LG Hamburg, Urteil vom 16.01.2020 - 327 O 128/19
Fundstelle
openJur 2020, 32091
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die C. B. GmbH 1822,96 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.06.2019 zu zahlen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

5. Der Streitwert wird auf 51.822,96 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin stellt seit mehr als fünfzig Jahren Isolierkannen her und vertreibt diese weltweit. Sie verfügt über die deutsche Bildmarke... mit einer Priorität aus dem Jahre 1996, die vom DPMA kraft Verkehrsdurchsetzung eingetragen worden ist. Der verkehrsdurchgesetzte Bestandteil und dementsprechend auch die Bildmarke bestehen aus einem roten Punkt. Die Marke genießt Schutz unter anderem für Thermoskannen (Nizza-Klasse 21). Für die nähere Ausgestaltung wird auf Anlage K 2 Bezug genommen. Die Klägerin bringt die Bildmarke „Roter Punkt“ seit ihrer Eintragung fortlaufend auf den von ihr in den Verkehr gebrachten Isolierbehältnissen an und erzielt damit durchschnittliche jährliche Umsätze von über 10 Mio Euro.

Die Beklagte vertreibt über einen Internetshop, www.g..eu, unter anderem Isolierbehältnisse, darunter auch Isolierkannen, an gewerbliche Abnehmer in Deutschland. Unter den Isolierkannen befindet sich auch ein Modell, das an der Seite des Deckels oberhalb des Griffes einen Druckhebel für das Ausgussventil aufweist, der im Gegensatz zu der im Übrigen silber und schwarz gestalteten Isolierkanne aus rotem Kunststoff besteht. Von oben betrachtet weist der Druckhebel eine nicht ganz runde Form auf (dazu wird auf das erste Photo der Anlage K 7 sowie das Photo in Anlage K 18 verwiesen). Im seitlichen Querschnitt ist der rot gestaltete Druckhebel nicht plan, sondern weist einen leichten Knick nach oben auf (dazu wird auf das zweite Photo der Anlage K 7 verwiesen).

Die streitgegenständliche, von der Beklagten vertriebene Isolierkanne wird seit Jahrzehnten von der C. B. GmbH produziert und über den Fachhandel vertrieben. Zwischen der Klägerin und der C. B. GmbH war sie schon mehrfach Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen. Im Zuge dessen hatte die Klägerin die C. B. GmbH bereits im Jahr 2000 gestützt auf ihre Bildmarke wegen der Verwendung des roten Druckhebels an ihren Isolierkannen abgemahnt, die Angelegenheit jedoch nach einer Zurückweisung der Ansprüche der C. B. GmbH nicht weiter verfolgt. Als die Klägerin, deren Geschäftsführung mittlerweile gewechselt hatte und die auch mit neuen Anwälten zusammenarbeitete, die C. B. GmbH Mitte 2017 wegen der streitgegenständlichen Isolierkanne mit Schreiben vom 02.06.2017 (Anlage B 5) erneut abmahnte, verwies Letztere in ihrer Antwort vom 08.06.2017 auf die Vorgänge im Jahr 2000 und wies die Abmahnung dementsprechend zurück (Anlagenkonvolut K 16). Daraufhin verzichtete die Klägerin mit Schreiben vom 13.06.2017 gegenüber der C. B. GmbH auf sämtliche mit der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche (Anlagenkonvolut K 16). In der im Zuge der Abmahnung vom 02.06.2017 vorformulierten Unterlassungsverpflichtungserklärung hatte die Klägerin von der C. B. GmbH unter anderem verlangt, sich zu verpflichten, es zu unterlassen, die streitgegenständliche Isolierkanne zu vertreiben oder diese Handlung durch Dritte vornehmen zu lassen. Die C. B. GmbH beliefert keine Endkunden, sondern ausschließlich Händler. Davon hatte die Klägerin seit der Korrespondenz im Jahre 2000 Kenntnis und duldete diesen Vertriebsweg bis zur nunmehr erhobenen Klage.

Als die Klägerin die Beklagte im Oktober 2018 wegen des Vertriebs der streitgegenständlichen Isolierkanne abmahnte (Anlage K 8), erklärte die Beklagte, sie sei aufgrund einer Vereinbarung der Klägerin mit der Herstellerin der von der Beklagten vertriebenen Isolierkanne, der C. B. GmbH, berechtigt, die Isolierkanne zu vertreiben. Dem schloss sich ein bis in den November 2018 andauernder Schriftwechsel zwischen der Klägerin und der Beklagten an, in dem insbesondere darüber gestritten wurde, welche Wirkungen der 2017 ausgesprochene Verzicht der Klägerin auf Ansprüche gegenüber der C. B. GmbH auf die nunmehr gegenüber der Beklagten geltend gemachten Ansprüche habe. Für den Inhalt des Schriftwechsels wird auf Anlagen K 9 bis K 14 Bezug genommen.

Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben die Kosten für die Rechtsverteidigung der Beklagten gegen die unberechtigte Abmahnung der Klägerin mit Rechnung vom 15.01.2019 (Anlage B 8) der C. B. GmbH in Rechnung gestellt, die diese auch bezahlt hat.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihrem markenrechtlichen Unterlassungsanspruch keine im Zuge der Korrespondenz über die Abmahnung im Jahre 2017 geschlossene Vereinbarung zwischen ihr und der C. B. GmbH entgegenstehe. Der Verzicht auf die Unterlassungsansprüche gegenüber der C. B. GmbH sei damals von ihr, der Klägerin, aufgrund einer Verwirkung erklärt worden. Eine solche wirke jedoch nur inter partes. Zudem habe sie von dem Angebot der Beklagten erst nach dem Verzicht gegenüber der C. B. GmbH erfahren. Auch seien die von der Beklagten vorgenommenen Vertriebshandlungen nicht von der damaligen Abmahnung und somit auch nicht von dem auf die Abmahnung bezogenen Verzicht erfasst gewesen. Insbesondere werde von der Formulierung „und/oder diese Handlung durch Dritte vornehmen zu lassen“ allenfalls die Konstellation von der C. B. beauftragter Dritter erfasst, nicht hingegen die Konstellation des Vertriebs durch von der C. B. unabhängige Händler wie die Beklagte. Überdies ist die Klägerin der Ansicht, nach der Rechtsprechung des BGH könne eine Verwirkung nur bezogen auf eine bestimmte, konkrete Rechtsverletzung angenommen werden, so dass sie nicht im Hinblick auf künftige Schutzrechtsverletzungen gelte. Der damalige Verzicht gegenüber der C. B. GmbH wirke sich damit nicht auf jetzige Verletzungshandlungen der Beklagten aus.

Angesichts dessen ist die Klägerin hinsichtlich der Widerklage der Auffassung, ihre Abmahnung der Beklagten im Oktober 2018 sei rechtmäßig gewesen. Dementsprechend liege keine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung vor, so dass auch die Kosten einer dagegen notwendigen Rechtsverteidigung nicht von ihr zu tragen seien. Im Übrigen liege, selbst wenn man von einer schuldhaft unberechtigten Abmahnung ausgehen würde, keine zufällige Schadensverlagerung auf die C. B. GmbH vor, so dass die Beklagte den Ersatz des ihr nicht entstandenen Schadens auch nicht nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation beanspruchen könne.

Die Widerklage ist der Klägerin am 13.06.2019 zugestellt worden.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR oder Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, welche zu vollziehen ist an dem Geschäftsführer der Beklagten, es zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland „Isolierkannen“ mit einem an der Außenkante des Deckels angeformten, einen „roten Punkt“ formenden Druckhebel für das Ausgussventil, wie nachfolgend abgebildet, anzubieten und/oder zu vertreiben und/oder zu importieren und/oder die vorstehenden Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen, ohne die vorhergehende Einwilligung der Klägerin.

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2. die Beklagte zu verurteilen, unter Vorlage eines geordneten Verzeichnisses Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfang sie Handlungen wie vorstehend unter Ziff. 1. vorgenommen hat, und zwar unter Angabe

a. der Herstellmengen und -zeiten sowie der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse. Ferner der Namen und Anschriften der Hersteller, der Lieferanten und anderer Vorbesitzer;

b. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen, unter Einschluss der Typenbezeichnungen sowie unter der Nennung und Auflistung der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer;

c. der einzelnen Angebote, unter Einschluss der Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger;

d. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, der Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet sowie unter Auflistung der Kosten dieser Werbung sowie der Verwendung ihrer Werbematerialien auf Messen und Ausstellungen, unter Auflistung der hierfür angefallenen Kosten;

e. der in den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten, der Einkaufspreise der streitgegenständlichen Produkte sowie die aus dem Verkauf dieser Produkte erzielten Umsatzerlöse, unter Auflistung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten sowie unter Auflistung jener Gemeinkosten, die den streitgegenständlichen Produkten unmittelbar zugerechnet werden können, und zwar unter Vorlage der Bank-, Finanz- und Handelsunterlagen,

insbesondere unter Vorlage der Einkaufsrechnungen, Lieferscheine sowie der Verkaufsrechnungen;

3. die Beklagte ferner zu verurteilen, an allen in ihrem unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen Waren gem. Ziff. 1. den rotfarbenen, einen Kreispunkt bildenden Druckhebel zu entfernen oder endgültig unkenntlich zu machen;

4. die Beklagte zu verurteilen, sämtliche Waren nach Ziff. 1. zurückzurufen und sie endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen, soweit das unter Ziff. 1. genannte Kennzeichen auf der Verpackung, den Betriebsanleitungen oder dem Produkt selbst erkennbar ist;

5. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die in Ziff. 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird; und

6. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 1.822,96 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt überdies im Wege der Widerklage,

die Klägerin zu verurteilen, an die C. B. GmbH einen Betrag von € 1.822,96 zuzüglich jährlicher Zinsen in Höhe von 5% darauf über dem Basiszinssatz seit dem 13.06.2019 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte meint, ein Unterlassungsanspruch stehe der Klägerin jedenfalls deswegen nicht zu, weil sie durch das Vorgehen gegen die Beklagte die von ihr akzeptierte Verwirkung der Ansprüche gegen die C. B. GmbH umgehe, indem sie gegen deren Abnehmer vorgehe. Da die Klägerin den Weitervertrieb der streitgegenständlichen Isolierkannen durch die C. B. GmbH an Fachhändler wie die Beklagte seit dem Jahr 2000 kenne und dulde, beziehe sich die Verwirkung auch auf diesen Weitervertrieb. Die C. B. GmbH habe sich bezüglich der streitgegenständlichen Isolierkannen auch einen wertvollen Besitzstand aufgebaut, der auch der Beklagten zugute komme, da sie eine der nach dem Geschäftsmodell der C. B. GmbH typische Abnehmerin der Isolierkannen sei. Schließlich ist die Beklagte der Ansicht, einem Unterlassungsanspruch der Klägerin stehe die Vereinbarung der Klägerin mit der C. B. GmbH vom 13.06.2017 im Zuge der Abmahnung und des Verzichts auf diese entgegen, da sich die Klägerin darin explizit mit dem Vertrieb der Isolierkannen durch von der C. B. GmbH beauftragte Unternehmen einverstanden erklärt habe. Die Verzichtserklärung sei zudem auch deswegen nicht auf die C. B. GmbH beschränkt, da diese ihre Isolierkannen ausschließlich über Fachhändler vertreibe, was die Klägerin wisse, so dass ihre Verzichtserklärung vom 13.06.2017 sich auch auf abnehmende Händler wie die Beklagte beziehe. Alles andere komme einem Vertriebsverbot gegenüber der C. B. GmbH gleich. Die Verzichtserklärung vom 13.06.2017 führe, so meint die Beklagte weiter, überdies zu einer Erschöpfung iSd. § 24 Abs. 1 MarkenG, da diese vom objektiven Empfängerhorizont aus gesehen als konkludente Zustimmung zum Inverkehrbringen der Isolierkannen anzusehen sei, die auch zugunsten der Abnehmer der C. B. GmbH wirke. Ein Schadensersatzanspruch scheitere jedenfalls an einem Verschulden der Beklagten, die aufgrund der Duldung der Klägerin und der Verzichtserklärung vom 13.06.2017 keine Anhaltspunkte für eine Schutzrechtsverletzung gehabt habe.

Zur Widerklage trägt die Beklagte vor, die unberechtigte Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs stelle einen nicht gerechtfertigten Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, so dass als Schaden jedenfalls die Kosten der Rechtsverteidigung gegen die unberechtigte Abmahnung geltend gemacht werden könnten. Da die C. B. GmbH diese Kosten im Innenverhältnis zur Abkürzung der Regressforderung der Beklagten gegen die C. B. GmbH übernommen habe, indem sie die Rechnung bezahlt habe, bestehe nun ein Anspruch auf Freihaltung von den Kosten, mithin an die C. B. GmbH zu zahlender Schadensersatz.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.09.2019 verwiesen (§ 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Gründe

Die Klage war mangels eines Unterlassungsanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte in vollem Umfang abzuweisen, da die Annexansprüche das Schicksal des Unterlassungsanspruchs teilen. Spiegelbildlich war der Widerklage gerichtet auf die Rechtsverteidigungskosten wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung stattzugeben.

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung des Vertriebs der streitgegenständlichen Isolierkannen aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG. Dabei kann es dahinstehen, ob eine markenmäßige Benutzung vorlag und Verwechslungsgefahr iSd. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht, da ein Unterlassungsanspruch der Klägerin jedenfalls daran scheitert, dass sie gegenüber der C. B. GmbH auf die mit Schreiben vom 02.06.2017 geltend gemachten Ansprüche verzichtet hat und sich das Vorgehen gegen die Beklagte angesichts dieses Verzichts als widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) und missbräuchliche Rechtsausübung iSd. § 242 BGB darstellt. Die Frage einer Verwirkung des markenrechtlichen Unterlassungsanspruchs nach § 21 Abs. 1 bis 3 MarkenG bzw. § 21 Abs. 4 MarkenG iVm § 242 BGB kann daher ebenfalls dahinstehen.

Der mit Schreiben vom 13.06.2017 gegenüber der C. B. GmbH ausgesprochene Verzicht der Klägerin bezog sich auf die von der Klägerin mit der Abmahnung vom 02.06.2017 gegenüber der C. B. GmbH geltend gemachten Ansprüche. Diese wiederum ergeben sich im Einzelnen aus der der Abmahnung beigefügten vorformulierten Unterlassungsverpflichtungserklärung. Danach hatte die Klägerin von der C. B. GmbH unter anderem verlangt, sich zu verpflichten, es zu unterlassen, die auch im vorliegenden Verfahren streitgegenständliche Isolierkanne zu vertreiben oder diese Handlung durch Dritte vornehmen zu lassen. Da die C. B. GmbH keine Endkunden beliefert, sondern ihre Isolierkannen ausschließlich über Fachhändler, darunter die Beklagte, vertreibt, was die Klägerin auch seit jeher weiß, sind bei verständiger Würdigung und entsprechender Auslegung des darauf bezogenen Verzichtsvertrags nach §§ 133, 157 BGB als Dritte im Sinne dieser Regelung gerade jene Fachhändler und nicht nur eigene Vertriebsabteilungen oder -unternehmen der Klägerin anzusehen. Auch wenn der Verzicht nicht gegenüber diesen Fachhändlern, darunter der Beklagten, sondern gegenüber der C. B. GmbH ausgesprochen wurde, bezieht er sich somit im Hinblick auf den Vertrieb gerade auf eben jene Fachhändler. Vertriebsverbote gegenüber diesen Fachhändlern als Abnehmern der C. B. GmbH würden faktisch auf ein Vertriebsverbot gegenüber der C. B. GmbH hinauslaufen und damit den Verzicht der Klägerin gegenüber der C. B. GmbH konterkarieren.

Berücksichtigt man diese konkreten Umstände des Einzelfalls, stellt sich das Vorgehen der Klägerin gegen die Beklagte als Fachhändlerin der C. B. GmbH, welche die Isolierkanne vertreibt, die Gegenstand des Verzichts gegenüber der C. B. GmbH war und nun auch Gegenstand der vorliegenden Klage ist, unabhängig von der Frage, ob der Verzicht als Vertrag zwischen der Klägerin und der C. B. GmbH lediglich inter partes wirkt, als widersprüchliches Verhalten und missbräuchliche Rechtsausübung iSd. § 242 BGB dar. Indem die Klägerin nun, nachdem sie gegenüber der C. B. GmbH auf ihr gegebenenfalls zustehende Unterlassungsansprüche auch wegen des Vertriebs durch Dritte verzichtet hat, gegen eben jene Dritten vorgeht, setzt sie sich in einen direkten Widerspruch zu ihrem vorausgegangenen Verhalten gegenüber der C. B. GmbH. Das Vorgehen stellt sich darüber hinaus insofern als rechtsmissbräuchlich dar, als die Klägerin dadurch versucht, den Verzicht, welcher unmittelbar nur zwischen ihr und der C. B. GmbH wirkt, jedoch explizit den Vertrieb durch Dritte erfasst, zu umgehen.

Anders als der Verzicht, auf den sich die C. B. GmbH gegenüber der Klägerin berufen könnte, ist der Einwand unzulässiger Rechtsausübung unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen und missbräuchlichen Verhaltens in der Lage, die Grenzen rechtsgeschäftlicher Bindungen zu überwinden und dadurch auch über das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der C. B. GmbH hinaus zu wirken, zu dem das jetzige Verhalten gegenüber der Beklagten in Widerspruch steht. Dies liegt darin begründet, dass das Verbot widersprüchlichen bzw. missbräuchlichen Verhalten keinen rechtsgeschäftlichen Tatbestand darstellt (Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn 48, MüKoBGB/Schubert, § 242 BGB Rn 317) und daher auch jenseits der persönlichen wie sachlichen Grenzen rechtsgeschäftlicher Bindungen Wirkung entfalten kann. Dementsprechend kann das erste Verhalten, zu dem sich späteres Verhalten in Widerspruch setzt bzw. aufgrund dessen es sich als missbräuchlich darstellt, auch außerhalb des Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien des Einwands der unzulässigen Rechtsausübung stattgefunden haben (MüKoBGB/Schubert, § 242 BGB Rn 213). Dies erscheint im vorliegenden Fall insbesondere deswegen sachgerecht, weil sich der Verzicht als das erste Verhalten der Klägerin gerade auch auf ihre Ansprüche im Falle des Vertriebs durch Dritte bezog, zu dem sich das jetzige Vorgehen in eklatanten Widerspruch setzt und infolge seiner Wirkungen als rechtsmissbräuchlich darstellt.

2. Mangels eines Unterlassungsanspruchs stehen der Klägerin gegen die Beklagte auch die vom Bestehen eines Unterlassungsanspruchs abhängigen Annexansprüche nach den Klageanträgen 2. bis 6. auf Auskunftserteilung, Entfernung bzw. Unkenntlichmachung des roten Druckhebels, Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen sowie Feststellung einer Schadensersatzpflicht gemäß §§ 14 Abs. 6, 18, 19 MarkenG nicht zu.

II.

Die zulässige Widerklage ist in vollem Umfang begründet. Da die von der Klägerin bereits vorgerichtlich mit der Abmahnung geltend gemachten Unterlassungs- und Annexansprüche - wie unter I. näher erörtert - nicht bestehen, handelt es sich um eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung. Diese stellt nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, der nicht nur einen Unterlassungs-, sondern im Falle des Verschuldens auch einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB begründet (BGH GRUR 2005, 882 - unberechtigte Schutzrechtsverwarnung GRUR 2016, 630 Rn 15 - unberechtigte Schutzrechtsverwarnung II). Von einem Verschulden der Klägerin ist im vorliegenden Fall auszugehen. Sie ist im Juni 2017 von den Prozessbevollmächtigten der C. B. GmbH bereits in vollem Umfang über die Vorgänge im Jahr 2000 unterrichtet worden. Dementsprechend hat sie damals auch den Verzicht auf Ansprüche gegenüber der C. B. GmbH ausgesprochen. Zum Zeitpunkt der Abmahnung gegenüber der Beklagten kannte sie somit die tatsächlichen Umstände, die dazu führen, dass ihr die geltend gemachten Ansprüche nicht zustehen. Dies hätte sie bei sorgfältiger Prüfung auch erkennen können, zumal sie sich in dem der Abmahnung folgenden Schriftwechsel ausführlich mit der Problematik der Wirkung des Verzichts auf das Verhältnis zur Beklagten auseinandergesetzt hat. Die dennoch erfolgte Abmahnung stellt sich daher zumindest als fahrlässig iSd. § 276 Abs. 2 BGB dar. Der Schaden besteht in den Kosten der Rechtsverteidigung gegen die unberechtigte Abmahnung in Höhe einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von € 50.000,-, welche von der Beklagten - entgegen den Ausführungen auf Seite 12 des Schriftsatzes vom 07.06.2019 - ausweislich des in der mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf S. 2 des Schriftsatzes vom 07.06.2019 gestellten Antrags auch tatsächlich nur geltend gemacht wird.

Die besondere Problematik des vorliegenden Falles besteht darin, dass die Beklagte die Zahlung des Schadensersatzes in Höhe der Kosten der Rechtsverteidigung gegen die Abmahnung nicht an sich, sondern an die C. B. GmbH verlangt, da diese die Kosten im Innenverhältnis übernommen hat. Infolge dieser Kostenübernahme ist der Beklagten selbst kein Schaden entstanden, sondern allein der C. B. GmbH. Diese hat jedoch gegen die Klägerin selbst keinen Schadensersatzanspruch, da sie nicht Adressatin der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung war.

In einer solchen Konstellation, in der die Person des Anspruchsinhabers und des Geschädigten auseinanderfallen, kommt eine Geltendmachung des fremden Schadens durch den Anspruchsinhaber nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation in Betracht. Für diese haben sich bestimmte, anerkannte Fallgruppen herausgebildet, worunter die hier vorliegende nicht fällt. Obwohl die Drittschadensliquidation als Ausnahme vom Grundsatz der Ersatzfähigkeit allein unmittelbar vom Anspruchsinhaber erlittener Schäden restriktiv zu handhaben ist, darf die Herausbildung bestimmter Fallgruppen nicht so verstanden werden, dass eine Drittschadensliquidation bei vergleichbarer Interessenlage jenseits dieser anerkannten Fallgruppen ausscheidet.

Da es sich vorliegend um eine Konstellation mit vergleichbarer Interessenlage handelt, kann die Beklagte den Schaden der C. B. GmbH geltend machen und im Zuge dessen auch Zahlung unmittelbar an die C. B. GmbH verlangen.

Die ratio der Drittschadensliquidation besteht darin, dass der Schädiger durch eine für ihn nicht erkennbare, mithin zufällige Verlagerung des Schadens vom Anspruchsinhaber auf einen Dritten nicht von seiner Ersatzpflicht befreit werden soll. Ausgeschlossen ist sie trotz einer derart zufälligen Schadensverlagerung allerdings in denjenigen Fällen, in denen der Geschädigte etwa infolge seiner Freihaltung des Anspruchsinhabers von diesem die Abtretung des Schadensersatzanspruchs nach § 285 BGB (ggf. auch analog) verlangen kann, oder in denen das Gesetz ausnahmsweise für den Geschädigten einen eigenen Schadensersatzanspruch vorsieht (vgl. etwa § 421 Abs. 1 S. 2 und 3 HGB).

Aus Sicht der Klägerin liegt eine zufällige Schadensverlagerung auf die C. B. GmbH vor. Wer die Rechnung der Parteivertreter der Beklagten über die Kosten der Rechtsverteidigung gegen die Abmahnung zahlt, die Beklagte selbst oder die C. B. GmbH, beruht zunächst darauf, wie die Beklagte und die C. B. GmbH die Kostentragung im Innenverhältnis geregelt haben, und nachgelagert darauf, wie sie diese Einigung im Innenverhältnis im Außenverhältnis umsetzen - Direktzahlung der im Innenverhältnis zahlungspflichtigen C. B. GmbH oder Zahlung der Beklagten mit anschließendem Regress bei der C. B. GmbH. Die Verlagerung des Schadens beruht damit auf einer für den Kläger nicht erkennbaren Abrede zur Kostentragung im Innenverhältnis zwischen der Beklagten und der C. B. GmbH. Diese Abrede wurde mit dem Ziel, die Beklagte freizuhalten, für den Fall getroffen, dass die Kosten der Rechtsverteidigung nicht vom abmahnenden Kläger ersetzt verlangt werden können. Sie sollte jedoch nicht dazu führen, im Falle der Ersatzfähigkeit der Kosten der Rechtsverteidigung infolge einer Verlagerung dieses Schadens auf die C. B. GmbH die Klägerin von der Ersatzpflicht zu befreien. Genau das würde jedoch eintreten, wenn man eine Drittschadensliquidation verneinen würde: Die Klägerin, die für den Fall einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung der Beklagten als Abnehmerin der Isolierkannen mit einer Ersatzpflicht dieser gegenüber rechnen musste, würde durch eine für sie nicht erkennbare und auch nicht zu ihren Gunsten getroffene Abrede zur Freihaltung zwischen der Beklagten und der C. B. GmbH von ihrer Ersatzpflicht befreit.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.