Saarländisches OLG, Beschluss vom 04.04.2012 - 9 UF 29/08
Fundstelle
openJur 2020, 80716
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - St. Wendel vom 7. Dezember 2007 - 16 F 147/06 - in Ziffer II. teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, Versicherungsnummer ...8, zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 6,5445 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto ...08 bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 31. Juli 2006, übertragen.

2. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, Versicherungsnummer ...08, zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 0,0125 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto Nr. ...8 bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 31. Juli 2006, übertragen.

3. Ein Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der Ruhegehalts- und Zusatzversorgungskasse, Versicherungs-Nr. ...5, findet nicht statt.

4. Ein Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, Versicherungs-Nr. X25, findet nicht statt.

II. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsgegner und die Antragstellerin je zur Hälfte. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszuges bleibt es bei der Entscheidung des Familiengerichts.

Gründe

I.

Die am ... März 1961 geborene Ehefrau (Antragstellerin) und der am ... Mai 1964 geborene Ehemann (Antragsgegner) haben am ... Dezember 1990 die Ehe geschlossen. Der Scheidungsantrag wurde dem Antragsgegner am 22. August 2006 zugestellt. Während der Ehezeit (1. Dezember 1990 bis 31. Juli 2006, § 3 Abs. 1 VersAusglG) haben beide Eheleute Versorgungsanrechte erworben.

Mit Urteil vom 7. Dezember 2007, auf das Bezug genommen wird (Bl. 22 ff), hat das Familiengericht die Ehe der Parteien geschieden (Ziffer I.) - rechtskräftig seit dem 15. Februar 2008 -, den Versorgungsausgleich geregelt (Ziffer II) und den Antragsgegner zur Zahlung von Nachehelichenunterhalt verurteilt (Ziffern III. und IV). Hierbei hat es, was allein den Gegenstand des anhängigen Beschwerdeverfahrens bildet, den Versorgungsausgleich gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB herabgesetzt, indem es das rechnerisch vorhandene Deckungskapital der von dem Antragsgegner abgeschlossenen Lebensversicherungen (27.000 EUR) fiktiv als weitere Altersvorsorge in die Versorgungsausgleichsberechnung einbezogen hat. Auf die Beschwerde des Antragsgegners gegen die Versorgungsausgleichsentscheidung in Ziffer II. und seine Berufung gegen die Verurteilung zur Zahlung von Nachehelichenunterhalt in Ziffer III. der angefochtenen Entscheidung hat der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 19. März 2008 im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Vereinbarkeit der Umstellung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes von einem endgehaltsbezogenen Gesamtversorgungssystem auf ein auf dem Erwerb von Versorgungspunkten beruhendes Betriebssystem (FamRZ 2008, 395) das Verfahren betreffend den Versorgungsausgleich zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung aus dem Verbund abgetrennt und analog § 53 c FGG ausgesetzt (Bl. 112/113). Ferner hat er mit Urteil vom 2. April 2008 auf die Berufung des Antragsgegners die Klage auf Zahlung von Nachehelichenunterhalt abgewiesen (Bl. 118 ff UA. 16 F 147/06 Amtsgericht St. Wendel = 9 UF 151/07 Saarländisches Oberlandesgericht). Nachdem eine Einigung der Tarifparteien im Bereich der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes erfolgt ist, hat der Senat mit prozessleitender Verfügung vom 31. Oktober 2011 von den Versorgungsträgern neue Auskünfte gemäß § 5 VersAusglG eingeholt.

Der Antragsgegner macht mit der Beschwerde geltend, dass der Umstand, dass er als Selbständiger Altersvorsorge über kapitalbildende Lebensversicherungen betrieben habe, eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs nicht rechtfertige. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang, dass die von dem Familiengericht in die Betrachtung einbezogenen Lebensversicherungen im Rahmen des ehegemeinsamen kreditfinanzierten Immobilienerwerbs (Doppelhaushälfte) zur Sicherheit an die Kreditinstitute abgetreten und letztlich zur Tilgung der Kreditverbindlichkeiten verwendet worden seien, so dass sie ihm nicht mehr zur Verfügung stünden. Dies betreffe die bei der W. Versicherung/ W. (Bl. 7 UA GÜ) abgeschlossene Lebensversicherung Nr. ~5, die wegen eines bei der D. Bank aufgenommenen ehegemeinsamen Darlehens, das notleidend geworden und deshalb gekündigt worden sei, in Höhe des Rückkaufswertes verwertet worden sei. Weiterhin sei hiervon betroffen die bei der W. Versicherung/W. (Bl. 7 UA GÜ) abgeschlossene Lebensversicherung Nr. ~6, die an die A. H.bank R. AG (nunmehr C. C.) wegen eines von den Eheleuten aufgenommenen Darlehens über 270.000 DM abgetreten und nach Kündigung des Darlehens im Juni 2007(Schuldenstand: 138.046,81 EUR bzw. Stand 30. Juli 2007 149.634,68 EUR) verwertet worden sei. Die Verwertung komme auch der Antragstellerin, die für die Rückführung der Darlehensverbindlichkeiten mithafte, sich indes nie an der Kreditrückführung beteiligt habe, zu Gute, so dass sich eine Berücksichtigung der Lebensversicherungen im Versorgungsausgleich verbiete. Dass die Antragstellerin wegen des bei beiden Eheleuten festzustellenden negativen Endvermögens nicht im Zugewinnausgleich an den Lebensversicherungen partizipiere, beruhe allein auf der gemeinsam gefassten Entscheidung der Eheleute, die Lebensversicherungen als Sicherheit für die Immobilienfinanzierung einzusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Versorgungsausgleich nach den gesetzlichen Vorschriften durchzuführen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Auf das Verfahren findet nunmehr gemäß Art. 111 Abs. 3, Abs. 4 FGG-RG, § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG das ab dem 1. September 2009 geltende verfahrens- und materielle Recht Anwendung (Johannsen/ Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 5. Aufl., § 48 VersAusglG, Rz. 5; Dörr in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl., § 48 VersAusglG, Rz. 8; BGH, Beschl. v. 2. September 2009, XII ZB 92/07, FamRZ 2009, 1901 ff).

Das zulässige Rechtsmittel des Antragsgegners hat Erfolg. Die Voraussetzungen für einen Ausschluss bzw. eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs gemäß § 27 VersAusglG liegen nicht vor, so dass dieser nach den gesetzlichen Bestimmungen im Übrigen durchzuführen ist.

Gemäß § 27 VersAusglG findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre; dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen. Mit dieser generalklauselartigen Regelung ist eine Änderung des materiellen Gehalts der im bisherigen Recht zum Versorgungsausgleich geregelten Härteklauseln nicht verbunden. Die Formulierung in § 27 VersAusglG ermöglicht es vielmehr, auf die bisherige Rechtsprechung zu den in §§ 1587 c, 1587 h BGB a.F., § 3 a Abs. 6 VAHRG a.F. ausdrücklich geregelten Härtefällen und den darüber hinaus entwickelten Fallgruppen zurückzugreifen (BT-Drucks. 16/10144 S. 68; Senat, zuletzt Beschl. v. 8. Februar 2012, 9 UF 129/11, m.w.N.). Die Härteklausel ermöglicht keine generelle Korrektur des nach den gesetzlichen Vorschriften durchgeführten Versorgungsausgleichs, sondern greift nur im Einzelfall ein, wenn nach Abwägung sämtlicher Lebensumstände der Ehegatten eine Herabsetzung des Ausgleichs geboten ist (BGH, Beschl.  v. 18. Januar 2012, XII ZB 213/11, NSW VersAusglG § 27 (BGH-intern); BGH, Beschl. v. 30. März 2011, XII ZB 54/09, FamRZ 2011, 877; BGH, FamRZ 2007, 627; 1990, 1341). Sie setzt strengere Maßstäbe, als sie bei Prüfung eines Verstoßes gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB anzulegen sind. Eine grobe Unbilligkeit liegt nur dann vor, wenn im Einzelfall die rein schematische Durchführung des Wertausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanwartschaften zu gewähren, in unerträglicher Weise widerspräche. Hierbei ist auch und gerade dem den Versorgungsausgleich beherrschenden Gedanken, dass jede Ehe infolge der auf Lebenszeit angelegten Lebensgemeinschaft schon während der Erwerbstätigkeit des oder der Ehegatten im Keim (auch) eine Versorgungsgemeinschaft ist, weshalb die während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften gemäß dem ursprünglich gemeinsamen Zweck der beiderseitigen Alterssicherung aufgeteilt werden sollen, Rechnung zu tragen. Gemessen hieran muss sich die grobe Unbilligkeit wegen des Ausnahmecharakters des § 27 VersAusglG im Einzelfall aus einer Gesamtabwägung der bekannten und vorhersehbaren wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben, die ihre Versorgungslage beeinflussen (BGH, aaO). Zu berücksichtigende Umstände können auch persönliche Lebensumstände mit nur mittelbarem wirtschaftlichem Bezug sein. Zur Abwägung einer groben Unbilligkeit werden insbesondere die Umstände, die zu diesen Lebensverhältnissen geführt haben, ins Gewicht fallen, ferner die beiderseitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse einschließlich der Möglichkeit zum Aufbau weiterer Versorgungsanwartschaften (Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 5. Aufl., § 27 VersAusglG, Rz. 13; Hoppenz, Familiensachen, 9. Aufl., A.IV., § 27, Rz. 3; OLG Stuttgart, FamFR 2011, 178; Senat, aaO; 6. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts, Beschl. v. 27. Juli 2011, 6 UF 80/11, m.w.N.; siehe auch - zu § 1587 c BGB a.F. - BGH, FamRZ 2009, 205; BGH, FamRZ 2005, 1238;).

Nach den zu § 1587 c Nr. 1 BGB a.F. entwickelten Grundsätzen kann es eine grobe Unbilligkeit begründen, wenn der Versorgungsausgleich nicht zu einer ausgewogenen sozialen Sicherung beider Ehegatten beiträgt, sondern im Gegenteil zu einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zu Lasten des Ausgleichspflichtigen führt (BGH, FamRZ 2007, 627). Kann der ausgleichsberechtigte Ehegatte den nach seinen Lebensverhältnissen angemessenen Unterhalt aus seinem Einkommen und Vermögen bestreiten und würde der Versorgungsausgleich für den Ausgleichspflichtigen bei Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse eine unbillige Härte bedeuten, ist der Ausgleich herabzusetzen oder zu verweigern. Die Gefährdung des angemessenen Bedarfs des Ausgleichspflichtigen und der mit dem Ausgleichsberechtigten gleichrangigen Unterhaltsberechtigten allein genügt allerdings ebenso wenig wie die Fähigkeit des Ausgleichsberechtigten, seinen angemessenen Unterhalt für die Zukunft bestreiten zu können; erforderlich ist vielmehr eine Kombination beider Umstände (BGH, FamRZ 2007, 363; 2006, 323). Insbesondere begründet allein der Umstand, dass der Ausgleichspflichtige auf die Rente angewiesen ist, noch keine grobe Unbilligkeit (BGH, FamRZ 1981, 756). Eine Kürzung oder ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs kommen vielmehr erst dann in Betracht, wenn der Ausgleichsberechtigte über Vermögen (Grundbesitz, Kapital) verfügt, durch das seine Altersversorgung uneingeschränkt abgesichert ist, und der Verpflichtete auf die von ihm erworbenen Versorgungsanrechte zur Sicherung seines Unterhalts dringend angewiesen ist; unterhalb dieser Schwelle ist die Ausgleichspflicht grundsätzlich von der beiderseitigen wirtschaftlichen Lage unabhängig (vgl. BGH, FamRZ 1999, 714 und 497). Das gilt sogar dann, wenn der Verpflichtete in Folge des Ausgleichs sozialhilfebedürftig wird oder der Sozialhilfe verstärkt bedarf (BGH, FamRZ 1986, 252; 1982, 36). Selbstbehaltsgrenzen wie beim Unterhalt bestehen beim Versorgungsausgleich nicht (BGH, FamRZ 2007, 366 und FamRZ 2006, 769, j.m.w.N.; OLG Hamm, Beschl. v. 30. Mai 2011, 8 UF 5/11, m.w.N.; siehe zum Ganzen Senat, Beschl. v. 22. Juni 2011, 9 UF 90/10, und Beschl. v. 8. Februar 2012, 9 UF 129/11, m.w.N.).

Da § 27 VersAusglG keine anspruchsbegründende, sondern eine anspruchsbegrenzende Norm ist, muss der Ausgleichspflichtige, der den Ausschluss oder die Herabsetzung des Versorgungsausgleichs geltend macht, hierfür nach allgemeinen Regeln der Darlegungs- und Feststellungslast die tatsächlichen Voraussetzungen geltend machen und bei ihrer Nichterweislichkeit die Nachteile tragen. Auch im Lichte der in § 26 FamFG niedergelegten Pflicht des Gerichts zu amtswegiger Ermittlung der entscheidungserheblichen Tatsachen kann das Gericht davon ausgehen, dass die Beteiligten ihnen vorteilhafte Umstände von sich aus vorbringen. Lassen sich nicht genügend Anhaltspunkte feststellen, die die sichere Erwartung rechtfertigen, der uneingeschränkte Versorgungsausgleich werde sich grob unbillig zu Lasten des Ausgleichsverpflichteten auswirken, so hat die Entscheidung des Gerichts dahin zu lauten, dass der Versorgungsausgleich ohne Anwendung der Ausnahmeregelung des § 27 VersAusglG durchzuführen ist. Das gilt auch, soweit die im Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung vorliegenden Tatsachen noch nicht ausreichen, um die sichere Erwartung einer unbilligen Härte zu begründen (vgl. - zum alten Recht - BGH, FamRZ 1996, 1540; 1990, 985 und 1341; 1988, 709).

An diesen Maßstäben gemessen kommt ein vollständiger oder, wie vom Familiengericht erkannt, teilweiser Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht in Betracht.

Denn die von dem Antragsgegner abgeschlossenen Lebensversicherungen können, entgegen der Sichtweise des Familiengerichts, nicht in die Versorgungsausgleichsberechnung einbezogen werden. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die von dem Antragsgegner unterhaltenen Lebensversicherungen bei der W. Versicherung/ W. nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Familiengerichts (Seite 6 des Urteils) auch zur Alterssicherung bestimmt waren und deshalb auch der Antragstellerin im Versorgungsfall zu Gute kommen sollten. Der Versorgungsausgleich rechtfertigt sich nämlich nicht nur aus dem Zugewinnausgleichsgedanken, sondern auch aus der Pflicht, die Altersversorgung des anderen Ehegatten sicherzustellen. Er bewirkt, dass die während der Ehezeit erworbenen Versorgungspositionen gemäß dem ursprünglichen gemeinsamen Zweck der beiderseitigen Alterssicherung aufgeteilt werden, und dient so der Unterhaltssicherung im Alter. In einer intakten Ehe partizipiert der andere Ehegatte an den erworbenen Versorgungspositionen nach Eintritt des Versorgungsfalls im Rahmen der ehelichen Unterhaltsgemeinschaft. Auf Grund dessen ist der erwerbstätige Ehegatte verpflichtet, nicht nur für den gegenwärtigen, sondern entsprechend seinen wirtschaftlichen Verhältnissen auch für die dauernde Sicherung des zukünftigen Unterhalts des anderen Ehegatten zu sorgen. Dieser ehelichen Unterhaltsverantwortung kommt der der gesetzlichen Rentenversicherung angehörende erwerbstätige Ehegatte durch seine Pflichtbeiträge, der Beamte durch seine kontinuierliche zum Aufbau der Beamtenversorgung geeignete Dienstleistung und der Selbständige oder Vermögende durch freiwillige Einzahlungen in eine privatrechtliche Altersversorgung nach. Die so ehezeitlich begründeten Versorgungsanwartschaften sind demnach aufgrund der wahrgenommenen Unterhaltsverantwortung zur Sicherung beider Ehegatten bestimmt. Im Falle des Scheiterns der Ehe bewirkt der Versorgungsausgleich, dass die während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften gemäß dem ursprünglichen gemeinsamen Zweck der beiderseitigen Alterssicherung aufgeteilt werden. Der Gedanke der einmal auf Lebenszeit angelegt gewesenen ehelichen Lebensgemeinschaft und damit Versorgungsgemeinschaft setzt sich gegenüber der formalen Zuordnung der Versorgungsanwartschaften auf nur einen Ehegatten durch. Dabei steht auch der Grundsatz, dass die während der Ehezeit von einem oder gegebenenfalls von beiden Ehegatten erworbenen Versorgungsanwartschaften regelmäßig ("schematisch") zur Hälfte aufgeteilt werden, im Einklang mit der Idee der ehelichen Gemeinschaft (Art. 6 Abs. 1 GG), der ein rechnerisches Abwägen sowohl der beiderseitigen Leistungen und Verdienste für die Gemeinschaft als auch der Teilhabe an gemeinschaftlichen Rechtspositionen im allgemeinen widersprechen würde (BGH, Beschl.v. 18. Januar 2012, aaO). Indes kann auf der Grundlage des sich im Beschwerderechtszug darstellenden Sach- und Streitstandes nicht davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen für eine Einbeziehung dieser Versicherungen in den Versorgungsausgleich gegeben sind. Denn auch nach der Neuregelung des Versorgungsausgleichs durch das am 1. September 2009 in Kraft getretene Versorgungsausgleichgesetz können anders als Anrechte im Sinne des Bebtriebsrentengesetzes (BetrAVG) oder des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes (AltZertG) Anrechte aus einer privaten Kapitalversicherung, zu denen private Lebensversicherungen zählen, schon deswegen nicht im Versorgungsausgleich berücksichtigt werden, weil sie nicht auf eine Rente, sondern auf Auszahlung eines Kapitalbetrages gerichtet sind, über den der Berechtigte frei verfügen kann. Eine Einbeziehung in den Versorgungsausgleich kommt nur dann in Betracht, wenn die Lebensversicherung auf eine Rentenleistung gerichtet ist. Dies gilt auch für Verträge mit Kapitalwahlrecht, solange das Wahlrecht nicht ausgeübt ist; nach Ausübung des Kapitalwahlrechts kommt lediglich ein güterrechtlicher Ausgleich in Betracht (BT-Drucks. 16/10144 S. 47; siehe BGH, Beschl. v. 5. Oktober 2011, XII ZB 555/10, FamRZ 2011, 1931, m.w.N.; BGH, Beschl. v. 14. März 2007, XII ZB 36/05, FamRZ 2007, 889; so auch Borth Versorgungsausgleich 5. Aufl. Rz. 69; Ruland, Versorgungsausgleich, 3. Aufl. Rz. 157 ff.; MünchKommBGB/Dörr, 5. Aufl. § 2 VersAusglG Rz. 16 ff.; Johannsen/Henrich/Hahne, Familienrecht, 5. Aufl., § 2 VersAusglG Rn. 12 ff). Da nach Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die in Rede stehenden Lebensversicherungen auf Rentenleistungen ohne Kapitalwahlrecht abgeschlossenen worden sind, und zudem keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die zugesagte Versorgungsleistung im Anschluss an die Beendigung des aktiven Berufslebens gewährt wird und das bisherige Erwerbseinkommen ersetzen soll, kommt deren Einbeziehung in den Versorgungsausgleich nicht in Betracht.

Eine andere Beurteilung - und damit eine Abkehr von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes - ist auch nicht auf Grund des den Versorgungsausgleich prägenden Grundsatzes der Halbteilung, worauf das Familiengericht abhebt, geboten. Ein Ausgleich von privaten Kapitalversicherungen, die strukturell nicht immer Vorsorgecharakter haben, sondern - wie hier - teilweise der Finanzierung größerer Anschaffungen (hier: Immobilien) dienen und in der Anwartschaftsphase Verfügungen über das angesparte Kapital erlauben, ist grundsätzlich, wie sich dies auch dem Rechtsgedanken des § 2 Abs. 4 VersAusglG entnehmen lässt, durch den güterrechtlichen Ausgleich sichergestellt (BGH, Beschl. v. 14. März 2007, aaO; MünchKommBGB/Dörr, aaO, Rz. 26). Die gebotene Zuordnung der Kapitallebensversicherungen zum Güterrecht wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Ehefrau im Streitfall an diesen Versicherungen wegen der u.a. in Folge des kreditfinanzierten Immobilienerwerbs begründeten Schuldenlast der Eheleute im Zugewinnausgleich im Ergebnis nicht partizipiert hat; denn auch der Ehemann konnte wegen dieser Passiva aus den streitbefangenen Versicherungen, die letztlich zur Tilgung von Krediten, worauf nachfolgend noch eingegangen wird, verwertet worden sind, ebenfalls keinen Nutzen ziehen (BGH, Beschl. v. 11. September 2007, XII ZB 262/04, FamRZ 2007, 1966). Besondere Umstände, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien waren im Wesentlichen durch die selbständige Tätigkeit des Antragsgegners (ab 1994 bis Februar 2006: selbständiger Bezirksleiter für S.-H., später für W.), die teilschichtige Tätigkeit der Antragstellerin als Verwaltungsfachangestellte (Kassiererin im Frei- und Hallenbad <Ort>) sowie mit der Geburt der gemeinsamen Kinder J. am ... Oktober 1994 und J.2 am ... Januar 1998 durch die Haushaltsführung und Kinderbetreuung durch die Antragstellerin geprägt. Diese Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse durch Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit hatten die Parteien - auch unter Berücksichtigung des beiderseitigen Sachvortrags - im gegenseitigen Einvernehmen geregelt (§ 1356 Abs. 1 BGB). Aus diesem Grund haben sie die sich hieraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen nach der Ehescheidung gemeinsam zu tragen (BGH, aaO). Für eine Versorgungslücke auf Seiten des Antragsgegners, die sich nunmehr aus einer nicht ausreichenden Altersvorsorge - dass der Antragsgegner während des ehelichen Zusammenlebens bewusst eine unzureichende Altersvorsorge betrieben und damit illoyal und grob leichtfertig im Sinne des § 27 VersAusglG gehandelt hat (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 70. Aufl., VersAusglG § 27, Rz. 20, m.w.N..), hat die Antragstellerin weder behauptet noch belastbar aufgezeigt - ergibt, hat die Antragstellerin mit einzustehen. Denn soweit die Parteien Einkünfte nicht auch für die Altersvorsorge des Antragsgegners (sicher) angelegt, sondern für ihren Lebensbedarf verwendet haben, hat die Antragstellerin hiervon wirtschaftlich ebenfalls profitiert. Soweit die Lebensversicherungen für die von den Eheleuten erworbenen kreditfinanzierten Immobilien zur Sicherheit abgetreten und, woran nach Aktenlage keine begründeten Zweifel bestehen, wegen der Kündigung der Darlehensverträge verwertet worden sind, tragen beide Parteien dieses Risiko gemeinsam (vgl. OLG Celle, FamRZ 2010, 471; OLG Brandenburg, FamRZ 2011, 902).

Dass der ausgleichsberechtigte Antragsgegner aktuell über erhebliches Vermögen verfügt, durch das seine Altersversorgung uneingeschränkt abgesichert ist, während die ausgleichspflichtige Antragstellerin auf die von ihr erworbenen Versorgungsanrechte zur Sicherung ihres Unterhalts dringend angewiesen ist, kann der Senat nicht feststellen. Der Antragsgegner befindet sich, wie er in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen hat, seit 2007 in Privatinsolvenz, er besitzt keinerlei Vermögenswerte, beispielsweise in Form von Grundstücken, Kapitalvermögen oder Lebensversicherungen, und bezieht aus seiner bei der Krankenkasse ... in 2008 aufgenommenen Vollerwerbstätigkeit ein durchschnittliches Nettoeinkommen von monatlich 1.450 EUR bis 1.500 EUR. Damit verfügt der Antragsgegner, auch wenn er ein Fahrzeug mit einem Wert von 3.000 EUR bis 4.000 EUR besitzt, nicht über nennenswertes Vermögen.

In die Gesamtabwägung nach § 27 VersAusglG ist auch einzubeziehen, dass beiden Parteien in Anbetracht ihres Alters bis zum Erreichen der Altersgrenze bei Durchführung des Versorgungsausgleichs die Möglichkeit eröffnet ist, eine ausreichende Altersversorgung aufzubauen. Beide Parteien sind berufstätig und erzielen, wie die Anhörung ergeben hat, ein annähernd gleiches monatliches Nettoeinkommen, weil auch die seit 2006 in Vollzeit arbeitende Antragstellerin, die sich seit 2008 in Privatinsolvenz befindet, über monatliche Einkünfte in Höhe von ca. 1.450 EUR netto verfügt. Beide Parteien sind, wie sie angegeben haben, in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert, wobei der Antragsgegner zusätzlich noch über eine tariflich geregelte betriebliche Altersversorgung und die Antragstellerin über Versorgungsanwartschaften bei der RZVK verfügt. Auch wenn nach dem Ergebnis der Anhörung bei beiden Parteien keine weitere zusätzliche Altersvorsorge in Form von Kapitalvermögen, Lebensversicherungen oder sonstigen Zusatzversicherungen vorhanden ist (so besteht für die Antragstellerin bei der VBL keine Altersvorsorge mehr), können von ihnen bis zum Erreichen des Renteneintrittsalters hinreichende Anwartschaften erworben werden.

Von daher findet § 27 VersAusglG keine Anwendung und ist der Versorgungsausgleich nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen im Übrigen wie folgt durchzuführen:

In der Ehezeit (1. Dezember 1990 bis 31. Juli 2006, § 3 Abs. 1 VersAusglG) haben die beteiligten Ehegatten Versorgungsanrechte erworben. Die Antragstellerin hat bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 13,0890 Entgeltpunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gemäß § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 6,5445 Entgeltpunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 37.397,11 EUR. Bei der Ruhegehalts- und Zusatzversorgungskasse, ...5, hat die Antragstellerin ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 0,33 Versorgungspunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gemäß § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 0 Versorgungspunkten zu bestimmen. Bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, Versicherungs- Nr. X25, hat die Antragstellerin ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 9,36 Versorgungspunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gemäß § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 4,79 Versorgungspunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 1.720,64 EUR. Der Antragsgegner hat bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 0,0250 Entgeltpunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gemäß § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 0,0125 Entgeltpunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 71,43 EUR.

Hiernach ist das von der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund erworbene Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 13,0890 Entgeltpunkten gemäß dem Vorschlag des Versorgungsträgers mit einem Ausgleichswert von 6,5445 Entgeltpunkten auszugleichen. Im Rahmen der gebotenen Bagatellprüfung (§ 18 Abs. 2, 3 VersAusglG) ist das Anrecht der Antragstellerin bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, Versicherungs- Nr. X25, mit einem Kapitalwert von 1.720,64 EUR nicht auszugleichen, weil es nicht den zum Zeitpunkt des Ehezeitendes maßgebenden Grenzwert des § 18 Abs. 3 VersAusglG von 2.940,00 EUR überschreitet und sich der Antragsgegner zudem damit einverstanden erklärt hat, dass ein Ausgleich dieses Anrechts unterbleibt. Ein Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der Ruhegehalts- und Zusatzversorgungskasse, ...5, unterbleibt, weil gemäß der zu keinen Bedenken gebenden Auskunft des Versorgungsträgers der Ausgleichswert mit null Versorgungspunkten zu bestimmen ist.

Ein Ausschluss des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund mit einem Kapitalwert von 71,43 EUR kommt gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG indes nicht in Betracht.Denn diese Vorschrift findet nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, welcher sich der Senat angeschlossen hat (Senat, Beschl. v. 22. Februar 2012, 9 UF 140/11), insoweit keine Anwendung. Nach § 18 Abs. 2 VersAusglG sollen einzelne Anrechte nicht ausgeglichen werden, wenn sie einen geringen Ausgleichswert aufweisen. Allerdings richtet sich die Prüfung innerhalb des § 18 VersAusglG nach der im Gesetz vorgegebenen Reihenfolge. Voranzustellen ist also die Prüfung, ob bei beiderseitigen Anrechten gleicher Art die Differenz der Ausgleichswerte gering ist (§ 18 Abs. 1 VersAusglG). Ergibt die Prüfung, dass die gleichartigen Anrechte in den Versorgungsausgleich einzubeziehen sind, weil die Differenz der Ausgleichswerte die Bagatellgrenze überschreitet, findet § 18 Abs. 2 VersAusglG auf diese Anrechte keine Anwendung (BGH, Beschl.v. 1. Februar 2012, XII ZB 172/11; BGH, Beschl.v. 18. Januar 2012, XII ZB 501/11; BGH, Beschlüsse vom. 30. November 2011, XII ZB 344/10, FamRZ 2012, 192 ff, und XII ZB 328/10, FamRZ 2012, 277 ff, j.m.w.N.). So liegt der Fall hier. Die jeweiligen Anrechte der beteiligten Ehegatten in der allgemeinen Rentenversicherung sind i.S. von § 18 Abs. 1 BGB gleichartig. Anrechte gleicher Art sind zu saldieren und der Differenzwert ist mit der jeweiligen Geringfügigkeitsgrenze zu vergleichen. Die Differenz der Ausgleichswerte ist gering, wenn sie am Ende der Ehezeit die in § 18 Abs. 3 VersAusglG genannte jeweilige Grenze nicht überschreitet. Ist die maßgebliche Bezugsgröße ein Rentenwert, beträgt die Bagatellgrenze 1 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV. In allen anderen Fällen kommt es darauf an, ob der Kapitalwert 120 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV übersteigt. Maßgebliche Bezugsgröße für die gesetzliche Rentenversicherung i.S. des § 5 Abs. 1 VersAusglG sind Entgeltpunkte (§§ 63, 64 Nr. 1 SGB VI), also kein Rentenbetrag, so dass ein "anderer Fall" i.S. von § 18 Abs. 3 VersAusglG vorliegt und der Kapitalwert heranzuziehen ist (BGH, aaO, m.w.N.; Senat, aaO, sowie Senatsbeschlüsse vom 15. Februar 2012 - 9 UF 70/11 - und vom 17. März 2011 - 9 UF 82/10). Der Ausgleichswert des Anrechts der Ehefrau beträgt 6,5445 Entgeltpunkte und entspricht einem korrespondierenden Kapitalwert von 37.397,11 EUR. Der Ausgleichswert des Anrechts des Ehemannes beträgt 0,0125 Entgeltpunkte und entspricht einem korrespondierenden Kapitalwert von 71,43 EUR. Die Differenz der Kapitalwerte beträgt (37.397,11 EUR - 71,43 EUR =) 37.325,68 EUR und überschreitet somit den für den Zeitpunkt des Ehezeitendes maßgebenden Grenzwert in Höhe von 2.940,00 EUR. Deswegen ist das Anrecht des Ehemannes bei der DRV Bund auszugleichen.

Nach Maßgabe dessen ist der Versorgungsausgleich durchzuführen und die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 150 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 5, 81 Abs. 1 FamFG.

Die Rechtsbeschwerde wird mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zugelassen.