OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 24.05.2018 - 16 U 108/17
Fundstelle
openJur 2020, 45639
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts ... vom ..., Az. ..., wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist hinsichtlich des Unterlassungstenors gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,- € und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung von 120 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die Berufung wird auf 30.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um presserechtliche Unterlassungsansprüche bezogen auf eine Bildverdachtsberichterstattung sowie um die Erstattung der Kosten eines Abschlussschreibens. Streitgegenstand ist ein von dem Beklagten zu 2 verfasster und von der Beklagten zu 1 unter dem XX.XX.2016 auf www.(...).de veröffentlichter Artikel, in dem über den Kläger im Zusammenhang mit einem gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren wegen des sexuellen Missbrauchs einer Jugendlichen und dem Vorwurf, die minderjährige Schülerin mit SM- und Nacktfotos erpresst zu haben, identifizierend berichtet wird.

Soweit der Kläger zudem von dem Beklagten zu 2 die Unterlassung einzelner Äußerungen sowie seiner Identifizierbarmachung im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Zuhälterei begehrt hat, haben die Parteien nach Abgabe einer Unterlassungserklärung durch den Beklagten zu 2 den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 301 bis 307 d.A.) Bezug genommen. Er wird dahingehend ergänzt, dass gegen den Kläger unter dem XX.XX.2017 wegen zweifachen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen ein mittlerweile rechtskräftiger Strafbefehl über 90 Tagessätze ergangen ist.

Das Landgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, die angegriffene Berichterstattung sei nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung unzulässig.

Die Beklagte zu 1 habe auch die Kosten des Klägers für das Abschlussschreiben zu tragen. Der Kläger habe die vor einem Abschlussschreiben zu wahrende Frist eingehalten.

Soweit die Klage übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, habe der Beklagte zu 2 nach § 91a ZPO die Kosten zu tragen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 307 bis 316 d.A.) verwiesen.

Gegen dieses ihnen am 27. Juni 2017 zugestellte Urteil haben die Beklagten mit einem am 13. Juli 2017 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 28. September 2017 mit einem am 4. September 2017 eingegangenen Schriftsatz begründet haben.

Mit ihrer Berufung, mit der sie in Kopie Bl. 1 bis 91 der Ermittlungsakte vorlegen und nochmals Beiziehung der Ermittlungsakte beantragen, machen die Beklagten fehlerhafte Tatsachenfeststellungen sowie eine Verletzung materiellen Rechts geltend.

(Von der Darstellung der weiteren Textpassagen wird abgesehen - die Red.)

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts ... vom ... (Az. ...) die Klage abzuweisen und dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagten auf Unterlassung der beanstandeten identifizierenden Berichterstattung aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, §§ 22, 23 KUG zuerkannt.

a) Das Landgericht ist zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass der angegriffene Wortbeitrag einen Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers gemäß Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG darstellt. Denn die Berichterstattung über ein Ermittlungsverfahren unter namentlicher Nennung des Beschuldigten beeinträchtigt zwangsläufig dessen Recht auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs, weil sie sein mögliches Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten negativ qualifiziert (vgl. BGH, Urteil vom 16.2.2016, VI ZR 367/16 - Online-Archiv einer Tageszeitung, Rn. 15 ; BGH, Urteil vom 7.12.1999, VI ZR 51/99 - Sticheleien von Horaz, Rn. 17; alle Entscheidungen - auch nachfolgend - zitiert nach juris). Nicht betroffen ist dabei allerdings die absolute Intimsphäre des Klägers; denn die Begehung einer Sexualstraftat fällt nicht in den unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung (BGH, Urteil vom 17.12.2013, Az. VI ZR 211/12 - Sächsische Korruptionsaffäre, Rn. 17).

Soweit die Beklagten rügen, das Landgericht gehe abweichend von der Rechtsprechung, die lediglich eine erhebliche Beeinträchtigung annimmt (so z.B. BVerfG, Urteil vom 5.6.1973, 1 BvR 536/72, BVerfGE 35, 202; BGH, Urteil vom 7.12.1999, aaO.) von einer schweren Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts eines Tatverdächtigen durch Presseveröffentlichungen über den Verdacht einer Straftat aus, ist nicht ersichtlich, dass sich diese leicht unkorrekte Wiedergabe der von dem Landgericht zitierten Entscheidungen zu Lasten der Beklagten ausgewirkt hat.

b) Ob der Kläger Unterlassung der identifizierenden Berichterstattung - wie in dem angegriffenen Artikel geschehen - verlangen kann, ist im Rahmen einer Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. nur BGH, Urteil vom 16.2.2016, aaO., Rn. 18).

c) Dabei ist zunächst von Bedeutung, ob die Tatsachenbehauptungen in dem angegriffenen Beitrag im Zeitpunkt seiner erstmaligen Veröffentlichung zulässig waren (BGH, Urteil vom 16.2.2016, aaO., Rn,. 20; Urteil vom 19.3.2013, VI ZR 93/12, Rn. 20). Da Gegenstand der Berichterstattung nicht nur das Ermittlungsverfahren, sondern auch der Verdacht ist, der Kläger habe eine 14-Jährige missbraucht, müssen die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung erfüllt sein (BGH, Urteil vom 16.2.2016, aaO, Rn. 20).

Insoweit ist ein Mindestbestand an Beweistatsachen erforderlich, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst "Öffentlichkeitswert" verleihen. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (BGH, Urteil vom 7.12.1999, aaO., Rn. 20; BGH, Urteil vom 11.12.2012, VI ZR 314/10 - IM "Christoph", Rn. 26; Urteil vom 17.12.2013, aaO., Rn. 26; Urteil vom 16.2.2016, Rn. 24).

Diese Grundsätze gelten auch für die Berichterstattung über Ermittlungsverfahren unter namentlicher Nennung des Beschuldigten. In diesem Verfahrensstadium steht lediglich fest, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, in der Regel ist aber nicht geklärt, ob der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Straftat begangen hat. Zwar gehört es zu den legitimen Aufgaben der Medien, Verfehlungen - auch konkreter Personen - aufzuzeigen. Dies gilt auch für die Berichterstattung über eine Straftat, da diese zum Zeitgeschehen gehört und die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung von Rechtsgütern der betroffenen Bürger oder der Gemeinschaft ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter begründen kann. Besteht allerdings - wie im Ermittlungsverfahren - erst der Verdacht einer Straftat, so sind die Medien bei besonderer Schwere des Vorwurfs angesichts des damit verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in die persönliche Ehre in besonderem Maße zu sorgfältigem Vorgehen verpflichtet. Dabei ist im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende und in Art. 6 Abs. 2 EMRK anerkannte Unschuldsvermutung die Gefahr in den Blick zu nehmen, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und deshalb im Fall einer späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens oder eines Freispruchs vom Schuldvorwurf "etwas hängenbleibt" (BGH, Urteil vom 16.2.2016, aaO., Rn. 23). Der Presse ist deshalb bei einer die Identifizierung des Beschuldigten enthaltenden oder ermöglichenden Berichterstattung über das Vorliegen des Verdachts einer Straftat besondere Zurückhaltung auferlegt. Hiernach setzt die namentliche Erwähnung des Beschuldigten in einem Ermittlungsverfahren zusätzlich zu den Anforderungen an eine zulässige Verdachtsberichterstattung voraus, dass auch unter Berücksichtigung des Geheimhaltungsinteresses des Betroffenen bei der erforderlichen Abwägung das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegt (BGH, Urteil vom 7.12.1999, aaO., Rn. 30).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war die Berichterstattung im Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung rechtswidrig.

Dabei kann offen bleiben, ob die Berichterstattung bereits deshalb unzulässig war, weil es damals an einem Mindestbestand an Beweistatsachen gefehlt hat und/ oder die Darstellung eine Vorverurteilung des Klägers enthielt; jedenfalls war sie zumindest deshalb unberechtigt, weil es an der ausreichenden Einholung einer Stellungnahme des Klägers gefehlt hat und das öffentliche Interesse nicht so hoch war, dass es die namentliche Nennung des Klägers gerechtfertigt hätte.

aa) Der Kläger hat keine ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten, und zwar auch unter Zugrundelegung des Vortrags der Beklagten,

(Von der Darstellung der weiteren Textpassagen wird abgesehen - die Red.)

Angesichts der Tragweite, die die geplante Berichterstattung für den Kläger erkennbar haben konnte, reichte ein dermaßen allgemein gehaltener Anruf nicht aus, um dem Erfordernis der Möglichkeit der Stellungnahme Genüge zu tun; vielmehr waren die Beklagten gehalten, dem Kläger die Vorwürfe, die Gegenstand des Beitrags werden sollten, konkret zur Kenntnis zu bringen (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2013, aaO., Rn. 35). Dabei kann offen bleiben, ob der Kläger - wie von ihm vorgetragen - bei dem Anruf von einer Nachfrage (...) ausging oder ob er - wie sich seiner Dienstaufsichtsbeschwerde vom 16. Januar 2016 entnehmen lässt und worauf sich die Beklagten berufen - bereits eine Verbindung zu dem Ermittlungsverfahren vermutete und deshalb nicht zurückrief. Die Annahme eines Verzichts auf die Möglichkeit zur Stellungnahme kommt nur in Betracht, wenn der Betroffene weiß, was ihm konkret vorgeworfen wird (BGH, aaO.). Eine bloße Vermutung reicht insoweit nicht aus, zumal vorliegend der angegriffene Bericht der Beklagten inhaltlich noch weit über das hinausging, was der Kläger aufgrund des Durchsuchungsbeschlusses und Ermittlungsverfahrens vermuten konnte und musste.

Die Beklagten können sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie dem Sozius aus rechtlichen Gründen keine Einzelheiten nennen durften. Wenn der Beklagte zu 2 den gewünschten Gesprächspartner nicht erreichte und sich deshalb nicht in der Lage sah, ihm die Vorwürfe konkret zur Kenntnis zu bringen, hätte er sich erkundigen können, wann der Kläger wieder zu erreichen ist, und er hätte ihn erneut kontaktieren oder ihm schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme geben können. Dies gilt umso mehr, als das Erfordernis einer tagesaktuellen Berichterstattung nicht ersichtlich ist. (...).

bb) Zudem überwog im Zeitpunkt der Veröffentlichung im Hinblick auf die Namhaftmachung des Klägers das Geheimhaltungsinteresse des Klägers das Informationsinteresse der Öffentlichkeit.

Die namentliche Identifizierung des Klägers erfolgt in der angegriffenen Berichterstattung in einem im höchsten Maße beeinträchtigenden Umfang. Der Kläger wird mehrfach mit vollem Vor- und Zunamen genannt, sein Beruf und die Anschrift (...) werden offenbart, und er wird auch als (...) bezeichnet. Damit ist er - unabhängig von der zusätzlich zu beurteilenden Veröffentlichung eines großformatigen Porträtfotos - selbst für Personen erkennbar, die ihn vorher nicht kannten.

Diese namentliche Nennung ist von dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht gedeckt. Die Beklagten begründen das öffentliche Interesse insbesondere damit, dass der Kläger

(Von der Darstellung der weiteren Textpassagen wird abgesehen - die Red.)

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es sich bei einer Straftat nach § 182 Abs. 2 und 3 StGB zwar nur um ein Vergehen handelt, zugleich aber der Vorwurf, jemand habe eine Jugendliche sexuell missbraucht, mit einer besonders großen Gefahr der Stigmatisierung verbunden ist. Von daher kommt dem Geheimhaltungsinteresse des Klägers besondere Bedeutung zu. Ohne Erfolg machen die Beklagten unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des OLG Stadt1 (Urteil vom XX.XX.2016, .../16), bei der es um eine eingeschränkt identifizierende Verdachtsberichterstattung über ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Vergewaltigung ging, geltend, der Kläger sei nicht schutzbedürftig, weil der sexuelle Missbrauch unstreitig stattgefunden hat. Zwar muss sich derjenige, der den Rechtsfrieden bricht, durch diese Tat und ihre Folgen Mitmenschen angreift oder verletzt, nicht nur den hierfür verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen, sondern er muss auch dulden, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10. Juni 2009, 1 BvR 1107/09, Rn. 19); dieser Vorrang gilt aber gerade nicht schrankenlos, sondern bedarf unter Berücksichtigung der im Ermittlungsverfahren geltenden Unschuldsvermutung der Abwägung im Einzelfall, wobei bis zu einem erstinstanzlichen Schuldspruch oftmals das Gewicht des Persönlichkeitsrechts gegenüber der Freiheit der Berichterstattung überwiegen wird (BVerfG, aaO., Rn. 20). Vorliegend stand weder der Kläger (...) oder wegen einer gesellschaftlich hervorgehobenen Verantwortung im Blickfeld der Öffentlichkeit noch rechtfertigt es der - die Öffentlichkeit stets interessierende - Vorwurf einer Straftat nach § 182 Abs. 2 und 3 StGB, den Kläger wie geschehen in die Öffentlichkeit zu ziehen.

d) Das Unterlassungsbegehren des Klägers ist auch nicht deshalb unbegründet, weil er mittels Strafbefehls vom 18.9.2017, abgeändert durch Beschluss vom 30.10.2017, wegen des zweifachen sexuellen Missbrauchs einer Jugendlichen zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden ist.

Allerdings wird dadurch nach § 190 S. 1 StGB der Wahrheitsbeweis dafür geführt, dass der Kläger den Tatvorwurf, über den berichtet worden ist, begangen hat (HH-Ko/MedienR/Wehye, 3. A., 37. Abschnitt Rn. 92), wobei § 190 S. 1 StGB auch eine Verurteilung mittels Strafbefehl erfasst (vgl. nur Lencker/Eisele in: Schönke/Schröder, 29. A., § 190 StGB Rn. 3). Auch wird die Auffassung vertreten, dass eine Berichterstattung, die als Verdachtsberichterstattung unzulässig war, gleichwohl rechtmäßig wird, wenn der Betroffene die ihm vorgeworfene Tat tatsächlich begangen hat (HH-Ko/MedienR/Weyhe, aaO., Rn. 90). Dogmatisch kann dies in einem Entfallen der Wiederholungsgefahr, die eine materielle Voraussetzung des zukunftsgerichteten Unterlassungsanspruchs ist, verankert werden. Eine rechtswidrige Beeinträchtigung in der Vergangenheit begründet in der Regel die tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr. Die Wiederholungsgefahr kann allerdings dann nicht ohne Weiteres aufgrund einer bereits geschehenen Rechtsverletzung vermutet werden, wenn durch eine Veränderung tatsächlicher Umstände nunmehr die Berichterstattung als rechtlich zulässig zu beurteilen ist (BGH, Urteil vom 19.3.2013, aaO., Rn. 31).

Die Berichterstattung ist jedoch auch aufgrund des nunmehr ergangenen Strafbefehls nicht zulässig geworden. Der Auffassung, dass eine unzulässige Verdachtsberichterstattung rechtmäßig wird, wenn der Betroffene die Tat tatsächlich begangen hat, kann nicht in dieser Allgemeinheit gefolgt werden. Maßgebend ist vielmehr, ob die Berichterstattung unter den veränderten Umständen zulässigerweise wiederholt werden dürfte. Dies ist hier nicht der Fall. Dabei kann offen bleiben, ob nunmehr auf das Erfordernis der Einholung einer Stellungnahme verzichtet werden kann. Zumindest bleibt die Veröffentlichung im Hinblick auf die Namhaftmachung des Klägers rechtswidrig, da das Geheimhaltungsinteresse des Klägers das Informationsinteresse der Öffentlichkeit weiterhin überwiegt. Zwar entfällt mit rechtskräftiger Verurteilung der Abwägungsgesichtspunkt der Unschuldsvermutung. Auch gehört es - wie bereits oben angeführt - zu den legitimen Aufgaben der Medien, Verfehlungen auch konkreter Personen aufzuzeigen; und wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden (BVerfGE, Beschluss vom 25.1.2012, 1 BvR 2499/09, 1 BvR 2503/09, Rn. 39). Jedoch können auch wahre Berichte das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dann verletzen, wenn die Darstellung einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht (BVerfGE, Nichtannahmebeschluss vom 10.6.2009, aaO., Rn. 17). Deshalb ist die Namensnennung, Abbildung oder sonstige Identifizierung des Täters nicht immer zulässig, insbesondere nicht im Bereich der mittleren und kleineren Kriminalität (BGH, Urteil vom 15.11.2005, VI ZR 286/04, Rn. 15). Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass der Kläger - wie bereits oben dargelegt - weder (...) noch wegen einer sonstigen hervorgehobenen Verantwortung auch in sonstiger Weise im Blickfeld der Öffentlichkeit steht, die Tat keinen Bezug zu seiner beruflichen oder sonstigen Stellung aufweist und sie zwar lediglich ein Vergehen darstellt, in der Öffentlichkeit aber als besonders verwerflich angesehen wird. Die zudem in besonders beeinträchtigendem Umfang erfolgte namentliche - und darüber hinaus bildliche - Identifizierung des Klägers, die sämtliche seiner Lebensbereiche (Name, Alter, Aussehen, Beruf, Ort der Berufsausübung, (...) Engagement, privates Umfeld) erfasst, ist in dieser Gesamtschau geeignet, einen Persönlichkeitsschaden anzurichten, der in keinem Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht.

e) Der Unterlassungsanspruch des Klägers gegen die Beklagten erfasst auch die erneute Verbreitung des in der Berichterstattung enthaltenen Bildes, §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG.

Mangels Einwilligung des Klägers nach § 22 S. 1 KUG durfte das Bild nur dann mit veröffentlicht werden, wenn es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt und durch die Verbreitung berechtigte Interessen des Klägers nicht verletzt werden, § 23 KUG. Da bereits keine zulässige Wort- (Verdachts-)berichterstattung vorliegt und der Informationsgehalt der Bildberichterstattung unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung zu ermitteln ist (BGH, Urteil vom 16.2.2016, aaO), verletzt die Verbreitung des Bildnisses die berechtigten Interessen des Klägers und ist somit ebenfalls zu unterlassen.

f) Ohne Erfolg machen die Beklagten des Weiteren geltend, das Verbot zu Ziff. I sei in Bezug auf den Vorwurf der Erpressung einer Minderjährigen deshalb aufzuheben, weil sie über einen solchen strafrechtlichen Vorwurf nicht berichtet hätten. Zwar haben die Beklagten gegen Ende des Artikels angegeben, nach ihren Informationen ermittle die Kripo wegen des Verdachts der Zuhälterei und des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen; in diesem Zusammenhang wird der Vorwurf der Erpressung nicht angeführt. Die Beklagten haben darüber hinaus jedoch auch berichtet, dass der Kläger die Schülerin mit Nackt- und SM-Fotos erpresst haben soll, und diese Behauptung in den Kontext einer Strafanzeige des Vaters des Mädchens sowie einer auf einem Beschluss der Staatsanwaltschaft1 beruhenden Durchsuchung der Privaträume und Kanzlei des Klägers durch Fahnder der Organisierten Kriminalität gestellt. Damit steht auch der Vorwurf einer Erpressung nach § 253 StGB im Raum.

Zwar mag das Wort "erpressen" in der deutschen Sprache vieldeutig und nicht lediglich ein rein juristischer Ausdruck sein. Zu berücksichtigen ist aber, dass der Begriff gerade in einem juristischen Kontext verwendet wird, in dem es um angebliche strafrechtliche Verfehlungen des Klägers geht. Dies kann von einem unbefangenen Leser nur dahin verstanden werden, dass es um eine Erpressung in einem strafrechtlichen Sinne geht.

2. Das Landgericht hat dem Kläger auch zu Recht einen Anspruch gegen die Beklagte zu 1 auf Erstattung der Kosten für das Abschlussschreiben unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag zuerkannt.

Entgegen der Annahme der Beklagten zu 1 hat der Kläger eine ausreichende Wartefrist vor Absendung des Abschlussschreibens eingehalten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt ein Anspruch auf Kostenerstattung für ein Abschlussschreiben dann, wenn die einstweilige Verfügung durch Urteil erlassen oder bestätigt worden ist, voraus, dass der Gläubiger vor dessen Übersendung eine angemessene Wartefrist von mindestens zwei Wochen nach Zustellung des Urteils abgewartet hat (BGH, Urteil vom 22.1.2015, I ZR 59/14). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, da das die Beschlussverfügung bestätigende Urteil des Landgerichts der Beklagten zu 1 unstreitig am 1. April 2016 zugestellt worden ist und das Abschlussschreiben vom 19. April 2016 datiert.

3. Soweit der Berufungsantrag auch die Kosten der Erledigung des Klageantrags zu Ziff. II. nach § 91a ZPO umfasst, fehlt es an einer ausdrücklichen Berufungsbegründung. Unabhängig davon gilt auch insoweit, dass es zumindest an einer ausreichenden Möglichkeit zur Stellungnahme gefehlt hat und der Kläger nicht im erfolgten Sinne namentlich identifizierbar hätte gemacht werden dürfen, weshalb das Landgericht die Kosten der Erledigung zu Recht dem Beklagten zu 2 auferlegt hat.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1, 709 S. 1 und 2 ZPO.

Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert. Die Frage, welche Anforderungen an die journalistische Sorgfaltspflicht im Hinblick auf die Ermöglichung einer Stellungnahme gestellt werden dürfen, ist höchstrichterlich geklärt (vgl. nur BGH, Urteil vom 17.12.2013, aaO.). Die Frage, ob über ein gegen einen Politiker laufendes Strafverfahren identifizierend berichtet werden darf, lässt sich nur unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls beantworten, so dass sie in dieser Allgemeinheit keine grundsätzliche Bedeutung hat, die die Zulassung der Revision erfordern würde.

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 48 Abs. 2, 47 GKG.