VerfGH für das Land Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.05.2019 - 1 VB 38/19
Fundstelle
openJur 2020, 33187
  • Rkr:

Unzulässige und im Übrigen auch offensichtlich unbegründete Verfassungsbeschwerde gegen die öffentliche Bekanntmachung der bei einer Kreistagswahl zugelassenen Wahlvorschläge im Internet.

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig (1.) und auch offensichtlich unbegründet (2.).

1. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (vgl. dazu StGH, Urteil vom 17.6.2014 - 1 VB 15/13 -, Juris Rn. 171; VerfGH, Urteil vom 14.11.2016 - 1 VB 16/15 -, Juris Rn. 76) entgegen. Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, dass Wahlfehler der hier in Rede stehenden Art mit einem Einspruch gegen die Wahl nach § 31 Abs. 1 KomWG und gegebenenfalls mit einer Klage gegen die Entscheidung über den Einspruch nach § 31 Abs. 3 KomWG geltend zu machen sind. Es sind keine Gründe ersichtlich, die es unzumutbar erscheinen lassen, dass der Beschwerdeführer die Rechtsbehelfe vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde ergreift.

Sollte der Beschwerdeführer auch eine Verletzung seines Rechts als Bewerber auf Chancengleichheit geltend machen, so fehlte es insoweit an einer hinreichend substantiierten Begründung im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 2 und § 56 Abs. 1 VerfGHG. Aus seinem Vorbringen ergibt sich nicht, dass er im Verhältnis zu anderen Bewerberinnen und Bewerbern benachteiligt wird.

2. Die Verfassungsbeschwerde ist im Übrigen auch offensichtlich unbegründet. Eine Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers aus Art. 26 Abs. 8 i. V. m. Art. 72 Abs. 1 LV einschließlich des vom Bundesverfassungsgericht anerkannten, ungeschriebenen Grundsatzes der Öffentlichkeit der Wahl (vgl. dazu BVerfGE 123, 39 - Juris) liegt nicht vor.

In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist noch nicht abschließend geklärt, mit welchem Wahlrechtsgrundsatz eine fehlerhafte öffentliche Bekanntmachung im Zusammenhang mit einer Wahl in Konflikt geraten könnte. Eine solche Klärung wäre jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang auch nicht erforderlich, denn es spricht nichts dafür, dass die öffentliche Bekanntmachung der zugelassenen Wahlvorschläge oder der Feststellung des Wahlergebnisses im Internet verfassungsrechtlich zu beanstanden sein könnte.

a) Die öffentliche Bekanntmachung der zugelassenen Wahlvorschläge nach § 8 Abs. 5 KomWG dient der Vorabinformation; sie soll den Wählerinnen und Wählern einen ausreichenden Überlegungszeitraum gewährleisten (vgl. Quecke/Bock/Königsberg, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 7. Aufl. 2019, § 8 KomWG Rn. 154). Der Zweck der öffentlichen Bekanntmachung wird dementsprechend erreicht, wenn die öffentliche Bekanntmachung möglichst viele Wählerinnen und Wähler erreichen kann.

Die Einschätzung des Landkreises Lörrach, dass diesem Zweck mit der öffentlichen Bekanntmachung im Internet Rechnung getragen wird, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Nutzung des Internets ist in einem weit überwiegenden Teil der Bevölkerung mittlerweile eine Selbstverständlichkeit; das Statische Landesamt Baden-Württemberg ermittelte bezogen auf das erste Quartal 2018 eine Ausstattung von 89 Prozent der privaten Haushalte mit Internetzugang (s. https://www.statistik-bw.de/PrivHaushalte/IKT/InetZugBreitband.jsp [abgerufen am 21.5.2019]). Dass die Landesregierung in ihrem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften vom 3. August 2015 einer öffentlichen Bekanntmachung im Internet noch ablehnend gegenüberstand, begründet sie auch nicht mit einer unzureichenden Versorgung der Bevölkerung mit einem Internetzugang, sondern unter Hinweis darauf, dass eine solche "im Hinblick auf die Umbruchsituation in der Medienlandschaft für die Zeitungsverlage problematisch" ist (LT-Drs. 15/7265 S. 33). Damit ist zugleich der Umstand angesprochen, dass die Auflagen von Tageszeitungen tendenziell zurückgehen und damit immer weniger Wählerinnen und Wähler erreichen.

Abgesehen davon, dass der Landkreis Lörrach davon ausgehen durfte, dass der weit überwiegende Teil der Bevölkerung über einen Internetzugang verfügt oder sich zumindest unkompliziert Zugang zum Internet verschaffen kann, ist auch den Bedürfnissen derjenigen Bevölkerungskreise hinreichend Rechnung getragen, die keinen oder nur unter erschwerten Bedingungen Zugang zum Internet haben. In Ausfüllung des Regelungsauftrags in § 1 Abs. 2 Satz 2 und 3 DVO-LKrO sieht § 1 Abs. 2 der Bekanntmachungssatzung des Landkreises vor, dass die Wortlaute der öffentlichen Bekanntmachungen im Landratsamt an der Infotheke von jedermann während der Sprechzeiten kostenlos eingesehen werden können und sie gegen Kostenerstattung als Ausdruck zur Verfügung gestellt oder unter Angabe der Bezugsadresse postalisch übermittelt werden.

b) Ein Verfassungsverstoß ist auch nicht in der öffentlichen Bekanntmachung der Feststellung des Wahlergebnisses (vgl. § 28 Satz 2 i. V. m. Satz 1 KomWG) im Internet zu sehen. Diese öffentliche Bekanntmachung setzt nicht zuletzt die Einspruchsfrist des § 31 Abs. 1 KomWG in Gang. Es ist Personen, die die Erhebung eines Einspruchs in Erwägung ziehen, durchaus zumutbar, sich im Internet oder im Landratsamt darüber zu informieren, ob die Bekanntmachung schon erfolgt ist, zumal sie im zeitlichen Zusammenhang mit dem Wahltag ("unverzüglich") zu erfolgen hat und damit klar vorherzusehen ist, wann sie erfolgt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.