LG Bonn, Urteil vom 17.06.2020 - 1 O 95/19
Fundstelle
openJur 2020, 31981
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche der Klägerin aus einem Wasserlieferungsvertrag.

Die Beklagte ist Eigentümerin des Areals "Z" der Universität K. Hinter dem Übergabepunkt für die Wasserversorgung aus dem öffentlichen Netz liegen zwei private Parallelnetze der Beklagten, nämlich eine Trinkwasserringleitung, die über den in einem Schacht in dem Fußweg zwischen den Hausnummern ... und ... der O-Allee liegenden Trinkwasseranschluss der Klägerin gespeist wird, und eine Löschwasserversorgung in Form einer eigenen Bevorratung mit einem 200 m³-Löschwassertank neben der am unteren Ende des Geländes befindlichen Yhalle, der eine Ringleitung bespeist, auf der sich im Außengelände 8 Überflurhydranten befinden und der über eine separate Abzweigung von der oben genannten Trinkwasserringleitung gespeist wird.

Am 16.07.2014 wurde für das genannte Areal ein Antrag auf Herstellung einer Trinkwasseranlage gestellt (Anlage K3), das in dem Feld "Kunde/Antragsteller" die Angaben "W NL B" und in dem Feld "Grundstückeigentümer" die Angabe "Land NRW, vertreten durch den W" enthalten. Zudem befindet sich in dem Feld "Unterschrift des Grundstückseigentümers bzw. des gesetzlich Berechtigten" ein Stempel des Bau- und Liegenschaftbetriebs NRW in B (im Folgenden W genannt) sowie eine nicht leserliche Unterschrift unter Beifügung des Zusatzes "i.A.".

Daraufhin erstellte die Klägerin unter dem 28.10.2014 ein entsprechendes Angebot, das an den W in B adressiert war (Anlage K4) und welches am 02.02.2015 angenommen wurde, wobei das Feld "Stempel Unterschrift Bauherr" erneut einen Stempel des W sowie die gleiche Unterschrift mit den Zusatz "i.A." wie bereits in der Anlage K3 enthält (ebenfalls Anlage K4).

Die bautechnische Herstellung wurde am 03.08.2015 fertiggestellt und die entsprechenden Kosten am 24.08.2015 beglichen. Unter dem 15.12.2015 beauftragte die Generalbauunternehmerin X AG die Inbetriebsetzung der Anlage (Anlage K5). Diese erfolgte sodann am 27.01.2016 durch Einbau eines Verbundwasserzählers in Form eines sog. Trockenläufers der Firma T GmbH, Typ A DN 50, Nr. ...# in dem Schacht im Fußweg zwischen den Hausnummern ... und ... der O-Allee.

Am 15.11.2017 teilte Frau U von der kaufmännischen Liegenschaftsbetreuung der Universität K die ihr von dem Mitarbeiter G der Technischen Abteilung der Universität K genannten Zählerstände unter Beifügung entsprechender Lichtbilder wie folgt mit: Zähler 1: 129.765 m³, Zähler 2: 3.852,2 m³ (Anlage K6). Die K-Netz GmbH und die Universität K prüften daraufhin gemeinsam, ob ggf. ein Rohrbruch vorlag, der nicht gefunden werden konnte, und lasen die Zähler in kurzen Intervallen erneut ab.

Am 07.12.2017 wurden die streitgegenständlichen Zähler zwecks Überprüfung bei Ständen von 129.797 m³ und 3.936 m³ entfernt(Anlage K7). Der Zähler 1 wurde am 15.12.2017 durch die Firma F & Sohn GmbH & Co. KG geprüft (Anlage K9). In der Folgezeit stellte sich heraus, dass die genannte Firma als staatlich anerkannte Prüfstelle für Messgeräte für Wasser den streitgegenständlichen Zähler nicht hätte prüfen dürfen, weil deren Prüfbank für die eidamtliche Befundprüfung von Verbundwasserzählern nicht zugelassen war und so insbesondere ein geeignetes Messgefäß nicht verwendet wurde. Daher wurde die genannte Firma durch den Landesbetrieb Mess- und Eichwesen NRW, im Folgenden kurz LBME NRW, angewiesen, den Prüfbericht aufzuheben. Am 17.04.2018 fand eine gemeinsame Begutachtung des Zählers bei dem LBME NRW statt, auf deren Grundlage der Prüfbericht vom 23.04.2018 (Anlage K10) erstellt wurde. In der Folgezeit legte die Beklagte ein Privatgutachten des Dipl.-Ing. I vor (Anlage K11). Daraufhin ließ die Klägerin bei der Herstellerin des Zählers eine Expertise zur Entwicklung des Verschleißes erstellen (im Einzelnen Bl. ... ff d.A.).

Unter dem 12.12.2017 stellte die Klägerin dem W in B für den Wasserverbrauch in dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 28.01.2016 bis zum 06.12.2017 einen Betrag in Höhe von 228.906,63 € in Rechnung (Anlage K8). Mit Schreiben vom 20.12.2017 an den W wurde nochmals vergeblich zur Zahlung aufgefordert. Im Anschluss an weiterem Schriftverkehr zahlte die Beklagte am 21.01.2019 für einen Verbrauch von 27.526,6 m² einen Betrag in Höhe von 48.226,18 €. Eine weitergehende Zahlung erfolgte nicht.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Antrag auf Herstellung einer Trinkwasseranlage vom 16.07.2014 sowie auch die Annahme des Angebots vom 02.02.2015 seien durch die Beklagte erfolgt, so dass diese vorliegend passivlegitimiert sei. Daher hafte die Beklagte einerseits aus Vertrag und andererseits im Hinblick darauf, dass die Firma F & Sohn GmbH & Co. KG hätte erkennen müssen, dass sie zur Prüfung des Verbundtrockenzählers nicht ausgerüstet sei, jedenfalls aus Amtshaftung, da bzw. wenn nicht mehr feststellbar sei, dass die genannte Wassermenge tatsächlich geliefert worden sei.

Sie behauptet, sie selbst habe die Beklagte in dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 28.01.2016 bis zum 06.12.2017 mit insgesamt 133.728 m³ Wasser beliefert. Der entsprechende Wasserverbrauch sei auch plausibel, insbesondere vor dem Hintergrund der Größe des Grundstücks sowie der Vielzahl der Gebäude. Auch müsse insoweit Berücksichtigung finden, dass sich das Bauwerk in dem streitgegenständlichen Zeitraum noch in der Bauphase befunden habe, wobei die Übernahme der Liegenschaften durch die Universität K jedenfalls unstreitig am 04.04.2017 (mit Ausnahme des Löschwassersystems) stattgefunden hat. Auch habe sich im Februar 2016 in dem Hörsaalzentrum und in 2017 an der Yhalle jeweils ein Rohrbruch ereignet. Weiter sei für den Feuerlöschtank nahe der Yhalle das Magnetventil defekt gewesen und so ein Überlauf nicht verhindert worden, vielmehr dauerhaft Wasser in den Behälter nachgeströmt, der durch das Überlaufrohr in die Kanalisation geflossen sei. Zudem hätten unkontrollierte Wasserentnahmen durch beauftragte Baufirmen stattgefunden. So sei etwa Wasser für die Teerung der Straße aus den Überflurhydranten und für die Bewässerung der Außenanlagen durch die beauftragte Gartenfirma aus den Außenflurhydranten entnommen worden. Auch hätten diverse Feuerlöschübungen stattgefunden. Nicht zuletzt sei ein sog. Ruhelastanstieg zu berücksichtigen.

Die Klägerin behauptet weiter, der Zähler 1 habe bei Übergabe 4 m³ und der Zähler 2 1 m³ aufgewiesen. Bei der Prüfung durch die Firma F & Sohn GmbH & Co. KG habe der Zähler 1 Messabweichungen innerhalb der Verkehrsfehlergrenzen und ein im Übrigen intaktes Zählwerk aufgewiesen. Allerdings hätten sich an diesem deutliche Verschleissspuren in Form von Ablagerungen an der Lagerplatte, einem eingelaufenen Flügellagerstift einseitig sowie ein leichter Verschleiß an der Lippendichtung der Umschalteinrichtung befunden. In einem im Frühjahr 2018 zwischen Mitarbeitern der Klägerin, der genannten Firma, des LBME NRW und des Herstellers stattgefundenen Begutachtung des Zählers hätten die Vertreter des LBME NRW eingeräumt, dass trotz der formell fehlerhaften Prüfung durch die genannte Firma maximal eine Messabweichung von 10-20 % in Frage komme und man bei einer Befundprüfung im Wesentlichen zu den gleichen Ergebnissen gekommen wäre. In einem Termin mit dem beklagtenseits beauftragten Sachverständigen Dipl.-Ing. I habe dieser der Beurteilung zugestimmt. Die Prüfung des LBME NRW habe sodann im Wesentlichen ergeben, dass infolge des vorgefundenen Verschleißbildes der Zähler über einen längeren Zeitraum weit oberhalb des höchsten zulässigen Durchflusses gelaufen sei, Anzeichen für eine fehlerhafte Messung demgegenüber nicht festzustellen gewesen seien. Rollensprünge seien bei Verbundwasserzählern nicht bekannt, zumal es sich unstreitig um einen sog. "Trockenläufer" handele. Die klimatischen Bedingungen im Schacht würden denen der Wassertemperatur zwischen 12 und 16°C entsprechen, wodurch ausgeschlossen sei, dass der Zähler von Temperaturen unter 5°C ausgesetzt gewesen sei. Im Übrigen weise das die Zähler durchströmende Wasser selbst im Winter eine Temperatur von 12 °C und der Schacht eine Erdbodentemperatur von 10°C auf, ohnehin würde eine Umgebungstemperatur von unter 5°C den Zähler nicht beschädigen, solange das durchfließende Wasser nicht gefriere. Auch sei insoweit ausgeschlossen, dass die erste Zahl des Zählers von Beginn an die Ziffer 1 angezeigt hätte, insbesondere da das Zählwerk nach Herstellung einmal komplett bis 999999 gedreht werde.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 180.680,45 € zzgl. Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus 228.906,63 € vom 03.01.2018 bis zum 21.01.2019 und aus 180.680,45 € seit 22.01.2019 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.831,21 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, sie sei bereits nicht passivlegitimiert, da sich das entsprechende Angebot an den W gerichtet, der dieses auch angenommen habe. Zudem liege ein offensichtlicher Fehler im Sinne des § 30 AVBWasserV vor.

Die Beklagte behauptet insoweit, der erhöhte Verbrauch sei nicht nachvollziehbar und beruhe auf einem Defekt des Zählers. Dies ergebe sich bereits aus der Tatsache, dass in dem Zeitraum vom 05.01.2018 bis zum 22.06.2018 nunmehr ein Wasserverbrauch von 3.023 m³ und in dem Zeitraum vom 22.06.2018 bis zum 27.10.2018 ein solcher von 2.623 m³ habe festgestellt werden können, was zwischen den Parteien unstreitig ist. Zudem habe der von ihr beauftragte Privatsachverständige Dipl.Ing. I festgestellt, dass der Zähler 100.000 m³ zu viel angezeigt habe, entweder aufgrund zeitweiser Verwendung unter der zulässigen Mindesttemperatur von +5°C oder infolge eines Fehlers bei der Einstellung des Rollenzählwerks bzw. eines Rollensprungs. Abschließende Feststellungen seien insoweit hingegen infolge der Demontage des Zählers nicht mehr möglich (vgl. Bezugnahme auf Privatsachverständigengutachten in den Anlagen K11, B2 und B4). Ein Rollensprung habe auch nach dem Herstellungsprozess in der Zeit bis zum Einbau des Zählers, insbesondere durch ruckartige Erschütterungen bei dessen Transport oder Einbringen, entstehen können. Die Bauarbeiten seien Anfang 2016 und damit zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Wasserzählers zudem bereits im Wesentlichen abgeschlossen gewesen. Während der gesamten Bauphase und auch in der sich anschließenden Zeit seien weder Leckagen noch Rohrbrüche aufgetreten. An der Yhalle habe sich am 06.08.2017 ein Rohrbruch lediglich außerhalb des Leistungsnetzes ereignet, welches von dem streitgegenständlichen Zähler erfasst worden sei. Auch bestünden keinerlei Anhaltspunkte für einen unkontrollierten Wasserabfluss. Eine vorübergehende Störung des Magnetventils sei infolge zeitautomatisierter Nachspeisung ausgeschlossen. Im Übrigen ist die Beklagte der Auffassung, es habe es eine erhebliche Obliegenheitsverletzung der Klägerin dargestellt, dass innerhalb der des streitgegenständlichen Zeitraums von 22 Monaten eine Ablesung nicht stattgefunden habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und die diesen beigefügten Anlagen sowie auf die Protokolle der Termine zur mündlichen Verhandlung vom 02.12.2019 und 05.02.2020 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 180.680,45 € weder aus dem streitgegegenständlichen Wasserlieferungsvertrag noch wegen der Verletzung einer Amtspflicht gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG zu.

1.

Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus dem Wasserlieferungsvertrag scheitert bereits an der fehlenden Passivlegitimation der Beklagten, da nach der Auslegung der vertraglichen Dokumente Vertragspartner der Klägerin allein der W geworden ist.

Denn aus dem in der Anlage K3 vorgelegten Antrag auf Herstellung einer Trinkwasseranlage ist ersichtlich, dass als Antragsteller allein der W angegeben wurde, und zudem stammt ausweislich des Stempels auch die Unterschrift von einem durch diesen Bevollmächtigten. Einzig in dem Feld "Grundstückseigentümer" wurde die Beklagte "vertreten durch den W" genannt. Diese Formulierung macht nach Auffassung der Kammer jedoch lediglich deutlich, dass der W für die Beklagte als zwischen den Parteien unstreitige Grundstückseigentümerin tätig werden sollte. So wurde auch das unter dem 28.10.2014 erstellte entsprechende Angebot der Klägerin an den W in B adressiert und ausweislich des mit dem Begriff "Stempel Unterschrift Bauherr" gekennzeichneten Unterschriftsfeldes am 02.02.2015 ebenfalls durch diesen angenommen. Denn hier findet sich erneut der Stempel des W versehen mit der gleichen Unterschrift und dem Zusatz "i.A." wie bereits in dem Antrag in der Anlage K3 (vgl. Anlage K4).

Auch die Klägerin selbst sah den W offenbar als ihren Vertragspartner an, da sie die Rechnung für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 28.01.2016 bis zum 06.12.2017 unter dem 12.12.2017 an diesen adressierte (Anlage K8) und ihn mit Schreiben vom 20.12.2017 zudem nochmals zur Zahlung aufgeforderte.

Der W ist dabei auch gemäß § 1 Abs. 1, 2 BLBG teilrechtsfähiges Sondervermögen des Landes Nordrhein-Westfalen mit eigener Wirtschafts- und Rechnungsführung, das unter seinem Namen im Rechtsverkehr handeln sowie klagen und verklagt werden kann. Dass gemäß § 3 Abs. 3 BLBG letztlich die Beklagte für die Verbindlichkeiten des W haftet, ändert hieran nichts. Denn nach Auffassung der Kammer handelt es sich nach dessen eindeutigem Wortlaut, nach dem es weiterhin die Verbindlichkeiten des W selbst sind und verbleiben, um eine reine Ausfallhaftung (so auch LG Köln, Urteil v. 26.06.2018, 5 O 452/16 Bl. 219 ff d.A.).

2.

Ein entsprechender Zahlungsanspruch steht der Klägerin gegen die Beklagte auch nicht wegen der Verletzung einer Amtspflicht gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG zu.

Denn nach Auffassung der Kammer ist der Klägerin die Durchsetzung ihrer Ansprüche nicht wegen der Öffnung des Zählers durch die Firma F & Sohn GmbH & Co. KG unmöglich, weil ein Wasserverbrauch infolge dieser Öffnung durch die Firma F & Sohn GmbH & Co. KG als Beliehene der Beklagten zwecks Vollzugs des Eichgesetzes nicht mehr festgestellt werden könnte.

Vielmehr berechtigen nach Auffassung der Kammer bereits die vorgebrachten Einwände gegen die streitgegenständliche Rechnung der Klägerin die Zahlungsverweigerung nicht, weil sich nicht gemäß § 30 AVBWasserV aus den Umständen ergibt, dass offensichtliche Fehler vorliegen.

Nach § 30 AVBWasserV sind im Zahlungsprozess des Versorgungsunternehmens Einwände des Kunden gegen die vom Versorgungsunternehmen erteilten Rechnungen nur zugelassen, wenn und soweit sich aus den Umständen ergibt, dass offensichtliche Fehler vorliegen. Zu diesen vom Einwendungsausschluss erfassten Fehlern zählen [...] insbesondere Mess-, Ablese- oder Rechenfehler, die bei der Verbrauchserfassung oder -berechnung aufgetreten sind [...]. Allerdings ist der Einwand, dass solche Fehler vorliegen, im Zahlungsprozess des Versorgungsunternehmens erst dann erheblich, wenn die Richtigkeit dieses Einwands nach den Umständen offensichtlich ist. Das setzt [...] voraus, dass die Rechnung bereits auf den ersten Blick Fehler erkennen lässt, also bei objektiver Betrachtung kein vernünftiger Zweifel über die Fehlerhaftigkeit möglich ist (BGH, Urteil vom 21.11.2012, Az. VIII ZR 17/12 in NJW 2013, 2273 Rn. 14-16).

Nach Auffassung der Kammer ergibt sich bereits aus dem komplexen Vortrag sowie der Tatsache, dass die Beklagte sich zur Erhebung der Einwendungen eines Privatsachverständigen bedienen musste, dass es sich nicht um einen offensichtlichen Fehler in diesem Sinne handeln kann. Die Klägerin hat vielmehr schlüssig und nachvollziehbar, wenn auch bestritten, dargelegt, dass sich das Vorhaben noch in der Bauphase befunden und unkontrollierte Wasserentnahmen durch die diversen Gewerke, zur Bewässerung der Aussenanlagen sowie für die Teerung der Straße erfolgt seien. Zudem habe es jedenfalls zwei Rohrbrüche gegeben, wobei der an der Yhalle zwischenzeitlich von der Beklagten eingeräumt wurde, wenn auch zwischen den Parteien weiter streitig ist, ob der streitgegenständliche Zähler infolge getrennter Leitungsnetze von dieser Wasserentnahme betroffen sein kann.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte weiter vorbringt, in der Folgezeit in 2018 habe lediglich ein Wasserverbrauch von etwa 6.500 m³ stattgefunden. Zwar ergibt sich hochgerechnet auf zwei Jahre mit ca. 13.000 m³ im Gegensatz zu den beiden streitgegenständlichen Vorjahren etwa eine Reduzierung des Verbrauchs um das Zehnfache. Nach Auffassung der Kammer führt dieser Umstand jedoch nicht zu einer Offensichtlichkeit des Fehlers der Abrechnung der Klägerin, da sich die beiden Zeiträume infolge der genannten Begleitumstände in den Jahren 2016 und 2017, die nach der tatsächlichen Ingebrauchnahme des Universitätsgeländes nicht mehr zum Tragen kamen, tatsächlich nicht miteinander vergleichen lassen und daher, anders als ggf. in einem Privathaushalt, der genannte Verbrauch in 2018 nicht als Vergleichsmaßstab dienen kann.

Nach Auffassung der Kammer ist daher auch die von der Beklagten zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 07.02.2018 unter dem Aktenzeichen VIII ZR 148/17 (in NJW-RR 2018, 1012) zu § 17 Abs. 2 Nr. 1 StromGVV nicht auf den streitgegenständlichen Fall übertragbar. Dort hat der Bundesgerichtshof auszugsweise wie folgt ausgeführt:

"Die Frage, ob von einem Haushaltskunden erhobene Einwendungen gegen eine Stromrechnung die "ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers" belegen und den Kunden deshalb zur Zahlungsverweigerung nach § 17 II Nr. 1 StromGVV berechtigen, ist unter Würdigung aller konkreten Umstände des Einzelfalls zu beantworten (hier: angebliche Verzehnfachung des Verbrauchs bei moderatem Haushaltszuschnitt). Danach berechtigte Einwendungen des Kunden hat der Versorger bereits im Zahlungsprozess zu widerlegen. [...] Den Interessen der Kunden an der Geltendmachung von Einwänden kann danach ein solches Gewicht zukommen, dass es unangemessen wäre, diese im Zahlungsprozess unberücksichtigt zu lassen und die Kunden auf einen Rückforderungsprozess zu verweisen. [...] Der typische Anwendungsbereich des Einwendungsausschlusses betrifft somit Streitigkeiten über Mess- und Ablesefehler, in denen es regelmäßig um überschaubare Beträge geht und es dem Haushaltskunden auch zumutbar ist, mit der Prüfung seiner Einwände auf eine Beweisaufnahme im Regressprozess verwiesen zu werden. Aus diesem Rahmen fällt allerdings eine Fallgestaltung wie die vorliegende, in der dem Haushaltskunden weit außerhalb jeder Plausibilität liegende Verbrauchsmengen und dementsprechend Nachforderungen in einer Höhe in Rechnung gestellt werden, die zu einer finanziellen Bedrängnis eines durchschnittlichen Privathaushalts führen können, deutlich heraus. [...]"

Diese Entscheidung zu § 17 Abs. 2 Nr. 1 StromGVV ist nach Auffassung der Kammer auf den vorliegenden Fall im Rahmen des § 30 AVBWasserV bereits nicht anwendbar. Denn § 17 Abs. 2 Nr. 1 StromGVV setzt nach dessen Wortlaut lediglich die "ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers" voraus, während im Falle des § 30 AVBWasserV tatsächlich ein offensichtlicher Fehler vorliegen muss. Auch ist der von dem Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung bezweckte besondere Schutz des Privathaushaltes vor finanzieller Bedrängnis auf den Staatshaushalt nicht ohne Weiteres übertragbar. Soweit der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung als weiteres Hilfsargument anbringt, ein Verweis der dortigen Beklagten auf den Sekundärprozess stelle eine sinnlose Förmelei dar, da eine Begutachtung des dort inzwischen entsorgten Zählers nicht mehr möglich sei und die Beklagte in einem Sekundärprozess zwangsläufig obsiegen müsse, so liegt der Fall hier gerade anders, weil der Zähler im Grundsatz zwecks Begutachtung noch vorhanden ist und in einem Folgeprozess zudem die entsprechend hiermit befassten Personen noch als Zeugen vernommen werden können.

Soweit die Beklagte weiter behauptet, die Klägerin habe durch die Ablesung erst nach etwa 22 Monaten die ihr gemäß § 20 AVBWasserV obliegende Pflicht zur regelmäßigen Ablesung verletzt, so sieht diese Regelung nach ihrem eindeutigen Wortlaut zum einen lediglich eine Ablesung in möglichst gleichen Abständen vor und zum anderen hätte eine diesbezügliche Pflichtverletzung auf den vorliegenden Anspruch der Klägerin ohnehin keinen Einfluss.

Aus den genannten Gründen war auch dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens vom 19.05.2020 wegen Vorgreiflichkeit gemäß § 148 ZPO nicht zu entsprechen.

Mangels Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf die Nebenforderungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 709 S. 1, 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 180.680,45 EUR festgesetzt.