LAG Köln, Urteil vom 21.11.2019 - 7 Sa 342/19
Fundstelle
openJur 2020, 31788
  • Rkr:
Verfahrensgang

Zur Abgrenzung eines in einem nach § 278 VI ZPO festgestellten Prozessvergleich enthaltenen, auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzielenden und deren Einzelheiten regelnden Aufhebungsvertrags von einer Befristungsabrede.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 15.05.2019 in Sachen 4 Ca 2184/18 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses. Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 4. Kammer des Arbeitsgerichts Bonn dazu bewogen haben, die Klage abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 15.05.2019 Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn wurde der Klägerin am 03.06.2019 zugestellt. Die Klägerin hat hiergegen am 19.06.2019 Berufung eingelegt und diese am 26.07.2019 begründet.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beanstandet zunächst, dass die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Doppelnatur des Prozessvergleichs für das vorliegende Verfahren nicht relevant seien. Sie habe unstreitig einen Entfristungsantrag nach § 17 TzBfG gestellt und sich weder auf Unwirksamkeitsgründe des Vergleichs an sich berufen noch diesen angefochten. Die Frage der Unwirksamkeit des abgeschlossenen Vergleichs aufgrund materiellrechtlicher Mängel, die auch prozessual durchschlagen, und der daraus resultierenden materiellrechtlichen Folgen stelle sich deshalb gar nicht.

Nach Auffassung der Klägerin komme ein Aufhebungsvertrag schon begrifflich nicht in Betracht, weil die Parteien keine privatrechtliche Vereinbarung, sondern einen gerichtlichen Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen hätten.

Eine Aufhebungsvereinbarung könne schon deshalb nicht angenommen werden, da der vereinbarte Beendigungszeitpunkt die gesetzliche Kündigungsfrist um ein Vielfaches, nämlich hier um das 32-fache, überschreite. In einem solchen Fall könne aus der Tatsache, dass im Vergleich neben der Befristungsabrede noch weitergehende Regelungen vereinbart worden seien, nicht auf das Vorliegen eines Aufhebungsvertrages geschlossen werden.

Für die zwischen den Parteien vereinbarte Befristungsabrede fehle es an einem sachlichen Grund im Sinne von § 14 Abs. 1 S.2 TzBfG. § 14 Abs. 1 S.2 Ziff. 8 TzBfG komme nicht in Betracht; denn nach ständiger Rechtsprechung des BAG liege bei einem Vergleichsschluss nach § 278 Abs. 6 S. 1 ZPO ein gerichtlicher Vergleich nur vor, wenn die 2. Alternative der gesetzlichen Regelung erfüllt sei, es sich also um einen Vergleich aufgrund eines schriftlichen Vergleichsvorschlags des Gerichts handele.

Darüber hinaus macht die Klägerin geltend, dass auch die gesetzliche Schriftform für einen Aufhebungsvertrag aus § 623 BGB nicht gewahrt sei, da das Gericht vorliegend nicht im Sinne von § 278 Abs. 6 S. 1, 2. Alternative ZPO am Zustandekommen des Vergleichs mitgewirkt habe.

Auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift der Klägerin und ihres weiteren Schriftsatzes vom 08.11.2019 wird Bezug genommen.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn, Az.: 4 Ca 2184/18, zu ändern und nach den Schlussanträgen der Klägerin erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt Ergebnis und Begründung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Sie vertritt die Auffassung, dass der gesamte Inhalt der vergleichsweise getroffenen Regelungen auf die Beendigung des zwischen den Parteien begründeten Arbeitsverhältnisses ausgerichtet sei und gerade nicht auf dessen befristete Fortsetzung. Dabei hebt die Beklagte hervor, dass die Klägerin aufgrund des Vergleichs für mehr als zwei Jahre unter Fortzahlung der Vergütung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt worden sei.

Im Übrigen beruft sich die Beklagte darauf, dass die in dem Vergleich enthaltene Aufhebungsvereinbarung auch dem Schriftformerfordernis des § 623 BGB gerecht werde. Dies folge aus der gebotenen entsprechenden Anwendung des § 127 a BGB, wobei es nicht darauf ankomme, nach welcher Alternative des § 278 Abs. 6 S. 1 ZPO der Vergleich zustande gekommen sei.

Schließlich verhalte sich die Klägerin auch widersprüchlich und rechtsmissbräuchlich, wenn sie die in dem Vergleich vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 28.02.2019 nunmehr angreife, obwohl sie einen Vergleich diesen Inhalts selbst gewünscht hatte und für die Dauer von zwei Jahren die ihr durch den Vergleich gewährten massiven Vergünstigungen entgegengenommen hat.

Auf den vollständigen Inhalt der Berufungserwiderungsschrift der Beklagten und ihres weiteren Schriftsatzes vom 14.11.2019 wird ebenfalls Bezug genommen.

Gründe

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 15.05.2019 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 c) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen formal ordnungsgemäß eingelegt und begründet.

II. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 15.05.2019 in Sachen 4 Ca 2184/18 konnte keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit im Ergebnis richtig beurteilt und seine Entscheidung klar, überzeugend und in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BAG begründet. Die Angriffe der Klägerin in der Berufungsinstanz sind nicht geeignet, das arbeitsgerichtliche Urteil infrage zu stellen oder gar dessen Abänderung zu rechtfertigen.

Die Parteien haben in dem durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 01.02.2017 gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Vergleich eine materiellrechtliche Vereinbarung getroffen, welche auf die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses gerichtet war. Die Annahme der Klägerin hingegen, die in dem Vergleich zum Ausdruck kommende Vereinbarung der Parteien stelle in Wirklichkeit eine Befristungsabrede dar, die auf eine befristete Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses ausgerichtet gewesen sei, erscheint demgegenüber objektiv betrachtet nahezu fernliegend.

1. Zunächst erweist sich die Kritik der Klägerin an den Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Doppelnatur eines Prozessvergleichs als unberechtigt. Sie beruht augenscheinlich auf einem Missverständnis der arbeitsgerichtlichen Ausführungen.

a. Das Arbeitsgericht hat mit seinen inhaltlich zutreffenden Aussagen zur Doppelnatur eines Prozessvergleichs lediglich den rechtlichen Ausgangspunkt für die Entscheidung des vorliegenden Falles klargestellt. Die prozessrechtliche Seite eines gerichtlichen Vergleichs bewirkt, dass durch den Vergleich ein bei Gericht anhängiger Rechtsstreit seine Erledigung findet. Dazu muss der Vergleich prozessrechtlich ordnungsgemäß zustande gekommen sein. So muss der Vergleich insbesondere grundsätzlich in einer mündlichen Verhandlung nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO ordnungsgemäß protokolliert worden sein oder es muss ein die Protokollierung ersetzender, den Vergleichsinhalt feststellender Gerichtsbeschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO erlassen werden. Die Rechtsnatur eines derartigen nach § 278 Abs. 6 ZPO - gleich welcher Variante - festgestellten Vergleichs unterscheidet sich in keiner Weise von dem nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO protokollierten. Er ist wie dieser zugleich Prozesshandlung und materielles Rechtsgeschäft (statt aller: Thomas/Putzo, ZPO, 40. Aufl., § 278 Rn. 16). Die prozessrechtliche Seite des Vergleichs betrifft die durch den Vergleich herbeizuführende Beendigung des laufenden Rechtsstreits. Die materiellrechtliche Seite des Vergleichs betrifft die Frage, welche inhaltliche Regelung die Parteien in der in dem Vergleich enthaltenen privatrechtlichen Vereinbarung über den Streitgegenstand des Verfahrens getroffen haben.

b. An keiner Stelle seiner Entscheidungsgründe hat das Arbeitsgericht infrage gestellt, dass der Vergleich vom 01.03.2017 prozessrechtlich wirksam zustande gekommen ist. Ebenso wenig hat es unterstellt, dass die Klägerin ihrerseits in ihrer Argumentation das prozessrechtlich wirksame Zustandekommen des Vergleichs infrage gestellt hätte.

c. Das Arbeitsgericht hat vielmehr zutreffend darauf hingewiesen, dass der jetzige Streit der Parteien die Frage betrifft, wie die Regelung inhaltlich auszulegen ist, die die Parteien in der in dem Vergleich enthaltenen privatrechtlichen Vereinbarung über den Streitgegenstand getroffen haben. Die Einlassung der Klägerin, in Wirklichkeit komme es auf den Inhalt des Vergleichs und damit auch auf dessen Auslegung nicht an, liegt erkennbar neben der Sache. Während die Beklagte und ihr folgend das Arbeitsgericht in dem materiellrechtlichen Teil des Vergleichs vom 01.03.2017 eine auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien abzielende Regelung erkennen, die man der Sache nach zutreffend als Aufhebungsvertrag bezeichnen kann, vertritt die Klägerin die Ansicht, dass der Inhalt des Vergleichs auf eine befristete Fortsetzung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses ausgerichtet ist. Die Klägerin sieht in dem materiellrechtlichen Vergleichsinhalt somit keinen Aufhebungsvertrag, sondern eine Befristungsabrede, die aber ihrerseits ebenso wie ein Aufhebungsvertrag eine privatrechtliche Vereinbarung darstellt und voraussetzt. In Wirklichkeit streiten die Parteien zum jetzigen Zeitpunkt um nichts anderes als um die Auslegung der in dem Vergleich vom 01.03.2017 enthaltenen materiellrechtlichen Regelung.

2. Zur Überzeugung des Berufungsgerichts ist die in dem Vergleich vom 01.03.2017 enthaltene materiellrechtliche Vereinbarung eindeutig auf die Beendigung und Abwicklung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses ausgerichtet und kann somit als Aufhebungsvertrag bezeichnet werden.

a. Zwar haben die Parteien in Ziffer 1 des Vergleichs vom 01.03.2017 die eigentlich am 31.05.2016 ablaufende Kündigungsfrist der in dem Vorprozess streitgegenständlichen arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung vom 20.04.2016 um ein Vielfaches bis zum 28.02.2019 verlängert. Es trifft auch zu, dass das BAG in einer umfangreichen Verlängerung der an sich für das Arbeitsverhältnis geltenden Kündigungsfrist um ein Vielfaches ein mögliches Indiz dafür sieht, dass die entsprechende Vereinbarung keinen Aufhebungsvertrag darstellt, sondern in Wirklichkeit als nachträgliche Abrede zur befristeten Verlängerung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen sein könnte. Stets stellt das BAG jedoch auf eine umfassende Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ab, die den gesamten Vertragsinhalt und die Umstände des Zustandekommens der Vereinbarung bewertet. Eine Entscheidung des BAG, die eine umfangreiche Verlängerung einer Kündigungsfrist um ein Vielfaches als exklusiv ausschlaggebend dafür ansieht, dass eine Vereinbarung eine Befristungsabrede und keinen Aufhebungsvertrag enthält, und daneben keinerlei andere Kriterien mehr als berücksichtigungsfähig zulässt, existiert entgegen der Behauptung der Klägerin nach Kenntnis des Berufungsgerichts nicht. Auch die von der Klägerin dafür zitierte Entscheidung des BAG vom 23.11.2006, 6 AZR 394/06, stellt eine solche These nicht auf. Vielmehr führt das BAG in der Entscheidung vom 15.02.2007, 6 AZR 286/06, beispielhaft das Folgende aus:

"Der Inhalt der Vereinbarung ist auf die Beendigung und nicht auf die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichtet ... Eine produktive Beschäftigung der Klägerin fand nicht statt. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu dem Sachverhalt, der dem angezogenen Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12.01.2000 zugrunde lag (BAG 12.01.2000, 7 AZR 48/99). Weiterhin enthält der Ergänzungsvertrag vom 28./30. Januar 2003 Regelungen, die bei einer nachträglichen Befristung des Arbeitsverhältnisses typischerweise nicht geregelt zu werden pflegen. So ist in Ziff. 6.5 die Erteilung eines Zeugnisses und in Ziff. 6.7 bereits eine Abgeltungsklausel vereinbart. In Ziff. 7 wird auf die Leistungen aus dem bestehenden Sozialplan hingewiesen.

Soweit die Vorinstanzen ihre abweichende Auffassung damit begründet haben, die Dauer der in der "Ergänzung zum Arbeitsvertrag" vereinbarten Fortführung des Arbeitsverhältnisses um 13 Monate übersteige die Kündigungsfrist der Klägerin um ein Vielfaches, haben sie nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Dauer der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses allein für die rechtliche Einordnung der Vereinbarung nicht maßgebend ist. Erforderlich ist vielmehr eine Gesamtwürdigung des Vereinbarten. [Hervorhebung nur hier] Dabei kann die verlängerte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durchaus ein Element eines Aufhebungsvertrages sein, weil der Arbeitgeber damit dem Arbeitnehmer die Möglichkeit einräumt, sich aus einem ungekündigten Arbeitsverhältnis um eine neue Stelle zu bewerben. Dies gilt insbesondere dann, wenn den Arbeitnehmer für die Dauer der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nur eingeschränkte oder sogar - wie hier - überhaupt keine Arbeitspflichten treffen." (BAG a.a.O., Rn. 19, 20 bei juris)

Entsprechend heißt es in der Entscheidung des BAG vom 28.11.2007, 6 AZR 1108/06, wie folgt:

"Der von den Parteien gewählte Beendigungszeitpunkt ... überschreitet die nach dem Arbeitsvertrag geltende gesetzliche Kündigungsfrist zwar um ein Vielfaches ... Soweit die Revision hieraus folgert, es liege in Wahrheit eine unwirksame nachträgliche Befristung des unbefristet bestehenden Arbeitsverhältnisses vor, übersieht sie jedoch, dass die Dauer der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die rechtliche Einordnung der Vereinbarung nicht allein maßgeblich ist. Erforderlich ist vielmehr eine Gesamtwürdigung des Vereinbarten.

Die verlängerte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses kann durchaus ein Element eines Aufhebungsvertrages sein; denn der Arbeitgeber räumt damit dem Arbeitnehmer die Möglichkeit ein, sich aus einem ungekündigten Arbeitsverhältnis um eine neue Stelle zu bewerben. Dies gilt insbesondere dann, wenn dem Arbeitnehmer für die Dauer der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nur eingeschränkte Arbeitspflichten treffen.

Vorliegend wurde der späte Beendigungszeitpunkt auf Veranlassung des Klägers in dem Vertrag aufgenommen ... Bei der Gesamtwürdigung des Vereinbarten ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass die Vereinbarungen im Übrigen für einen Aufhebungsvertrag typische Regelungen enthält. So ist in Ziff. 3 vorgesehen, dass die Beklagte an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung ... zu zahlen hat. Ziff. 4 befasst sich mit der Erteilung eines Endzeugnisses, dessen Note die Parteien auf Betreiben des Klägers mit "sehr gut" festgelegt haben. Aus diesen Umständen folgt, dass die Vereinbarung vom ... auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nicht auf dessen nachträgliche Befristung gerichtet ist." (BAG a.a.O. Rn. 31 ff. bei juris)

b. Für die Auslegung der Vergleichsvereinbarung vom 01.03.2017 als Aufhebungsvereinbarung spricht schon die Ausgangslage vor Zustandekommen des Vergleichs. So wurde der Vergleich vom 01.03.2017 in einem Kündigungsschutzprozess geschlossen, bei dem es um die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung vom 20.04.2016 ging. Schon diese Konstellation unterscheidet den vorliegenden Fall grundlegend von den von der Klägerin für ihre Rechtsposition herangezogenen Entscheidungen des BAG vom 21.03.2017, 7 AZR 369/15, vom 08.06.2016, 7 AZR 339/14 und vom 14.01.2015, 7 AZR 2/14. Die in allen diesen Verfahren zu beurteilenden Vergleiche waren nicht in einem Kündigungsschutzprozess abgeschlossen worden, sondern bereits in Befristungskontrollklagen, weil das bisherige Arbeitsverhältnis ohnehin bereits befristet gewesen war. Überdies bestand in all diesen Fällen zwischen den Parteien überhaupt kein Auslegungsstreit über den Inhalt ihrer streitgegenständlichen Vereinbarung, da dort bereits vom Wortlaut her von "befristeter Weiterbeschäftigung" die Rede war. In diesen von der Klägerin zitierten Verfahren bedurfte es somit gar keiner Vergleichsauslegung im Hinblick auf die Abgrenzung einer Befristungsabrede zu einer Aufhebungsvereinbarung und fand eine solche auch nicht statt.

Vorliegend ist jedoch für die Auslegung von Bedeutung, dass die Beklagte bereits durch Ausspruch ihrer betriebsbedingten Kündigung vom 20.04.2016 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hatte, dass sie das Beschäftigungsverhältnis zwischen den Parteien zum Ende bringen wollte und an einer Fortsetzung, und sei es auch nur befristeter Art, keinerlei eigenes Interesse hatte.

c. Dass die Beklagte als Vertragspartnerin der Vergleichsvereinbarung vom 01.03.2017 keinerlei Interesse an einer Weiterbeschäftigung der Klägerin hatte, zeigt unmissverständlich die Regelung in Ziffer 2 des Vergleichs. Dort wird die Klägerin bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich von der Pflicht, ihre Arbeitsleistung zu erbringen, freigestellt. Welches Interesse ein an einer solchen Vergleichsvereinbarung beteiligter Arbeitgeber daran haben soll, eine befristete Arbeitsvertragsverlängerung zu vereinbaren, bei der zugleich ausgeschlossen wird, dass die Arbeitnehmerin auch nur einen Tag weiterbeschäftigt wird, bleibt schlechthin unerfindlich. Die Klägerin bestätigt in ihren Ausführungen in der Berufungsinstanz selbst mehrfach, dass ihr das fehlende Interesse der Beklagten an ihrer weiteren Beschäftigung jederzeit bekannt war und die Freistellungsvereinbarung im Vergleich gerade hierauf beruhte.

d. Ziffer 2 des Vergleichs enthält darüber hinaus eine für Beendigungsvereinbarungen typische Ausgleichsklausel hinsichtlich sämtlicher eventuellen Teilurlaubs-, Resturlaubs- sowie etwaiger Freizeitausgleichsansprüche. Während sich sodann Ziffern 3 und 4 des Vergleichs mit typischen Abwicklungsfragen befassen, enthält Ziffer 5 wiederum eine Vereinbarung, die für Aufhebungsvereinbarungen typisch, für Befristungsabreden dagegen völlig untypisch erscheint: In Vergleichsziffer 5 wird der Klägerin nämlich das jederzeitige Recht eingeräumt, mit einer Vorankündigungsfrist von nur einer Woche das Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden. Bezeichnenderweise heißt es in Ziffer 5 Abs. 1 S. 2: "Eine vorzeitige Beendigung ist im Interesse und entspricht dem Wunsch der Beklagten." In Ziffer 5 Abs. 2 des Vergleichs wird der Klägerin dabei sogar eine sogenannte Sprinterprämie zugestanden, wenn sie von ihrem zuvor geregelten Recht der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses Gebrauch macht. Sie erhält dann die durch das vorzeitige Ausscheiden bis zu dem in Ziffer 1 vereinbarten Ende des Vertragsverhältnisses freiwerdenden Gehälter in vollem Umfang als Bruttoabfindung.

e. Ziffer 6 Abs. 1 des Vergleichs regelt sodann, für eine Aufhebungsvereinbarung typisch, für eine Befristungsabrede dagegen vollkommen untypisch, bereits Erteilung und Inhalt eines bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszustellenden qualifizierten Schlusszeugnisses. Ziffer 6 Abs. 3 des Vergleichs befasst sich sogar schon mit der Übersendung der Arbeitspapiere.

f. Bezeichnenderweise beruhte der Inhalt des vorstehend zu beurteilenden Vergleichs auch im Wesentlichen auf Vergleichsvorschlägen der Klägerin. Dies lässt sich an den Umständen des Zustandekommens des Vergleichs ablesen. Die Klägerin bestätigt selbst, dass sie ein möglichst langfristiges Hinauszögern des Beendigungszeitpunkts des Arbeitsverhältnisses gegen Fortzahlung der Vergütung als eine für sie interessengerechtere Alternative zu einem früheren Ausscheiden gegen Zahlung einer höheren Abfindung ansah. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin im Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs bereits in einem im Hinblick auf ihre Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt vorgerückten Alter von 61 Jahren und 9 Monaten befand. Die umfangreiche Verlängerung der Kündigungsfrist in Verbindung mit der vereinbarten Sprinterprämie verschaffte der Klägerin somit die Möglichkeit, sich ohne gesteigertem Zeitdruck und durch die Fortzahlung des Gehalts sozial abgesichert anderweitig bewerben zu können. Nicht zuletzt lag es aber auch im Interesse der Klägerin, für den Fall, dass sie kein neues Arbeitsverhältnis mehr finden sollte, im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten am 28.02.2019 dann bereits ein Alter erreicht zu haben, von dem aus die Notwendigkeit, die Zeit bis zum Eintritt in den Altersruhestand wirtschaftlich überbrücken zu müssen, erheblich verkürzt worden wäre.

g. Die materiellrechtliche Vergleichsvereinbarung vom 01.03.2017 enthält somit zahlreiche typische Regelungen einer Aufhebungsvereinbarung ergänzt durch Vereinbarungen über die Abwicklung des bereits bestehenden Arbeitsverhältnisses. Ein Interesse der Beklagten als vertragsschließende Partei an einer befristeten Verlängerung des bestehenden Arbeitsverhältnisses ist schlechthin nicht erkennbar, das Interesse der Klägerin hingegen, den Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses als Alternative zu einem sonst üblichen Abfindungsvergleich möglichst weit nach hinten zu schieben, aufgrund ihrer persönlichen Verhältnisse greifbar und offensichtlich.

h. Der Gesamteindruck einer typischen Aufhebungsvereinbarung wird dadurch abgerundet, dass die Parteien in Ziffer 1 des Vergleichs ausdrücklich festgelegt haben, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 28.02.2019 auf der ordentlichen arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung vom 20.04.2016 beruht.

Ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme der Vereinbarung einer Befristungsabrede liegen dagegen eindeutig nicht vor.

2. Die in dem Vergleich vom 01.03.2017 zu sehende Aufhebungsvereinbarung erweist sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch als formwirksam.

a. Gemäß § 623 BGB bedürfen nicht nur Kündigungen, sondern auch Auflösungsverträge zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.

b. Gemäß § 126 Abs. 4 BGB wird die schriftliche Form durch die notarielle Beurkundung ersetzt.

c. Gemäß § 127 a BGB wird die notarielle Beurkundung bei einem gerichtlichen Vergleich durch die Aufnahme der Erklärungen in ein nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung errichtetes Protokoll ersetzt.

d. Seit Einführung des § 278 Abs. 6 ZPO kommt ein gerichtlicher Vergleich nunmehr auch außerhalb der mündlichen Verhandlung durch einen gerichtlichen Feststellungsbeschluss im Sinne dieser Vorschrift zustande. Der gerichtliche Feststellungsbeschluss ersetzt dabei die Protokollierung nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO.

e. Dass der Vergleich vom 01.03.2017 nach § 278 Abs. 6 ZPO prozessrechtlich ordnungsgemäß zustande gekommen ist, stellt auch die Klägerin nicht in Abrede.

f. Für die Wahrung der Schriftform des § 623 BGB durch einen nach § 278 Abs. 6 ZPO zustande gekommenen gerichtlichen Vergleich ist es unerheblich, aufgrund welcher der beiden Varianten des § 278 Abs. 6 ZPO der gerichtliche Vergleich beruht. Ein nach beiden Varianten des § 278 Abs. 6 ZPO zustande gekommener gerichtlicher Feststellungsbeschluss ersetzt die Protokollierung in der mündlichen Verhandlung nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO (instruktiv zum Ganzen: BGH vom 01.02.2017, XII ZB 71/16).

g. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang fälschlich zitierte Rechtsprechung des BAG zu § 14 Abs.1 S. 2 Nr. 8 TzBfG hat mit der Erfüllung des Schriftformerfordernisses nach § 623 BGB nichts zu tun. Sie bezieht sich vielmehr ausschließlich auf die Frage, welche Anforderungen an einen gerichtlichen Vergleich zu stellen sind, der nach § 14 Abs. 2 Nr. 8 TzBfG einen sachlichen Grund für eine Arbeitsvertragsbefristung darstellen soll. Dies kann im vorliegenden Verfahren schon deshalb keine Rolle spielen, weil, wie ausführlich aufgezeigt, der Vergleich vom 01.03.2017 keine Befristungsabrede enthält und somit nicht nach § 14 Abs.1 S. 2 TzBfG zu beurteilen ist.

h. Die vom BAG zu § 14 Abs.1 S. 2 Nr. 8 TzBfG entwickelte Rechtsprechung kann auch nicht auf das Schriftformerfordernis nach § 623 BGB übertragen werden, da es sich um gänzlich unterschiedliche Regelungsgegenstände handelt. Dies folgt u. a. schon daraus, dass sich das BAG bei seiner Rechtsprechung zu § 14 Abs.1 S. 2 Nr. 8 TzBfG maßgeblich auf spezifische europarechtliche Vorgaben zum Befristungsrecht beruft.

3. Da die Vergleichsvereinbarung der Parteien vom 01.03.2017 keine Befristungsabrede enthält, stößt die von der Klägerin vorliegend verfolgte Entfristungsklage ins Leere und kann keinen Erfolg haben. Die im Vergleich vom 01.03.2017 enthaltene Aufhebungsvereinbarung ist dagegen form- und prozessordnungsgemäß zustande gekommen und somit als solche wirksam.

4. Unabhängig davon, dass die Berufung der Klägerin schon aus den ausführlich dargestellten vorgenannten Gründen keinen Erfolg haben kann, verhält sich die Klägerin auch in hohem Maße widersprüchlich, wenn sie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 28.02.2019 aufgrund des Vergleichs vom 01.03.2017 nunmehr in Frage stellen will.

Nachdem die Klägerin die für sie aus dem Vergleich vom 01.03.2017 erwachsenen erheblichen wirtschaftlichen Vorteile in Form einer bezahlten Freistellung von der Arbeitspflicht über mehr als eineinhalb Jahre in Anspruch genommen hat, beruft sie sich erstmals mit Klageerweiterung vom 22.10.2018 auf eine angebliche Rechtsunwirksamkeit der Beendigungsvereinbarung in Ziffer 1 des Vergleichs. Dabei musste der Klägerin klar sein, dass ihr die langfristige Verlängerung der Kündigungsfrist unter vollständiger Freistellung von der Arbeitspflicht bei voller Fortzahlung der Arbeitsvergütung niemals zugestanden worden wäre, wenn sie sich im Gegenzug nicht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 29.02.2019 einverstanden erklärt hätte. Bei alledem beruhte der wesentliche Inhalt des Vergleichs einschließlich der weiträumigen Ausdehnung der Kündigungsfrist auf ihren eigenen Vergleichsvorschlägen. Das jetzige Verhalten der Klägerin, die vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 28.02.2019 nicht mehr gegen sich gelten lassen zu wollen, muss in Anbetracht dessen als rechtsmissbräuchlich bewertet werden und verstößt gegen die Grundsätze von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB.

Auch aus diesem Grund kann die "Entfristungsklage" der Klägerin nicht zum Erfolg führen.

III. Die Kosten des Berufungsrechtsstreits fallen gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der unterlegenen Klägerin zur Last.

Die vorliegende Entscheidung beruht auf den Umständen des Einzelfalls und orientiert sich an den einschlägigen Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BAG. Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision ist somit nicht gegeben.