AG Wuppertal, Urteil vom 24.01.2014 - 36 C 341/13
Fundstelle
openJur 2020, 32234
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 9 S 40/14
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Entgeltzahlung für die Eintragung in ein Branchenverzeichnis im Internet aus abgetretenem Recht in Anspruch.

Die Firma C. übersandte ein mit "Brancheneintragungsantrag Ort: T" überschriebenes Formular an eine Zweigstelle der Beklagten. Gegenstand des Formulars ist die Eintragung in ein Brancheninternetverzeichnis unter der Internetadresse "www.C000.eu".

Das Formular ist dabei wie folgt gestaltet:

ngaben zu der Unentgeltlichkeit der Eintragung finden sich zum einen im oberen Block, eingerahmt von den Angaben wie dem Datum und dem Aktenzeichen auf der einen Seite sowie der Adressangaben der Firma C. auf der anderen. Ferner mittig in einem größeren Text platziert, welche am Ende des Formulars aufgedruckt worden ist. Danach ist für eine Veröffentlichung auf der Internetseite ein Preis von jährlich 910,00 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer zu zahlen.

Das Formular wurde von einem Mitarbeiter der Beklagten unterschrieben und zurückgesandt. Die Firma C. bestätigte daraufhin der Beklagten die Eintragung zum 15.09.2009. Es wurde der Beklagten das Entgelt für zwei Jahre in Höhe von 1.082,90 Euro brutto in Rechnung gestellt.

Die streitgegenständliche Forderung gelangte durch Abtretung und Unternehmensverschmelzung an die Klägerin.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.165,80 Euro nebst Zinsen aus 1.082,90 Euro in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.05.2010 und weitere Zinsen, ebenfalls aus 1.082,90 Euro, seit dem 09.05.2011 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 229,30 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch unter keiner denkbare Anspruchsgrundlage zu. Insbesondere ergibt sich ein solcher nicht aus § 631 Abs. 1 BGB.

Vorliegend ist der Vertrag bereits wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB unwirksam. Jedenfalls besteht keine wirksame Einbeziehung der Entgeltklausel in das Vertragswerk wegen Intransparenz nach § 305c Abs. 1 BGB. Ein Vergütungsanspruch ergibt sich ferner nicht aus § 632 Abs. 1 BGB, da wegen der Vielzahl kostenloser Angebote im Internet eine Vergütung nicht zu erwarten war.

Hierzu im Einzelnen:

1.

Der gesamte Vertrag ist wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB unwirksam. Diese Norm setzt ein sozial ethisches Minimum fest, welches auch bei frei agierenden Parteien zu beachten ist.

Sittenwidrig ist ein Rechtsgeschäft, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dabei ist eine Gesamtwürdigung des Rechtsgeschäftes vorzunehmen, in die Inhalt Beweggrund und Zweck des Geschäftes einzubeziehen sind (Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Auflage, § 138 Rdnr. 8 m.w.N.).

Die konkrete vertragliche Gestaltung beinhaltet ein eklatantes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung, welches auch unter Berücksichtigung der freien Gestaltungskräfte der Parteien gemein hin, nicht hingenommen werden kann.

Der Veröffentlichung von Name, Adresse und Telefonnummer auf einer nicht allgemein bekannten Internetadresse, welche zu dem die für den deutschen Geschäftsverkehr unübliche Endung ".eu" trägt, kommt bereits kein erheblicher Wert zu, da diese Daten im Internet über eine Vielzahl von Portalen, insbesondere über die gängigen Suchmaschinen, frei zugänglich sind, ohne dass dafür Kosten für die Beklagte anfallen. Hierfür berechnet die Klägerseite den nicht unerheblichen Betrag von 1.082,90 Euro brutto per anno.

Hinzu kommt, dass die Klägerseite nicht einmal selbst den Wert ihrer eigenen Leistung bestimmen kann, da sie hierüber keinerlei Erhebung durchführt. Mit anderen Worten nimmt die Klägerseite billigend in Kauf, eine Leistung zu verkaufen, welche gegebenenfalls von niemandem abgerufen wird und damit ein wirtschaftliches Nullum darstellt. Wenn aber nicht einmal die Klägerseite in der Lage ist, den Wert ihrer angebotenen Leistung zu bestimmen, kann es noch viel weniger der Besteller tun. Insoweit geht der Hinweis, dass die Beurteilung der Werthaltigkeit einer Leistung in die Sphäre des Bestellers fällt, fehl.

Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Klägerseite durch die nicht zufällig gewählt erscheinende Gestaltung ihres Vertragsformulars die Entgeltlichkeit ihrer Leistung im Unklaren lässt, so dass auch unter diesem Aspekt nicht von einer freien Bewertung des Äquivalenzverhältnisses durch die Beklagte ausgegangen werden kann. Hierzu sogleich mehr.

2.

Selbst wenn man dem Vorstehen nicht folgen wollte, ist die Entgeltklausel wegen § 305c Abs. 1 BGB nicht Bestandteil des Vertragswerkes geworden.

Bei den Regelungen in dem Formular handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB, da diese erkennbar für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen wurden dabei von der Firma C. gestellt.

Nach § 305c Abs. 1 BGB wird eine Klausel dann nicht wirksamer Bestandteil eines Vertrages, wenn diese nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders damit nicht zu rechnen braucht. Dabei findet diese Regelung auch unter Berücksichtigung des § 310 BGB zwischen Unternehmen Anwendung.

Generell kommt es dabei nicht auf den Kenntnisstand des einzelnen Vertragspartners an, sondern auf die Erkenntnismöglichkeiten des für derartige Verträge in Betracht kommenden Personenkreises. Auch der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klauseln sowie deren Unterbringung an unerwarteter Stelle können die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen (vgl. BGH, Urteil vom 26.07.2012 - VII ZR 262/11 = juris Rdnr. 10 m.w.N.).

So liegt der Fall nach tatrichterlicher Würdigung (§ 286 ZPO) der Sachlage hier. Zwar finden sich an zwei Stellen des Vertrages Hinweise auf die Entgeltlichkeit der Eintragung, allerdings sind diese so platziert, dass sie von einem durchschnittlichen Rezipienten nicht wahrgenommen werden.

Die Preisangabe im Kopf des Formulars auf der rechten Seite zwischen Datum und Zeichen des Schreibens sowie der Adresse entspricht alles andere als der Üblichkeit. Ein vernünftiger Empfänger würde eine Preisangabe dort weder vermuten noch suchen. Die Angabe an dieser Stelle entspricht auch keiner Logik, da sie mit den dort angegebenen weiteren Informationen in keinerlei Zusammenhang steht.

Die Angabe des Preises innerhalb der Mitte des Fließtextes ist ebenfalls überraschend, da zuvor im Verhältnis zu der Preisangabe, wesentlich unbedeutendere Informationen enthalten sind.

Der unter dem eingerahmten Fließtext enthaltende Hinweis, dass in den jährlichen Eintragungskosten Überprüfung der Daten bereits enthalten sei, ist drucktechnisch derart angeordnet, dass diese regelmäßig bei flüchtigen Lesen nicht wahrgenommen wird. Vielmehr wird die Aufmerksamkeit eines durchschnittlichen Lesers im kaufmännischen Geschäftsbetrieb auf die deutlich stärker hervorgehobenen Teile des Formulars gelenkt. Dabei wurde in vergleichbaren Konstellationen, nicht zuletzt durch den Bundesgerichtshof, bei einer solchen drucktechnischen Gestaltung von einer überraschenden Klausel ausgegangen (vgl. BGH, Urteil vom 26.07.2012 - VII ZR 262/11 = juris Rdnr. 13; LG Flensburg, Urteil vom 08.02.2011 - 1 S 71/10 - gleiches Vertragsformular; LG Düsseldorf, Urteil vom 23.10.2008 - 19 S 29/08).

Dieser Rechtsansicht schließt sich das erkennende Gericht ausdrücklich an, wobei es die Fallgestaltung aus den genannten Gründen bei der geboten tatrichterlichen Würdigung für Vergleich hält.

3.

Im Ergebnis ergibt sich die Entgeltpflicht auch nicht aus der gesetzlichen Regelung des § 632 Abs. 1 BGB, welcher grundsätzlich an Stelle der unwirksamen Klausel Anwendung findet, § 306 Abs. 2 BGB.

Denn die Eintragung in ein Onlineverzeichnis ist nicht regelmäßig gegen Entgelt zu erwarten. So zeichnet sich das Internet dadurch aus, dass zahllose Leistungen sowohl entgeltlich als auch unentgeltlich dargeboten werden. Oftmals ist es sogar so, dass Teile einer Leistung unentgeltlich, andere Teile dann wiederum gegen Entgelt angeboten werden. Aus diesem Grunde muss ein objektiver Dritter in der Rolle der Beklagten als Empfängerin nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (objektiver Empfängerhorizont) nicht mit einer Entgeltlichkeit der Eintragung rechnen (BGH, Urteil vom 26.07.2012 - VII ZR 262/11 = juris Rdnr. 13; LG Saarbrücken, Urteil vom 26.10.2012 - 13 S 143/12 - Rdnr. 8 m.w.N.).

Diese Besonderheit hat letztlich auch der Gesetzgeber gesehen, weshalb er etwa für den Bereich des Verbraucherschutzes die sogenannte "Button-Lösung" implementiert hat (vgl. § 1 Preisangabeverordnung). Dahinter steht gerade die Wertung, dass nicht immer klar erkennbar ist, ob eine entgeltliche oder unentgeltliche Leistung im Internet angeboten wird.

Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht daraus, dass es sich bei der Beklagten um eine am Geschäftsleben teilnehmende Akteurin handelt. Denn auch im gewerblichen Bereich werden Unternehmen durchaus sowohl unentgeltliche als auch entgeltliche Leistungen im Internet angeboten. Zum Teil werden zunächst auch erst unentgeltliche Leistungen angeboten, um dann in einem weiteren Schritt entgeltliche Leistungen offerieren zu können. Hierbei berücksichtigt das Gericht auch, dass vorliegend in dem Entwurf für eine Eintragung lediglich absolute Standarddaten wie der Name der Beklagten, die Adresse sowie die Telefonnummer vermerkt sind. Solche Angaben sind im Internet gängigen Suchmaschinen kostenfrei zu entnehmen. Gerade die Veröffentlichung von solchen allgemein zugänglichen Daten trägt die Vermutung der Unentgeltlichkeit in sich.

Die im Feld "Eintragungsantrag" enthaltene Bemerkung "Brancheneintrag premium" macht ebenfalls nicht hinreichend deutlich, dass es sich bei dem Angebot zu dem Abschluss eines entgeltlichen Vertrages handelt.

Mangels Hauptforderung bestehen keinerlei Nebenforderungen.

Die Kostenentscheidung hat ihren Rechtsgrund in § 91 Absatz 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus dem §§ 708 Nummer 11; 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 2165,80 Euro festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Wuppertal, Eiland 1, 42103 Wuppertal, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Wuppertal zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Wuppertal durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Wuppertal statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Wuppertal, Eiland 2, 42103 Wuppertal, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.