VerfGH für das Land Baden-Württemberg, Urteil vom 27.10.2017 - 1 GR 35/17
Fundstelle
openJur 2020, 33081
  • Rkr:

1. Als Gliederungen des Landtags sind Fraktionen notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens. Aus der Verfassungsbindung des Landtags folgt auch die Geltung des objektiv-rechtlichen Gebots der Gewährung von Gehör bei Maßnahmen einer Fraktion, die eines ihrer Mitglieder in seinen parlamentarischen Rechten beeinträchtigen.2. Darüber hinaus unterliegen fraktionsinterne Entscheidungen zu Lasten einzelner Fraktionsmitglieder auch materiellen Grenzen. Zu beachten ist zumindest das allgemeine Willkürverbot.

Tenor

1. Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller in seinen Rechten aus Art. 27 Abs. 3 LV verletzt, indem sie am 20. Dezember 2016 beschlossen hat, ihn nach § 19 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg dem Landtag zur Abwahl aus dem Untersuchungsausschuss "Rechtsterrorismus/NSU BW II" vorzuschlagen.

2. Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller in seinen Rechten aus Art. 27 Abs. 3 LV verletzt, indem sie am 31. Januar 2017 beschlossen hat, ihn nach § 19 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg dem Landtag zur Abwahl aus dem Innenausschuss vorzuschlagen.

3. Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller in seinen Rechten aus Art. 27 Abs. 3 LV verletzt, indem sie am 20. Dezember 2016 beschlossen hat, ihn pauschal und unbefristet nicht mehr für Plenarsitzungen als Redner zu benennen, der in ihrem Namen sprechen soll.

4. Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist kostenfrei. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

A.

Der Antragsteller wendet sich als Mitglied des Landtags gegen seine Fraktion, die beschlossen hat, ihn zur Abwahl aus zwei Landtagsausschüssen vorzuschlagen und ihn unbefristet nicht mehr als Redner für die Fraktion im Landtagsplenum zu benennen.

I.

Der Antragsteller ist Mitglied des 16. Landtags von Baden-Württemberg und der antragsgegnerischen AfD-Fraktion. Am 9. Juni 2016 wurde er auf Vorschlag seiner Fraktion als ordentliches Mitglied des Ausschusses "Inneres, Digitalisierung und Migration" (Innenausschuss, LT-PlPr. 16, S. 105 und 110) und am 26. Oktober 2016 als ordentliches Mitglied des am 20. Juli 2016 eingesetzten Untersuchungsausschusses "Rechtsterrorismus/NSU BW II" (LT-Drs. 16/311, LT-PlPr. 16, S. 381 ff.; LT-PlPr. 16, S. 657, 704) vom Landtag gewählt.

In der Plenardebatte über den Antrag der SPD-Fraktion "Sachstand zur Gesundheits- und zur Geldkarte für Asylsuchende und Flüchtlinge" (LT-Drs. 16/129) am 14. Dezember 2016 befürwortete der Antragsteller als von der Antragsgegnerin benannter Redner die Einführung einer Gesundheitskarte (vgl. LT-PlPr. 16, S. 1047 f.), obwohl diese Position nicht von einer Mehrheit der Mitglieder der Antragsgegnerin geteilt wurde.

In der Fraktionssitzung vom 20. Dezember 2016, bei der 19 von 21 Fraktionsmitgliedern anwesend waren, der Antragsteller jedoch fehlte, beschloss die Antragsgegnerin ausweislich des Sitzungsprotokolls unter Tagesordnungspunkt 13 "Redebeitrag von Heinrich Fiechtner am 14.12.2016" als "Sanktion" für diesen Redebeitrag, mit dem er seine eigene Position durchgesetzt und einen "kompletten Alleingang bezüglich der Gesundheitskarte" vollzogen habe, zunächst über einen als "Redeverbot" bezeichneten Antrag. Dieser fand die Zustimmung von 14 Mitgliedern bei fünf Enthaltungen. Unmittelbar im Anschluss wurde über einen Antrag "Rederecht auf weiteres entziehen" abgestimmt. Diesem Antrag stimmten elf Mitglieder zu, drei Mitglieder enthielten sich und drei stimmten dagegen. Der Antragsteller sollte über die "mehrheitlich beschlossene Maßnahme" benachrichtigt werden, nämlich über ein "Unbefristetes Redeverbot für die Fraktion im Plenum". Auf eine Nachfrage in der mündlichen Verhandlung gab die Antragsgegnerin an, die beiden Beschlüsse zum "Redeverbot" und "Rederecht" seien im Sinne dieses Benachrichtigungsauftrags zu verstehen.

In derselben Sitzung wurde der Antragsteller laut Protokoll gebeten, sich unverzüglich im Namen der Fraktion bis spätestens 22. Dezember 2016, 12 Uhr, von seinem Mitarbeiter W. zu trennen. Schließlich wurde "mehrheitlich" beschlossen, den Antragsteller aus dem Untersuchungsausschuss "Rechtsterrorismus/NSU BW II" abzuberufen. Eine Nachnominierung für den Ausschuss fand in dieser Sitzung nicht statt.

Der Landtag wählte am 21. Dezember 2016 in seiner 22. Sitzung auf Vorschlag der Antragsgegnerin den Antragsteller als ordentliches Mitglied des Untersuchungsausschusses ab (vgl. LT-PlPr. 16, S. 1058, mit Anlage 3, S. 1106).

An der Fraktionssitzung vom 31. Januar 2017 nahmen zunächst 16 von 21 Fraktionsmitgliedern teil. Der Antragsteller verließ die Sitzung vorzeitig um 15:15 Uhr. In dieser Sitzung wurde ausweislich des Protokolls unter Tagesordnungspunkt 6 "Beschluss der Causa W." auf den Antrag 6.2 beschlossen, dass Herr W. nicht ein weiteres Mal vorgeladen werde. Unter Tagesordnungspunkt 6.3 wurde mit 13 Zustimmungen, einer Gegenstimme und einer Enthaltung beschlossen, dem Antragsteller den Vorsitz des Fraktionsarbeitskreises "Inneres" zu entziehen. Mit der Zustimmung von neun Mitgliedern, drei Ablehnungen und drei Enthaltungen wurde unter Tagesordnungspunkt 6.4 beschlossen, den Antragsteller aus dem Innenausschuss abzuziehen. Unter Tagesordnungspunkt 6.5 wurde einstimmig beschlossen, Herrn W. für das dritte und das fünfte Geschoss und die Fraktionsräumlichkeiten in der Urbanstraße 32 Hausverbot zu erteilen. Die Beschlüsse zu Tagesordnungspunkt 6.3, 6.4. und 6.5 sollten dem Antragsteller durch den parlamentarischen Geschäftsführer der Antragsgegnerin mitgeteilt werden.

Mit E-Mail vom 4. Februar 2017 informierte dieser den Antragsteller über die Beschlüsse vom 31. Januar 2017. Am 10. Februar 2017 wandte sich der Antragsteller mit einer E-Mail an seine Fraktionskollegen und rügte, dass die am 31. Januar 2017 beschlossenen, von der Antragsgegnerin als Sanktionen bezeichneten Maßnahmen rechts- und verfassungswidrig seien. Er werde die Angelegenheit von der Landtagsverwaltung prüfen lassen.

In seiner 25. Sitzung wählte der Landtag am 10. Februar 2017 auf Vorschlag der Antragsgegnerin den Antragsteller als ordentliches Mitglied des Innenausschuss ab (vgl. LT-PlPr. 16, S. 1337, mit Anlage 1, S. 1366).

In der Fraktionssitzung vom 7. März 2017 musste sich der parlamentarische Mitarbeiter des Antragstellers, W., dazu äußern, inwieweit er über den Austritt der damaligen Fraktionskollegin Claudia Martin, MdL, aus der Antragsgegnerin Mitte Dezember 2016 Bescheid gewusst oder diese beim Austritt unterstützt habe. Herr W. räumte lediglich ein, dass er von den Absichten von Frau Martin, MdL, Kenntnis besessen habe. Dabei habe es sich jedoch um ein offenes Geheimnis gehandelt, da Frau Martin, MdL, bereits zuvor den Fraktionsvorsitzenden über ihre Trennungsabsicht in Kenntnis gesetzt habe. In der Sitzung wurde der Antragsteller gleichwohl aufgefordert, sich von seinem Mitarbeiter zu trennen. Dies lehnte der Antragsteller ab.

Mit Schreiben vom 5. April 2017 wandte sich der Bevollmächtigte des Antragstellers an den Vorstand der Antragsgegnerin und forderte die Aufhebung der von ihr als Sanktionen bezeichneten Maßnahmen gegen den Antragsteller sowie die Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung. Das Vorbringen wurde von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 13. April 2017 zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 25. April und 7. Mai 2017 wandte sich der Bevollmächtigte des Antragstellers an die Präsidentin des Landtags und forderte den Landtag auf, den vorherigen Status der Ausschusszusammensetzung wiederherzustellen. Die Präsidentin des Landtags antwortete dem Antragsteller mit Schreiben vom 22. Mai 2017. Darin führte sie aus, die Beurteilung fraktionsinterner Vorgänge liege nicht in der Zuständigkeit der Landtagspräsidentin oder des Landtagsplenums. Eine Begründung der Wahlvorschläge für die Ausschüsse des Landtags durch eine Fraktion sei weder bei der Wahl noch bei der Abwahl erforderlich. Ebenso wenig sei maßgeblich, ob der betroffene Abgeordnete mit der Abwahl einverstanden sei.

II.

Am 22. Mai 2017 hat der Antragsteller beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag nach Art. 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LV gestellt, der auf gerichtliche Nachfrage am 24. Mai 2017 präzisiert worden ist.

Der Bevollmächtigte des Antragstellers beantragt in der mündlichen Verhandlung wörtlich festzustellen,

1. die Antragsgegnerin hat den Antragsteller in seinen Rechten aus Art. 27 Abs. 3 LV verletzt, indem sie am 20. Dezember 2016 beschlossen hat, ihn nach § 19 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg dem Landtag zur Abwahl aus dem Untersuchungsausschuss "Rechtsextremismus/NSU BW II" vorzuschlagen,

2. die Antragsgegnerin hat den Antragsteller in seinen Rechten aus Art. 27 Abs. 3 LV verletzt, indem sie am 31. Januar 2017 beschlossen hat, ihn nach § 19 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg dem Landtag zur Abwahl aus dem Innenausschuss vorzuschlagen und

3. die Antragsgegnerin hat den Antragsteller in seinen Rechten aus Art. 27 Abs. 3 LV verletzt, indem sie am 20. Dezember 2016 beschlossen hat, ihn pauschal und unbefristet nicht mehr für Plenarsitzungen als Redner zu benennen, der in ihrem Namen sprechen soll.

Zur Begründung trägt der Bevollmächtigte des Antragstellers vor, die genannten Beschlüsse der Antragsgegnerin verletzten die Rechte des Antragstellers als freier Abgeordneter aus Art. 27 Abs. 3 LV. Das freie Mandat beinhalte das Recht, als fraktionsangehöriger Abgeordneter auch mit Hilfe seiner Fraktion parlamentarisch in Ausschüssen wirken zu können. Denn nur so stünden dem Abgeordneten erweiterte Informations- und Mitgestaltungsmöglichkeiten offen. Dies gelte umso mehr, als er letztlich durch das Parlament in die Ausschüsse berufen werde. Die Entscheidung über den Verlust der Zugehörigkeit zu einem Ausschuss stehe trotz der Bedeutung der Fraktionen für die politische Willensbildung des Landtags nicht im Belieben der Fraktion. Auch aus der notwendigen Fraktionsdisziplin ergebe sich keine Befugnis, im Nachhinein ein Verhalten zu sanktionieren, wenn es hierfür in der Satzung keine Regelungen gebe. Der Ausschluss aus einem Parlamentsausschuss durch die Fraktion setze zumindest die Berücksichtigung rechtsstaatlicher und demokratischer Verfahrensregeln sowie ein willkürfreies und ermessensfehlerfreies Verhalten der Fraktionsversammlung voraus. Das Informationsrecht und das Rederecht gehörten zum Kernbereich der parlamentarischen Arbeit eines Abgeordneten und könnten durch die Fraktion nicht aufgehoben werden. Sanktionen dürften nicht das freie Mandat beeinträchtigen. Die gegen den Antragsteller beschlossenen Sanktionen seien von der Satzung nicht gedeckt. Sie enthalte keine Regelung über ein Redeverbot in der Fraktion oder im Plenum und keine Bestimmung über den Ausschluss aus Landtagsausschüssen.

Weder der Antrag Ziffer 3 noch die Anträge zur Abberufung aus den beiden Ausschüssen seien dem Antragsteller und den übrigen Fraktionsmitgliedern vorab schriftlich mit Begründung mitgeteilt worden. Auch seien sie nicht in der jeweiligen Tagesordnung ausgewiesen gewesen. Die Tagesordnung zur für den 20. Dezember 2016 geplanten Sitzung sei ausweislich des Protokolls am 17. Dezember 2016 - einem Samstag - verschickt worden. Dies habe § 5 Abs. 3 der Satzung der Antragsgegnerin widersprochen, der vorschreibe, dass die vorläufige Tagesordnung zwei Arbeitstage vor der Sitzung vorliege. Bei Wahlen bestimme § 11 Abs. 1 der Satzung, dass diese fünf Tage vor der Sitzung angekündigt werden müssten. Die Abwahl von einem Ausschuss sei eine solche Wahl. Diese Frist sei nicht beachtet worden. Die Beschlussanträge seien erst in der Sitzung vom 20. Dezember 2016 formuliert worden. Der Beschlussantrag sei unter dem Tagesordnungspunkt "Beschluss der Causa W." abgehandelt worden. Weder der Antragsteller noch die übrigen Fraktionsmitglieder seien über die geplanten Sanktionen fünf Werktage vorab schriftlich informiert worden. Die Satzung sehe keine Abberufung aus Ausschüssen vor. Selbst wenn die Regeln über den Ausschluss aus fraktionsinternen Arbeitskreisen (§ 12 der Satzung) analog anzuwenden seien, seien die formalen Anforderungen nicht erfüllt. Der Beschluss habe nicht die danach erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht. Dem Antrag auf Abberufung aus dem Innenausschuss hätten nur neun Mitglieder zugestimmt. Auch hätte der Antrag allen Fraktionsmitgliedern vorab schriftlich bekannt gegeben werden müssen; zwischen Bekanntgabe und Abstimmung müssten fünf Werktage liegen. Dies sei hier nicht beachtet worden. Zudem sei es rechtsstaatswidrig, dass er als Abgeordneter von seiner Fraktion vor den Beschlüssen nicht angehört worden sei.

In materieller Hinsicht fehle es an einem wichtigen Grund für die getroffenen Maßnahmen. Der Antragsteller habe sich in der Plenardebatte vom 14. Dezember 2016 für die Vergabe einer Gesundheitskarte an Flüchtlinge und Asylbewerber ausgesprochen. Dafür habe es gute betriebswirtschaftliche und organisatorische Gründe gegeben. Auch wenn sich die Partei AfD gegen die Flüchtlingspolitik der Landes- und Bundesregierung ausspreche, habe die Argumentation des Antragstellers im Einklang mit dem Grundsatzprogramm der Partei gestanden. Völlig nebensächlich sei es, dass sein Mitarbeiter über das Ausscheiden eines anderen Fraktionsmitglieds im Bilde gewesen sei. Das Arbeitsverhältnis des Antragstellers mit seinem parlamentarischen Mitarbeiter gehöre nicht zum Aufgabenbereich einer Fraktion, sondern sei verfassungsrechtlich geschützt. Die von der Antragsgegnerin im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nachgeschobenen Gründe für die angegriffenen Maßnahmen seien unhaltbar.

III.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge des Antragstellers zurückzuweisen.

Zur Begründung bringt der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin vor: Die Beschlüsse zum Redeverbot und zur Abberufung aus den Ausschüssen seien formell verfassungsgemäß. Die Tagesordnung für den 20. Dezember 2016 habe Tagesordnungspunkt 13 bereits enthalten. Zu Beginn der Fraktionssitzung sei die ordnungsgemäße Ladung festgestellt worden. Hätte der Antragsteller an der Sitzung teilgenommen, hätte er widersprechen können. Die Fristen der §§ 5, 10 bis 12 der Satzung seien eingehalten. In der Fraktionssitzung vom 31. Januar 2017 sei der Antragsteller von 14:00 bis 15:15 Uhr anwesend gewesen. In dieser Zeit hätte er Verfahrensfehler geltend machen können und auch müssen, insbesondere im Hinblick auf die Tagesordnung oder die Beachtung von § 12 der Satzung. Abgesehen davon sei § 12 der Satzung nicht auf die Abberufung aus Ausschüssen anwendbar. Der Antragsteller habe ausreichend Gelegenheit gehabt, sich zu äußern.

Die Abberufung aus den Ausschüssen sei auch materiell verfassungsgemäß. Die Abberufung aus dem Untersuchungsausschuss sei zwar am 20. Dezember 2016 mit dem Redebeitrag des Antragstellers im Plenum vom 14. Dezember 2016 begründet worden. Grund für den Abzug sei jedoch vor allem gewesen, dass es dem Antragsteller nicht gelungen sei, Personal für diesen Untersuchungsausschuss zu akquirieren. Erschwerend sei hinzugekommen, dass er nicht in der Lage gewesen sei, die Akten hinreichend sicher aufzubewahren. Auch die Vorbereitung des Antragstellers auf die Ausschusssitzungen sei unzureichend gewesen. Die Abberufung aus dem Innenausschuss am 31. Januar 2017 sei mit der fehlenden Bereitschaft des Antragstellers begründet worden, sich von dem Mitarbeiter W. zu trennen sowie mit dem dadurch verursachten Vertrauensverlust. Die Antragsgegnerin sei davon überzeugt, dass der Mitarbeiter W. aktiv den Austritt von Frau Martin, MdL, aus ihr und der Partei betrieben habe. Eine Fraktion könne nicht gezwungen werden, mit einem Abgeordnetenmitarbeiter zusammenzuarbeiten, der unzuverlässig sei und fraktionsschädigend agiere. Der Abzug aus den Ausschüssen sei schließlich auch der Tatsache geschuldet, dass der Antragsteller nicht teamfähig sei.

Die Landesverfassung und die Geschäftsordnung des Landtags stünden einer Abberufung aus Ausschüssen durch die Fraktion nicht entgegen. Könnte ein Abgeordneter in einem Ausschuss seine Fraktion vertreten, obwohl er deren Vertrauen nicht mehr genieße, hätte dies Folgen für die Funktionsfähigkeit der Ausschüsse wie des Plenums. Die Ausschüsse könnten dann die Arbeit des Plenums nicht mehr verlässlich vorbereiten. Zudem habe die Besetzung eines Ausschusses mit einem Abgeordneten, der das Vertrauen seiner Fraktion nicht mehr genieße, Auswirkungen auf die Fraktion und die übrigen Fraktionsmitglieder. Die aus dem freien Mandat folgende Befugnis, sich mit anderen Abgeordneten zusammenzuschließen, setze die Bereitschaft zu gemeinsamer Arbeit voraus. Die Fraktion müsse auch in den Ausschüssen handlungsfähig sein und ihre Mehrheitsposition vertreten lassen können. Wenn sich ein Abgeordneter wie ein fraktionsloser Abgeordneter benehme, müsse er sich auch so behandeln lassen. Ein fraktionsangehöriger Abgeordneter müsse in keinem Ausschuss vertreten sein, weil er durch andere fraktionsangehörige Abgeordnete vertreten werden könne.

Auch das Redeverbot sei materiell verfassungsgemäß. Dabei handele es sich lediglich um ein Verbot, für sie im Plenum zu sprechen. Der Antragsteller habe sein hiervon unabhängiges Rederecht im Plenum weiter mehrfach ausgeübt. Einem fraktionsangehörigen Abgeordneten stehe nur deshalb mehr Redezeit als einem fraktionslosen zu, weil jener für die Fraktion spreche. Dagegen seien Fraktionsmitglieder wie fraktionslose Abgeordnete zu behandeln, wenn sie in ihren Wortmeldungen einen von ihrer Fraktion abweichenden Standpunkt abzugeben wünschten. Wäre die Fraktion dazu gezwungen, ein Mitglied auf die Rednerliste zu setzen, das einen von ihr abweichenden Standpunkt vertreten wollte, wäre dies ein massiver Eingriff in die Rechte der Fraktion und der übrigen Abgeordneten. Im Übrigen hätte der Antragsteller seine Anträge auch gegenüber dem Landtag geltend machen müssen, da er wie ein fraktionsloser Abgeordneter zu behandeln sei, wenn er sich nicht mehr mit seiner Fraktion identifizieren wolle.

IV.

1. Der Landtag hat mit Schreiben vom 22. Juni 2017 mitgeteilt, dass er keine Stellungnahme abgeben werde. Jedoch hat er mit Schreiben vom 28. Juni 2017 das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung des Ständigen Ausschusses vom 22. Juni 2017 vorgelegt. Dort wurde über den Umgang der Antragsgegnerin mit dem Antragsteller diskutiert und einstimmig empfohlen, von einer Stellungnahme des Landtags im Verfahren abzusehen.

2. Die Landesregierung hat sich nicht geäußert.

3. a) Der Verfassungsgerichtshof hat die Landtagsverwaltung mit Schreiben vom 26. Mai 2017 gebeten mitzuteilen, ob und gegebenenfalls wie oft dem Antragsteller seit dem 20. Dezember 2016 im Plenum des Landtags das Wort erteilt worden sei. Außerdem ist die Landtagsverwaltung gebeten worden mitzuteilen, in welchem Verfahren dem Antragsteller die Eigenschaft als ordentliches Mitglied des Innenausschusses und des Untersuchungsausschusses "Rechtsterrorismus/NSU BW II" entzogen worden sei. Die Präsidentin des Landtags hat hierauf mit Schreiben vom 1. Juni 2017 geantwortet und die entsprechenden Landtagsplenarprotokolle vorgelegt. Dem Antragsteller sei am 8. Februar 2017 (sachliche Richtigstellung), 8. März 2017 (Zwischenfrage), 5. April 2017 (Zwischenfrage) und 6. April 2017 (Zusatzfrage) das Wort erteilt worden. Darüber hinaus habe sich der Antragsteller am 6. April 2017 zu einer Zwischenfrage gemeldet, die der Redner nicht zugelassen habe. In der 22. Plenarsitzung vom 21. Dezember 2016 habe der Landtag dem Ausscheiden des Antragstellers aus dem Untersuchungsausschuss "Rechtsterrorismus/NSU BW II" zugestimmt (LT-PlPr 16, S. 1058, 1106). Der Vorschlag zur Umbesetzung sei zuvor von dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Antragsgegnerin - Anton Baron, MdL - übermittelt worden. Die Nachbesetzung in diesem Untersuchungsausschuss habe am 10. Februar 2017 stattgefunden (vgl. LT-PlPr. 16, S. 1337, 1367). Dort sei auch die Zahl der Ausschussmitglieder auf 13 erhöht worden (LT-Drs. 16/1587), so dass die Antragsgegnerin zwei Plätze habe besetzen können. Der Landtag habe auf Vorschlag der Antragsgegnerin die Abgeordneten Dr. Baum und Stauch gewählt. Ebenfalls am 10. Februar 2017 habe der Landtag bezüglich des Innenausschusses dem Ausscheiden des Antragstellers und dem Eintritt der AfD-Abgeordneten Rottmann und Dürr zugestimmt (LT-PlPr. 16, S. 1337, 1366).

b) Der Verfassungsgerichtshof hat die Landtagsverwaltung mit Schreiben vom 12. Juni 2017 zu einer weiteren Äußerung aufgefordert. Auf die Frage des Verfassungsgerichtshofs, ob ein fraktionsangehöriger Abgeordneter nach der Praxis des Landtags auch zum lediglich beratenden Mitglied eines Ausschusses gewählt werden könne - wie ein fraktionsloser Abgeordneter - hat die Landtagsverwaltung geantwortet, diese Möglichkeit sei in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen. Nach § 19 Abs. 2 LTGO würden die Ausschussmitglieder nach den Vorschlägen der Fraktionen gewählt. Die beratende Mitgliedschaft fraktionsloser Abgeordneter beruhe auf der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

V.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 3. Juli 2017 das Ablehnungsgesuch des Antragstellers gegen die Richterin Reiter für begründet erklärt. Der von der Richterin Reiter mit dienstlicher Erklärung vom 3. Juni 2017 angezeigte Sachverhalt begründet die Besorgnis der Befangenheit. Sie ist von der weiteren Mitwirkung ausgeschlossen. An ihre Stelle tritt ihre Vertreterin (§ 10 VerfGHGO).

Mit Beschluss vom 2. August 2017 hat der Verfassungsgerichtshof den Erlass der vom Antragsteller beantragten einstweiligen Anordnung mangels Dringlichkeit als unbegründet zurückgewiesen.

B.

Die Anträge im Organstreitverfahren haben Erfolg.

I.

Die Anträge sind zulässig.

1. Der Antragsteller macht geltend, durch die Maßnahmen der Antragsgegnerin in seinen Rechten aus Art. 27 Abs. 3 LV verletzt zu sein. Als Mitglied des Landtags ist er gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 LV ein möglicher Prozessbeteiligter eines Organstreitverfahrens. Er ist ein durch die Landesverfassung und die Geschäftsordnung des Landtags mit eigenen Zuständigkeiten ausgestatteter "anderer Beteiligter" (vgl. StGH, Urteil vom 16.4.1977 - GR 2/76 -, ESVGH 27, 1 <2>; StGH, Urteil vom 28.1.1988 - GR 1/87 - ESVGH 38, 81 f.). Auch die antragsgegnerische Fraktion ist eine "andere Beteiligte" und zudem Organteil im Sinne von Art. 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LV und § 44 VerfGHG. Sie ist in der Geschäftsordnung des Landtags mit eigenen Zuständigkeiten ausgestattet.

2. Der Antragsteller ist auch antragsbefugt nach § 45 Abs. 1 VerfGHG.

a) Nach § 45 Abs. 1 VerfGHG ist der Antrag in einem Organstreitverfahren zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, dass er durch eine Handlung oder Unterlassung des Antragsgegners in der Wahrnehmung seiner ihm durch die Verfassung übertragenen Rechte und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. Nach § 45 Abs. 2 VerfGHG muss der Antrag die Bestimmung der Verfassung bezeichnen, gegen welche die beanstandete Handlung oder Unterlassung des Antragsgegners verstößt. Der Begriff der "Geltendmachung" im Sinne von § 45 Abs. 1 und 2 VerfGHG ist dahingehend auszulegen, dass eine Rechtsverletzung zumindest möglich ist (vgl. StGH, Urteil vom 26.7.2007 - GR 2/07 -, Juris Rn. 68). Die Möglichkeit einer Verletzung des organschaftlichen Rechtskreises darf nach dem Vorbringen nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen. Die mögliche Verletzung oder Gefährdung ist substantiiert darzulegen (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 und § 45 Abs. 2 VerfGHG; StGH, Urteil vom 9.3.2009 - GR 1/08 -, Juris Rn. 77; BVerfGE 117, 359 - Juris Rn. 24; BVerfGE 134, 141 - Juris Rn. 161).

b) Der Antragsteller macht hinreichend substantiiert geltend, die angegriffenen Maßnahmen der Antragsgegnerin verletzten das von Art. 27 Abs. 3 LV geschützte freie Mandat. Es besteht die Möglichkeit, dass die im Protokoll der Sitzung der Antragsgegnerin vom 20. Dezember 2016 als "unbefristetes Redeverbot für die Fraktion im Plenum" bezeichnete Maßnahme das freie Mandat verletzt. Weiter besteht die Möglichkeit, dass auch die Beschlüsse der Antragsgegnerin vom 20. Dezember 2016 und 31. Januar 2017, mit denen der Antragsteller aus dem Untersuchungsausschuss "Rechtsterrorismus/NSU BW II" und dem Innenausschuss des Landtags "abberufen", das heißt dem Landtag nach § 19 Abs. 2 Satz 1 LTGO zur Abwahl vorgeschlagen wurde, das freie Mandat verletzen.

3. Die Frist des § 45 Abs. 3 VerfGHG von sechs Monaten nach Bekanntwerden der angegriffenen Handlung oder Unterlassung ist gewahrt. Die angegriffenen Beschlüsse der Antragsgegnerin stammen vom 20. Dezember 2016 und 31. Januar 2017. Die Organklage wurde am 22. Mai 2017 erhoben und inhaltlich am 24. Mai 2017 präzisiert.

II.

Die Anträge im Organstreitverfahren sind begründet.

1. Abgeordnete des Landtags sind Vertreter des ganzen Volkes (Art. 27 Abs. 3 Satz 1 LV). Sie sind nicht an Aufträge und Weisungen gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen (Art. 27 Abs. 3 Satz 2 LV). Art. 27 Abs. 3 LV gewährleistet auf diese Weise das Recht des Abgeordneten auf freie und gleiche Teilhabe am Prozess der parlamentarischen Willensbildung. Es schützt den einzelnen Abgeordneten vor Beschränkungen bei der Wahrnehmung des Mandats (vgl. BVerfGE 140, 115 - Juris Rn. 91; VerfGH Berlin, Urteil vom 22.11.2005 - 53/05 -, Juris Rn. 44) und gewährt allen Abgeordneten einen Status formaler Gleichheit (vgl. BVerfGE 102, 224 - Juris Rn. 50 ff.).

a) Aus der in Art. 27 Abs. 3 LV verbürgten freien und gleichen Teilhabe am Vorgang der parlamentarischen Willensbildung ergibt sich unter anderem das Recht eines jeden Abgeordneten auf Mitwirkung in einem Ausschuss, wenn im Landtag - wie derzeit - eine entsprechend große Zahl an Ausschusssitzen zur Verfügung steht. Denn ein wesentlicher Teil der im Landtag anfallenden Arbeit wird außerhalb des Plenums in den Ausschüssen geleistet. Da die Ausschüsse in die Repräsentation des Volkes durch den Landtag einbezogen sind, muss grundsätzlich jeder Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Plenums sein und in seiner Zusammensetzung die Zusammensetzung des Plenums widerspiegeln. Dadurch ist die Mitwirkung der einzelnen Abgeordneten an den Entscheidungen der Ausschüsse notwendigerweise gewissen Einschränkungen unterworfen. Die prinzipielle Möglichkeit, in einem Ausschuss mitzuwirken, hat allerdings für den einzelnen Abgeordneten angesichts des Umstands, dass ein Großteil der eigentlichen Sacharbeit des Landtags von den Ausschüssen bewältigt wird, eine der Mitwirkung im Plenum vergleichbare Bedeutung. Vor allem in den Ausschüssen eröffnet sich den Abgeordneten die Chance, ihre eigenen politischen Vorstellungen in die parlamentarische Willensbildung einzubringen. Deshalb darf ein Abgeordneter nicht ohne gewichtige, an der Funktionstüchtigkeit des Parlaments orientierte Gründe von jeder Mitarbeit in den Ausschüssen ausgeschlossen werden (vgl. BVerfGE 80, 188 - Juris Rn. 113 ff.; BVerfGE 140 , 115 - Juris Rn. 93). Hingegen ist es im Hinblick auf Art. 27 Abs. 3 LV nicht zu beanstanden, wenn wegen des Gebots der Spiegelbildlichkeit allein die von einer Fraktion benannten Abgeordneten über ein Stimmrecht in einem Ausschuss des Landtags verfügen und ein fraktionsloser oder ein von keiner Fraktion benannter Abgeordneter lediglich beratendes Mitglied eines Ausschusses ist (vgl. BVerfGE 80, 188 - Juris Rn. 116 ff.; weitergehend: Art. 70 Abs. 2 Satz 3 BbgVerf). Ist ein Ausschussmitglied durch eine Fraktion vorgeschlagen worden, ist die parlamentarische Mitwirkungsmöglichkeit in einem Ausschuss wegen des dann gegebenen Stimmrechts allerdings gesteigert.

b) Zu den Befugnissen der Abgeordneten nach Art. 27 Abs. 3 LV gehört grundsätzlich auch das Recht, im Landtagsplenum das Wort zu ergreifen (vgl. BVerfGE 10, 4 - Juris Rn 39; BVerfGE 80, 188 - Juris Rn. 102; Feuchte, in: ders. <Hrsg.>, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1987, Art. 27 Rn. 40). Das Rederecht unterliegt jedoch den vom Landtag kraft seiner Geschäftsordnungsautonomie nach Art. 32 Abs. 1 Satz 2 LV gesetzten Schranken (vgl. BVerfGE 10, 4 - Juris Rn. 41 ff.). Grundsätzlich kann sich nach der Geschäftsordnung jeder Abgeordnete zu Wort melden (§ 82 Abs. 1 Satz 1 LTGO), ohne dass dies an ein Vorschlagsrecht der Fraktionen gebunden wäre. Jedoch kann das Präsidium Redezeiten für die Fraktionen und die einzelnen Redner festlegen oder die Beratungsdauer eines Gegenstands begrenzen (§ 83a Abs. 1 Satz 1 LTGO). Bei der Festlegung der Redezeiten wird allen Fraktionen grundsätzlich die gleiche Grundredezeit eingeräumt (§ 83a Abs. 2 Satz 1 LTGO).

Zwar bewirkt das Instrument der Fraktionsredezeiten, dass die Fraktionen faktisch über die Verteilung ihrer Redezeit entscheiden. Aber daraus folgt kein ausschließliches Verfügungsrecht der Fraktionen über die Redezeit. Vielmehr muss der Präsident des Landtags jede nach § 82 Abs. 1 LTGO zulässige Wortmeldung prüfen und dabei insbesondere die Parlamentsfunktion der Gewährleistung von Rede und Gegenrede sowie den Umstand berücksichtigen, welche Bedeutung die Rede für die Mandats- und Gewissensfreiheit des betroffenen Abgeordneten hat. Ein Abgeordneter kann daher einen Anspruch haben, auch außerhalb der Fraktionsredezeit einen von der eigenen Fraktion abweichenden Standpunkt vorzutragen (vgl. BVerfGE 10, 4 - Juris 47; Wiefelspütz, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz <Hrsg.>, Parlamentsrecht, 2016, § 12 Rn. 32).

c) Aus dem freien Mandat folgt weiter das Recht, sich mit anderen Abgeordneten zu einer Fraktion zusammenzuschließen. Daraus ergibt sich zwar kein Anspruch auf Aufnahme in eine bestimmte Fraktion. Jedoch ist die parlamentarische Mitwirkung in einer und durch eine Fraktion - und damit auch die grundsätzliche Möglichkeit, für eine Fraktion im Plenum zu sprechen und mit Stimmrecht in einem Ausschuss mitzuwirken - vom freien Mandat geschützt (vgl. BVerfGE 80, 188 - Juris Rn. 102; BVerfGE 140, 115 - Juris Rn. 92; VerfG Bbg, Urteile vom 16.10.2003 - 4/03 -, Juris Rn. 27, und vom 22.7.2016 - 70/15 -, Juris Rn. 154; VerfGH Berlin, Urteil vom 22.11.2005 - 53/05 -, Juris Rn. 44; LVerfG M-V, Urteil vom 27.5.2003 - 10/02 -, Juris Rn. 43). Zweck der Fraktionsbildung ist es, den Ablauf des parlamentarischen Geschehens im Interesse der Funktionsfähigkeit des Landtags verlässlich zu ordnen. Die Fraktionen ermöglichen eine arbeitsteilige Bewältigung der vielfältigen Aufgaben des Landtags. Mit der Fraktionsbildung geht zudem eine integrierende Wirkung einher, indem die Vielzahl von Abgeordneten in eine nun überschaubar werdende Zahl politischer Alternativen eingebunden und auch die Koordinierung unterschiedlicher Fachpolitiken erleichtert wird. Außerdem ermöglichen die Fraktionen ihren Mitgliedern die Mitarbeit an parlamentarischen Initiativen und Vorlagen, indem sie diese in den Fraktionssitzungen behandeln. Darüber hinaus gewähren die Fraktionen ihren Mitgliedern weitere zur effizienten Mandatswahrnehmung wichtige Unterstützung, etwa bei der Informationsbeschaffung und -aufbereitung sowie bei der Pflege politischer Kontakte (vgl. VerfG Bbg, Urteil vom 22.7.2016 - 70/15 -, Juris Rn. 154; siehe auch § 1 Abs. 2 Satz 2 FraktionsG).

2. Freiheit und Gleichheit des Mandats (Art. 27 Abs. 3 LV) sind jedoch nicht schrankenlos gewährleistet. Sie können durch andere Rechtsgüter von Verfassungsrang begrenzt werden, wobei die kollidierenden Grundsätze in einen schonenden Ausgleich zu bringen sind (vgl. BVerfGE 112, 118 - Juris Rn. 64; BVerfGE 118, 277 - Juris Rn. 208; BVerfGE 130, 318 - Juris Rn. 114).

a) Die Mandatsfreiheit des einzelnen Abgeordneten findet eine Grenze in den gleichen Rechten der übrigen Fraktionsmitglieder. Auch ihre Mandatsfreiheit gewährt ihnen ein Recht, sich mit Abgeordneten ihrer Wahl zu einer Fraktion zusammenzuschließen. Sie können daher grundsätzlich die Zusammenarbeit mit einzelnen Abgeordneten ablehnen und sie bereits nicht in die Fraktion aufnehmen oder aus ihren Reihen ausschließen (vgl. LVerfG M-V, Urteil vom 27.5.2003 - 10/02 -, Juris Rn. 44). Ferner ergibt sich aus der Funktion der Fraktionen für einen effektiven Parlamentsbetrieb eine verfassungsrechtliche Grenze für die Rechte der einzelnen Abgeordneten aus Art. 27 Abs. 3 LV (vgl. VerfG Bbg, Urteil vom 16.10.2003 - 4/03 -, Juris Rn. 28).

Wegen der Bündelungs- und Koordinierungsfunktion der Fraktionen stellt es ein legitimes Ziel von Fraktionen dar, auf ein geschlossenes Erscheinungsbild hinzuwirken. Der einzelne Abgeordnete bewegt sich in einem Spannungsverhältnis zwischen der eigenen Freiheit des Mandats und einer dem freien Mandat seiner Fraktionskollegen dienenden Einordnung in die Fraktionsdisziplin. Es ist verfassungsrechtlich zulässig, wenn Abgeordnete politisch in ihre Fraktion eingebunden sind. Die von Abgeordneten gleicher Grundüberzeugung gebildeten Fraktionen nehmen im Prozess der parlamentarischen Willensbildung Koordinierungsaufgaben wahr, die angesichts der Vielzahl und Vielschichtigkeit der im Parlament zu behandelnden Regelungsbedürfnisse für die parlamentarische Arbeit unabdingbar sind; wenn der einzelne Abgeordnete im Parlament politisch Einfluss ausüben will, bedarf er in der Regel der Unterstützung seiner Fraktion. Die Solidaritäts- und Loyalitätserwartung der Fraktion ist gemeinschaftsimmanent und korrespondiert mit der Wirkungsverstärkung des einzelnen Mandats durch die Fraktionszugehörigkeit (vgl. BVerfGE 102, 224 - Juris Rn. 56; BVerfGE 112, 118 - Juris Rn. 52; Klein, in: Maunz/Dürig <Hrsg.>, GG, Art. 38 Rn. 203 f. <Bearb.-Stand: 60. Erg.-Lfg. Oktober 2010>).

Eine so verstandene Fraktionsdisziplin ist mit dem freien Mandat vereinbar. Verfassungsrechtlich unzulässig ist dagegen die Ausübung von Fraktionszwang. Der Abgeordnete ist nach Art. 27 Abs. 3 Satz 2 LV an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur seinem Gewissen unterworfen. Wo die Grenze zwischen Fraktionsdisziplin und Fraktionszwang zu ziehen ist, wird nicht einhellig beurteilt (vgl. Klein, in: Maunz/Dürig <Hrsg.>, GG, Art. 38 Rn. 216 <Bearb.-Stand: 60. Erg.-Lfg. Oktober 2010>; Morlok, in: Dreier <Hrsg.>, Band II, 3. Aufl. 2015, Art. 38 Rn. 196; Trute, in: von Münch/Kunig <Hrsg.>, GG, Band 1, 6. Aufl. 2012, Art. 38 Rn. 89; Wiefelspütz, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz <Hrsg.>, Parlamentsrecht, 2016, § 12 Rn. 20; Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2000, S. 457). Eine rechtliche Bindung an Fraktionsbeschlüsse bei der Abstimmung im Plenum ist jedenfalls unzulässig (vgl. BVerfGE 44, 308 - Juris Rn. 33; StGH, Urteil vom 8.9.1972 - GR 6/71 -, ESVGH 23, 1 <16 f.>). Auch wäre es regelmäßig zu beanstanden, wenn eine Fraktion die ihr zustehenden Befugnisse zur Koordinierung der fraktionsinternen Zusammenarbeit zielgerichtet einsetzen würde, um einen von der Fraktionslinie abweichenden Abgeordneten unter Druck zu setzen oder eine missbilligte Betätigung seines freien Mandats nachträglich zu bestrafen. In diesem Sinne wurde es vom Bundesverfassungsgericht als unzulässig angesehen, wenn einem Abgeordneten der Fraktionsausschluss angedroht wird, falls er im Plenum eine Rede halte, die nicht völlig mit der von der Fraktion vertretenen Auffassung übereinstimme (vgl. BVerfGE 10, 4 - Juris Rn. 47; Klein, in: Maunz/Dürig <Hrsg.>, GG, Art. 38 Rn 216 <Bearb.-Stand: 60. Erg.-Lfg. Oktober 2010>). Ebenso steht die Entscheidung über den Entzug der Fraktionszugehörigkeit einzelner Abgeordneter angesichts der zentralen Bedeutung der Fraktionen für die Arbeit und politische Willensbildung des Parlaments sowie für die politischen Einfluss- und parlamentarischen Wirkungsmöglichkeiten des einzelnen Abgeordneten nicht im Belieben der Fraktion. Vielmehr sind bei einem Fraktionsausschluss demokratische und rechtsstaatliche Verfahrensregeln sowie jedenfalls das Willkürverbot zu beachten (vgl. LVerfG M-V, Urteil vom 27.5.2003 - 10/02 -, Juris Rn. 45 ff.; VerfG Bbg, Urteil vom 16.10.2003 - 4/03 -, Juris Rn. 33; VerfGH Berlin, Urteil vom 22.11.2005 - 53/05 -, Juris Rn. 49 ff.).

b) Auch die Ausschussabberufung und der Ausschluss als Redner für die Fraktion betreffen das Spannungsverhältnis der Mandatsfreiheit eines Abgeordneten zur gleichberechtigten Mandatsfreiheit der übrigen Fraktionsmitglieder und der Notwendigkeit einer strukturierten und an den Mehrheitsverhältnissen im Landtag ausgerichteten Arbeit.

Soweit es um die Mitgliedschaft in Ausschüssen des Landtags geht, ist es grundsätzlich mit der Landesverfassung vereinbar, den Vorschlag von Ausschussmitgliedern zur Wahl durch den Landtag den Fraktionen zu überlassen (so § 19 Abs. 2 LTGO; zu § 57 Abs. 2 GOBT: BVerfGE 80, 188 - Juris Rn. 115). Ein Abgeordneter kann nicht für sich in Anspruch nehmen, einem Ausschuss seiner Wahl anzugehören. Andererseits hat die vorschlagsberechtigte Fraktion ihm Gehör zu gewähren, seine Interessen und sachlichen Qualifikationen zur Kenntnis zu nehmen und diese nach Möglichkeit zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 80, 188 - Juris Rn. 121; BVerfGE 44, 308 - Juris Rn. 28).

Entsprechend erfolgt die "Abberufung" eines Abgeordneten aus einem Ausschuss nicht durch die Fraktion selbst, sondern durch eine auf Vorschlag der Fraktion ergehende Entscheidung des Plenums. Ob oder unter welchen Voraussetzungen eine solche "Abberufung" gegen den Willen eines Abgeordneten zulässig ist, ist in der Literatur umstritten. Teilweise wird die Auffassung vertreten, sie unterliege keinen Grenzen (so offenbar die Auffassung der in der Literatur berichteten Parlamentspraxis, vgl. Winkelmann, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz <Hrsg.>, Parlamentsrecht, 2016, § 23 Rn 32; dezidiert: Edinger, Wahl und Besetzung parlamentarischer Gremien, 1992, S. 208, 341 f.). Dagegen wird in gewichtigen Teilen der Literatur angenommen, eine "Abberufung" dissentierender Abgeordneter sei im Hinblick auf das freie Mandat generell unzulässig (vgl. Klein, in: Maunz/Dürig <Hrsg.>, GG, Art. 38 Rn. 217 <Bearb.-Stand: 60. Erg.-Lfg. Oktober 2010>; Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, <Hrsg.>, GG, Band 2, 6. Aufl. 2010, Art. 38 Rn. 44 ff.; Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, S. 465 f.; Kasten, Ausschussorganisation und Ausschussrückruf, 1983, S. 183 ff.). Die wohl überwiegende Meinung in der Literatur nimmt dagegen eine vermittelnde Haltung ein, weil eine Fraktion ein Recht darauf habe, dass sie im Ausschuss nur von Abgeordneten vertreten werde, die tatsächlich der Linie der Fraktion folgten und das Vertrauen der anderen Fraktionsmitglieder genössen. Zudem sei die Möglichkeit einer Abberufung aus dem Ausschuss notwendig, um die Funktionsfähigkeit des Parlaments im Hinblick auf die vorbereitende Arbeit der Ausschüsse zu wahren. Denn bei einer permanenten Abweichung von der Fraktionslinie bestehe die Gefahr, dass im Ausschuss Anträge eine Mehrheit fänden, die im Plenum nicht mehrheitsfähig seien (vgl. Morlok, in: Dreier <Hrsg.>, GG, Band II, 2015, Art. 38 Rn. 194; Pfeil, Der Abgeordnete und die Fraktion, 2008, S. 213 ff.; Geis, in: Isensee/Kirchhof <Hrsg.>, Handbuch des Staatsrechts, Band III, 2005, § 54 Rn. 61; Trute, in: von Münch/Kunig <Hrsg.>, GG, Band 1, 6. Aufl. 2012, Art. 38 Rn. 91; Winkelmann, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz <Hrsg.>, Parlamentsrecht, 2016, § 23 Rn. 32; Magiera, in: Sachs <Hrsg.>, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 38 Rn. 51; Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke <Hrsg.>, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 38 Rn. 98).

c) Es kann nicht der Auffassung gefolgt werden, die hier streitigen Maßnahmen einer Fraktion unterlägen keinen rechtlichen Grenzen.

Als Gliederungen des Landtags sind Fraktionen notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 FraktionsG). Folgerichtig muss ihre innere Ordnung wegen der Verfassungsbindung des Landtags (Art. 25 Abs. 2 LV) demokratischen Grundsätzen entsprechen (Art. 23 Abs. 1 LV, vgl. § 1 Abs. 5 Satz 1 FraktionsG) und rechtsstaatlichen Anforderungen genügen (Art. 23 Abs. 1 LV; so zum Fraktionsausschluss LVerfG M-V, Urteil vom 27.5.2003 - 10/02 -, Juris Rn. 45 ff.; VerfG Bbg, Urteil vom 16.10.2003 - 4/03 -, Juris Rn. 33; VerfGH Berlin, Urteil vom 22.11.2005 - 53/05 -, Juris Rn. 49 ff.; Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, S. 476; Schmidt, DÖV 2003, S. 846 (847); zur Suspendierung der Fraktionsmitgliedschaft VerfG Bbg, Urteil vom 20.6.1996 - 14/96 EA -, NVwZ-RR 1997, S. 577 (579); zum Ausschussrückruf Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, S. 467; Trute, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Band 1, 6. Aufl. 2012, Art. 38 Rn. 91; Geis, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, 3. Aufl. 2005, § 54 Rn. 61; Pfeil, Der Abgeordnete und die Fraktion, 2008, S. 217; Winkelmann, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz (Hrsg.), Parlamentsrecht, 2016, § 23 Rn. 32; Winkelmann, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz <Hrsg.>, Parlamentsrecht, 2016, § 23 Rn. 32).

Daraus folgt auch die Geltung des objektiv-rechtlichen Gebots der Gewährung von Gehör bei Maßnahmen einer Fraktion, die eines ihrer Mitglieder in seinen parlamentarischen Rechten beeinträchtigen. Soll in einer Fraktionsversammlung beschlossen werden, einen Abgeordneten gegen seinen Willen nach § 19 Abs. 2 Satz 1 LTGO dem Landtag zur Abwahl vorzuschlagen, ist ein solcher Antrag deshalb dem betreffenden Abgeordneten mit Begründung vorab unter Beachtung einer angemessenen Frist schriftlich zu übermitteln. Der Abgeordnete muss sich zu dem Antrag äußern können und seine Äußerung muss den Fraktionskollegen vor der Entscheidung bekannt gemacht werden, so dass sie diese berücksichtigen können. Eine erst nachträglich gegebene Rügemöglichkeit genügt jedenfalls nicht. Diese Maßstäbe gelten unabhängig von einer Normierung in einer Fraktionssatzung, können dort jedoch konkretisiert werden.

Darüber hinaus unterliegen fraktionsinterne Entscheidungen zu Lasten einzelner Fraktionsmitglieder auch materiellen Grenzen. Zu beachten ist zumindest das allgemeine Willkürverbot (vgl. zur Beweiserhebung durch Untersuchungsausschüsse: StGH, Urteil vom 21.10.2002 - GR 11/02 -, Juris Rn. 91). Es ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für die Entscheidung nicht finden lässt (vgl. BVerfGE 89, 132 - Juris Rn. 39), sondern sachfremd entschieden wurde (vgl. StGH, Urteil vom 21.10.2002 - GR 11/02 -, Juris Rn. 91). In Betracht kommt zudem, solche Maßnahmen auch daran zu messen, ob sie überwiegend repressiv oder eher auf die Erhaltung der Gestaltungsmöglichkeiten der übrigen Fraktionsmitglieder ausgerichtet sind, ferner ob sie mit Erwägungen begründet werden, die in keinem Sachzusammenhang mit dem mit der Maßnahme verfolgten Zweck stehen (Koppelungsverbot).

3. Bei Anwendung dieser Vorgaben verletzen die angegriffenen Maßnahmen das freie Mandat des Antragstellers aus Art. 27 Abs. 3 LV.

a) Dies gilt zunächst hinsichtlich der Anträge Ziffer 1 und 2. Die Antragsgegnerin hat am 20. Dezember 2016 beschlossen, den Antragsteller dem Landtag nach § 19 Abs. 2 Satz 1 LTGO zur Abwahl aus dem Untersuchungsausschuss "Rechtsterrorismus/NSU BW II" vorzuschlagen. Am 31. Januar 2017 hat die Antragsgegnerin beschlossen, den Antragsteller dem Landtag nach § 19 Abs. 2 Satz 1 LTGO zur Abwahl aus dem Innenausschuss vorzuschlagen. Für beide das freie Mandat des Antragstellers aus Art. 27 Abs. 3 LV tangierenden Beschlüsse fehlt es an der Beachtung der dargestellten Verfahrensanforderungen, insbesondere der Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs.

Dies gilt zunächst für die am 20. Dezember 2016 beschlossene Abberufung aus dem Untersuchungsausschuss "Rechtsterrorismus/NSU BW II". Die am 17. Dezember 2016 versandte Tagesordnung der Fraktionssitzung vom 20. Dezember 2016 benannte den entsprechenden Antrag nicht als Gegenstand der Fraktionssitzung. Vielmehr wurde der Antrag erst in der Fraktionssitzung vom 20. Dezember 2016 formuliert und unter Tagesordnungspunkt 13 "Redebeitrag von Heinrich Fiechtner am 14.12.2016" gestellt. Anschließend wurde über ihn - zusammen mit weiteren Sanktionsmaßnahmen gegen den Abgeordneten - entschieden. Der Antragsteller hatte mangels ausreichender Information über die geplante Maßnahme keine Gelegenheit, sich zu dieser zu äußern. Daher spielt es keine Rolle, dass und aus welchem Grund er an der fraglichen Sitzung nicht teilgenommen hat.

Entsprechendes gilt für den Beschluss über die Abberufung aus dem Innenausschuss vom 31. Januar 2017. Der diese Maßnahme betreffende Antrag wurde dem Antragsteller ebenfalls nicht vorab mit Begründung mitgeteilt. Auch die Tagesordnung enthielt keinen Hinweis auf die geplante Maßnahme. Zwar war unter Tagesordnungspunkt 6 das Thema "Beschluss der Causa W." genannt. In der Sitzung wurde unter diesem Punkt jedoch beschlossen, den Antragsteller aus dem Innenausschuss abzuziehen. Dieser Beschluss ist daher im Hinblick auf die Bezeichnung des Tagesordnungspunkts überraschend. Dabei ist es ohne Bedeutung, dass der Antragsteller zu Beginn der Sitzung der ordnungsgemäßen Ladung zur Sitzung zugestimmt hat. Weiter ist es im Hinblick auf den bereits vorhandenen Verstoß gegen die Pflicht zur rechtzeitigen Information über die geplante Maßnahme unerheblich, dass der Antragsteller bereits gegen 15:15 Uhr die von 14:00 bis 18:10 Uhr dauernde Sitzung verlassen hatte und ob zu diesem Zeitpunkt der fragliche Tagesordnungspunkt bereits aufgerufen worden war.

Damit kann dahinstehen, ob die Maßnahmen - wie vom Antragsteller geltend gemacht - auch einer qualifizierten Mehrheit bedurften hätten und das Willkürverbot verletzen.

b) Auch der im Organstreitverfahren gestellte Antrag Ziffer 3, der sich gegen die im Sitzungsprotokoll der Antragsgegnerin vom 20. Dezember 2016 als "unbefristetes Redeverbot für die Fraktion im Plenum" bezeichnete Maßnahme richtet, ist begründet. Die Maßnahme verletzt das freie Mandat aus Art. 27 Abs. 3 Satz 2 LV, weil sie den dargelegten Verfahrensanforderungen nicht genügt.

Zwar ist es im Hinblick auf das freie Mandat nach Art. 27 Abs. 3 LV grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Fraktionsversammlung der Antragsgegnerin, wie in § 6 Nr. 5 und § 9 Nr. 4 Satz 2 ihrer Satzung geregelt, über die Benennung der Redner im Plenum von Fall zu Fall auf Vorschlag des zuständigen Fraktionsarbeitskreises, der die inhaltliche Position des vorgeschlagenen Mitglieds kennen dürfte, entscheidet. Darüber hinaus wurde dem Antragsteller durch die angegriffene Maßnahme nicht grundsätzlich die Möglichkeit genommen, im Plenum als Abgeordneter das Wort zu ergreifen. Der Präsident des Landtags kann ihm in einer Debatte auch neben einem Redner der Antragsgegnerin das Wort erteilen.

Dagegen hat die Antragsgegnerin keine Möglichkeit, ein "Redeverbot" zu verhängen. Ein solches Verbot könnte von einer Fraktion gegenüber einem Mitglied schon deshalb nicht ausgesprochen werden, weil dies der Gleichrangigkeit der Abgeordneten widerspräche. Indessen beeinträchtigt auch der pauschale und unbefristete Ausschluss als Redner für die Fraktion die im freien Mandat angelegte Mitwirkungsmöglichkeit, als Mitglied einer Fraktion von dieser als Redner in Betracht gezogen zu werden. Ungeachtet der Frage, ob ein solche Maßnahme überhaupt zulässig sein kann, hat sie jedenfalls - wie die Ausschussabberufung - verfahrensrechtlichen Mindestanforderungen zu genügen. Hier war aber dem Antragssteller schon kein rechtliches Gehör gewährt. Der Antragsteller war nicht vorab über die geplante Maßnahme informiert worden und hatte damit keine hinreichende Möglichkeit, zu ihr Stellung zu nehmen.

c) Da die angegriffenen Maßnahmen mithin schon für sich allein betrachtet das freie Mandat aus Art. 27 Abs. 3 LV verletzen, kann offen bleiben, ob sie - wie vom Antragsteller geltend gemacht - in ihrer Gesamtheit als "faktischer Fraktionsausschluss" zu werten wären und auch insoweit das freie Mandat aus Art. 27 Abs. 3 LV verletzen.

III.

Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist nach § 60 Abs. 1 Satz 1 VerfGHG kostenfrei.

Die getroffene Anordnung über die Erstattung der Auslagen beruht auf § 60 Abs. 4 VerfGHG. Bei der danach zu treffenden Entscheidung, ob aus Billigkeitsgründen ausnahmsweise eine Auslagenerstattung in Betracht kommt (vgl. BVerfGE 96, 66 - Juris Rn. 2 f.; BVerfGE 130, 318 - Juris Rn. 161), wurde berücksichtigt, dass das Organstreitverfahren von einem einzelnen Abgeordneten beantragt worden ist und zur Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen beigetragen hat.