VG Sigmaringen, Beschluss vom 07.09.2017 - 5 K 587/17
Fundstelle
openJur 2020, 33072
  • Rkr:
Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 06.02.2017 gegen die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Sigmaringen vom 23.12.2016 wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten sowie die außer-gerichtlichen Kosten des Antragstellers je zur Hälfte; ihre außergerichtlichen Kosten behalten Antragsgegner und Beigeladene auf sich.

Der Streitwert wird auf 22.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Der am 08.02.2017 eingegangene Antrag des Antragstellers nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 06.02.2017 gegen die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Sigmaringen vom 23.12.2016 wiederherzustellen, hat Erfolg.

I. Der Antrag ist zulässig.

Er ist statthaft, da der Antragsgegner in Nr. 2 des Genehmigungsbescheids vom 23.12.2016 die sofortige Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der drei streitigen Windenergieanlagen angeordnet hat. Nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eines Dritten - hier des Antragstellers - die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs wiederherstellen.

Der Antragsteller ist insbesondere auch antragsbefugt, da er gem. § 42 Abs. 2 VwGO analog erfolgreich geltend machen kann, durch die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 23.12.2016 möglicherweise in eigenen Rechten verletzt zu sein. Er hat Tatsachen vorgetragen, welche die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Genehmigung und die dadurch bewirkte Verletzung eigener Rechte als jedenfalls denkbar erscheinen lassen (vgl. Wahl/Schütz, in: Schoch u.a., VwGO, § 42 Rn. 67).

Nach der drittschützenden Norm des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können.

Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks D. X i. XXX B., wo er auch wohnt. Sein Wohnhaus befindet sich in einer Entfernung von etwa 733 m zur nächstgelegenen der drei Windenergieanlagen. Angesichts der Lage des Grundstücks und des Wohnhauses des Antragstellers sowie der Größe und Anzahl der genehmigten Windenergieanlagen ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass er dort schädlichen Umwelteinwirkungen durch deren Betrieb ausgesetzt sein wird (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.07.2015 - 8 S 534/15 -, Rn. 10, juris, der bei einem Abstand von 1.500 m zu sieben genehmigten Windenergieanlagen ohne weiteren Begründungsaufwand von einer Klagebefugnis ausging). Dies ergibt sich bereits daraus, dass die vom Antragsgegner erteilte Genehmigung - vor dem Hintergrund des im Genehmigungsverfahren von der Beigeladenen vorgelegten diesbezüglichen Gutachtens - mit Hilfe einer Auflage sicherstellen will, dass am Standort des Antragstellers eine Lärmbelastung von 43,2 dB(A) nachts nicht überschritten wird. Es erscheint - schon angesichts dieser Auflage - zumindest denkbar, dass der ggf. heranzuziehende Grenzwert von 45 dB(A) nachts für ein Kern-, Dorf- und Mischgebiet nach Nr. 6.1 der TA Lärm am Standort des Antragstellers möglicherweise nicht ohne Weiteres eingehalten werden kann. Ebenso ist es nicht völlig ausgeschlossen, dass das Anwesen des Antragstellers durch den Betrieb der Windenergieanlagen einem unzulässigen Schattenwurf ausgesetzt wird. Auch dies wird daran deutlich, dass der Antragsgegner es für notwendig erachtet hat, durch eine Auflage sicherzustellen, dass der Schattenwurf mit Hilfe einer Abschaltautomatik im gesetzlich zulässigen Rahmen bleibt.

Vor diesem Hintergrund ist irrelevant, dass sich der Antragsteller zur Begründung seiner Antragsbefugnis nicht auf § 3c Satz 2 UVPG (a.F. in der Fassung bis zum 01.01.2017) i.V.m. § 4 Abs. 1, Abs. 3 UmwRG berufen kann. § 4 Abs. 3 UmwRG räumt dem Einzelnen zwar eine selbstständig durchsetzbare Verfahrensposition mit der Folge ein, dass (u.a.) der Verfahrensfehler einer dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG (a.F.) nicht genügenden UVP-Vorprüfung abweichend von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Begründetheit der Klage bzw. des Antrags führt, ohne dass es darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften des UVP-Rechts der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts Einzelner dienen und ob der Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben kann, wie es § 46 LVwVfG sonst voraussetzt (BVerwG, Urteil vom 20.12.2011 - 9 A 30.10 -, Rn. 22; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.04.2016 - 3 S 373/16 -, Rn. 11; Beschluss vom 06.07.2015 - 8 S 534/15 -, Rn. 8; VG Freiburg, Beschluss vom 05.02.2016 - 4 K 2679/15 -, Rn. 10, jeweils juris). Für die Beurteilung der - unabhängig davon zu begründenden - Antragsbefugnis hat die Norm aber keine Bedeutung (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.2013 - 4 A 1.13 -, Rn. 41, juris; Urteil vom 20.12.2011 - 9 A 30.10 -, Rn. 20, juris).

II. Der Antrag ist auch begründet.

1. Die Begründetheit des Antrags ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass die Anordnung des Sofortvollzugs in der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 23.12.2016 nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend schriftlich begründet worden wäre.

Das Begründungserfordernis dient dazu, die Behörde zu einer sorgfältigen Prüfung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts anzuhalten (vgl. zum Folgenden VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.07.2015 - 8 S 534/15 -, Rn. 17, juris; Beschluss vom 25.09.2012 - 10 S 731/12 -, Rn. 5 f., juris). Dem Betroffenen sollen die für die Sofortvollzugsanordnung maßgeblichen Gründe zur Kenntnis gebracht werden, so dass ihm eine Verteidigung seiner Rechte möglich ist. Die Begründung der Sofortvollzugsanordnung soll weiterhin Grundlage für eine gerichtliche Kontrolle der Anordnung sein. Aus der Sofortvollzugsanordnung muss daher hinreichend nachvollziehbar hervorgehen, dass und aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Fall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts den Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt und aus welchen im dringenden öffentlichen oder im Interesse eines Beteiligten liegenden Gründen sie es für gerechtfertigt oder geboten hält, den durch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ansonsten eintretenden vorläufigen Rechtsschutz einstweilen zurückzustellen. Ob und inwieweit die von der Behörde dargelegten Gründe inhaltlich zutreffen, ist dagegen für die Einhaltung des nur formellen Begründungserfordernisses nicht von Bedeutung. Auch einer Auseinandersetzung mit den entgegenstehenden Interessen des Antragstellers bedarf es im Rahmen der Begründung der Sofortvollzugsanordnung nicht. Diese Abwägung ist der gerichtlichen Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung vorbehalten.

Gemessen an diesem rechtlichen Maßstab ist die schriftliche Begründung der Sofortvollzugsanordnung im Bescheid vom 23.12.2016 nicht zu beanstanden. Sie lässt die für die Behörde maßgeblichen, auf diesen Fall bezogenen Gründe hinreichend klar erkennen. Das Landratsamt Sigmaringen begründet die Anordnung der sofortigen Vollziehung damit, dass das Vollzugsinteresse der Beigeladenen die möglichen Suspensivinteressen potentieller Widerspruchsführer überwiege und zudem ein öffentliches Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung bestehe. Die Sicherheit und Wirtschaftlichkeit der Energieversorgung stelle ein Gemeinschaftsinteresse höchsten Ranges dar. Insbesondere die Förderung der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien und vor allem aus Windkraft liege im öffentlichen Interesse. Der Betrieb von Windkraftanlagen trage unmittelbar zum Klimaschutz bei. Eine Verzögerung der Vollziehung der Genehmigung sei mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen für den Vorhabenträger verbunden. Insbesondere reduziere sich die Einspeisevergütung für Strom aus Windenergie nach § 20 EEG jährlich um ca. 1,5%. Zu den täglichen Ertragsausfällen käme ein wirtschaftlicher Schaden in ähnlicher Höhe durch die Verhinderung der Ausnutzung von Ansparabschreibungen hinzu. Es drohten erhebliche Mindereinnahmen über einen Zeitraum von 20 Jahren. Erhebliche schützenswerte Rechte und Interessen Dritter stünden der Verwirklichung des Vorhabens nicht entgegen.

2. Jedoch ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 23.12.2016 in materieller Hinsicht rechtlich zu beanstanden.

In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht auf der Grundlage einer Abwägung des Vollzugsinteresses mit dem Suspensivinteresse. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. In Fällen der Drittanfechtung ist ferner im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass sich nicht allein das öffentliche Vollzugsinteresse und das private Interesse an einer Beibehaltung des Status quo gegenüberstehen; eine vorläufige gerichtliche Regelung muss vielmehr auch das Interesse der durch den Verwaltungsakt begünstigten Beigeladenen an der ihr eingeräumten Rechtsposition berücksichtigen.

Die summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass der Widerspruch des Antragstellers gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 23.12.2016 voraussichtlich erfolgreich sein wird. Nach summarischer Prüfung spricht zwar viel dafür, dass die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung letztlich nicht gegen drittschützende Normen verstößt. Die Frage kann aber dahinstehen, da das Ergebnis der UVP-Vorprüfung des Antragsgegners, wonach keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei, an einem der gerichtlichen Überprüfung unterliegenden Fehler leiden dürfte, der zur Begründetheit auch des Nachbarrechtsbehelfs führt.

a) Zugrunde zu legen ist dabei prozessrechtlich zwischenzeitlich das Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) in der Fassung vom 02.06.2017 (BGBl. I S. 1298). Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UmwRG gilt dieses Gesetz in seiner aktuellen Fassung für Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 UmwRG, die nach dem 25.06.2005 ergangen sind. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 23.12.2016 ist eine Zulassungsentscheidung i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) UmwRG i.V.m. § 2 Abs. 6 Nr. 1 UVPG, da es sich um eine Genehmigung handelt, die in einem Verwaltungsverfahren getroffen wird und für die eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bestehen kann. Keine Anwendung mehr findet daher insbesondere § 4a UmwRG (a.F. in der Fassung vom 03.05.2013 bis 01.06.2017), nach dessen Absatz 3 § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO mit der Maßgabe anzuwenden war, dass das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung (erst) wiederherstellen konnte, wenn im Rahmen einer Gesamtabwägung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestanden.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der (materiellen) Sach- und Rechtslage ist der Erlass der letzten Behördenentscheidung, mithin hier derjenige des - noch ausstehenden - Erlasses des Widerspruchsbescheids (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.08.2014 - 10 S 1853/13 -, Rn. 6, juris; Urteil vom 14.05.2012 - 10 S 2693/09 -, Rn. 62, juris). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestimmt sich der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts nicht nach dem Prozessrecht, sondern nach dem jeweiligen materiellen Recht. Im Zweifel ist bei Anfechtungsklagen der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich (siehe etwa BVerwG, Urteil vom 06.04.2000 - 3 C 6.99 -, Rn. 29, juris). Diese Grundsätze sind insbesondere auch bei der hier in Rede stehenden - in der Hauptsache einschlägigen - Drittanfechtungsklage gegen eine der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung maßgeblich (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.05.2012 - 10 S 2693/09 -, Rn. 62, juris). Für die gerichtliche Kontrolle einer verfahrensrechtlichen Zwischenentscheidung - etwa über die Erforderlichkeit einer UVP - ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt dieser Entscheidung maßgeblich.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 UmwRG unter anderem verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist. Ein solcher Fall liegt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG auch dann vor, wenn eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalles über die UVP-Pflichtigkeit nicht dem Maßstab von § 5 Absatz 3 Satz 2 UVPG (entspricht § 3a Satz 4 UVPG a.F.) genügt. Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG gilt gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 UmwRG auch für Rechtsbehelfe von Personen nach § 61 Nr. 1 VwGO und damit auch für den Antragsteller. Sie wird so auf Rechtsbehelfe erstreckt, deren Zulässigkeit von der Geltendmachung subjektiv-öffentlicher Rechte abhängt. Hat die Behörde eine Umweltverträglichkeitsprüfung fehlerhaft unterlassen oder leidet sie an einem gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG gleichgestellten schwerwiegenden Fehler, ist dieser Mangel erheblich, ohne dass es nach nationalem Recht darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts dienen und ob dieser Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.11.2014 - 10 S 3450/11 -, Rn. 58, juris).

Sofern in der Anlage 1 des UVP-Gesetzes für ein Vorhaben eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls vorgesehen ist, ist nach § 3c Satz 1 UVPG eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund einer überschlägigen Prüfung unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 zum UVPG aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 UVPG zu berücksichtigen wären. Sofern für ein Vorhaben mit geringer Größe oder Leistung eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls vorgesehen ist, gilt nach § 3c Satz 2 UVPG das Gleiche, wenn trotz der geringen Größe oder Leistung des Vorhabens nur aufgrund besonderer örtlicher Gegebenheiten gemäß den in der Anlage 2 Nr. 2 aufgeführten Schutzkriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen zu erwarten sind. Die Vorschrift spricht von einer "überschlägigen Prüfung". Die zuständige Behörde darf deshalb nicht bereits im Rahmen der Vorprüfung mit einer der Umweltverträglichkeitsprüfung vergleichbaren Prüftiefe "durchermitteln" und damit unzulässigerweise die eigentliche Umweltverträglichkeitsprüfung unter Missachtung der für diese obligatorischen Öffentlichkeitsbeteiligung vorwegnehmen; sie ist vielmehr auf eine überschlägige Vorausschau beschränkt. Die Vorprüfung darf sich andererseits auch nicht in einer oberflächlichen Abschätzung spekulativen Charakters erschöpfen, sondern muss auf der Grundlage geeigneter und ausreichender Informationen erfolgen. Hierzu zählen auch vom Vorhabenträger eingeholte Fachgutachten, die gegebenenfalls durch zusätzliche Ermittlungen der Behörde ergänzt werden können. Bei der Frage, welche Unterlagen und Informationen als geeignete Grundlage einer überschlägigen Prüfung benötigt werden, kommt der Behörde ein Einschätzungsspielraum zu (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.04.2016 - 3 S 373/16 -, Rn. 27, juris).

Beruht die Entscheidung, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterbleiben soll, auf einer Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c UVPG, ist gemäß § 3a Satz 4 UVPG die Einschätzung der zuständigen Behörde in einem gerichtlichen Verfahren hinsichtlich der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens ausschließlich darauf zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben von § 3c UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. Dementsprechend muss eine Vorprüfung überhaupt stattgefunden haben, und das Ergebnis der Vorprüfung darf keine Rechtsfehler aufweisen, die seine Nachvollziehbarkeit ausschließen. Diese Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle verdeutlicht, dass der Genehmigungsbehörde für ihre prognostische Beurteilung möglicher Umweltauswirkungen des Vorhabens ein Einschätzungsspielraum zusteht. Gefordert ist eine Plausibilitätskontrolle, bei der die von der Behörde für ihr Prüfergebnis gegebene Begründung zugrunde zu legen ist. Dies bedeutet zugleich, dass nachträglich gewonnene Erkenntnisse, die die Auswirkungen in einem anderen Licht erscheinen lassen könnten, für die Tragfähigkeit des Prüfergebnisses und damit der verfahrenslenkenden Entscheidung über die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht maßgeblich sein können (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.12.2014 - 4 C 36.13 -, Rn. 30, juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.10.2014 - 10 S 3450/11 -, Rn. 59, juris).

b) Bei Anwendung dieser Maßstäbe dürfte die von dem Antragsgegner durchgeführte standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalles an im gerichtlichen Verfahren zu beanstandenden Fehlern leiden, die der Antragsteller rügen kann.

Das Vorhaben der Beigeladenen ist nach den Maßgaben des § 3c Satz 2 UVPG vorprüfungspflichtig (dazu aa)). Die hier konkret durchgeführte standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls dürfte nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG i.V.m. § 3c Satz 2 UVPG genügen. Zwar dürfte die Feststellung des Antragsgegners, dass förmlich ausgewiesene Schutzgebiete durch das Vorhaben nicht beeinträchtigt werden, nicht zu beanstanden sein (dazu bb)). Jedoch hat der Antragsgegner die im Vorhabengebiet vorgefundenen Dichtezentren von Rotmilanen als ökologisch ähnlich sensible Lebensräume nicht angemessen berücksichtigt (dazu cc)). Überdies genügt die Dokumentation der Entscheidung des Antragsgegners, eine UVP nicht durchzuführen, nicht den Anforderungen des § 3c Satz 6 UVPG (dazu dd)). Aufgrund dieser Mängel kommt es auf die Frage, ob der Antragsteller potentielle Verstöße allein gegen das artenschutzrechtliche Zugriffsverbot nach § 44 Abs. 1 BNatSchG rügen kann, nicht an (dazu ee)). Die bisher nicht oder unzureichend durchgeführte UVP-Vorprüfung und eine ggf. erforderliche UVP können grundsätzlich nachgeholt werden; dies steht aber der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bis auf Weiteres nicht entgegen (dazu ff) und 3.).

aa) Nach § 3c Satz 2 UVPG in Verbindung mit Nr. 1.6.3 der Anlage 1 UVPG erfordert die Genehmigung der Errichtung und des Betriebs der von der Beigeladenen geplanten drei Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von jeweils 217 m eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls, um die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu klären. Das Landratsamt hat eine solche Vorprüfung mit dem Ergebnis vorgenommen, dass von den geplanten Windkraftanlagen keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen ausgingen und eine Umweltverträglichkeitsprüfung deshalb nicht erforderlich sei. Das Ergebnis der Vorprüfung wurde auf der Homepage des Landkreises Sigmaringen am 15.12.2016 ordnungsgemäß bekannt gemacht.

bb) In wohl rechtlich nicht zu beanstandender Weise hat der Antragsgegner dabei erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen auf förmlich ausgewiesene Schutzgebiete verneint.

(1) Bei einer standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls sind nach § 3c Satz 2 UVPG grundsätzlich (lediglich) die in der Anlage 2 Nr. 2 UVPG aufgeführten Schutzkriterien zu berücksichtigen. Erforderlich ist dementsprechend (nur) eine eingeschränkte Einzelfallprüfung, die sich ausschließlich auf den Standort bezieht, auf dem das Vorhaben verwirklicht werden soll. Das hat seinen Grund darin, dass von einer standortbezogenen Vorprüfung nur Vorhaben von geringer Größe oder Leistung erfasst werden, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass ihre Umweltauswirkungen regelmäßig so gering sind, dass eine Verpflichtung zur Umweltverträglichkeitsprüfung nicht gerechtfertigt ist. Die standortbezogene Vorprüfung soll daher dazu dienen, ausschließlich die spezifischen Standortbedingungen daraufhin zu überprüfen, ob trotz der geringen Größe des Vorhabens eine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig ist oder nicht. Es sind danach nur solche Vorhaben UVP-pflichtig, die eine Gefährdung spezifischer ökologischer Schutzfunktionen befürchten lassen; auf ihre allgemeine Umweltrelevanz kommt es nicht an (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.04.2016 - 3 S 373/16 -, Rn. 31, juris, m.w.N.).

Auszugehen ist daher von Art und Umfang des dem betreffenden Gebiet jeweils konkret zugewiesenen Schutzes. Im Rahmen einer standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c Satz 2 UVPG ist daher lediglich der Frage nachzugehen, ob das Vorhaben aufgrund besonderer örtlicher Gegebenheiten gemäß den in der Anlage 2 Nr. 2 zum UVPG aufgeführten Schutzkriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen erwarten lässt. Durch den Gebrauch des Begriffs "Schutzkriterien" in § 3c Satz 2 UVPG bringt das Gesetz trotz der Erwähnung der gesamten Nummer 2 der Anlage 2 im Ergebnis zum Ausdruck, dass im Grundsatz allein darauf abzustellen ist, ob durch das Vorhaben die in der Nummer 2.3 der Anlage 2 aufgeführten Gesichtspunkte erheblich tangiert werden können (Hessischer VGH, Beschluss vom 25.07.2017 - 9 B 2522/16 -, Rn. 14, juris). Die in Nummer 2.1 und 2.2 der Anlage 2 zum UVPG genannten Nutzungs- und Qualitätskriterien müssen im Rahmen der standortbezogenen Vorprüfung hingegen nicht unmittelbar betrachtet werden (vgl. hierzu allerdings auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.05.2017 - 8 A 870/15 -, Rn. 79, juris, m.w.N.).

Zu berücksichtigen sind somit in erster Linie die Schutzkriterien der in der Nummer 2.3.1 ff. der Anlage 2 zum UVPG ausdrücklich genannten förmlich ausgewiesenen Schutzgebiete (zu weiteren Anwendungsfällen siehe cc) (1)).

(2) Das Ergebnis der UVP-Vorprüfung des Antragsgegners dürfte nach diesen Maßstäben insoweit nicht zu beanstanden sein, als er davon ausgeht, dass durch das Vorhaben keine Schutzkriterien eines förmlich ausgewiesenen Schutzgebiets direkt oder indirekt beeinträchtigt werden. Das Vorhaben liegt nicht innerhalb eines der in Nr. 2.3 der Anlage 2 zum UVPG genannten förmlich ausgewiesenen Schutzgebiete, insbesondere nicht in einem Natura 2000-Gebiet nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 BNatSchG (Nr. 2.3.1 der Anlage 2 zum UVPG). Überdies dürfte die Einschätzung des Antragsgegners nicht zu beanstanden sein, dass durch die Errichtung und den Betrieb der drei streitigen Windenergieanlagen auch relevante indirekte Beeinträchtigungen des etwa 5 km entfernten FFH-Gebiets "Federsee und Blinder See bei Kanzach" sowie des Vogelschutzgebiets "Federseeried" nicht zu erwarten sind. Er stützt diese Feststellung, die er in seinem Vermerk vom 12.12.2016 über seinen Beschluss, eine UVP nicht durchzuführen, festgehalten hat, im Wesentlichen auf die von der Beigeladenen vorgelegten - auf denselben Tag (12.12.2016) datierten - Fachbeiträge "Standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c UVPG i.V. mit § 10 UVwG" (im Folgenden: Fachbeitrag zur standortbezogenen Vorprüfung) und "Artenschutzrechtliche Prüfung nach § 44 BNatSchG" (im Folgenden: Fachbeitrag zur artenschutzrechtlichen Prüfung) des Büros P. S.. Insbesondere hat sich der Antragsgegner damit auseinandergesetzt, dass zwischen Federsee und Bodensee ein wichtiger Vogelzugkorridor verläuft und daher die Gefahr bestehen kann, dass Zugvögel, die dem Schutz des Vogelschutzgebiets Federseeried unterliegen, einem signifikant erhöhten Kollisionsrisiko ausgesetzt werden. Jedoch hat er auf Grundlage der vom Beigeladenen (hierzu z.T. nachgeforderten) vorgelegten Fachbeiträge vom 12.12.2016 - insoweit - plausibel festgestellt, dass es keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen Hauptvogelzugkorridor - insbesondere von Vogelarten, die vom Schutz des Vogelschutzgebiets Federseeried erfasst sind - über das Projektgebiet gibt, die die Durchführung einer UVP erforderlich werden lassen könnten. Mit Blick auf den dem Antragsgegner zustehenden fachlichen Einschätzungsspielraum kann diese ohne Weiteres vertretbare Bewertung - auch wenn es gegenläufige naturschutzfachliche Sichtweisen geben mag - nicht beanstandet werden.

Zum Thema Vogelzugerfassung führen die insoweit eine Orientierungshilfe vermittelnden "Hinweise für den Untersuchungsumfang zur Erfassung von Vogelarten bei Bauleitplanung und Genehmigung für Windenergieanlagen der LUBW" in der Fassung vom 01.03.2013 (im Folgenden: LUBW-Untersuchungshinweise) aus (S. 19):

"Gesonderte Erfassungen des Vogelzugs sind in der Regel nicht erforderlich. Erfassungen können sinnvoll sein, wenn im Bereich des Planungsvorhabens über mehrere Jahre bestätigte Verdichtungsräume des Vogelzuges bestehen oder ein begründeter Verdacht auf einen Verdichtungsraum besteht. Liegen in einem Gebiet bereits über mehrere Jahre bestätigte Verdichtungsraume des Vogelzugs vor, so sind diese gemäß Windenergieerlass als Tabubereiche für Windenergienutzung zu behandeln, wenn die Windenergieanlagen zu einer signifikanten Erhöhung des Tötungs- oder Verletzungsrisikos oder zu einer erheblichen Scheuchwirkung führen können (vgl. Abschnitt 4.2.1 Windenergieerlass).

Die gezielte Ermittlung von Verdichtungsräumen würde mehr- bis vieljährige, umfangreiche Vergleichszahlungen des Vogelzuggeschehens auf den beplanten Flächen sowie an mehreren Vergleichsstandorten erforderlich machen. Derartige Untersuchungen können nach derzeitigem Erkenntnisstand einem Antragsteller aus rechtlichen Gründen nicht zugemutet werden.

Auch außerhalb bekannter Verdichtungsräume kann es zu zeitlich begrenzten Verdichtungen des Vogelzugs kommen (z.B. GNOR 2001), welche hauptsächlich durch bestimmte Wetterlagen (z.B. starker Gegenwind) in Verbindung mit der lokalen Topographie hervorgerufen werden können. Nach aktuellem Kenntnisstand muss jedoch davon ausgegangen werden, dass solche Verdichtungserscheinungen zeitlich und räumlich hoch variabel sind. Auf Grund der hohen Variabilität erscheint es derzeit nicht sinnvoll, Standards für die Erfassung des Vogelzugs festzulegen, die bei der Planung WEA anzuwenden sind".

Für Verdichtungsräume des Vogelzugs im Bereich des Vorhabens dürfte es - auch nach dem Vortrag des Antragstellers - keine ausreichenden Anhaltspunkte geben, so dass es - auch nach den LUBW-Untersuchungshinweisen - nicht zu beanstanden sein dürfte, dass der Antragsgegner eine gesonderte Erfassung des Vogelzugs nicht durchgeführt bzw. von der Beigeladenen gefordert hat. Wie die LUBW-Untersuchungshinweise im Übrigen zeigen, dürfen die Anforderungen an die Vogelzugerfassung nicht überspannt werden. Der vom Antragsgegner seiner Entscheidung zugrunde gelegte artenschutzrechtliche Fachbeitrag des Büros P. S. vom 12.12.2016 ging im Übrigen zunächst durchaus von einem Breitfrontenzug und davon aus, dass sich grundsätzlich ein wichtiger Vogelzugkorridor zwischen dem Bodensee und dem Federsee befindet. Der Fachbeitrag gelangte anschließend anhand seiner Beobachtungen zu den Rastvögeln und aufgrund artspezifischer Kenntnisse der Gutachter zu dem Ergebnis, dass das Projektgebiet selbst keinen Schwerpunkt des Vogelzugs darstelle, sondern dass eher andere Korridore (für einige Arten z.B. entlang von Flusstälern) prägend für den Vogelzug sein dürften. Dieser Beurteilung hat sich der Antragsgegner aufgrund eigener fachlicher Kenntnisse und Einschätzungen angeschlossen. Im Rahmen des fachlichen Einschätzungsspielraums, welcher dem Antragsgegner zuzugestehen ist, und unter Berücksichtigung der (geringen) Anforderungen der LUBW-Hinweise kann diese Beurteilung vom Gericht nicht beanstandet werden. Erhebliche methodische oder fachliche Mängel waren zum Zeitpunkt der Entscheidung, eine UVP nicht vorzunehmen, nicht ersichtlich und wurden vom Antragsteller auch nicht dargelegt. Dass der Antragsteller bzw. die von ihm beauftragten Gutachter teils zu einer anderen Einschätzung gelangen, vermag die Plausibilität der Fachbeiträge bzw. der Entscheidung des Antragsgegners insoweit nicht zu erschüttern.

cc) Jedoch hat der Antragsgegner die im Vorhabengebiet vorgefundenen Dichtezentren von Rotmilanen als ökologisch ähnlich sensible und gleichermaßen schutzbedürftige Lebensräume nicht angemessen berücksichtigt.

(1) Unter die Schutzkriterien der Nummer 2.3 der Anlage 2 zum UVPG fallen auch solche Lebensräume, die unter ökologischem Blickwinkel ähnlich sensibel sind wie die in den Nummer 2.3.1 bis 2.3.9 aufgeführten, ausdrücklich unter Schutz gestellten Gebiete und Einzelobjekte. Dies sind bei richtlinienkonformer Auslegung zunächst nicht explizit genannte, aber gleichermaßen schutzbedürftige Gebiete, deren ausdrückliche und förmliche Unterschutzstellung bewusst sachwidrig unterlassen wurde oder deren Unterschutzstellung sich aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten aufdrängen würde (vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 05.04.2017 - 2 B 726/16 -, Rn. 12, juris sowie Hess. VGH, Beschluss vom 24.08.2016 - 9 B 974/16 -, juris, Rn. 16, die die Annahme gleichermaßen schutzbedürftiger Gebiete auf diese eng begrenzten Ausnahmefälle beschränken wollen; so im Ergebnis wohl auch Bay. VGH, Beschluss vom 10.12.2015 - 22 CS 15.2247 -, juris, Rn. 43). Zu den besonders sensiblen Lebensräumen gehören nach Auffassung der Kammer aber jedenfalls auch am Vorhabenstandort befindliche Dichtezentren der durch die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG geschützten wild lebenden Tiere der besonders oder streng geschützten Arten (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.05.2017 - 8 A 870/15 -, Rn. 81 f., juris, das noch nicht einmal das Vorliegen eines Dichtezentrums fordert, sondern jegliches Habitat besonders oder streng geschützter Arten ausreichen lässt). Das OVG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 18.05.2017, a.a.O., Rn. 84 ff.) führt hierzu aus:

"Weder aus der UVP-Richtlinie noch aus Nummer 2.3. der Anlage 2 zum UVPG ergeben sich hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass den aufgezählten Schutzgebieten vergleichbar sensible und schutzwürdige Lebensräume nur solche Lebensräume wären, deren ausdrückliche und förmliche Unterschutzstellung bewusst sachwidrig unterlassen wurde oder deren Unterschutzstellung sich aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten aufdrängen würde (so aber Hess. VGH, Beschluss vom 24. August 2016 - 9 B 974/16 -, NuR 2016, 775 = juris Rn. 16; im Ergebnis auch Bay. VGH, Beschluss vom 10. Dezember 2015 - 22 CS 15.2247 -, juris Rn. 43).

Eine solche auf enge Ausnahmefälle beschränkte Auslegung der Nummer 2.3 der Anlage 2 zum UVPG ist insbesondere nicht deshalb geboten, weil die vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollte Unterscheidung zwischen einer allgemeinen und einer standortbezogenen Vorprüfung ansonsten zu verwischen drohte. Der wesentliche Unterschied zwischen der allgemeinen und der standortbezogenen Vorprüfung liegt nach der gesetzgeberischen Konzeption nicht darin, dass die besonderen Standortgegebenheiten intensiver zu betrachten sind, sondern darin, dass die allgemeine Vorprüfung neben den Standortkriterien auch noch die besonderen Merkmale des Vorhabens - Art, Größe und Leistung - und die Merkmale der Auswirkungen in den Blick zu nehmen hat. Auch der Wortlaut der Nummer 2.3 der Anlage 2 zum UVPG spricht nicht für eine derart einschränkende Auslegung. Das maßgebliche Kriterium der Nummer 2.3 ist die Belastbarkeit der Schutzgüter des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 UVPG bezogen auf den Raum, der durch ein Vorhaben möglicherweise beeinträchtigt wird. Die Belastbarkeit bzw. ökologische Empfindlichkeit der im Einwirkungsbereich eines Vorhabens lebenden Tiere fällt ohne weiteres hierunter. Die Betrachtung der Belastbarkeit der Schutzgüter in der Vorprüfung soll zudem nur "unter besonderer Berücksichtigung" und nicht unter praktisch ausschließlicher Berücksichtigung der danach aufgezählten Schutzgebiete und Einzelobjekte erfolgen. Diese Gebiete und Einzelobjekte werden auch nicht deshalb (beispielhaft) erwähnt, weil es sich bei ihnen um die einzig möglichen ökologisch empfindlichen Gebiete handelt, sondern weil ihnen insoweit eine indizielle Bedeutung zukommt (vgl. Philipp-Gerlach/Lukas, ZUR 2014, 548)."

Die Kammer schließt sich den Ausführungen des OVG Nordrhein-Westfalen jedenfalls insoweit an, als sie davon ausgeht, dass das Vorhandensein eines Dichtezentrums von Rotmilanen die ökologische Empfindlichkeit und die Schutzziele eines Standorts in einer Weise definiert, dass vom Vorhandensein zu prüfender Schutzkriterien i.S.d. Nr. 2.3 der Anlage 2 zum UVPG auszugehen ist. Das Vorhandensein eines Dichtezentrums stellt eine nach fachlichen Kriterien bestimmte ökologische Besonderheit des Vorhabenstandorts dar, aus der eine spezifische Empfindlichkeit gegenüber Eingriffen folgt. Diese wird durch die Tatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG und insbesondere durch die - wenn auch nicht verbindlichen - "Hinweise zur Bewertung und Vermeidung von Beeinträchtigungen von Vogelarten bei Bauleitplanung und Genehmigung für Windenergieanlagen der LUBW" vom 01.07.2015 (im Folgenden: LUBW-Bewertungshinweise) zu den Dichtezentren von Rotmilanen hinreichend konkretisiert. Die LUBW-Bewertungshinweise führen zur Bewertung von Dichtezentren von Rotmilanen in Baden-Württemberg aus (Seite 25):

"Für den Rotmilan (Milvus milvus) trägt das Land Baden-Württemberg eine besonders hohe Verantwortung, da etwa 17% des deutschen bzw. 10% des Weltbestands im Land brüten. Um der Notwendigkeit des Ausbaus der Windenergienutzung einerseits und dem Schutz der Art andererseits gerecht zu werden, wurde von der LUBW ein differenziertes Konzept für die Erteilung von Ausnahmen im Zusammenhang mit der Errichtung von Windenergielagen entwickelt. Dieses geht davon aus, dass die Erhaltung eines günstigen Erhaltungszustands im Land möglich ist, wenn der Schutz der Quellpopulationen im Land (Gebiete mit hoher Siedlungsdichte, "Dichtezentren") gewährleistet wird und dadurch Individuenverluste ausgeglichen werden, die außerhalb der Dichtezentren eintreten. In den Dichtezentren dürfen Ausnahmen vom Tötungsverbot nicht zugelassen werden. FCS-Maßnahmen sind innerhalb von Dichtezentren nicht möglich, da bei jedem Eingriff in einem Dichtezentrum unmittelbar populationsrelevante Verluste zu erwarten sind und daher eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes anzunehmen ist, der naturschutzfachlich nicht wirksam kompensiert werden kann. Außerhalb von Dichtezentren sind FCS-Maßnahmen nicht erforderlich, da dort die Tötung einzelner Individuen nicht zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustands der Population im Land führt. Ein Dichtezentrum liegt dann vor, wenn in einem Radius von 3,3 km um eine geplante WEA mindestens 4 Revierpaare vorkommen (Siedlungsdichte > 3 Revierpaare) (vgl. Anhang, Kap. 9.17.1.)."

Den Artensteckbriefen für windkraftempfindliche Vogelarten im Anhang zu den LUBW-Bewertungshinweisen (S. 67 f.; Hervorhebungen im Original vorhanden) ist weiter zu entnehmen, dass der Rotmilan als "kollisionsgefährdet (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG)" eingestuft wird und im Verhältnis zu seinem Gesamtbestand nachweislich zu den überproportional häufigsten Schlagopfern an WEA gehört. Anschließend wird dort folgende Bewertungsempfehlung gegeben:

"Innerhalb eines Radius von 1.000m um den Horst sowie in den regelmäßig frequentierten Nahrungshabitaten und Flugkorridoren ist durch den Betrieb von WEA ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko gegeben, es sei denn eine Ermittlung der regelmäßig frequentierten Nahrungshabitate und Flugkorridore zeigt auf, dass die innerhalb des 1.000m-Radius betroffenen Bereiche nicht oder nicht regelmäßig genutzt werden. Außerhalb der Dichtezentren lässt sich das Tötungsrisiko bei Unterschreiten des 1.000m-Radius im Einzelfall durch Vermeidungsmaßnahmen unter die Signifikanzschwelle absenken, innerhalb der Dichtezentren ist dies nicht möglich.

In den Dichtezentren der Art kommt für WEA eine artenschutzrechtliche Ausnahme vom Tötungsverbot i. S. d. § 45 Abs. 7 BNatSchG (vgl. auch Kap. 3) innerhalb eines Radius von 1000m um die Fortpflanzungsstätte sowie in den regelmäßig frequentierten Nahrungshabitaten und Flugkorridoren auf Grund des hohen Gefährdungspotenzials nicht in Betracht. In den Dichtezentren ist im Gegensatz zu Bereichen außerhalb der Dichtezentren die Wahrscheinlichkeit für Verluste einer großen Anzahl von Individuen so hoch, dass von einer Verschlechterung des Erhaltungszustands der Population im Land ausgegangen werden muss (Beeinträchtigung der Quell-Populationen)."

Nach diesen sachverständigen Hinweisen unterliegen Dichtezentren von Rotmilanen einer besonderen Schutzbedürftigkeit, da sie für den Erhalt der Population dieser Art von wesentlicher Bedeutung sind. Die Besonderheit des Konzepts der sog. Dichtezentren liegt darin, dass es dem Vorhandensein zuvor festgelegter Populationskriterien folgt und insoweit "beweglich" Räume festlegt, die für den Erhalt der Rotmilanpopulation wesentlich sind. Eine solch flexible Unterschutzstellung kann ein förmlich auszuweisendes Schutzgebiet nicht leisten. Dennoch ist ein Dichtezentrum von Rotmilanen ähnlich ökologisch sensibel und hinsichtlich der räumlichen Bestimmtheit und Qualität der Erhaltungsziele den Schutzkriterien der in den Nrn. 2.3.1 - 2.3.9 genannten, förmlich ausgewiesenen Schutzgebieten hinreichend vergleichbar, weshalb es auch Gegenstand einer standortbezogenen Vorprüfung sein muss. Individuenverluste müssen in solchen Dichtezentren von vornherein und möglichst vollständig ausgeschlossen werden. Die Genehmigungsbehörde trifft somit eine besondere untersuchungs- und Begründungsobliegenheit, wenn sie ausnahmsweise die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen innerhalb eines Dichtezentrums zulassen will. Innerhalb eines Dichtezentrums sind an den - ggf. gutachterlichen - Nachweis, dass die innerhalb des 1.000m-Radius betroffenen Bereiche von Rotmilanen nicht oder nicht regelmäßig genutzt werden, besonders strenge Maßstäbe anzulegen. Ein solcher Nachweis dürfte angesichts der Bedeutung des Schutzguts erst dann geführt sein, wenn innerhalb des Dichtezentrums von Rotmilanen ein Überflug der geplanten Standorte aufgrund besonderer örtlicher Gegebenheiten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann.

Die vorstehend herangezogenen LUBW-Hinweise können zwar bei alledem keine rechtssatzmäßige Verbindlichkeit für sich beanspruchen. Aufgrund der besonderen Sachkunde ihrer Verfasserin bieten sie jedoch eine wichtige Orientierungshilfe (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.07.2016 - 3 S 942/16 -, Rn. 46, juris, m.w.N.). Sie konkretisieren Art und Weise der insoweit gebotenen Erhebungen näher. Die darin aufgestellten Anforderungen an die Ermittlung artenschutzrechtlich ggf. entscheidungserheblicher Umstände sind, da sie auf landesweiten fachlichen Erkenntnissen und Erfahrungen beruhen, als ein "antizipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität" anzusehen, in dem die aus fachlicher Sicht im Regelfall zu beachtenden Erfordernisse dargestellt werden; von diesen Vorgaben darf nicht ohne fachlichen Grund und ohne gleichwertigen Ersatz abgewichen werden (vgl. BayVGH, Urteil vom 27.05.2016 - 22 BV 15.1959 -, Rn. 27, juris zum "Windkrafterlass Bayern", der in Bezug auf den Artenschutz eine den LUBW-Hinweisen, die den Windenergieerlass Baden-Württemberg vom 09.05.2012, Az. 64-4583/404, Nr. 5.6.4.2.4 ergänzen, vergleichbare Funktion erfüllt). Ein Abstand zwischen einer Windenergieanlage und einem festgestellten Rotmilan-Horst von weniger als 1.000 m wird im Übrigen auch in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte, soweit ersichtlich, durchweg als im Hinblick auf das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BNatSchG kritisch betrachtet (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.07.2016, a.a.O., m.w.N.).

(2) Das von der Beigeladenen beauftragte Büro P. S. hat in seinem Fachbeitrag zur artenschutzrechtliche Prüfung vom 12.12.2016 für jeden der drei Windenergieanlagen (WEA)-Standorte ein Dichtezentrum identifiziert, das den oben wiedergegebenen Kriterien der LUBW-Bewertungshinweise entspricht. Ausweislich der Tabelle 12 im Fachbeitrag zur artenschutzrechtlichen Prüfung vom 12.12.2016 (Seite 33) befinden sich innerhalb des maßgeblichen 3,3 km-Radius um die WEA 1 12, um die WEA 2 13 und um die WEA 3 11 Revierpaare; damit sind die Schwellenwerte für die Annahme eines Dichtezentrums deutlich überschritten. Die Anlagen sind vielmehr gewissermaßen in einem Verbund zusammenhängender Dichtezentren geplant.

(3) Unter Berücksichtigung dieser vorgefundenen Dichtezentren von Rotmilanen dürfte die durchgeführte standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls nach summarischer Prüfung nicht den oben dargelegten, aus § 3a Satz 4 UVPG i.V.m. § 3c Satz 2 UVPG und den LUBW-Hinweisen resultierenden Maßstäben genügen.

(a) Dies ergibt sich bereits daraus, dass das von der Beigeladenen beauftragte Büro P. S. in der Sache schon den Versuch unternommen hat, in seinem Fachbeitrag zur artenschutzrechtlichen Prüfung besondere örtliche und artspezifische Begebenheiten zu begründen, die abweichend von den LUBW-Hinweisen höchst ausnahmsweise ggf. doch ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko nach § 44 Abs. 1 BNatSchG ausschließen können sollen. Nach den oben dargelegten Kriterien sind an den Nachweis einer Ausnahme von der sich aus den LUBW-Bewertungshinweisen ergebenden Vermutung, dass innerhalb eines Rotmilan-Dichtezentrums gegen das Tötungsverbot aus § 44 Abs. 1 BNatSchG verstoßen wird, sehr hohe Anforderungen zu stellen, die sich in einer deutlich gesteigerten Prüfungspflicht niederschlagen. Dies bedeutet für die standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c Satz 2 UVPG, dass diese bei der Feststellung eines Dichtezentrums von Rotmilanen im Prüfgebiet regelmäßig zu dem Ergebnis führen dürfte, dass eine UVP durchzuführen ist. Die erforderliche tiefergehende Prüfung ist dann (erst) im Rahmen der UVP selbst durchzuführen und geht über den nur überschlägigen Charakter einer Vorprüfung hinaus. Die von P. S. durchgeführte artenschutzrechtliche Prüfung kann diese Aufgabe - in Bezug auf den Rotmilan - nicht erfüllen. Soweit sie als Teil der UVP-Vorprüfung angesehen werden könnte, stellt sie aufgrund ihrer Prüfungstiefe und ihres Ergebnisses, mit dem eine ausnahmsweise Zulässigkeit des Vorhabens innerhalb des Dichtezentrums ausbegründet wird, eine unzulässige (Teil-) Vorwegnahme der UVP dar. Die UVP selbst kann die artenschutzrechtliche Prüfung schon deshalb nicht ersetzen, weil das für die UVP spezifisch vorgesehene förmliche Verfahren, insbesondere auch die Beteiligung der Öffentlichkeit und anderer Fachbehörden, nicht durchgeführt wurde.

(b) Selbst wenn der Fachbeitrag zur artenschutzrechtlichen Prüfung von P. S. dem Grunde nach als eine geeignete Grundlage für die UVP-Vorprüfung genügen sollte, bestehen im Hinblick auf die Entscheidung des Antragsgegners, eine UVP nicht durchzuführen, erhebliche inhaltliche Mängel, die die Nachvollziehbarkeit des von ihm gefundenen Ergebnisses in Frage stellen.

Dies ergibt sich schon daraus, dass der Antragsgegner bei seiner Entscheidung über die Durchführung einer UVP- wohl auf der Grundlage einer abweichenden Rechtsauffassung zum Bezugsrahmen der Vorprüfung - das Vorhandensein der zusammenhängenden Rotmilan-Dichtezentren bzw. eine etwaige Beeinträchtigung derselben nicht in ausreichender Weise berücksichtigt bzw. diesbezüglich nichts dokumentiert hat. Dem Vermerk vom 12.12.2016, mit dem er seine Entscheidung zur Entbehrlichkeit einer UVP festgehalten hat, sind - konsequenterweise - keine Erwägungen zur Beeinträchtigung der am Vorhabenstandort vorgefundenen Dichtezentren von Rotmilanen zu entnehmen.

Dieser Mangel dürfte nicht dadurch kompensiert werden, dass der Antragsgegner auf Grundlage des Fachbeitrags zur artenschutzrechtlichen Prüfung von P. S. - ausweislich der Begründung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 23.12.2016 - zu dem Ergebnis kam, dass ein Verstoß gegen das Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 BNatSchG - auch innerhalb des Dichtezentrums von Rotmilanen - ausgeschlossen werden könne. Jedenfalls aufgrund der vorliegenden Akten ist dieses Ergebnis - unter Berücksichtigung der diesbezüglichen besonderen Begründungsobliegenheit der Genehmigungsbehörde - auch inhaltlich nicht nachvollziehbar; es ist folglich nicht ersichtlich, dass und wie der Antragsgegner plausibel zu dem notwendigen Schluss hätte gelangen können, dass erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen nach § 3c Satz 2 UVPG nicht zu erwarten seien, so dass auf die Durchführung einer UVP hätte verzichtet werden können. Nach den oben dargelegten Maßstäben dürfte sich die vom Antragsgegner in Bezug genommene und wiedergegebene Einschätzung des Fachbüros P. S., wonach nach Auswertung der Ergebnisse der Flugbewegungen der Rotmilane sowie nach Optimierung des westlichen Anlagestandorts unter Berücksichtigung des natürlichen Nahrungshabitats dieser Art (offene Kulturlandschaft) die Signifikanzschwelle und somit das Eintreten des Verbotstatbestandes nach § 44 Abs. 1 Nr. BNatSchG für den Rotmilan durch Umsetzung des Vorhabens nicht gegeben sei (Fachbeitrag zur artenschutzrechtlichen Prüfung, S. 63), nämlich als nicht ohne Weiteres nachvollziehbar erweisen. Schon nach den - zum Entscheidungszeitpunkt am 12.12.2016 - vorliegenden Erkenntnissen dürfte - auch unter Beachtung der fachlichen Einschätzungsprärogative des Landratsamts - nicht auszuschließen (gewesen) sein, dass Rotmilane zumindest an den Windenergieanlagen WEA 1 und WEA 3, womöglich auch an der WEA 2, in ggf. nicht hinnehmbarer Weise gefährdet sind. Die Kartierung der zwischen Mitte März und Mitte August 2016 beobachteten Flugbewegungen weist südwestlich bis nordwestlich der WEA 1 einen Schwerpunktbereich aus; im südlichen bis nordöstlichen Umfeld der WEA 3 sind ebenfalls zahlreiche Flugbewegungen kartiert worden. Aus beiden Schwerpunktbereichen heraus wurden an 19 Beobachtungsterminen an zumindest jeweils einem Tag direkte Überflüge über die WEA 1 (vgl. S. 79 der artenschutzrechtlichen Prüfung vom 12.12.2016) und über die WEA 3 (vgl. S. 81 der artenschutzrechtlichen Prüfung vom 12.12.2016) verzeichnet.

Die Rasterauswertung im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag des Büros P. S. vom 12.12.2016 (S. 37) weist bei einem Raster von 150 m x 150 m im Quadranten der WEA 1 drei Überflüge im Beobachtungszeitraum aus, in den unmittelbar westlich anschließenden Quadranten aber bereits 15 bis 25 Überflüge. Für den Quadranten der WEA 3 werden ebenfalls drei Überflüge angegeben, in den nördlich anschließenden Quadranten sieben bis elf Überflüge. Angesichts dieser empirischen Beobachtungen und unter Berücksichtigung der hohen Anforderungen der LUBW-Bewertungshinweise bei Vorhandensein eines Rotmilan-Dichtezentrums erscheint es nicht plausibel, dass sich eine mögliche Gefährdung der Rotmilane offensichtlich und ohne weiteren Untersuchungsaufwand ausschließen lässt.

Diese Beobachtungen dürften sich auch nicht ohne Weiteres durch den - von dem Antragsgegner in seiner Entscheidung aufgenommenen - bloßen Verweis von P. S. auf die Ausführungen in der Literatur relativieren, wonach der Rotmilan bevorzugt lichte Altholzbestände in einer abwechslungsreich gegliederten Landschaft bewohne und sein Nahrungshabitat vor allem die offene, reich strukturierte Kulturlandschaft umfasse (vgl. Fachbeitrag zur artenschutzrechtlichen Prüfung, S. 63).

Die Plausibilität des Ergebnisses der artenschutzrechtlichen Prüfung von P. S. ist insbesondere auch dadurch eingeschränkt, dass das in der artenschutzrechtlichen Prüfung dargestellte Vorgehen in einem wesentlichen Punkt nicht ohne Weiteres den Anforderungen der LUBW-Hinweise entspricht und in einem anderen Punkt zumindest Fragen offen lässt, sodass darüber hinaus ein Ermittlungsdefizit vorliegt.

Zum einen dürften die für die Anfertigung der artenschutzrechtlichen Prüfung gewählten Beobachtungspunkte zur Erfassung der regelmäßig frequentierten Jagd- und Nahrungshabitate des Rotmilans als windkraftempfindliche Art den Anforderungen der LUBW-Untersuchungshinweise nicht genügen. Diese schreiben in Bezug auf die Beobachtungspunkte vor (S. 13):

"Zur Erfassung der regelmäßig frequentierten Nahrungshabitate und Flugkorridore werden feste Beobachtungspunkte im Untersuchungsraum eingerichtet, wovon einer im Bereich der geplanten Anlage(n) lokalisiert sein muss (bei Einzelanlagen im Bereich des Mastfußes, bei mehreren Anlagen im Bereich des geometrischen Mittelpunkts des durch die Einzelanlagen gebildeten Polygons). Hiervon kann nur in Ausnahmefällen (z.B. schlechte Einsehbarkeit des Luftraumes bei Anlagenstandorten im Wald) abgewichen werden. Ist eine Abweichung notwendig, so muss gewährleistet sein, dass eventuelle Flugbewegungen im Bereich der geplanten Anlage(n) eindeutig identifiziert werden können. Es sollten mindestens drei Beobachtungspunkte eingerichtet werden. In Abhängigkeit von Topographie, Waldbedeckung und räumlicher Ausdehnung des Untersuchungsraumes kann es erforderlich sein, die Zahl der Beobachtungspunkte entsprechend anzupassen. Die Abweichung muss begründet werden."

Ausweislich des artenschutzrechtlichen Fachbeitrags von P. S. vom 12.12.2016 wurden jedoch drei Beobachtungspunkte ausschließlich außerhalb des geometrischen Mittelpunkts zwischen den Anlagen eingenommen. Es fehlt somit gerade an einem Beobachtungspunkt in der Mitte des Beobachtungsgebiets im Bereich der Anlagenstandorte. Dies erscheint auch deshalb besonders problematisch, weil die Windenergieanlagen erhöht errichtet werden sollen und dieser Bereich von den gewählten Standorten außerhalb des geometrischen Mittelpunkts nicht vollständig einsehbar sein dürfte. Es ist nicht auszuschließen - wenn nicht sogar eher naheliegend -, dass bei einer anderen Wahl der Beobachtungspunkte eine höhere Überflughäufigkeit, insbesondere im Bereich zwischen den Anlagen, beobachtet worden wäre. Überdies wurde, soweit ersichtlich, die abweichende Wahl der Standorte - entgegen den ausdrücklichen Anforderungen der LUBW-Untersuchungshinweise - weder in der artenschutzrechtlichen Prüfung von P. S. noch in den Verfahrensakten des Landratsamts begründet. Schon aufgrund der abweichenden Vorgehensweise bzw. einer (fehlenden) Begründung hierfür dürfte aber der Nachweis, dass ein Überflug über die entsprechenden Flächen innerhalb eines Rotmilan-Dichtezentrums nicht oder nicht regelmäßig erfolgt, den hohen Anforderungen der LUBW-Bewertungshinweise und dem Schutzzweck des UVPG nicht genügen, zumal zu berücksichtigen ist, dass mit dem Gutachten gerade eine Ausnahme vom grundsätzlich vorgesehenen Schutz von Dichtezentren begründet werden soll.

Zum anderen ist bei der Bewertung der Beobachtungen problematisch, dass P. S. bei seinen Darstellungen im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag vom 12.12.2016 nicht den Vorgaben der LUBW-Untersuchungshinweise gefolgt ist. Diese sehen vor, dass im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens die Kartierungsergebnisse in Kartenausschnitten mit dem Maßstab 1:10.000, ggf. auch 1:5.000 darzustellen sind (vgl. LUBW-Untersuchungshinweise, S. 12). Das Büro P. S. hat aber in seiner artenschutzrechtlichen Prüfung - ohne dies näher zu begründen - die Darstellungen zu den erfassten Flugbewegungen mit einem Maßstab von 1:17.500 vorgenommen. Nicht zu beanstanden sein dürfte hingegen, dass P. S. für die Rasterauswertung der Flugbewegungen des Rotmilans beim gewählten Untersuchungsgebiet ein Raster von 150 m gewählt hat. In Bezug auf die Rasterauswertung sehen die LUBW-Bewertungshinweise (S. 20) lediglich vor, dass die Kantenlänge der Rasterfelder "je nach betrachteter Vogelart und räumlicher Ausdehnung des Untersuchungsraumes zwischen 100 m (kleinräumig aktive Arten) und 250 m (großräumig aktive Arten)" betragen solle. Es dürfte von der fachrechtlichen Einschätzungsprärogative des Antragsgegners umfasst sein, das gewählte Raster genügen zu lassen.

Die Nachvollziehbarkeit des Ergebnisses des Antragsgegners, eine UVP nicht durchzuführen, leidet schließlich auch daran, dass sich weder die Fachbeiträge von P. S. noch die Entscheidungen des Landratsamts selbst erkennbar mit den Einwendungen des Naturschutzbeauftragten für die Gemeinden B., H. und H. auseinandergesetzt haben. Dieser hat in seiner Stellungnahme vom 12.11.2016 ausdrücklich u.a. darauf hingewiesen, dass angesichts der Dichtezentren von Rotmilanen die angeführten Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen nicht hinreichend und nachhaltig seien. Je nach Verfügbarkeit der Nahrung, der Witterungsverhältnisse, der menschlichen Bewirtschaftung sowie der Konkurrenzverhältnisse durch andere Beutegreifer würden die Milane ihre Flugbewegung ändern. Ein allmähliches Aussterben der Population werde somit billigend in Kauf genommen. Eine vollständige und plausible UVP-Vorprüfung hätte sich mit diesen Einwendungen auseinandersetzen müssen.

dd) Verschärft werden die vorstehend aufgezeigten Mängel dadurch, dass die Anforderungen an die Dokumentation der Durchführung und des Ergebnisses der Vorprüfung nach § 3a Satz 4 i.V.m. § 3c Satz 6 UVPG nicht erfüllt sind.

(1) Nähere Einzelheiten dazu, in welcher Weise eine Vorprüfung des Einzelfalls durch die Genehmigungsbehörde zu dokumentieren ist, sind dem Wortlaut des § 3c Satz 6 UVPG nicht zu entnehmen. Nach der Gesetzesbegründung dient § 3c Satz 6 UVPG lediglich der Klarstellung, indem er die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Dokumentation der von der zuständigen Behörde durchgeführten Vorprüfung des Einzelfalls ausdrücklich in den Gesetzestext aufnimmt (vgl. BR-Drucks. 551/06, S. 35 und 44). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs muss eine Entscheidung der zuständigen Behörde, nach der ein Projekt aufgrund seiner Merkmale keiner Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen zu werden braucht, alle Angaben enthalten, die erforderlich sind, um kontrollieren zu können, dass sie auf eine angemessene, den unionsrechtlichen Anforderungen entsprechende Vorprüfung gestützt ist (vgl. EuGH, Urteil vom 10.06.2004 - Rs. C-87/02 -, Slg. 2004, I-5975; vgl. hierzu auch OVG Niedersachsen, Urteil vom 09.11.2016 - 13 LC 71/14 -, Rn. 48, juris).

Ausgehend davon dient die Pflicht zur Dokumentation der Durchführung und des Ergebnisses der Vorprüfung aus § 3c Satz 6 UVPG im Wesentlichen dazu, in nachvollziehbarer Weise festzuhalten, aufgrund welcher Erwägungen die zuständige Behörde zu dem von ihr gefundenen Ergebnis gelangt ist. Die Dokumentation soll insbesondere dem Vorhabenträger/Antragsteller und der interessierten Öffentlichkeit sowie im Fall einer Beschwerde der Europäischen Kommission und im Fall der Anfechtung den Gerichten die Kontrolle ermöglichen, ob die getroffene Entscheidung sich hinreichend an den dafür maßgeblichen Kriterien orientiert hat (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 03.12.2008 - 8 D 22/07.AK -, Rn. 82 ff., juris) Dem wird entsprochen, wenn die der Vorprüfung zugrunde gelegten Unterlagen, die wesentlichen Prüfschritte und die dabei gewonnenen Erkenntnisse über nachteilige Umweltauswirkungen zumindest grob skizziert im Planfeststellungsbeschluss (bzw. in der Genehmigung) oder in einem zu den Verwaltungsakten genommenen Dokument niedergelegt wird (vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 09.11.2016 - 13 LC 71/14 -, Rn. 49, juris mit Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 28.02.2013 - 7 VR 13.12 -, Rn. 15, juris).

Die zuständige Behörde hat im Rahmen der Vorprüfung eine eigenständige Entscheidung über die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu treffen und nicht lediglich die Unterlagen des Antragstellers zu überprüfen. Sie, nicht der Vorhabenträger oder dessen Gutachter, ist für die Durchführung des Verwaltungsverfahrens zuständig und verantwortlich. Dieser Aufgabe genügt sie nicht, wenn sie lediglich die vorgelegten Unterlagen überprüft, ohne sich eine - zu dokumentierende - eigene Meinung zu bilden (vgl. OVG Niedersachen, Urteil vom 09.11.2016 - 13 LC 71/14 -, Rn. 55, juris). Ebenso genügt es den Anforderungen der Dokumentationspflicht nach § 3c Satz 6 UVPG nicht, wenn die Behörde lediglich die Formulierungen aus einem Gutachten wiederholt, das der Vorhabenträger vorgelegt hat. Erforderlich ist die Dokumentation einer eigenständigen Entscheidung, die insbesondere erkennen lässt, aus welchem Grunde die Betroffenheit von Schutzgütern ausgeschlossen wird (vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 09.11.2016 - 13 LC 71/14 -, Rn. 57, juris).

(2) Diesen Maßstäben entspricht die Dokumentation der noch am 12.12.2016 getroffenen Entscheidung des Antragsgegners über die Nichtdurchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht.

Der Vermerk des Landratsamts Sigmaringen vom 12.12.2016, mit dem der Beschluss, von einer UVP-Vorprüfung abzusehen, dokumentiert wurde, verhält sich zur möglichen Beeinträchtigung der vorzufindenden Dichtezentren von Rotmilanen nicht. Dies dürfte darin begründet sein, dass es davon ausging, dass deren Schutzkriterien in der UVP-Vorprüfung nicht zu berücksichtigen sind. Aber auch im Übrigen dürfte aus den Verfahrensunterlagen nicht in ausreichender Weise erkennbar hervorgehen, in welcher Weise der Antragsgegner eine selbstständige UVP-Vorprüfung vorgenommen hat und wie er zu einem eigenständigen Ergebnis gelangt ist.

Das Landratsamt hat zwar in seiner Funktion als untere Naturschutzbehörde die von der Beigeladenen vorgelegten Unterlagen zum Genehmigungsantrag mit Schreiben vom 23.11.2016 zunächst insoweit bemängelt, als diese keine Aussagen zu möglichen Auswirkungen "zur Thematik Natura 2000" enthielten. Die Beigeladene hat daraufhin die entsprechenden schutzgebietsbezogenen Feststellungen in ihrem Fachbeitrag zur standortbezogenen Vorprüfung vom 12.12.2016 nachgeholt. Den Verfahrensakten ist außerdem eine interne schriftliche Stellungnahme des Fachbereichs Umwelt und Arbeitsschutz vom 20.12.2017 zu entnehmen (Verfahrensakte, S. 410), die - wohl wortgleich - als Begründung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 23.12.2016 übernommen worden ist (vgl. S. 26 ff. der Genehmigung).

Problematisch ist aber bereits, dass diese Stellungnahme des Fachbereichs Umwelt und Arbeitsschutz auf den 20.12.2017 und somit zeitlich nach den Beschluss vom 12.12.2016, mit dem von einer UVP-Vorprüfung abgesehen wurde, und nach dessen Veröffentlichung im Internet am 15.12.2016 datiert, so dass aus den Akten selbst nicht erkennbar ist, ob und inwiefern eine interne Beratung bzw. Berücksichtigung vor dem Beschluss vom 12.12.2016 erfolgt ist. Bedenklich könnte in diesem Zusammenhang auch sein, dass der Antragsteller in der Substanz unwidersprochen vorträgt, das Landratsamt habe bereits am 10.11.2016 einer Vertreterin der gegen das Vorhaben aufgestellten örtlichen Interessengemeinschaft telefonisch mitgeteilt, dass auf eine UVP verzichtet werde bzw. dass der immissionsschutzrechtliche Genehmigungsantrag für grundsätzlich genehmigungsfähig gehalten werde.

Insgesamt leidet die Dokumentation des Antragsgegners aber daran, dass sämtliche Ausführungen zur UVP-Vorprüfung und auch zur artenschutzrechtlichen Prüfung - für das hier relevante Problem der Beeinträchtigung der Rotmilan-Dichtezentren - bis auf unwesentliche Formulierungsänderungen mit den Ausführungen im Fachbeitrag zur standortbezogenen Vorprüfung der P. S. vom 12.12.2016 identisch sind. Grundsätzlich ist zwar nichts dagegen einzuwenden, dass das Landratsamt sich die Erkenntnisse aus vorgelegten Fachgutachten ggf. zu eigen macht, wenn sie aus seiner Sicht vollständig und inhaltlich überzeugend sind. Jedoch geht weder aus dem Vermerk vom 12.12.2016 noch aus der schriftlichen Stellungnahme vom 20.12.2017 noch aus der Begründung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 23.12.2016 (ausdrücklich) hervor, dass die dortigen Feststellungen bzw. Formulierungen aus den vorgelegten Fachgutachten übernommen wurden und weshalb sich das Landratsamt diese zu eigen machen konnte und durfte. Darüber hinaus fehlt es nahezu vollständig an Ausführungen dazu, welche Prüfungen und Bewertungen das Landratsamt selbst vorgenommen hat und welche Erkenntnisse ihm selbst vorlagen, die über die bloße Aufnahme und Wiedergabe der artenschutzrechtlichen Prüfung und des Fachbeitrags zur standortbezogenen Vorprüfung von P. S. vom 12.12.2016 hinausgehen. Mit Blick auf den Umstand, dass das Landratsamt die Vorprüfung noch am selben Tag, den 12.12.2016, abgeschlossen hat, sieht die Kammer hier gesteigerte Anforderungen an die Dokumentation einer unabhängigen und eigenständigen Entscheidung.

Dies gilt im Einzelnen etwa für die Ausführungen zur Natura 2000-Vorprüfung, die in der Begründung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung und in der internen schriftlichen Stellungnahme des Fachbereichs Umwelt und Arbeitsschutz vom 20.12.2017 enthalten sind. Auch die Ausführungen im Vermerk zum Ergebnis der UVP-Vorprüfung vom 12.12.2016 geben lediglich den Fachbeitrag wieder. So heißt es im Vermerk im Abschnitt "Natura 2000-Gebiete", es werde "im Rahmen der vorliegenden Unterlagen" auch auf mögliche indirekte Einflüsse, wie Vogelzugkorridore zum und vom Federsee "eingegangen". Ein ähnliches Bild ergibt sich in Bezug auf den Ausschluss eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos gem. § 44 Abs. 1 BNatSchG für den Rotmilan, welches innerhalb des Dichtezentrums von Rotmilanen in der standortbezogenen UVP-Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c Satz 2 UVPG zu berücksichtigen gewesen wäre. Auch hier beschränken sich die in den Verfahrensakten niedergelegten Äußerungen des Landratsamts Sigmaringen (Stellungnahme des Fachbereichs Umwelt und Arbeitsschutz vom 20.12.2016, Verfahrensakten, S. 411 f., Begründung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, S. 27 f.) darauf, die Erkenntnisse und Einschätzungen aus dem von der Beigeladenen vorgelegten Fachgutachten zur artenschutzrechtlichen Prüfung - teils wörtlich - wiederzugeben. Erst im Rahmen des Eilverfahrens deutet der Antragsgegner - vergleichsweise pauschal - an, dass die Einschätzung, dass eine Beeinträchtigung der Natura 2000-Gebiete und des Vogelzugs von und zum Federsee nicht zu besorgen sei, auch auf "persönlichen Kenntnissen" der unteren Naturschutzbehörde beruhe; eine gesonderte Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde sei zur UVP-Vorprüfung "auf Grund der direkten Abstimmung zwischen den beteiligten Fachbehörden sowie der Übernahme der natur- und artenschutzrechtlichen Abwägung in das Prüfprogramm" nicht erfolgt.

Der - jedenfalls von außen wahrnehmbare - Eindruck einer womöglich unzureichenden eigenständigen Prüfung des Landratsamts bzw. die defizitäre Dokumentation der eigenständigen Entscheidungsfindung erscheint auch deshalb bedeutsam, weil aufgrund der oben dargelegten bereits kritischen Befunde sowie aufgrund ggf. vorhandener Mängel in der artenschutzrechtlichen Prüfung des Büros P. S. vom 12.12.2016 eine besonders kritische Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Fachbeiträge erforderlich und nachvollziehbar zu dokumentieren gewesen wäre.

Verschärft werden die Defizite in der Dokumentation weiter dadurch, dass der Antragsgegner für das Risiko einer Beeinträchtigung des Natura-2000 Schutzgebiets Federsee und der Dichtezentren von Rotmilanen durch die Stellungnahme des Naturschutzbeauftragten vom 12.11.2016 sensibilisiert gewesen sein muss. Einen etwaigen Verstoß des Landratsamts gegen die Beteiligungsrechte des Naturschutzbeauftragen, der in seiner Stellungnahme vom 12.11.2016 die Vorlage an die höhere Naturschutzbehörde nach § 59 Abs. 5 Satz 1 NatSchG gefordert hat, ohne dass aus den Akten oder aus den Stellungnahmen im Eilverfahren nachvollziehbar wäre, wie das Landratsamt hierauf reagiert hat, dürfte der Antragsteller zwar als solchen nicht rügen können. Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 UmwRG ist auf Rechtsbehelfe von Personen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG - wie den Antrag des Antragstellers - § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Aufhebung einer Entscheidung nur verlangt werden kann, wenn der Verfahrensfehler dem Beteiligten die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat. Dies dürfte bei § 59 NatSchG nicht der Fall sein, da es sich hierbei um eine behördeninterne Verfahrensvorschrift handelt, die keinerlei Beteiligungsrechte nach außen begründet. Jedoch muss das Landratsamt bei seiner Entscheidung, von einer UVP abzusehen, die Einwendungen des Naturschutzbeauftragen in angemessener Weise verarbeitet haben. Jedenfalls erfordert die Regelung in § 3c Satz 6 UVPG, dass die Behörde in den Verfahrensakten eine Auseinandersetzung mit den Einwendungen des Naturschutzbeauftragen zumindest kurz darlegt. Dies ist jedoch nicht geschehen; die Stellungnahme des Naturschutzbeauftragten ist bemerkenswerterweise - obwohl dem Landratsamt bekannt - noch nicht einmal zu den Akten genommen worden.

ee) Aufgrund der potentiellen Beeinträchtigung der Rotmilan-Dichtezentren und der unzureichenden Dokumentation kommt es schließlich nicht mehr darauf an, ob über die potentielle Beeinträchtigung der Rotmilan-Dichtezentren hinaus die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG allein genügen, um eine Vorprüfungspflicht nach § 3c Satz 2 UVPG auszulösen (so OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.05.2017 - 8 A 870/15 -, Rn. 81, juris; a.A. OVG Saarland, Beschluss vom 05.04.2017 - 2 B 726/16 -, juris und Hess. VGH, Beschluss vom 24.08.2016 - 9 B 974/16 -, juris, die die Annahme eines gleichermaßen schutzbedürftigen Gebiets nur in engen Ausnahmefällen annehmen wollen, wenn sich die Erforderlichkeit der Unterschutzstellung des betreffenden Gebiets als eines Lebensraums oder Habitats, das für sich betrachtet in signifikanter Weise zur Arterhaltung beiträgt oder prioritäre Lebensraumtypen beherbergt, förmlich aufdrängt und demnach allgemeine artenschutzrechtliche Belange i.S.d. § 44 BNatSchG allein nicht ausreichen lassen; in diesen Fällen war aber kein Dichtezentrum des Rotmilans im Vorhabenbereich festgestellt worden). Es kann daher offen bleiben, ob der Antragsteller im vorliegenden Fall über die potentielle Beeinträchtigung der Rotmilan-Dichtezentren hinaus auch Fehler bezüglich der allgemeinen Feststellung des Landratsamts, dass ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko nach § 44 Abs. 1 BNatSchG in Bezug auf den Rotmilan und andere Arten wie den Baumfalken oder die vorzufindenden Fledermausarten ausgeschlossen werden könne, erfolgreich rügen kann.

Unabhängig hiervon spricht aber - gerade auch nach den sich aus den LUBW-Hinweisen ergebenden Anforderungen und den oben aufgezeigten Mängeln auch im Fachbeitrag zur artenschutzrechtlichen Prüfung - viel dafür, dass objektiv-rechtlich der erforderliche Nachweis, dass ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko i.S.d. § 44 Abs. 1 BNatSchG ausgeschlossen werden kann, jedenfalls in Bezug auf den Rotmilan nicht in der erforderlichen Weise geführt worden ist.

ff) Eine bisher nicht oder unzureichend durchgeführte Vorprüfung kann grundsätzlich nachgeholt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.08.2008, 4 C 11.07, juris Rn. 24 ff.). Ob hierzu auf eine analoge Anwendung von § 45 Abs. 2 VwVfG zurückgegriffen werden muss (so das BVerwG, a.a.O.), kann dahinstehen. Schon aus § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b ("weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist") und Satz 2 UmwRG dürfte sich ergeben, dass eine bisher unterbliebene oder nicht ordnungsgemäß durchgeführte UVP-Vorprüfung oder UVP nachgeholt werden kann. Dies wird von der oben genannten jüngst erfolgten Einfügung eines neuen Satzes 1 in § 4 Abs. 1b UmwRG bestärkt, wonach ein entsprechender Fehler nur dann zur Aufhebung des Bescheides führt, wenn der Fehler nicht behoben werden kann (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 23.06.2017 - 1 Bs 14/17 -, Rn. 38, juris). Mit Blick auf die Betroffenheit der Rotmilan-Dichtezentren dürfte nach Auffassung der Kammer aber ohnehin - wie dargelegt - voraussichtlich eine UVP durchzuführen sein, wobei höchst zweifelhaft ist, ob diese zur Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens führen würde.

3. Die fehlerhafte standortbezogene Vorprüfung rechtfertigt derzeit jedenfalls aber ohnehin die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers. Dies gilt auch dann, wenn aufgrund der aktuell geltenden Fassung von § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1b Satz 1 UmwRG im Widerspruchsverfahren ggf. nicht eine Aufhebung der angefochtenen Genehmigung in Betracht kommt, sondern lediglich eine Feststellung von deren Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit. Dies entspricht der Rechtsprechung zum vorläufigen Rechtsschutz gegen Planfeststellungsbeschlüsse (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.02.2017, 4 VR 20.16, Rn. 3, juris), bei denen aufgrund des gesetzlichen Grundsatzes des Planerhalts (vgl. § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG) eine Aufhebung nur unter bestimmten Voraussetzungen in Betracht kommt. Der neue Satz 1 von § 4 Abs. 1b UmwRG wurde ausdrücklich zur Angleichung an das Planfeststellungsrecht als Parallelregelung zu § 5 Abs. 1a Satz 2 VwVfG geschaffen (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 23.06.2017 - 1 Bs 14/17 -, Rn. 64, juris unter Verweis auf BT-Drs. 18/12146, S. 16).

Die im Rahmen der Entscheidung nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung ergibt in jedem Fall, dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollziehungsinteresse der Beigeladenen derzeit überwiegt. Auf Seiten der Beigeladenen ist deren wirtschaftliches Interesse am Betrieb der Windenergieanlagen in die Abwägung einzustellen. Allerdings wird im allgemeinen kein besonderes Interesse am Sofortvollzug einer voraussichtlich rechtswidrigen Genehmigung bestehen. Zwar kann sich der Antragsteller voraussichtlich nicht darauf berufen, die angefochtene Genehmigung verletze ihn in seinen eigenen Rechten. § 4 Abs. 3 UmwRG stellt aber im Fall eines - wie hier - zulässigen Rechtsbehelfs eine Ausnahme vom Grundsatz des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO dar, wonach der Widerspruch oder die Klage eines von einer Genehmigung (vermeintlich) nachteilig Betroffenen nur dann erfolgreich ist, wenn die rechtswidrige Genehmigung den Drittbetroffenen auch in dessen subjektiven Rechten verletzt. Hinter § 4 Abs. 3 UmwRG steht das öffentliche Interesse an der wirksamen Durchsetzung umweltverfahrensrechtlicher Vorschriften (Hamburgisches OVG, Beschluss vom 23.06.2017 - 1 Bs 14/17 -, Rn. 65, juris). Es spricht viel dafür, dass - gerade angesichts der vorgefundenen Rotmilan-Dichtezentren - eine UVP mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen ist. Ein - ernsthaft zu besorgender - Verlust von Rotmilanindividuen durch den (vorläufigen) Betrieb der Windenergieanlagen innerhalb der vorgefundenen Rotmilan-Dichtezentren und die damit verbundene Beeinträchtigung der Quellpopulation dieser Art würde einen irreparablen ökologischen Schaden darstellen, der durch ein angemessenes (Vor-)Prüfungsverfahren einstweilen ausgeschlossen werden muss.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, Nrn. 19.2, 2.2.2 und Nr. 1.5 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Anh. § 164 Rn. 14). Der Streitwert wird im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts von 45.000 Euro auf 22.500 Euro herabgesetzt.