LAG Köln, Urteil vom 11.04.2019 - 7 Sa 582/18
Fundstelle
openJur 2020, 31794
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 14 Ca 5995/17

1. Gegen einen Anspruch eines Arbeitnehmers auf die arbeitsvertragliche Vergütung kann nur im Umfang der Netto-Vergütungsansprüche aufgerechnet werden.

2. Zu den Anforderungen an die Darlegung eines Wettbewerbsverstoßes während des bestehenden Arbeitsverhältnisses.

3. Zur Unwirksamkeit eines entschädigungslosen nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 26.07.2018 teilweise abgeändert:

Die Klage wird hinsichtlich Ziff. 2 des erstinstanzlichen Urteilstenors (sog. Verzugskostenpauschale) abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um restliche Gehaltsansprüche des Klägers aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 14. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, der Klage in vollem Umfang stattzugeben, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 26.07.2018 Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 14.08.2018 zugestellt. Die Beklagte hat hiergegen am 13.09.2018 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist bis zum 14.11.2018 am 13.11.2018 begründet.

Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest, dass die streitgegenständlichen Gehaltsansprüche des Klägers durch die von ihr erklärte Aufrechnung erloschen seien.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihre Behauptungen dazu, dass der Kläger bereits während des bestehenden Arbeitsverhältnisses unter Verstoß gegen § 60 HGB Mandanten zugunsten seines neuen Arbeitgebers, der Firma E , abgeworben habe. So hätten unmittelbar nach der Kündigung des Klägers 14 langjährige Mandanten ihr Mandatsverhältnis zu ihr, der Beklagten, gekündigt und seien zur Firma E gewechselt. Zwischenzeitlich - so die Beklagte in ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 05.11.2018 - habe sich der Bestand an Mandanten, die zu der Firma E abgewandert seien, weiter präzisiert und ergebe sich aus der Anlage BB10.

Der Kläger habe auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten gegen das aus § 9 seines Arbeitsvertrages folgende nachvertragliche Wettbewerbsverbot verstoßen. Das in § 9 des Arbeitsvertrages enthaltene nachvertragliche Wettbewerbsverbot sei nach Ansicht der Beklagten trotz fehlender Karenzentschädigungsvereinbarung wegen der besonderen Stellung des Klägers im Unternehmen wirksam. Insgesamt habe somit der Kläger durch seine Wettbewerbsverstöße einen Schaden in Höhe von mindestens 90.000,- € verursacht.

Ebenfalls zu Unrecht habe das Arbeitsgericht einen Rückforderungsanspruch sowie einen Schadensersatzanspruch wegen nicht nachgewiesener Arbeitsleistung verneint. Unter Berücksichtigung des klägerischen Bruttogehalts für acht Monate betrage der Rückforderungsanspruch "ca. 20.000,00 €". Da erfahrungsgemäß etwa 70 % der Arbeitszeit eines Steuerberaters gegenüber Mandanten fakturierbar seien und hierfür ein Stundensatz von 100,00 € anzusetzen sei, komme wegen der Minderarbeit des Klägers ein Schadensersatzanspruch in Höhe von weiteren 35.000,- € hinzu.

Jedenfalls habe der Kläger aber in den Monaten Januar und Februar 2017 keine einzige Arbeitsstunde nachgewiesen. Deswegen habe sie, die Beklagte, zumindest einen Rückforderungsanspruch hinsichtlich der beiden Gehälter für Januar und Februar 2017 sowie, ausgehend von der soeben skizzierten Berechnung, einen Schadensersatzanspruch wegen entgangener Rechnungseinnahmen von Mandanten im Umfang von 23.520,00 €.

Weiterhin tritt die Beklagte einer Annahme des Arbeitsgerichts entgegen, der Urlaub des Klägers im August 2017 sei mit ihrem Geschäftsführer W abgestimmt sowie von diesem genehmigt worden. Der Kläger habe sich am 14.08.2017 zur Unzeit für zwei Tage krankgemeldet und sich dann in einen nicht genehmigten Urlaub abgesetzt.

Falsch sei schließlich auch die Auffassung des Arbeitsgerichts, ihr, der Beklagten, stehe keine Aufrechnungsmöglichkeit wegen der unrechtmäßigen Honorarrechnung des Klägers vom 17.07.2017 zu.

Auf die vollständigen Einzelheiten der Berufungsbegründungsschrift der Beklagten vom 05.11.2018 wird ergänzend Bezug genommen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte verteidigt Ergebnis und Begründung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Er, der Kläger, habe keine Wettbewerbsverstöße begangen und weder Mandanten, noch Mitarbeiter der Beklagten abgeworben. Während des laufenden Arbeitsvertragsverhältnisses der Parteien habe es auch gar keinen Mandantenwechsel gegeben. Er, der Kläger, habe erfahren, dass die Beklagte den Mandanten, nachdem seine Tätigkeit für die Beklagte beendet gewesen sei, keinen nun verantwortlichen Mitarbeiter vorgestellt und die Betreuung der Mandanten schlicht eingestellt habe. Etwa ab Oktober 2017, jedenfalls aber nach Beendigung des Arbeitsvertrags der Parteien, sei von Mandanten Kontakt gesucht worden und hätten diese ihren langjährigen Vertrauten Herrn U K , der ebenso wie die langjährig beschäftigte Mitarbeiterin P F die Beklagte verlassen hatte und zu ECOVIS gewechselt war, angesprochen.

Der Kläger behauptet, er habe im Januar und Februar 2017 insgesamt 336 Soll-Arbeitsstunden geleistet. Er habe in diesem Zeitraum auch diverse Termine im Beisein des Geschäftsführers W wahrgenommen. Alle übrigen Mitarbeiter könnten die Tätigkeit bzw. Anwesenheit des Klägers bestätigen. Seine Termine ließen sich auch anhand des dienstlichen Terminkalenders rekonstruieren. Die Zeiten seien vollständig und ordnungsgemäß erfasst worden. Im Übrigen sei dem zugrundeliegenden Arbeitsvertrag eine explizite Verpflichtung zur Zeiterfassung in der von der Beklagten dargestellten Art und Weise nicht zu entnehmen. Dass die Zeiten für Januar und Februar nicht im Datev-System erfasst seien, beruhe darauf, dass zuvor mit dem Programm Addison gearbeitet worden sei und die Stundenerfassungen nicht aus Addison nach Datev übertragen worden seien. Bezeichnenderweise sei er, der Kläger, während des bestehenden Arbeitsverhältnisses auch nicht wegen von ihm nicht erfasster oder erbrachter Arbeitszeiten gerügt oder gar abgemahnt worden.

In formaler Hinsicht beanstandet der Kläger, dass die Aufrechnung der Beklagten auch wegen Verstoßes gegen § 394 Satz 1 BGB unzulässig sei.

Auf den vollständigen Inhalt der Berufungserwiderungsschrift des Klägers wird ebenfalls Bezug genommen.

Bezug genommen wird ferner auf die weiteren, nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten vom 01.04.2019 und des Klägers vom 04.04.2019.

Gründe

I. Die Berufung der Beklagten ist überwiegend zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 Buchstabe b) ArbGG statthaft. Sie wurde auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

Unzulässig ist die Berufung jedoch insoweit, als die Beklagte ausweislich ihres Berufungsantrags auch die Abweisung des Urteilsausspruchs zu Ziffer 3 des Urteilstenors vom 26.07.2018 begehrt. Die Beklagte hat entgegen § 520 Abs. 3 ZPO mit keinem Wort dazu Stellung genommen, warum das Arbeitsgericht sie nicht zur Erteilung eines Ausdrucks der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2017 hätte verurteilen dürfen.

II. Soweit die Berufung der Beklagten zulässig ist, erweist sie sich jedoch nur in geringem Umfang als begründet.

1. Begründet ist die Berufung der Beklagten nur insoweit, als das Arbeitsgericht dem Kläger zu Unrecht die sogenannte Verzugskostenpauschale nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB zugebilligt hat. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 25.09.2018, 8 AZR 26/18, entschieden, dass im Arbeitsrecht § 288 Abs. 5 BGB durch § 12 a ArbGG verdrängt werde und deshalb nicht anwendbar sei (ebenso Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Auflage, § 288 Rn. 15). Dem schließt sich das Berufungsgericht aus Gründen der Rechtssicherheit an.

2. Im Übrigen ist die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 26.07.2018 in Sachen 14 Ca 5995/17 unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung seiner Gehälter für August 2017 und September 2017 in Höhe von jeweils 7.204,00 € brutto nebst eingeklagter Verzugszinsen.

a. Dem Kläger steht arbeitsvertraglich ein monatliches Gehalt in Höhe von 7.000,00 € brutto zu. Hinzukommt der arbeitsvertraglich vereinbarte Zuschuss des Arbeitgebers zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 204,00 €.

b. Dass dem Kläger die Gehaltsansprüche für die Monate August und September 2017 in dieser eingeklagten Höhe zunächst in vollem Umfang entstanden sind, greift die Beklagte, soweit ersichtlich, in der Berufungsinstanz nicht mehr an. Für den Monat August hatte die Beklagte den Gehaltsanspruch schon vorgerichtlich durch Erteilung einer entsprechenden Entgeltabrechnung bestätigt.

c. Ihre erstinstanzlich vertretene Ansicht, dass der Kläger sich in der Zeit ab 20.09.2017 eigenmächtig selbst freigestellt habe und deshalb für diesen Zeitraum keine Vergütung verlangen könnte, hat die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht mehr aufgegriffen. Jedenfalls ist das Arbeitsgericht dieser Ansicht zu Recht nicht gefolgt. Die Beklagte hatte den Kläger nicht nur für den 18.09. und 19.09.2017 freigestellt, sondern ihm auch den dienstlichen PC-Account sowie die Büroschlüssel entzogen. Diese Verhaltensweise konnte der Kläger nur so verstehen, dass seine Arbeitsleistung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 30.09.2017 von der Beklagten nicht mehr erwünscht war. Unabhängig davon hat der Kläger auch für den fraglichen Zeitraum wirksam von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts unter IV 1 seiner Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

d. Soweit der Kläger im Zeitraum August/September 2017 einige - im genauen Umfang nicht näher mitgeteilte - Anzahl von Tagen Erholungsurlaub in Anspruch genommen hat, betont die Beklagte in der Berufungsinstanz zwar, dass nach ihrer Behauptung dieser Urlaubsantritt von ihrem Geschäftsführer entgegen der Darstellung des Klägers nicht genehmigt gewesen sei. Unklar ist jedoch geblieben, welche Rechtsfolge die Beklagte aus dieser Behauptung herleiten will. Insbesondere ist nicht erkennbar geworden, dass die Beklagte damit etwa zum Ausdruck bringen wollte, der Kläger habe für die von ihm in Anspruch genommenen Urlaubstage keinen Vergütungsanspruch erworben. So hat die Beklagte auch weder die genaue Anzahl der genommenen Urlaubstage mitgeteilt, noch die Höhe eines ihrer Meinung nach daraus resultierenden Abzugsbetrages. Hinzukommt, dass die Beklagte zwar in Abrede stellt, dass der Urlaub vom Geschäftsführer genehmigt gewesen sei, zu keinem Zeitpunkt aber bestritten hat, dass der Kläger über einen Urlaubsanspruch in entsprechendem Umfang noch verfügte. Dann wäre ein verbleibender Resturlaubsanspruch aber mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Beklagten in entsprechendem Umfang abzugelten gewesen, falls der Kläger ihn zuvor nicht in natura verwirklicht hätte.

3. Die Beklagte stützt ihre Rechtsverteidigung in der Berufungsinstanz vielmehr maßgeblich darauf, dass die streitgegenständlichen Gehaltsansprüche des Klägers für die Monate August und September 2017 durch Aufrechnung mit der Beklagten vermeintlich zustehenden Gegenforderungen erloschen seien. Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, geht diese Auffassung der Beklagten fehl.

a. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit diversen Gegenforderungen kann bereits aus mehreren formellen Gründen von vornherein keinen Erfolg haben.

aa. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung erweist sich bereits deshalb als rechtsunwirksam, da sie den arbeitsrechtlichen Grundsatz verletzt, dass gegen Ansprüche eines Arbeitnehmers auf die arbeitsvertragliche Vergütung nur im Umfang der Netto-Vergütungsansprüche aufgerechnet werden kann (BAG vom 26.10.2016, 5 AZR 456/15; BAG vom 12.12.2012, 5 AZR 93/12; Personalbuch 2019 / Griese, Stichwort "Aufrechnung", Rn.5). Dies folgt insbesondere daraus, dass ein bestehender Anspruch auf Arbeitsvergütung unabhängig davon, ob gegen ihn eine Aufrechnung erklärt werden soll oder nicht, steuer- und sozialversicherungspflichtig bleibt.

bb. Die Aufrechnung der Beklagten erweist sich ferner als formell unwirksam, weil sie dem Bestimmtheitserfordernis nicht entspricht. Soll ein bestehender Anspruch durch Aufrechnung zum Erlöschen gebracht werden, müssen Grund und Höhe der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung exakt bestimmbar sein. Werden mehrere Gegenforderungen zur Aufrechnung gestellt, muss exakt bestimmbar sein, welche Gegenforderung in welchem Umfang und in welcher Reihenfolge im Falle des Erfolgs der Aufrechnung erlischt.

aaa. Die Beklagte beziffert ihre vermeintlichen Vergütungsrückzahlungsansprüche für die Zeit von Januar bis August 2017 mit "ca. 20.000,00 €". Ein "Ca.-Betrag" entspricht nicht dem Bestimmtheitserfordernis bei der Aufrechnung.

bbb. Ebenso rechnet die Beklagte mit mindestens fünf verschiedenen Schadensersatz- und Bereicherungsansprüchen auf. Eine bestimmte Reihenfolge, in der sie ihre vermeintlichen Gegenforderungen zur Aufrechnung stellen will, hat sie jedoch nicht vorgegeben. Auch ein Rückgriff auf § 366 Abs. 2 BGB hilft in diesem Fall nicht weiter, da auch die dort genannten Kriterien nach dem Sachvortrag der Beklagten nicht exakt bestimmt werden können.

cc. Schließlich verstößt die Aufrechnung der Beklagten auch gegen § 394 Satz 1 BGB. Die Vergütungsansprüche des Klägers, der für mehrere Personen unterhaltspflichtig ist, unterliegen teilweise dem Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen nach §§ 850 ff. ZPO. Auch diesem Aspekt hat die Beklagte mit ihrer Aufrechnung nicht Rechnung getragen. Ein Ausnahmetatbestand, in welchem der Pfändungsschutz nicht eingreifen könnte, ist ebenfalls nicht erkennbar. Insbesondere steht der Beklagten gegen den Kläger kein Schadensersatz wegen vorsätzlicher deliktischer Schädigung zu. Ein solcher wäre vorliegend allenfalls unter dem Gesichtspunkt eines vorsätzlichen Verstoßes des Klägers gegen das während der Dauer des Arbeitsverhältnisses bestehende Wettbewerbsverbot nach § 60 HGB in Frage gekommen. Ein derartiger Schadensersatzanspruch der Beklagten besteht aber nicht (s. u.).

b. Die Aufrechnung der Beklagten hat die berechtigten Gehaltsforderungen des Klägers für die Monate August und September 2017 aber auch deshalb nicht zum Erlöschen gebracht, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass die von der Beklagten für sich reklamierten Gegenforderungen bestehen.

aa. Wie bereits in der ersten Instanz so hat die Beklagte auch in der Berufungsinstanz nicht plausibel und objektiv nachvollziehbar darlegen, geschweige denn belegen können, dass der Kläger bereits in der Zeit des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses der Parteien, also bis zum 30.09.2017, wettbewerbswidrige Aktivitäten entfaltet hätte, indem er Mandanten der Beklagten abgeworben und zu einem Wechsel zu seinem Anschlussarbeitgeber, der Firma E , veranlasst hätte. Die Beklagte beruft sich maßgeblich auf ein Schreiben ihrer ehemaligen Mandantin D . J vom 16.10.2017, mit welchem diese die Beklagte auffordert, die sie betreffenden Unterlagen dem Kläger unter der Anschrift der Firma E zuzusenden, und auf ein Schreiben der Firma E selbst vom 26.10.2017, in welchem die Firma E der Beklagten die Übernahme der steuerlichen Betreuung und Vertretung von insgesamt 14 ehemaligen Mandanten der Beklagten anzeigt und sie um Übermittlung der entsprechenden Datenbestände bittet.

aaa. Wegen der zeitlichen Nähe zum Wechsel des Klägers von der Beklagten zur Firma E am 01.10.2017 schließt die Beklagte nun, dass es der Kläger gewesen sein müsse, der aktiv auf die entsprechenden Mandanten zugegangen sein müsse, um sie zu einem Mandatswechsel auf die Firma E zu veranlassen. Des Weiteren schließt die Beklagte, dass dies noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses der Parteien, also in der Zeit vor dem 01.10.2017 geschehen sein müsse.

bbb. Die Rückschlüsse, welche die Beklagte in Bezug auf den Kläger damit anstellt, bezeichnen jedoch nur eine von mehreren ebenso wenig auszuschließenden Eventualitäten. So erscheint es nach dem Sachvortrag der Beklagten nicht nachvollziehbar, warum es ausgeschlossen sein soll, dass sich die Mandantin D . J bzw. diejenigen Mandanten, auf die sich das Schreiben der Firma E vom 26.10.2017 bezieht, aus eigenem Antrieb entschlossen haben könnten, von der Beklagten zur Firma E zu wechseln, etwa nachdem sie erfahren hatten, dass der Kläger, aber auch die beiden weiteren langjährig bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter K und F zur Firma E gewechselt waren. Ebenso wenig ist erkennbar, warum es ausgeschlossen sein soll, dass die fraglichen Mandanten auf Empfehlung eines der anderen zur Firma E gewechselten Mitarbeiter, etwa des Mitarbeiters K , ihre Mandatswechsel vorgenommen haben. Schließlich lässt sich aus dem Vortrag der Beklagten auch nicht entnehmen, warum es ausgeschlossen ist, dass zwar der Kläger es war, der den Mandanten den Mandatswechsel nahegelegt hat, dies jedoch erst zu einem Zeitpunkt nach dem 30.09.2017, als das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet war und folglich auch das Wettbewerbsverbot nach § 60 HGB nicht mehr bestand.

ccc. Bezeichnenderweise hat die Beklagte keinen einzigen Mandatswechsel oder auch nur eine Mandatskündigung vorgetragen, die sich noch während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses der Parteien, also vor dem 01.10.2017 abgespielt haben. Das einzige von der Beklagten - weit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist - vorgelegte Schriftstück, das sich auf einen - für die Zukunft beabsichtigten - Mandatswechsel bezieht und aus der Zeit vor dem 01.10.2017 stammt, nämlich vom 18.09.2017, die als Anlage BB21 vorgelegte Email der Mandantin B O , erwähnt im Text zwar auch den Kläger, ist aber an Herrn K adressiert und spricht direkt nur den Mitarbeiter K an. Wenn es zu dem in dem an Herrn K gerichteten Schreiben heißt, "wir sind mit Ihrer Arbeit und der Arbeit von H. O zufrieden", so widerlegt dies zugleich die Einlassung der Beklagten, dass die Arbeit von Herrn K nicht für einen Mandatswechsel von Bedeutung gewesen sein könnte, weil Herr K im Gegensatz zum Kläger kein Steuerberater sei.

ddd. Der Rückschluss der Beklagten, die im Oktober 2017 eingeleiteten Mandantenwechsel zur Firma E müssten auf Aktivitäten des Klägers beruhen, die dieser unter Verstoß gegen § 60 HGB noch während des bestehenden Vertragsverhältnisses der Parteien vorgenommen habe, bezeichnet somit objektiv betrachtet nur eine - und keineswegs als überwiegend wahrscheinlich einzustufende - Eventualität unter mehreren Alternativen. Wie schon das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, kann ein Schadensersatzanspruch hierauf nicht ansatzweise gestützt werden.

bb. Ebenso wenig steht der Beklagten ein Schadensersatzanspruch gegen den Kläger wegen Verstoßes gegen das in § 9 des Arbeitsvertrags der Parteien enthaltene nachvertragliche Wettbewerbsverbots zu.

aaa. Das in § 9 des Arbeitsvertrags der Parteien enthaltene nachvertragliche Wettbewerbsverbot bewertet die Berufungskammer als ersichtlich rechtsunwirksam bzw. unverbindlich. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Unwirksamkeit bereits aus einer übermäßig langen Bindungsdauer von drei Jahren folgt (vgl. BGH vom 29.09.2003, NJW 2004, 66). Jedenfalls ergibt sich die fehlende Verbindlichkeit aus § 74 Abs. 2 HGB, weil die Beklagte es unterlassen hat, dem Kläger für die mit der Einhaltung des Wettbewerbsverbots verbundenen wirtschaftlichen Nachteile eine entsprechende Karenzentschädigung zuzusagen.

bbb. Einen Anlass dafür, die von der Beklagten befürwortete Ausnahme von der Karenzentschädigungspflicht nach § 74 Abs. 2 HGB im Falle des Klägers anzuerkennen, besteht nicht. Eine "besondere Stellung" des Klägers im Unternehmen der Beklagten mag zwar bei Arbeitsvertragsschluss für die Zukunft in Aussicht genommen worden sein, hat sich bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses der Parteien am 30.09.2017 aber nicht in institutionalisierter Form verwirklicht. Ausnahmen von der Entschädigungspflicht nach § 74 Abs. 2 HGB werden zwar für Organmitglieder einer juristischen Person in Betracht gezogen. Bei dem Kläger handelte es sich aber nicht um ein Organmitglied der beklagten GmbH. Selbst bei GmbH-Geschäftsführern kann aber ein entschädigungsloses Wettbewerbsverbot unter Umständen eine übermäßige Knebelung darstellen (vgl. OLG Düsseldorf vom 03.12.1998, Z IP 1999, 311; OLG Düsseldorf vom 10.03.2000, NZG 2000, 737).

cc. Das Arbeitsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagten kein Gehaltsrückzahlungsanspruch wegen angeblich überzahlter Vergütungen in Höhe von "ca. 20.000,00 €" zustehe.

aaa. Die Ausgangsberechnung der Beklagten erscheint schon insoweit in sich unschlüssig, als die Beklagte bei den Soll-Arbeitsstunden für die Monate Juni und Juli 2017 die volle Stundenzahl einer in der 40-Stunden-Woche beschäftigten Vollzeitarbeitskraft angesetzt hat. Der Kläger war aber in diesem Zeitraum unstreitig für einen Monat in Elternzeit und unterlag insoweit keiner Arbeitsverpflichtung.

bbb. Aber auch beschränkt auf die Gehälter, die die Beklagte für die Monate Januar und Februar 2017 an den Kläger gezahlt hat, ist ein Rückforderungsanspruch nicht nachvollziehbar dargelegt. Die Ausführungen der Beklagten dazu, dass der Kläger in den Monaten Januar und Februar 2017 nicht die von ihr erwarteten detaillierten Arbeitszeitaufzeichnungen angefertigt und vorgelegt habe, könnten, wenn sie zuträfen, geeignet sein, die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht durch den Kläger zu begründen, wobei allerdings nach den Darlegungen der Beklagten nach wie vor unklar bleibt, worin im Falle des Klägers die arbeitsvertragliche Grundlage für die von der Beklagten beschriebene Verpflichtung zu sehen sein soll. Ein Mitarbeiter, der seine Arbeitsleistung erbracht hat, verliert aber nicht deshalb seinen Anspruch auf die arbeitsvertragliche Gegenleistung in Form der Arbeitsvergütung, wenn er es pflichtwidrig unterlassen hat, eine "Stechuhr" zu bedienen oder bestimmte Dokumentationspflichten zu erfüllen. Die Argumentation der Beklagten läuft jedoch darauf hinaus, aus dem Umstand, dass der Kläger die von ihr erwarteten Tätigkeitsnachweise nicht vorgelegt habe, sei zu folgern, dass er zwei Monate lang unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben sei bzw. diese verweigert hätte. Die Beklagte kann jedoch nicht ernsthaft damit gehört werden, dass sie ein solches Verhalten des Klägers zwei Monate lang unbehelligt hingenommen hätte, ihm gleichwohl seine Gehälter ausgezahlt hätte und ihn gleichwohl ab Frühjahr 2017 in die dann anstehenden wichtigen unternehmenspolitischen Planungen und Verhandlungen eingebunden hätte.

dd. Kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger in den Monaten Januar und Februar 2017 keinerlei Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht hat, so entfällt auch die Grundlage für den darauf aufbauenden Schadensersatzanspruch, der darin bestehen soll, dass der Kläger aufgrund seiner Nichtarbeit auch keine fakturierbaren Mandantenumsätze erzielt hätte. In diesem Zusammenhang erscheint auch die Annahme lebensfremd, zumindest aber besonders erklärungsbedürftig, dass bei der Beklagten abgesehen von etwaigen vom Kläger anzufertigenden Arbeitszeitnachweisen keinerlei Unterlagen vorhanden sein sollten, denen entnommen werden könnte, welche Leistungen seitens der Beklagten für ihre Mandanten erbracht worden sind.

ee. Die Beklagte hat schließlich auch nicht ausreichend dargelegt, dass sie einen Anspruch darauf hat, den dem Kläger auf der Grundlage seiner Rechnung vom 17.07.2017 zugeflossenen Betrag in Höhe von 2.100,00 € zurückgezahlt zu erhalten.

aaa. Die Rechnung bezieht sich nach Angaben des Klägers auf Leistungen, die dieser während seiner vom 15.06. bis 15.07.2017 andauernden Elternzeit für die Beklagte erbracht haben will. Dass der Kläger in der Zeit vom 15.06. bis 15.07.2017 Elternzeit in Anspruch genommen hat, ist zwischen den Parteien unstreitig. Als unstreitig hat aber auch zu gelten, dass der Kläger während des Zeitraums seiner Elternzeit an mehreren Tagen zu dienstlichen Belangen herangezogen wurde. Das ergibt sich aus dem eigenen Sachvortrag der Beklagten. So hat der Kläger unstreitig am 24.06.2017 an einer von der Beklagten anberaumten Partnerversammlung teilgenommen, bei der es um den Stand der damals virulenten Verhandlungen über eine künftige Zusammenarbeit mit der Firma E ging. Hierzu hatte der Kläger zusätzlichen zeitlichen Aufwand, weil er aus seinem Urlaub in Spanien anreisen musste. Ausweislich der Berufungsbegründungsschrift besprach der Geschäftsführer der Beklagten am 23.06.2017 ein sogenanntes Term-Sheet der Firma E vom 19.06.2017 mit dem Kläger. An diesem Tag hat der Kläger nach eigenem Bekunden auch in den Kanzleiräumen der Beklagten mit Mitarbeitern den aktuellen Sachstand in diversen Mandatsfällen besprochen, vorbereitete Schreiben unterschrieben und Post der letzten zwei Wochen durchgesehen. Der Beklagten selbst zufolge kontaktierte der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger am 07.07.2018 per Email über geschäftliche Angelegenheiten. Im Schriftsatz vom 01.04.2019 lässt die Beklagte in anderem Zusammenhang anführen: "Die Elternzeit, die der Kläger anspricht, ist unstreitig, jedoch völlig irrelevant, da der Kläger auch während seiner Elternzeit per Telefon und Email voll inhaltlich über den Stand der Verhandlungen gerade mit der Firma E informiert wurde. Als Nachweis überreicht die Beklagte beispielhaft ihre Email vom 23.06.2017 an Herrn B , ...Hieraus geht hervor, dass der Geschäftsführer W sich noch am selben Tag mit dem Kläger über die Angelegenheit unterhalten hat."

bbb. Ist somit unstreitig, dass der Kläger während seiner Elternzeit überobligatorisch dienstliche Tätigkeiten verrichtet hat, so hätte die Beklagte präzisieren müssen, in welchem Umfang dies tatsächlich geschehen sein soll, wenn sie die vom Kläger in der Rechnung vom 17.07.2017 enthaltene Stundenangabe für überzogen hält.

ccc. Der Umstand, dass der Kläger die während der Elternzeit erbrachten Leistungen per Rechnung geltend gemacht hat, mag darin begründet sein, dass es sich um zusätzliche Leistungen handelte, die außerhalb der an sich geschuldeten Arbeitszeit während des Ruhens des eigentlichen Arbeitsverhältnisses erbracht wurden. Wenn die Beklagte die Art der Abrechnung für unzutreffend und nicht den Vereinbarungen entsprechend ansieht, hätte sie darlegen müssen, inwiefern ihr aus der unzutreffenden Abrechnungsart ein Schaden entstanden ist.

4. Bei alledem ändert auch das Vorbringen der Beklagten in der Berufungsinstanz nichts daran, dass das Arbeitsgericht den Hauptanträgen der Klage zutreffend stattgegeben hat.

5. Unter dem Gesichtspunkt des Verzugs schuldet die Beklagte dem Kläger auch die zu seinen Gunsten tenorierten Zinsen.

III. Die Kosten des Berufungsrechtsstreits fallen gemäß § 97 Abs. 1 i. V. m.§ 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO der Beklagten zur Last.

Die Entscheidung beruht auf den Umständen des Einzelfalls. Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist für das Berufungsgericht nicht ersichtlich.