUR 2006, 56 Rn 42 - BOSS-Club), insbesondere bei einem auf unbestimmte Zeit geschlossenen Gestattungsvertrag mit unentgeltlicher Nutzungseinräumung, wie er hier auch vorliegt.

Bei der Würdigung der Interessenlage ist hier einerseits darauf abzustellen, inwieweit der Begünstigte darauf vertrauen durfte, in Zukunft ohne Beanstandung des Markeninhabers mit der Zeichennutzung fortfahren zu können. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass ein dauerhafter, irreversibler Verzicht auf die Durchsetzung seiner Markenrechte vom Markeninhaber kaum erwartet werden kann. Letzteres gilt insbesondere dann, wenn es sich um die identische Benutzung der Marke handelt.

Hiervon ausgehend ist die Auslegung des Landgerichts, eine ordentliche Kündigung mit einer Frist von sechs Monaten zuzulassen, jedenfalls nicht als zu kurz zu beanstanden. Sie berücksichtigt die getätigten Investitionen der Beklagte und die zumindest teilweise Ausrichtung des Geschäftsbetriebs der Beklagten auf Schuhe der Klägerin. Dies entspricht auch der Kündigungsfrist für Dienstverträge mit mehr als fünf Jahren Laufzeit (§ 624 BGB) sowie der Handelsvertreterverträge mit mehr als fünf Jahren Laufzeit (§ 89 Abs. 1 Satz 2 HGB). Die am 19.5.17 zugegangene Kündigung zum 30.11.2017 war daher wirksam.

Ein Grund für eine noch längere Kündigungsfrist ist auch im Vergleich zu den Kündigungsfristen für die vertriebsrechtliche Bindung der Parteien für den Senat nicht erkennbar. Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auf die Abhängigkeit der klägerischen "Mono-Shops" von der Belieferung durch die Klägerin und die Investitionen in markengerechte Ladeneinrichtung hingewiesen hat, mag dieser Aspekt im Rahmen einer kartellrechtlichen Bindung der Klägerin eine Rolle spielen können (vgl. z.B. BGH NJW-RR 1995, 1260 - Kfz-Vertragshändler), die hier aber nicht zum Streitgegenstand gemacht worden ist.

Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bezweifelt hat, dass die fristlose Kündigung der Klägerin in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden könne, da die Klägerin nicht hilfsweise ordentlich gekündigt habe, verkennt sie, dass eine solche ausdrückliche hilfsweise ordentliche Kündigung nicht nötig ist. Vielmehr ist die Umdeutung einer außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung zum nächstzulässigen Termin materiell-rechtlich grundsätzlich zulässig, wenn aus der Kündigungserklärung oder aus sonstigen Umständen dem gekündigten Arbeitnehmer bereits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung eindeutig erkennbar ist, dass der Kündigende den Vertrag in jedem Fall beenden möchte. Von einem solchen Beendigungswillen dürfte im Zweifel auszugehen sein (MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, BGB § 626 Rn 398-401). Der Kündigende muss sich im Prozess nicht explizit auf eine Umdeutung berufen, jedoch zu erkennen geben, dass ihm auf jeden Fall an einer Vertragsauflösung gelegen ist.

Ob auch ein Grund für eine fristlose Kündigung vorlag, kann hier dahinstehen, da die Klägerin Schadensersatzansprüche nur für den Zeitraum ab 1.12.2017 geltend macht.

C.

Die Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil des Landgerichts hat nur teilweise Erfolg. Der Beklagten steht als Kommissionsagentin zwar ein Anspruch auf Ersatz des Provisionsausfallschadens zu, da der Vertrag nur mit einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden konnte. Zu Recht hat das Landgericht indes weder einen Anspruch auf Handelsvertreterausgleich noch einen Anspruch im Hinblick auf Schadensersatz im Hinblick auf die Nichtbelieferung der Stadt1er Filiale bejaht.

1. Der Beklagten steht kein Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung von § 89b Abs. 1 HGB zu, da keine Verpflichtung der Beklagten bestand, der Klägerin ihren Kundenstamm durch Übermittlung der Kundendaten so zu übertragen, dass sich diese bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne Weiteres nutzbar machen kann.

a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Beklagte hinsichtlich der Stadt2er Filiale jedoch als Kommissionsagentin anzusehen.

(1) Nach dem Leitbild der §§ 383 ff. HGB führt der Kommissionär die Geschäfte in eigenem Namen, aber auf Rechnung des Kommittenten (vgl. §§ 383 Abs. 1, 384 Abs. 2 HGB), wobei er für seine Tätigkeit typischerweise eine Provision (§ 396 HGB) und im Fall der Verkaufskommission die abzusetzende Ware nicht zu Eigentum, sondern zur Verwahrung und zum Verkauf erhält. Will der Kommittent Rechte aus den von dem Kommissionär geschlossenen Geschäften geltend machen, müssen die Ansprüche abgetreten werden (§ 392 Abs. 1 HGB). Der Kommissionär wird nach der gesetzgeberischen Konzeption immer nur im Einzelfall eingeschaltet; der Kommissionsagent hingegen, der wie ein Kommissionär im eigenen Namen und für fremde Rechnung verkauft, ist wie ein Handelsvertreter "ständig betraut" (BGH NJW-RR 2003, 1056, 1058; Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn HGB, 4. Aufl., § 84 Rn 167; BeckOK HGB/Lehmann, 27. Edition § 84 Rn 74; K. Schmidt JuS 2008, 665, 667). Er muss in der Weise in das Vertriebssystem des Kommittenten eingebunden sein, dass er diesem dauerhaft und mit seiner gesamten Arbeitskraft zur Ausführung der Geschäfte verpflichtet ist (BGH NJW-RR 2003, 1056). Anders als für den Handelsvertreter und den Kommissionär fehlt für den Kommissionsagenten eine eigenständige gesetzliche Regelung (Löwisch in Eben-roth/Boujong/Joost/Strohn, § 84 Rn 138). Der Handelsvertreter wird demgegenüber in fremdem Namen und für fremde Rechnung tätig (Martinek in Martinek/Semler/Flohr, § 3 Rn 13) und ist ständig mit der Vermittlung von Geschäften für den Prinzipal betraut (§ 84 Abs. 1 Satz 1 HGB).

Zusammenfassend ist danach der Kommissionsagent eine Mischung zwischen Kommissionär und Handelsvertreter. Er grenzt sich vom gewöhnlichen Kommissionär dadurch ab, dass er - wie ein Handelsvertreter - mit dieser Verkaufstätigkeit ständig betraut sein muss (vgl. § 84 Abs. 1 HGB). Das Innenverhältnis zwischen Hersteller und Agent ist dabei kaum anders als bei einem Handelsvertreter. Dass Außenverhältnis ist indes ein anderes als bei der Handelsvertretung: Der Kommissionär verkauft nämlich Waren im eigenen Namen und auf Rechnung des Herstellers. Das bedeutet, nach außen tritt der Kommissionsagent wie ein Zwischenhändler auf, obwohl er dies nicht ist (K. Schmidt JuS 2008, 665, 667). Auf diese Weise gewinnt der Unternehmer einen ständigen Absatzmittler und muss nicht selbst in direkte Vertragsbeziehungen mit dem Kunden treten.

(2) Die Abgrenzung zum Handelsvertretervertrag fällt hier leicht, da die Beklagte nach der maßgeblichen vertraglichen Vereinbarung nach außen hin im eigenen Namen auftreten sollte. Dass sie das zunächst nicht deutlich erkennbar gemacht hat (Quittungen), steht dem nicht entgegen, da es entscheidend auf die vertragliche Absprache der Parteien ankommt. Aus dieser ergibt sich an keiner Stelle, dass die Beklagte bevollmächtigt gewesen sein sollte, für die Klägerin als Vertreterin aufzutreten (§ 164 Abs. 1 BGB).

Die Gesamtbetrachtung der vertraglichen Absprachen der Parteien ergibt, dass die Beklagte als Kommissionsagentin tätig war. Entscheidend kommt es hier auf die ständige Betrauung und Verpflichtung zum dauerhaften Arbeitseinsatz mit der gesamten Arbeitskraft an. Aus der Vertragsurkunde (Anlage K 5, Bl. 71 d.A.) ergeben sich zwar keine Anhaltspunkte; diese enthält nur rudimentäre Regelungen. Aus der Vorgeschichte und der Vertragsdurchführung ergeben sich jedoch Indizien. So ist unstreitig, dass die Klägerin zuvor Eigentümerin des Ladens war und die Beklagte - nachdem die Klägerin es aufgeben wollte - das den Geschäftsbetrieb übernommen und an anderen Standort weitergeführt hatte. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Laden nach außen wie in Filiale der Klägerin aufgetragen ist - es wurden nur "X"-Produkte verkauft. Hinzu kommt, dass später die Abwicklung des unbaren Zahlungsverkehrs durch ein von der Klägerin gestellte EC-Kartengerät erfolgte, so dass die Klägerin dann Überblick über einen Teil des Umsatzes hatte. Auch die tägliche Abrechnung der Kassenumsätze und die Einzahlung auf das Konto der Klägerin sprechen hierfür. Zudem hat die Klägerin offensichtlich Kontrollen im Ladengeschäft vorgenommen und Verbesserungen angemahnt. Auch in der Preisgestaltung war die Beklagte nicht frei; die Preise wurden vielmehr von der Klägerin vorgegeben. Die Beklagte war überdies auch zur Nutzung der Marke als Kennzeichnung für Ihr Geschäft berechtigt. Dem hätte die Klägerin sicherlich nicht zugestimmt, wenn nicht klar gewesen wäre, dass die Beklagte im Gegenzug verpflichtet war, den Absatz der klägerischen Produkte nach Kräften zu fördern.

Schließlich hat die Beklagte in der Berufung neu vorgetragen, dass sie in dem Geschäft in Stadt2 in der Auswahl und Preisgestaltung nicht frei war. Vielmehr habe die Klägerin vorgegeben, welche Schuhe verkauft und welche retourniert werden sollten. Diesen neuen Vortrag hat die Klägerin nicht bestritten, so dass er nicht als präkludiert zu behandeln ist. Die Klägerin hat auf den Schriftsatz vom 11.5.2020 - den sie ausweislich ihrer Angaben im Senatstermin am selben Tag erhalten hat - nicht reagiert und auch kein Schriftsatznachlass beantragt, so dass der Vortrag insoweit als zugestanden anzusehen ist.

b) Der Beklagten steht jedoch trotz ihrer Funktion als Kommissionsagentin kein Ausgleichsanspruch nach § 89b Abs. 1 HGB zu.

(1) Grundsätzlich kann § 89b HGB auf andere im Vertrieb tätige Personen entsprechend anwendbar sein (vgl. zur entsprechenden Anwendung des § 89b HGB auf Markenlizenzverträge BGH GRUR 2010, 1107 Rn 24 - JOOP!). Dies ist insbesondere für Vertragshändler entschieden, die im eigenen Namen und auf eigene Rechnung kontrahieren und mit dem Hersteller einen Bezugsvertrag mit einer Bindung ähnlich einem Handelsvertretervertrag abschließen. Die auf Handelsvertreter zugeschnittene Bestimmung des § 89b HGB ist auf Vertragshändler entsprechend anzuwenden, wenn sich das Rechtsverhältnis zwischen dem Vertragshändler und dem Hersteller oder Lieferanten nicht in einer bloßen Käufer-Verkäufer-Beziehung erschöpft, sondern der Vertragshändler in der Weise in die Absatzorganisation des Herstellers oder Lieferanten eingegliedert war, dass er wirtschaftlich in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hat, und der Vertragshändler außerdem verpflichtet ist, dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, so dass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne Weiteres nutzbar machen kann (BGH NJW 2015, 945 Rn 14). Dabei muss sich die Verpflichtung des Vertragshändlers zur Übertragung des Kundenstamms nicht ausdrücklich und unmittelbar aus dem schriftlichen Händlervertrag ergeben; sie kann auch aus anderen, dem Vertragshändler auferlegten Pflichten folgen (BGH NJW 2000, 1413).

(2) Auf das zwischen einem Kommissionsagenten und einem Kommittenten bestehende Rechtsverhältnis kann § 89b HGB entsprechend angewendet werden (BGH NJW 2017, 475; Hopt in Baumbach/Hopt HGB, 36. Aufl., § 84 Rn 19; Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 84 Rn 138). Zu begründen ist dies im Wesentlichen damit, dass die analoge Anwendung des § 89b HGB beim Kommissionsagenten noch eher geboten ist als beim Vertragshändler. Diese Verpflichtung zur Überlassung des Kundenstamms ergibt sich für Kommissionäre grundsätzlich aus § 384 Abs. 2 HGB. Danach hat der Kommissionär dem Kommittenten die erforderlichen Nachrichten zu geben, insbesondere von der Ausführung der Kommission unverzüglich Anzeige zu machen (§ 384 Abs. 2 Hs. 1 HGB), wobei zu der Ausführungsanzeige die Benennung des Namens des Dritten gehört, an den der Kommissionär die Kommissionsware veräußert hat. Weiter ist der Kommissionär verpflichtet, dem Kommittenten über das Geschäft Rechenschaft abzulegen und ihm dasjenige herauszugeben, was er aus der Geschäftsbesorgung erhalten hat (§ 384 Abs. 2 Hs. 2 HGB). Da es Aufgabe des Kommissionsagenten ist, ähnlich wie ein Handelsvertreter für den Unternehmer einen Kundenstamm zu werben, liegt in dem Kundenstamm dasjenige, was er bei der Geschäftsbesorgung erlangt hat. Beim Kommissionsagenten fällt damit - wie beim Handelsvertreter - der Kundenstamm bei Vertragsende schon kraft der gesetzlichen Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses dem Lieferanten zu, ohne dass es einer besonderen vertraglichen Verpflichtung zu seiner Überlassung bedarf (BGH NJW 2017, 475, Rn 37).

(3) Diese Pflicht ist auch nicht abgedungen worden.

Zwar kann die in § 384 Abs. 2 HGB normierte Pflicht zur Namhaftmachung des Dritten, mit dem der Kommissionär kontrahiert hat, modifiziert oder abbedungen werden (MüKoHGB/Häuser, 3. Aufl., § 384 Rn 42; Hopt in Baumbach/Hopt, § 384 Rn 7). Der BGH hat hierfür allerdings den Umstand, dass der Betrieb eines Sonderpostenmarkts ein anonymes Massengeschäft ist, nicht auseichen lassen, um den Schluss auf eine konkludente Abbedingung der Pflicht des Kommissionsagenten zur Überlassung des Kundenstamms nach Vertragsende zu rechtfertigen. Ebenso reicht der Umstand, dass der Betrieb eines Schuhladens überwiegend anonymisiert abläuft, auch nicht aus, um eine hier konkludente Modifikation des Vertrags anzunehmen.

(4) Voraussetzung für die analoge Anwendung des § 89b HGB auf Vertragshändler und Kommissionsagenten ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH indes weiter die Verpflichtung des Vertragshändlers bzw. Kommissionsagenten, dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm durch Übermittlung der Kundendaten so zu übertragen, dass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne Weiteres nutzbar machen kann (BGH NJW-RR 2006, 1692 Rn 11 für Vertragshändler; BGH NJW 2017, 475 für Kommissionsagenten).

Zwar ist das Erfordernis der Verpflichtung des Vertragshändlers zur Übertragung des Kundenstamms im Bereich langlebiger Wirtschaftsgüter - insbesondere im Bereich des Automobilhandels - entwickelt worden, bei deren Verkäufen derartiger Güter üblicherweise Kundendaten vollständig erfasst werden. Der Hersteller oder Lieferant ist bei derartigen Wirtschaftsgütern auf komplette Kundendaten angewiesen, um sich den Kundenstamm nach Vertragsende sofort und ohne Weiteres nutzbar machen zu können. Zudem ist beim Automobilhandel der Vertragshändler Besitzer der Verkaufsräume und muss diese nicht nach Beendigung des Vertragshändlervertrags verlassen. Der Lieferant ist bei einer solchen Sachlage auf eine Weitergabe der Kundendaten angewiesen, um die vom Händler aufgebauten Kundenbeziehungen weiter nutzen zu können. Der BGH hat in seiner Entscheidung zu Kommissionsagenten dies aber auch bei einem filialähnlich organisierten Sonderpostenmarkt in von dem Hersteller angemieteten Räumen bejaht. Diese Fallkonstellation weise Ähnlichkeit mit dem Betrieb von Tankstellen durch Handelsvertreter auf, bei dem es für die Nutzbarkeit des Kundenstamms maßgeblich auf die Übergabe der Tankstelle ankomme (vgl. BGH NJW 1998, 66; BGH NJW 1998, 71). Ähnlich lag es im BGH-Fall. Dort war der bisher von der Kommissionärin geleitete Sonderpostenmarkt unter derselben Geschäftsbezeichnung in den von der Unternehmerin gemieteten Geschäftsräumen weitergeführt worden. Bei einer derartigen Sachlage war von einer faktischen Kontinuität des Kundenstamms auszugehen. Hinzu kam, dass die Kommissionärin verpflichtet war, das vorinstallierte Kassensystem zu nutzen, wodurch die Beklagte ständigen Zugriff auf Informationen zu allen Verkaufsvorgängen und auf sämtliche von den Kunden im Rahmen des Bezahlvorgangs mitgeteilten personenbezogenen Daten hatte.

In der Gesamtschau ist nach Auffassung des Senats eine derartige Verpflichtung hier indes abzulehnen. Hervorzuheben ist, dass das Ladengeschäft nicht der Klägerin gehört, so dass für sie von vorneherein die Möglichkeit, den Betrieb nach Beendigung des Kommissionsagenturverhältnisses unter derselben Geschäftsbezeichnung weiterzuführen, erheblich eingeschränkt war, nachdem die Beklagte da Ladengeschäfts auch nach Abschluss des Kommissionsagenturvertrages weiterführen konnte, was sie ja auch getan hat. Nach Auffassung des Senats ist dies der ganz entscheidende Unterschied zur BGH-Entscheidung "Sonderpostenmarkt", in der die Kommittentin als Eigentümerin des Gebäudes das Ladengeschäft unmittelbar weiterführen konnte. Diesen wirtschaftlichen Vorteil sollte der Anspruch nach § 89b Abs. 1 HGB dann auch im Kommissionsagenturverhältnis ausgleichen. Die Klägerin hatte faktisch indes gar nicht die Möglichkeit, den Kundenstamm zu übernehmen, weil sie auf den Standort keinen Zugriff hatte.

2. Auch hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs wegen der Nichtbelieferung der Stadt1er Filiale hat die Berufung keinen Erfolg. Es fehlt insoweit an einer Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 BGB.

Die Beklagte macht einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 22.609,80 € wegen Nichtausführung der Bestellung vom 28.4.2017 für das Geschäft in Stadt1 geltend.

Die Nichtlieferung auf diese Bestellung erfolgte allerdings berechtigt. Ob ein fester Liefertermin überhaupt vereinbart wurde, oder ob - wie die Klägerin meint - die Monatsangaben nach Ziff. 4.2 der AGB unverbindlich waren, kann dahinstehen, da die Klägerin zu Recht nicht lieferte. Die Klägerin durfte die Lieferung von Vorkasse bzw. Hinterlegung einer Bürgschaft abhängig machen. Aus Ziff. 3.4 der AGB der Klägerin (Anlage K 13), deren Einbeziehung in den Vertrag zwischen den Parteien nicht im Streit steht, ist die Klägerin berechtigt gewesen, noch ausstehende Lieferungen nur gegen Vorauszahlung, Nachnahme oder Sicherheitsleistung durchzuführen, wenn ihr nach Vertragsschluss Umstände bekannt wurden, welche die Kreditwürdigkeit der Beklagten wesentlich zu mindern geeignet sind und durch welche die Bezahlung offener Forderungen gefährdet wird. Solche Umstände lagen hier vor, da eine Verrechnung mit Ansprüchen aus den Kommissionsgeschäften nach Kündigung des Kommissionsvertrages nicht mehr möglich war. Dies ist ausreichend, um eine wesentliche Minderung der Kreditwürdigkeit zu begründen.

3. Der Beklagten steht allerdings der mit der Widerklage geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen ihres erlittenen Provisionsausfalls in der Stadt2er Filiale in Höhe von 6.809,75 € zu. Die Klägerin durfte den Kommissionsagenturvertrag nur mit sechsmonatiger Kündigungsfrist kündigen.

In Rechtsprechung und Literatur wird auch für Vertragshändler- und Kommissionsagentur-Verträge eine analoge Anwendung von § 89 Abs. 1 Satz 2 HGB angenommen (vgl. BGH NJW-RR 2002, 1554 zu Franchise; OLG München SchiedsVZ 2013, 230, 234 und OLG Köln Urteil vom 21.9.2012 - 19 U 113/11, BeckRS 2013, 2968 zu Vertragshändlern; MüKoHGB/von Hoyningen-Huene, 4. Aufl. 2016, HGB § 89 Rn 6; Flohr ZVertriebsR 2018, 147; BeckOK HGB/Lehmann, 27. Ed. 15.1.202 Rn 65, HGB § 89 Rn 65), da trotz unterschiedlicher Abwicklungstechnik die Innenverhältnisse insoweit vergleichbar sind. Entscheidend ist, ob sich der Vertragshändler mit der Übernahme von Vertragspflichten eines bedeutenden Teils seiner unternehmerischen Freiheit begeben und sich mit einem bedeutsamen Teil seines Unternehmens ähnlich einem Handelsvertreter in die Vertriebsorganisation des Herstellers/Lieferanten eingefügt hat (vgl. BGH NJW-RR 1993, 678, 679). Dies ist - wie oben dargestellt - der Fall. Deshalb stellt die Nichtweiterbelieferung mit Kommissionswaren eine Pflichtverletzung dar, die zu einem Schadensersatzanspruch der Beklagten führt.

Die Höhe des ihr entstanden Schadens hat die Beklagte schlüssig dargelegt. Sie berechnet ihn aus der Provisionsdifferenz der Monate Juli bis Dezember 2017 und dem Durchschnitt der Jahre 2012 bis 2016 und gelangt so zu einer Differenz von in Höhe von 1.756,79 € monatlich. Dieser Berechnung ist die Klägerin nicht entgegengetreten, so dass sie auch für den Senat eine geeignete Schätzungsgrundlage darstellt.

D.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.