ArbG Koblenz, Urteil vom 21.11.2018 - 7 Ca 571/18
Fundstelle
openJur 2020, 80538
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklage wird verurteilt, an die Klägerin

a) 1.383,23 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.03.2018

b) ein Schmerzensgeld von 1.500,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.03.2018

zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 35 % und die Beklagte zu 65 %.

4. Der Streitwert wird auf 4.455,66 EUR festgesetzt.

5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin war bei der Beklagten vom 01.07. - 31.12.2017 als Arzthelferin/Medi-zinische Fachangestellte zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von zuletzt 3.192,09 EUR (bestehend aus 2.946,54 EUR Grundgehalt, 245,55 EUR anteiligem 13. Monatsgehalt und 66,-- EUR betrieblicher Altersversorgung) beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete infolge Eigenkündigung der Klägerin vom 26.11. zum 31.12.2017. Vom 06.11. - 18.12.2017 war sie durch Frau ... - "Praktische Ärztin, Psychotherapie/Psychoanalyse" - arbeitsunfähig krankgeschrieben, vom 19. - 31.12.2017 von ihrer Hausärztin Dr. ... im Rahmen einer "Erstbescheinigung". Entgeltfortzahlung für den zweiten Arbeitsunfähigkeitszeitraum leistete die Beklagte nicht. Anfang Dezember 2017 wendete sich die Beklagte mehrfach telefonisch an den Kinderärztlichen Notdienst des ...krankenhauses in E-Stadt, wo die Klägerin eine der Beklagten bekannte und auch nicht beanstandete Nebentätigkeit ausübte. Hintergrund war, dass die Beklagte in Erfahrung bringen wollte, ob die Klägerin trotz angezeigter Arbeitsunfähigkeit ihre Nebentätigkeit weiter ausübte. In diesem Rahmen teilte die Beklagte der Leiterin des Kinderärztlichen Notdienstes, Frau ..., in einem Telefonat mit, die Klägerin sei bei ihr vom 06.11. - 18.12.2018 arbeitsunfähig krankgeschrieben, und suchte in Erfahrung zu bringen, ob dies auch beim Kinderärztlichen Notdienst so sei.

Die Klägerin begehrt zunächst vollständige Entgeltfortzahlung für Dezember 2018. Sie behauptet, am 18.12. sei ihre psychische Erkrankung ausgeheilt gewesen. Ab dem 19.12. sei sie wegen einer Nasennebenhöhlenentzündung krankgeschrieben worden. Damit handle es sich um zwei eindeutig unterschiedliche, nicht auf demselben Grundleiden beruhende Erkrankungen, weshalb die AU-Bescheinigung ab dem 19.12. zutreffend als "Erstbescheinigung" ausgestellt worden sei. Mit ihrer Nasennebenhöhlenentzündung habe sie auch nicht ihre Psychotherapeutin, sondern ihre Hausärztin aufgesucht. Zu der restlichen geschuldeten Entgeltfortzahlung von (3.192,09 abzgl. abgerechneter 1.808,86 =) 1.383,23 EUR brutto komme eine Restzahlung auf die Urlaubsabgeltung. Diese hätte die Beklagte richtigerweise aus dem Gesamtbruttogehalt und nicht nur aus dem Bruttogrundgehalt berechnen müssen, was eine Differenz von 45,80 EUR brutto ausmache. Darüber hinaus begehre sie Vergütung von 27,5 Überstunden. Hierzu behauptet sie, wie die anderen Angestellten auch ihre Arbeitsstunden in Stundenzettel eingetragen zu haben, die die von der Beklagten beauftragte Arbeitnehmerin ... saldiert und die Überstunden damit anerkannt habe.

Schließlich begehrt die Klägerin Zahlung eines Schmerzensgeldes. Hierzu behauptet sie, die Beklagte habe sich im Dezember 2017 ohne begründeten Anlass, jedenfalls in unverhältnismäßiger Weise, an den Kinderärztlichen Notdienst des...krankenhauses gewandt und Frau ... dieser gegenüber erklärt, sie, die Klägerin, sei psychisch krank. Damit habe die Beklagte nicht nur gegen ihre arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht verstoßen, sondern auch gegen ihre ärztliche Schweigepflicht, denn sie sei bei ihr im Mai/Juni angesichts des ab 01.07. avisierten Arbeitsverhältnisses in ärztlicher Behandlung gewesen. Hierzu verweist die Klägerin auf eine Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz, der gegenüber die Beklagte als zugunsten der Klägerin erbrachte ärztliche Leistung unter anderem die "Differentialdiagnostische Klärung psychosomatischer Krankheitszustände", die "Wahrnehmung des hausärztlichen Versorgungsauftrags" sowie ein "Problemorientiertes ärztliches Gespräch, das aufgrund von Art und Schwere der Erkrankung erforderlich ist" abrechnete und als Diagnose unter anderem "Angststörung" und "Hypochondrische Störung" stellte. Selbst wenn es der Beklagten darum gegangen sei, zu überprüfen, ob sie, die Klägerin, auch bei ihrer Nebentätigkeit arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen sei, hätte eine neutrale diesbezügliche Frage genügt. In keinem Fall sei es erforderlich gewesen, Frau ...mitzuteilen, sie leide an einer psychischen Erkrankung. Da die Beklagte ihr mit dieser Äußerung gezielt habe schaden wollen, begehre sie Unterlassung derartiger Äußerungen für die Zukunft. Im Übrigen habe sie im Dezember 2017 nicht beim Kinderärztlichen Notdienst gearbeitet. Dass sie möglicherweise auf einem Dienstplan gestanden habe, ändere daran nichts, denn die Pläne würden oft bis zu 6 Monate im Voraus erstellt.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1. an sie 1.955,66 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von 10.000 EUR aber nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 25.000,00 € pro Einzelfall, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, zu behaupten, sie sei psychisch krank.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, die Klägerin könne für ihre "zweite" Arbeitsunfähigkeitszeit keine Entgeltfortzahlung verlangen, sondern lediglich Krankengeld. Den zweiten Arbeitsunfähigkeitszeitraum habe die Ärztin als "Erstbescheinigung" attestiert, weshalb davon auszugehen sei, dass die Klägerin sie getäuscht und nicht darüber informiert habe, dass es nicht um die erste, sondern bereits um die siebte Krankheitswoche gehe. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem 19.12. habe sie bewusst verzögert und ihr als Arbeitgeber erst am 21.12. zugeleitet, um zu verhindern, dass kurz vor Weihnachten noch der Medizinische Dienst zur Überprüfung ihrer Arbeitsunfähigkeit eingeschaltet würde. Der Urlaubsabgeltungsbetrag sei richtigerweise nur aus dem Grundgehalt berechnet worden. Überstunden habe sie weder angeordnet noch die Klägerin solche geleistet. Die Arbeitnehmerin ...habe die von den Arbeitnehmern eingetragenen Stunden lediglich rechnerisch saldiert, aber weder Überstundenleistungen anerkannt noch die Befugnis hierzu gehabt, ebenso wenig wie die Befugnis zur Anordnung von Überstunden. Es sei üblich im Betrieb, dass Frau ... die Stundenzettel der Arbeitnehmer lediglich rechnerisch aufbereite und sie dann zur Abzeichnung/Genehmigung an sie, die Beklagte, weiterleite. Die Klägerin habe seit August 2017 keine Wochenzettel mehr ausgefüllt, sondern lediglich monatlich Stundeneintragungen auf provisorischen Zusammenstellungen vorgenommen.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch bestehe nicht, da sie die von der Klägerin behauptete Äußerung gegenüber ..., die Klägerin sei psychisch krank, nicht getätigt habe. Ein Schmerzensgeldanspruch entfalle, da sie Frau ... lediglich gefragt habe, ob die Klägerin auch bei ihr von der Psychotherapeutin ... vom 06.11. - 18.12.2017 krankgeschrieben sei. Sie habe Anlass gehabt, von einer Täuschungsabsicht der Klägerin auszugehen, denn sie habe von Dritten gehört, dass die Klägerin trotz Arbeitsunfähigkeit im Kinderärztlichen Notdienst arbeite. Nachdem sie sich daher an diesen gewandt und von dortigen Mitarbeiterinnen erfahren habe, die Klägerin stehe tatsächlich im Dienstplan, habe sie sich mit Frau ... in Verbindung gesetzt. Alle Daten, die sie Frau ... genannt habe, seien aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Klägerin ersichtlich gewesen und hätten daher keiner Schweigepflicht unterlegen; jedenfalls habe sie durch die Mitteilung der Daten berechtigte eigene Interessen wahrgenommen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen ..., ... und .... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.

Gründe

A.

Die Klage ist zulässig, aber lediglich hinsichtlich der Entgeltfortzahlung für Dezember und des Schmerzensgeldanspruchs auch begründet.

1. Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 19. - 31.12.2017 steht der Klägerin zu. Insoweit konnte nicht davon ausgegangen werden, dass es sich entgegen ihrem Vortrag und den ausgestellten ärztlichen Bescheinigungen um eine Folge- bzw. fortdauernde Erkrankung bereits seit dem 06.11.2017 handelte. Die Klägerin hat vorgetragen, bis zum 18.12. aufgrund einer psychischen Erkrankung und ab 19.12. wegen einer Nasennebenhöhlenentzündung arbeitsunfähig gewesen zu sein. Dass der zweite Krankheitszeitraum vor diesem Hintergrund nicht durch die Psychotherapeutin, sondern die Hausärztin bescheinigt wird, ist nachvollziehbar und entgegen der Ansicht der Beklagten nicht ohne weiteres als "verdächtiger Arztwechsel" zu beanstanden. Gleiches gilt für den Umstand, dass der zweite Krankheitszeitraum als "Erstbescheinigung" attestiert wurde, da es sich krankheitsbezogen um eine solche handelte. Wenn die Beklagte der Klägerin demgegenüber zwar außergewöhnlich vehement, in der Sache jedoch lediglich vage und spekulativ vorwirft, sie habe sich ihre zweite AU-Bescheinigung durch Täuschung erschlichen, so genügt dies nicht, um einen konkreten Anhaltspunkt für eine in Wahrheit vorliegende Folge- oder Fortsetzungserkrankung zu erkennen. Bloße Verdächtigungen können die Indizwirkung ärztlicher Bescheinigungen nicht erschüttern.

Die von der Beklagten benannten Zeuginnen ... und ... haben eine Arbeitstätigkeit der Klägerin im Dezember nicht bestätigt. Die Zeugin ... hat bekundet, die Klägerin nicht arbeiten gesehen zu haben. Die Zeugin ... hat sogar ausdrücklich erklärt, die Klägerin habe im Dezember nicht gearbeitet, da sie den gesamten Dezember arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen sei. Dies habe die Klägerin der gebildeten Whatsapp-Gruppe mitgeteilt, da die anfallenden Dienste unter den anderen hätten verteilt werden müssen. Die Klägerin habe ihre Dezember-Dienste mit Diensten aus dem Folgejahr getauscht. Dagegen hat sich die Beklagte denn auch nicht mehr gewendet.

2. Die geltend gemachte Urlaubsabgeltungsdifferenz steht der Klägerin nicht zu. Die Beklagte hat den Urlaubsabgeltungsbetrag richtigerweise lediglich aus dem Grundgehalt berechnet. Ein 13. Monatsgehalt bleibt bei der Berechnung in diesem Rahmen ebenso unberücksichtigt wie Zahlungen zur betrieblichen Altersversorgung (vgl. DLW/Dörner, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 14. Aufl. 2018, Kap. 3 Rn. 2087; ErfK/Gallner, 19. Aufl. 2019, § 11 BUrlG Rn. 11, 13).

3. Ebenso wenig kann die Klägerin Überstundenvergütung verlangen. Zum einen hat sie bereits ihre Arbeitszeiten nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, um eine Einlassung der Beklagten und eine gerichtliche Überprüfung zu ermöglichen. Die vorgelegten Monatszettel genügen insoweit nicht, da sie lediglich Salden ausweisen. Selbst wenn man dies genügen lassen wollte, fehlt es jedenfalls - was die Beklagte zu Recht rügt - an substantiiertem Vortrag der Klägerin zur Anordnung der Überstunden durch die Beklagte. Wenn Frau ... die von den Arbeitnehmern auf den Monatsübersichten eingetragenen Tagessalden monatlich gesamtsaldiert, liegt darin kein Anerkenntnis dieser Zeiten, sondern lediglich eine Verrechnung. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, Frau ... habe ihr die Listen und dort errechneten Gesamtsalden zur Gegenzeichnung und Genehmigung vorlegen müssen, da Frau ... selbst keine Befugnis zur Anordnung oder Genehmigung von Überstunden habe. Dem ist die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten, sondern hat lediglich die - irrige - Auffassung vertreten, in der Gesamtsaldierung liege eine automatische Genehmigung der Überstunden. Insbesondere hat sie keine Dienstpläne vorgelegt, aus denen jenseits einer Anordnung oder Genehmigung ersichtlich würde, dass die behaupteten Zeiten zur Erledigung der zugewiesenen Arbeitsaufgaben erforderlich gewesen wären. Eine Anordnung/Genehmigung/Billigung/Duldung/Notwendigkeit der von der Klägerin behaupteten Überstundenleistungen ist daher nicht ersichtlich.

4. Einen Anspruch auf Unterlassung der Äußerung, sie sei psychisch krank, hat die Klägerin nicht. Unabhängig davon, ob die Beklagte die streitige Äußerung gegenüber Frau ... getätigt hat oder nicht, fehlt es jedenfalls an der für einen Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH 19.10.2004 NJW 2005, 594, 595) ist das Bestehen einer Wiederholungsgefahr, also die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen, Tatbestandsmerkmal jedes Unterlassungsanspruchs und damit materielle Anspruchsvoraussetzung. Selbst eine in der Vergangenheit erfolgte Rechtsverletzung begründet nicht automatisch die Annahme einer für die Zukunft zu erwartenden erneuten Rechtsverletzung. Gegen die Annahme einer Wiederholungsgefahr kann unter anderem eine tatsächliche Veränderung der Umstände sprechen. So liegt es hier. Die Beklagte hat den Kinderärztlichen Notdienst, insbesondere auch dessen Leitung Frau ..., ausschließlich kontaktiert, um zu überprüfen, ob die Klägerin dort in gleicher Weise arbeitsunfähig krankgeschrieben war wie bei ihr. Hintergrund war nicht, dass die Beklagte die Klägerin in allgemeiner Weise schädigen wollte, das Telefonat erfolgte vielmehr aus konkretem Anlass mit dem Ziel, der Überprüfung einer vermeintlichen Täuschung seitens der Klägerin über ihre Arbeitsunfähigkeit. Mit der unstreitig erfolgten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2017 entfiel die Grundlage für ein derartiges weiteres Begehren der Beklagten für die Zukunft. Für sie besteht keine Veranlassung mehr, eine vermeintlich erschlichene Entgeltfortzahlung der Klägerin zu befürchten, da mangels Arbeitsverhältnis eine Entgeltfortzahlungspflicht von vornherein ausscheidet. Die tatsächlichen Umstände haben sich daher zum 01.01.2018 offenkundig in einschneidender Weise geändert, weshalb eine Wiederholungsgefahr nicht besteht. Die Klägerin trägt auch keinerlei Anhaltspunkte vor, die darauf schließen lassen könnten, die Beklagte würde in Zukunft trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses Grund und Veranlassung sehen, gegenüber Dritten zu behaupten, die Klägerin sei psychisch krank.

5. Ein Schmerzensgeldanspruch steht der Klägerin dagegen zu. Die Beklagte hat durch ihre Äußerungen gegenüber Frau ... gegen ihre arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht verstoßen und das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin dadurch erheblich verletzt.

a) Die Beklagte hat bereits keinen hinreichenden Grund substantiiert vorgetragen, sich überhaupt an den Kinderärztlichen Notdienst zu wenden und dort zu erfragen, ob die Klägerin arbeite oder krankgeschrieben sei. Soweit die Beklagte diesbezüglich vorträgt, sie habe von Dritten gehört, die Klägerin arbeite dort, ist es bei ihrer schlichten, abstrakten Behauptung geblieben, die keinen konkreten Anlass oder Anhaltspunkt erkennen lässt, entsprechende Nachforschungen über die Klägerin einzuziehen.

b) Selbst wenn man aber insoweit von einer Wahrnehmung berechtigter Interessen ausgehen wollte, hat die Beklagte ihre arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht verletzt. Die Klägerin trägt zutreffend vor, dass sich die Beklagte zur Abklärung ihres Verdachts gegenüber Frau ... auf die Frage hätte beschränken können, ob die Klägerin krankgeschrieben sei oder nicht. Hierfür war - jedenfalls zunächst - weder die Angabe eines konkreten Arbeitsunfähigkeitszeitraums noch die Angabe der die Klägerin behandelnden Ärztin noch die Information, dass es sich bei dieser um eine Psychotherapeutin handelte, erforderlich. Die Zeugin ... hat im Rahmen ihrer Vernehmung bekundet, die Beklagte habe auch in Erfahrung bringen wollen, ob die Klägerin aktuell in der Kinderbereitschaftsdienstzentrale arbeite. Diese Frage hat die Beklagte aber wohl nicht konkret gestellt, sondern nach Bekundung der Zeugin diese im Telefonat in erster Linie darüber informieren wollen, die Klägerin sei bei ihr, der Beklagten, bis zum Jahresende arbeitsunfähig krankgeschrieben. Damit verbunden gewesen sei die Mitteilung der Beklagten, die Klägerin "würde bei uns in der ... noch arbeiten". Dies hat die Beklagte offenbar nicht als Frage oder Vermutung formuliert, sondern eine dementsprechende Behauptung aufgestellt und damit die Klägerin in ein schlechtes Licht bei ihrer Nebentätigkeitsarbeitgeberin gerückt, ohne von dieser erst einmal in Erfahrung gebracht zu haben, ob die Klägerin dort nicht in gleicher Weise arbeitsunfähig krankgeschrieben war wie bei ihr.

Hinzu kommt die Bekundung der Zeugin ..., die Beklagte habe ihr entweder gesagt, die Klägerin sei aus psychischen Gründen krankgeschrieben, oder - nach Erinnerung der Zeugin wahrscheinlicher -, die Klägerin sei von einem Psychiater krankgeschrieben. Weder zu der einen noch zu der anderen Äußerung hatte die Beklagte zu diesem Zeitpunkt des Telefonats irgendeine Veranlassung. Eine genaue Klärung des die Klägerin krankschreibenden Arztes wäre allenfalls dann in Betracht gekommen und von Interesse gewesen, wenn die Beklagte von Frau ... die Rückmeldung erhalten hätte, die Klägerin sei bei ihr krankgeschrieben, weil es dann im nachvollziehbaren Interesse der Beklagten gelegen hätte zu erfahren, ob die Klägerin bei ihrer Nebentätigkeit durch einen anderen Arzt wegen einer anderen Arbeitsunfähigkeit krankgeschrieben gewesen wäre. Soweit kam es allerdings unstreitig nicht, da Frau ... sich zu einer Arbeitstätigkeit oder Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nicht unmittelbar äußern konnte.

Da die Krankschreibung wegen eines psychischen Leidens oder einer psychischen Erkrankung zu den Dingen gehört, an deren vertraulicher Behandlung der Arbeitnehmer grundsätzlich ein offenkundiges, nachvollziehbares Interesse hat, verletzte die Beklagte ihre arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht durch die überflüssige Mitteilung an Frau ..., die Klägerin sei durch einen Psychiater krankgeschrieben gewesen. Soweit sich die Beklagte in diesem Rahmen darauf beruft, sie habe lediglich eine aus der AU-Bescheinigung, genauer gesagt dem Praxisstempel der Ärztin ..., ersichtliche Information weitergegeben, genügt dies zu ihrer Entlastung nicht. Nicht jede aus einer AU-Bescheinigung ersichtliche Information darf an Dritte weitergegeben werden. Dies sollte gerade der Beklagten, die selbst Ärztin ist, geläufig sein. Im Übrigen beschränkt sich der Praxisstempel der Ärztin ... nicht auf "Psychotherapie/Psychoanalyse", sondern lautet in der darüber liegenden ersten Zeile auf "Praktische Ärztin". Die Information einer Krankschreibung durch die "Ärztin" ... hätte in diesem Zusammenhang völlig genügt. Darauf hat sich die Beklagte aber bewusst nicht beschränken wollen, sondern den Umstand, dass es sich bei der krankschreibenden Ärztin um eine Psychotherapeutin handelte, eigens hervorgehoben. Die Zeugin ... hat im Rahmen ihrer Vernehmung bekundet, die Beklagte habe gar keinen Namen der krankschreibenden Ärztin mitgeteilt, sondern lediglich, dass die Klägerin von einem Psychiater krankgeschrieben gewesen sei. Der Beklagten kam es also offenbar weniger auf den Namen der Ärztin an als auf deren Fachbezeichnung und die damit verbundenen Assoziationen, die sie auf der Gegenseite hervorrufen wollte. Dass sie damit schutzwürdige rechtliche Interessen der Klägerin verletzt hat, liegt auf der Hand.

Zudem hat die Zeugin ... bekundet, dass die Beklagte diese Äußerung von sich aus, also nicht im Rahmen einer Erörterung oder eines Austausches, getätigt habe, in Rage gewesen sei und sie sich noch darüber gewundert habe, dass die Beklagte eine solch sensible Information einfach offenlege, ohne dafür einen Grund zu haben. Auch dies zeigt, dass Frau ... in ihrer Eigenschaft als Ärztin den Wert und die Sensibilität dieser Information sowie deren nicht konkret veranlasste Weitergabe zutreffend bewertet hat, im Gegensatz zur Beklagten, die nach dem Gesamteindruck der Kammer nach ihrem Vortrag, ihrem Auftreten sowie dem Ergebnis der Beweisaufnahme diese Äußerung nicht versehentlich, sondern gezielt getätigt hat, um der Klägerin bei ihrem Nebentätigkeitsarbeitgeber zu schaden und diesem Dinge offenzulegen, die die Klägerin in ein schlechteres/schwächeres/kränkeres Licht rücken sollten. Dies hat mit arbeitgeberseitiger Fürsorge nichts zu tun.

c) Die Kammer sieht die dadurch eingetretene Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin als durchaus schwerwiegend an, weshalb ein Schmerzensgeld gegen die Beklagte zu verhängen war. In diesem Rahmen war allerdings nicht von einer Äußerung der Beklagten des Inhalts auszugehen, die Klägerin sei psychisch krank. Die Zeugin ... hat eine solche Äußerung der Beklagten ausdrücklich verneint. Damit scheidet auch die Verletzung einer evtl. ärztlichen Schweigepflicht der Beklagten aus, da diese sich nicht über Erkrankungen der Klägerin gegenüber Frau ... geäußert hat, sondern lediglich über den Inhalt der AU-Bescheinigung, die die Beklagte nicht in ihrer Eigenschaft als betreuende Ärztin der Klägerin, sondern in ihrer Eigenschaft als deren Arbeitgeber erhalten hatte.

d) Insgesamt hielt die erkennende Kammer ein Schmerzensgeld von 1.500,-- EUR für angemessen.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

C.

Bei der Streitwertentscheidung wurden der Klageantrag zu 1) wie beziffert, der Klageantrag zu 2) mit 1.500,-- EUR und der Klageantrag zu 3) mit 1.000,-- EUR veranschlagt.

D.

Die Berufung war vorliegend nicht gesondert zuzulassen, da es hierfür an den Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 ArbGG fehlt.