KG, Beschluss vom 18.02.2010 - 12 U 107/09
Fundstelle
openJur 2020, 80503
  • Rkr:

1. Kollidiert auf lichtzeichengeregelter Kreuzung ein sog. Kreuzungsräumer, der sich am Ende der für ihn geltenden Grünphase noch im Kreuzungsbereich befindet, mit einem bei Grün angefahrenen Fahrzeug des Querverkehrs, so beträgt in der Regel die Haftungsquote 1/3 zu 2/3 zu Gunsten des Kreuzungsräumers, und zwar wegen dessen Vorrechts, im Interesse des fließenden Verkehrs zunächst die Kreuzung räumen zu dürfen.

2. Der Vorrang des bei Grün in die Kreuzung eingefahrenen Nachzüglers, der die Kreuzung nicht vor Freigabe des Querverkehrs räumen kann, gilt auch für in der Kreuzung hängen gebliebene Linksabbieger, die in einer früheren Ampelphase in die Kreuzung eingefahren waren.

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Gründe

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beides ist nicht der Fall.

1. Das Landgericht hat die Klage, soweit in der Hauptsache noch über sie zu entscheiden war, mit dem angegriffenen Urteil zu Recht abgewiesen, weil dem Kläger über die bereits erhaltenen Zahlungen hinaus kein weiterer Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld aus dem Verkehrsunfall vom 30. August 2006 in Berlin zusteht.

Die von der Berufung gegen das Urteil vorgebrachten Angriffe versprechen keine Aussicht auf Erfolg.

a. Zu Recht ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass das Verschulden der Beklagten zu 1. an dem streitgegenständlichen Unfall lediglich mit 1/3 gegenüber der überwiegenden Haftung des Klägers in Höhe von 2/3 zu bewerten ist.

Dabei hat das Landgericht auch zu Recht darauf abgestellt, dass die Beklagte zu 1. in der Verkehrssituation vor dem Unfall als so genannter Kreuzungsräumer gegenüber dem erst in einer späteren Grünphase in die Kreuzung einfahrenden Kläger bevorrechtigt war.

Die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme, die von dem Kläger mit seiner Berufung auch nicht angegriffen wird, hat die mit der Klage aufgestellte Behauptung des Klägers, die Beklagte zu 1. sei bei für sie rot abstrahlendem Ampellicht in die Kreuzung eingefahren, nicht bestätigt. Vielmehr hat sich, wie das Landgericht in dem angegriffenen Urteil und insoweit von der Berufung ebenfalls nicht bemängelt, festgestellt hat, ergeben, dass die Beklagte zu 1. bei für sie grünem Ampellicht in die Kreuzung einfuhr und durch eine Verkehrsstockung auf der Kreuzung an der Weiterfahrt gehindert wurde, mithin auf der Kreuzung hängen blieb, bis die für den Kläger geltende Ampel des Querverkehrs auf grün schaltete.

In dieser Verkehrssituation ist die Beklagte zu 1. gegenüber dem Kläger bevorrechtigt und haftet, soweit sich nicht Anhaltspunkte dafür ergeben, dass im Einzelfall hiervon abzuweichen wäre, als Nachzügler, der die Kreuzung nicht mit der gebotenen Sorgfalt räumt, bei einer Kollision zu 1/3 (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 28. Juni 2004 - 12 U 94/03 - NZV 2005, 95; Senat, Urteil vom 6. Oktober 1977 - 12 U 767/77 - DAR 1978, 48; Senat, Urteil vom 26. März 1981 - 12 U 4387/80 - VM 1981, 75 Nr. 89; Senat, Urteil vom 26. Oktober 1992 - 12 U 5056/91 -).

Der Vorrang des bei Grün in die Kreuzung eingefahrenen Nachzüglers, der die Kreuzung nicht vor Freigabe des Querverkehrs räumen kann, gilt auch für in der Kreuzung "hängen gebliebene” Linksabbieger, die in einer früheren Ampelphase in die Kreuzung eingefahren waren (vgl. Senat, Urteil vom 16. September 1982 - 12 U 906/82 - VM 1983, 84 Nr. 100). Dies war ausweislich der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme vorliegend der Fall.

b. Soweit die Berufung der Auffassung ist, die Beklagte zu 1. hafte entgegen der eben dargestellten Regel deshalb in vollem Umfang, weil sie grob verkehrswidrig die äußerst rechte Spur gewählt habe, kann dem nicht gefolgt werden.

Wie auch die Berufung ausführt, waren die ersten beiden Spuren, die die Beklagte zu 1. nach Abbiegen in die Kleiststraße hätte befahren können, durch aufgestauten Verkehr versperrt. Ein Räumen der Kreuzung, welches die Beklagte zu 1. nach der Aussage des Zeugen M stückweise im Schritttempo vornahm, war ihr mithin nur unter Befahren der äußerst rechten Spur möglich.

Hiermit hätte der Kläger, der nach den Angaben der Berufung die Stauung auf den beiden linken Spuren durchaus wahrgenommen hatte, rechnen müssen und hätte ein Einfahren in die Kreuzung so lange zurückstellen müssen, bis sämtliche noch in der Kreuzung stehenden Nachzügler diese geräumt hatten.

Dass der Kläger nach seiner Behauptung nicht erkannt haben will, dass von links noch Kreuzungsräumer auf die rechte Spur einfuhren, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Hätte der Kläger dies erkannt und wäre dennoch unter Berufung auf das für ihn grüne Ampellicht selbst angefahren, so hätte ihn abweichend von der dargestellten Regel sogar die volle Haftung treffen können (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 13. November 2003 - 12 U 43/02 - NZV 2004, 574).

c. Ebenfalls nicht erfolgreich macht die Berufung geltend, die Beklagte zu 1. hätte auf dem Mittelstreifendurchbruch abwarten können und müssen, bis die Verkehrsstauung abgeflossen und auch die von links - der Kläger meint hier offenbar rechts - kommenden Verkehrsteilnehmer des Querverkehrs inklusive des Klägers vorbeigefahren wären.

Der Verkehrsteilnehmer, der bereits auf dem durch die Fahrlinien gebildeten Kreuzungsbereich "hängen bleibt” und den Querverkehr - wenn auch möglicherweise nur unerheblich - behindert, befindet sich nicht mehr im Schattenraum des Kreuzungsbereichs und ist als Kreuzungsräumer vorrangig verpflichtet, die Kreuzung zu räumen, wobei der Querverkehr dies ermöglichen muss (Senat, Urteil vom 27. September 2004 - 12 U 270/02 - KGR 2005, 98).

2. Nicht Erfolg versprechend ist die Berufung auch, soweit der Kläger die Abweisung der Klageanträge zu 3. und 4. deshalb rügt, weil das Landgericht nicht darauf hingewiesen habe, dass es den diesbezüglichen Vortrag des Klägers als nicht ausreichend ansehen würde.

Rügt der Berufungsführer einen unterlassenen Hinweis des Landgerichts, muss er mit der Berufungsbegründung vortragen, was er bei erteiltem Hinweis geltend gemacht hätte, damit die Ursächlichkeit des Verfahrensfehlers (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO) geprüft werden kann (vgl. Senat, KGR 2009, 938 = VRS 117, 282 = MDR 2010, 105 L; KGR 2007, 72 = MDR 2007, 677; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 139 Rn 20). Hieran fehlt es.

Der Kläger hat mit der Berufung nicht vorgetragen, was er bei einem entsprechenden Hinweis des Landgerichts hinsichtlich des Feststellungsantrages bezüglich einer Haftung auch für zukünftige Schäden vorgetragen hätte. Allein die Berufung darauf, eine Entscheidung sei überraschend, entbindet den Berufungsführer nicht davon vorzubringen, was er bei erfolgtem Hinweis erstinstanzlich vorgetragen hätte.

Hinsichtlich des Klageantrags zu 4., mit welchem der Kläger Schmerzensgeld für eine von ihm nach seiner Behauptung erlittene HWS-Distorsion verlangt, hat das Landgericht zu Recht ausgeführt, dass die von dem Kläger vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom 31. August 2006 nicht geeignet ist, die Behauptung des Klägers zur erlittenen Verletzung und der Dauer der diesbezüglichen Schmerzen zu belegen. Es handelt sich vielmehr um eine Überweisung, die zum Zweck der orthopädischen Beurteilung/Behandlung der vom Kläger einen Tag nach dem Unfall geklagten Kopf- und Nackenschmerzen erfolgte. Weiteres hierzu hat der Kläger, worauf das Landgericht zu Recht hinweist, nicht vorgetragen. Dies hat er auch mit der Berufung nicht nachgeholt. Soweit der Kläger sich auf das Zeugnis des die Bescheinigung vom 31. August 2006 ausstellenden Arztes Dr. D beruft, hat er nicht vorgetragen, dass er diesen nach dem Termin vom 31. August 2006 nochmals aufgesucht hätte.

3. Das angegriffene Urteil ist schließlich auch bezüglich der Kostenentscheidung nicht zu bemängeln.

Soweit der Kläger meint, die nach § 91 a ZPO getroffene Kostenentscheidung sei deshalb nicht richtig, weil das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass hinsichtlich des für erledigt erklärten Anteils der Selbstbeteiligung von 1.000,- EUR kein Verzug vorgelegen habe, ist dies nicht zutreffend.

Der Kläger hat nämlich weder vorgetragen, noch ergibt sich dies sonst aus den Akten, dass er das unstreitig auf die J AG zugelassene Fahrzeug selbst auf eigene Rechnung versichert hatte. Die Rechnung bezüglich der Reparatur des Fahrzeugs, die Grundlage der Geltendmachung gegenüber der Vollkaskoversicherung war, ist auch auf die J AG ausgestellt.

Im Übrigen war die Kaskoversicherung für das Fahrzeug zum Zeitpunkt des vorgerichtlichen Schreibens vom 27. September 2006 noch nicht in Anspruch genommen worden und die Ansprüche der Halterin noch nicht an den Kläger abgetreten worden, was das Landgericht zutreffend ausgeführt hat.

4. Nach alledem wird anheim gestellt, die weitere Durchführung der Berufung zu überdenken.