Bayerischer VGH, Beschluss vom 05.04.2017 - 19 C 15.2425
Fundstelle
openJur 2020, 58340
  • Rkr:
Tenor

Unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 7. Oktober 2015 wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 24. September 2015 abgeändert und die dem beigeordneten Rechtsanwalt zustehende Vergütung aus der Staatskasse unter Berücksichtigung anzurechnender Beträge auf einen Betrag von 202,03 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer verfolgt - ergänzend zur Anfechtung der Kostenfestsetzung - die Erstattung von 202,03 Euro im Wege der Prozesskostenhilfe und wendet sich insoweit gegen den ablehnenden Vergütungsfeststellungsbeschluss.

Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht (RN 9 K 14.2139) war die Klage gegen die Inanspruchnahme für Abschiebungskosten in Höhe von 10.134,69 Euro durch Leistungsbescheid des Landratsamtes vom 20. November 2014. In dem Leistungsbescheid war ein Betrag in Höhe von 8.519,60 Euro für Kosten der Sicherungshaft zur Abschiebung vom 17. Dezember 2009 bis zum 14. April 2010 enthalten. Die diesbezüglich erhobene Klage wurde damit begründet, dass wegen eines laufenden Ermittlungsverfahrens die Abschiebung habe nicht vollzogen werden können und die Abschiebungshaft daher rechtswidrig gewesen sei. Der Klägerbevollmächtigte verwies insoweit auf das aktuelle Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 10. Dezember 2014 (1 C 11.14). Nach ausführlichem richterlichen Hinweisschreiben des Verwaltungsgerichts vom 10. März 2015, wonach Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungshaft für den Zeitraum vom 17. Dezember 2009 bis zum 15. März 2010 bestünden, hob der Beklagte mit Bescheid vom 17. März 2015 den Leistungsbescheid insoweit auf, als eine Kostenerstattung von mehr als 3.708,89 Euro geltend gemacht wird. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 26. März 2015 wurde dem Kläger zu ¾ der Kosten Prozesskostenhilfe bewilligt. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit teilweise für erledigt, im Übrigen nahm der Kläger die Klage zurück. Mit Beschluss vom 1. April 2015 stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren ein; von den Kosten des Verfahrens wurden dem Beklagten ¾ und dem Kläger ¼ auferlegt.

Der Klägerbevollmächtigte beantragte u.a. die Festsetzung einer Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1003, 1002 RVG-VV mit der Begründung, ein Telefonat des Prozessbevollmächtigten mit dem Berichterstatter habe zu dem richterlichen Hinweis geführt, der schließlich in die Erledigung durch Teilaufhebung des Leistungsbescheids gemündet habe.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. Juni 2015 wurden Kosten in Höhe von 606,10 Euro festgesetzt und die Festsetzung einer Erledigungsgebühr mit der Begründung abgelehnt, die Tätigkeit des Rechtsanwalts sei nicht über eine allgemeine Verfahrensförderung hinausgegangen. Mit Beschluss vom 21. Juli 2015 wies das Verwaltungsgericht die Kostenerinnerung des Klägerbevollmächtigten zurück. Die Beschwerde vom 11. August 2015 hat der Senat mit Beschluss vom heutigen Tag zurückgewiesen (19 C 15.1844).

Mit Vergütungsfestsetzungsantrag vom 17. August 2015 beantragte der Beschwerdeführer die Erstattung von 202,03 Euro im Wege der Prozesskostenhilfe mit Verweis auf § 58 Abs. 2 RVG. Dem Antrag lag eine Aufstellung über einen Anspruch auf Prozesskostenhilfevergütung gem. § 49 RVG in Höhe von 483,26 Euro zugrunde, dem ein Anspruch auf Regelvergütung gem. § 13 RVG in Höhe von 808,13 Euro gegenüber gestellt wurde. Abzüglich der von dem Beklagten zu erstattenden Kosten in Höhe von 606,10 Euro sei zur Abgeltung der Regelvergütung im Wege der Prozesskostenhilfe nach § 58 Abs. 2 RVG ein Betrag von 202,03 Euro ergänzend zu erstatten.

Mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 24. September 2015 wurde der Vergütungsfestsetzungsantrag des Klägerbevollmächtigten abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, der beigeordnete Klägerbevollmächtigte könne wählen, ob und inwieweit er sich wegen seiner Vergütung im Wege der Erstattung der Prozesskostenhilfe an die Staatskasse gemäß §§ 45 ff. RVG halten wolle, oder seinen Erstattungsanspruch gegen den unterlegenen Verfahrensgegner geltend mache. Der jeweils höhere Anspruch bilde wegen § 15 Abs. 2 RVG die absolute Obergrenze. Die Vergütung, welche der beigeordnete Klägerbevollmächtigte im Wege der Prozesskostenhilfe aus der Landeskasse hätte verlangen können, hätte entsprechend der Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu ¾ der Kosten 362,44 Euro betragen. Der unterlegene Beklagte hafte hingegen wegen der Kostenentscheidung zu ¾ der Wahlanwaltsvergütung in Höhe von 808,13 Euro mit einem Betrag von 606,10 Euro. Diese Summe sei mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. Juni 2015 gegen den Beklagten festgesetzt worden. Dieser Betrag bilde somit die Obergrenze für die Vergütungsansprüche des Klägerbevollmächtigten. Raum für eine weitere Vergütungsfestsetzung in Höhe von 202,03 Euro bestünde nicht. Die geltend gemachte Anrechnung der gegnerischen Erstattungssumme auf die vollen Wahlanwaltsgebühren in Höhe von 808,13 Euro vernachlässige, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur zu einem Bruchteil von ¾ erfolgt sei.

Die Erinnerung des Klägerbevollmächtigten vom 2. Oktober 2015 wies das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 7. Oktober 2015 zurück. Der Klägerbevollmächtigte habe ein Wahlrecht zwischen einem Vergütungsanspruch im Wege der Prozesskostenhilfe oder dem Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem unterlegenen Beklagten. Dieses Wahlrecht habe der Klägerbevollmächtigte mit seinem Antrag auf Kostenfestsetzung ausgeübt. Bei Geltendmachung seiner Ansprüche nach §§ 45 ff. RVG auf Grund der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung hätte er gegenüber der Staatskasse keinen höheren Betrag geltend machen können. Mangels eines Anspruches auf Vergütungsfestsetzung bestehe für eine Anwendung des § 58 Abs. 2 RVG schon dem Grunde nach kein Raum. Der Klägerbevollmächtigte bleibe gehalten, die ihm zustehenden Ansprüche, soweit sie nicht vom Beklagten zu erstatten seien, nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz von seinem Mandanten einzufordern. Die Staatskasse müsse hierfür auch im Lichte des § 58 Abs. 1 Satz 1 RVG nicht sozusagen ersatzweise einspringen.

Gegen diesen am 19. Oktober 2015 zugestellten Beschluss wendet sich der Klägerbevollmächtigte mit seiner am 29. Oktober 2015 erhobenen Beschwerde. Zur Begründung wird ausgeführt, für die Annahme eines alternativen Wahlrechts zwischen Vergütungsanspruch und Erstattungsanspruch fehle jede normative Anknüpfung. Im Gegenteil gebiete § 58 Abs. 2 RVG, Zahlungen, die aufgrund eines Erstattungsanspruches erfolgten, zunächst auf denjenigen Gebührenanspruch anzurechnen, für den kein Anspruch gegen die Staatskasse bestehe. Folglich gebe es gerade kein "Wahlrecht", sondern bestünden Erstattungs- und Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse nebeneinander. Die Anrechnung einer Teilerfüllung auf den Haftungsanteil der Staatskasse würde dem Rechtsgedanken des Gläubigerschutzes, der § 58 Abs. 2 RVG zugrunde liege, zuwiderlaufen.

Der Beschwerdeführer bezieht sich ohne weitere Antragstellung auf sein bisheriges Vorbringen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den Inhalt der beigezogenen Gerichts- und Kostenakten des Verwaltungsgerichts Regensburg, auch im Verfahren gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. Juni 2015 (RN 9 M 15.1080, 19 C 15.1844), verwiesen.

II.

Die Beschwerde, über die gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG die Einzelrichterin entscheidet, ist zulässig und begründet. Dem Beschwerdeführer steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch in Höhe von 202,03 Euro gegen die Staatskasse aus §§ 45 ff. RVG auch nach Festsetzung der Kosten gegenüber dem unterlegenen Beklagten mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. Juni 2015 unter Anrechnung dieser Kostenerstattung auf die Vergütung, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht besteht (§ 58 Abs. 2 RVG), zu.

Zu Unrecht ist das Verwaltungsgericht dem ablehnenden Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten vom 24. September 2015 folgend davon ausgegangen, dass nach Festsetzung der Kosten in Höhe von 606,10 Euro gegenüber dem teilweise unterlegenen Beklagten mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. Juni 2015 ein Vergütungsanspruch aus der mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 26. März 2015 zu einem Anteil von ¾ bewilligten Prozesskostenhilfe nicht mehr bestehe (unter Verweis auf BayVGH, B.v. 17.8.2006 - 24 C 06.1404 - juris). Zwar hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass der beigeordnete Rechtsanwalt wählen kann, ob er die Staatskasse oder den in die Prozesskosten verurteilten Prozessgegner in Anspruch nimmt (vgl. BayVGH, B.v. 17.8.2006 - 24 C 06.1404 - juris; Hartmann, KostG, 47. Aufl. 2017, § 59 RVG Rn. 8). Soweit jedoch der vom Prozessgegner zu erstattende Betrag zur Deckung der Anwaltskosten nicht ausreicht, darf der beigeordnete Rechtsanwalt die Zahlungen der Staatskasse zunächst auf diejenigen Kosten verrechnen, für die der Gegner nicht haftet (vgl. Hartmann, KostG, 47. Aufl. 2017, § 59 Rn. 18). Im Rahmen der Anrechnungsvorschrift des § 58 Abs. 2 RVG und mit der Konsequenz des Forderungsübergangs nach § 59 Abs. 1 RVG bestehen Vergütungsansprüche aus bewilligter Prozesskostenhilfe neben einem Kostenerstattungsanspruch gegen die unterlegene Partei. Unter Berücksichtigung des Wahlrechts des Rechtsanwaltes, eines nicht bestehenden Rangverhältnisses der Inanspruchnahme und der Anrechnung der Kostenerstattung der gegnerischen Partei auf den Teil der Rechtsanwaltsvergütung, für den kein Anspruch gegen die Staatskasse besteht (§ 58 Abs. 2 RVG), kann der Klägerbevollmächtigte vorliegend einen Restbetrag von 202, 03 Euro (808,13 Euro Regelanwaltsvergütung abzüglich geleisteter Kostenerstattung in Höhe von 606,10 Euro) beanspruchen (vgl. nachfolgend 1.). Dem steht auch nicht entgegen, dass vorliegend Prozesskostenhilfe nur zu einem Anteil von ¾ bewilligt wurde (vgl. nachfolgend 2.).

1. Ebenso wenig wie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe den Kostenerstattungsanspruch gegen den Prozessgegner ausschließt (vgl. BGH, B.v. 9.7.2009 - VII ZB 56/08 - juris Rn. 7), führt eine geleistete, teilweise Kostenerstattung zum Nachrang oder zum Erlöschen des Vergütungsanspruchs im Rahmen der Prozesskostenhilfe. Vielmehr bestehen der Kostenerstattungsanspruch gegen den Prozessgegner, der sich nach der Wahlanwaltsvergütung (§§ 13 ff. RVG) richtet, und der Vergütungsanspruch im Rahmen der Prozesskostenhilfe (§§ 45 ff. RVG) im Rahmen der Anrechnungsvorschrift des § 58 Abs. 2 RVG und unter Berücksichtigung eines eventuellen Forderungsübergangs nach § 59 RVG nebeneinander.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe entspricht dem sozialstaatlichen Gebot einer weitgehenden Gleichstellung von Bemittelten und Unbemittelten im Rechtsschutzbereich (vgl. BVerfG, B.v. 30.9.2003 - 1 BvR 2072/02 - NJW-RR 2004, 61). Das Prozesskostenhilfeverfahren ist ein parteieinseitiges Verfahren der Daseinsfürsorge im Rechtsbereich. Der Prozessgegner ist - abgesehen von seinem Recht zur Stellungnahme nach § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO - nicht Beteiligter des Prozesskostenhilfeverfahrens.

Nach der gesetzlichen Struktur der Prozesskostenhilfe erwirbt der beigeordnete Rechtsanwalt einen gesonderten Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse, der zu demjenigen gegen den Mandanten hinzutritt. Mit der Beiordnung und den entsprechenden anwaltlichen Tätigkeiten entstehen gegen die Staatskasse also eigene Vergütungsansprüche (es erfolgt kein Schuldbeitritt der Staatskasse, geschweige denn eine Schuldübernahme), die von der Wahlanwaltsvergütung unabhängig sind. Der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse nach §§ 45 ff. RVG muss auch vom Kostenerstattungsanspruch gegen den Prozessgegner streng unterschieden werden. Schuldner und Gläubiger innerhalb der beiden Rechtsverhältnisse sind unterschiedlich, auch wenn es sich im vorliegenden Verfahren beim Beklagten und der Staatskasse um denselben Rechtsträger handelt. Die Wahlanwaltsvergütung darf bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe zwar nicht mehr gegen den Mandanten selbst durchgesetzt werden (vgl. § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO), die Verpflichtung des Prozessgegners zur Kostenerstattung - auf der Basis der Wahlanwaltsvergütung - bleibt jedoch davon unberührt (vgl. § 123 ZPO). Schon diese generellen Erwägungen verbieten es, die Zahlungen des Prozessgegners als Erfüllung der Vergütungsforderung gegen die Staatskasse anzusehen (vgl. BayLSozG, B.v. 3.7.2013 - L 15 SF 241/12 B - juris Rn. 10).

Der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt erhält die gesetzliche Vergütung gemäß §§ 45 Abs. 1, 55 Abs. 1 RVG nach Festsetzung aus der Staatskasse. Gemäß § 45 Abs. 3 RVG hat der beigeordnete Bevollmächtigte einen Anspruch auf seine Vergütung aus der Landeskasse. Der Antrag hat die Erklärung zu enthalten, ob und welche Zahlungen der Bevollmächtigte bis zum Tag der Antragstellung erhalten hat (§ 55 Abs. 5 Satz 2 RVG). Im Interesse der Schonung öffentlicher Kassen hat der Gesetzgeber in § 49 RVG reduzierte Vergütungssätze vorgesehen. Als Schuldner für den Vergütungsanspruch des Rechtsanwaltes kommen neben dem Mandanten (im Rahmen von § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) die Staatskasse als unmittelbare Kostenschuldnerin bei Gewährung von Prozesskostenhilfe sowie der erstattungspflichtige Prozessgegner in Betracht. Der Anwalt kann die Reihenfolge einer Inanspruchnahme selbst bestimmen (vgl. Hartmann, KostG, 47. Aufl. 2017, § 45 RVG Rn. 20). Eine Rangfolge der Inanspruchnahme besteht insoweit nicht. Auch ist aus dem Wesen der Prozesskostenhilfe als Sozialleistung kein Nachrang hinsichtlich der Inanspruchnahme abzuleiten. Die Subsidiarität der Prozesskostenhilfe als Sozialleistung findet darin ihren Niederschlag, dass eine Bewilligung die wirtschaftliche und persönliche Bedürftigkeit der Partei voraussetzt. Bei Inanspruchnahme der Staatskasse im Wege der Prozesskostenhilfe geht ein Anspruch gegenüber der Partei oder der ersatzpflichtigen gegnerischen Partei gemäß § 59 Abs. 1 RVG auf die Staatskasse über.

Nach der Bestimmung des § 58 Abs. 2 RVG (, die in der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 17.8.2006, a.a.O. nicht erörtert worden ist,) sind in Angelegenheiten, in denen sich -wie hier - die Gebühren nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses bestimmen, Vorschüsse und Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der Beiordnung erhalten hat, zunächst auf die Vergütungen anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 RVG besteht. Zahlungen Dritter in diesem Sinne sind auch die vom Prozessgegner gezahlten und beigetriebenen Kostenerstattungsansprüche (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 5. Aufl. 2010, Rn. 797). § 58 Abs. 2 RVG enthält eine gesetzliche Zweckbestimmung dergestalt, dass Zahlungen ohne besondere Zweckbestimmung erst auf die Differenz zwischen seinem gesetzlichen Anspruch auf Wahlanwaltsgebühren und seinem Anspruch gegen die Staatskasse aus der PKH-Tabelle zu verrechnen sind. Damit wird der Anwalt geschützt, denn der ihm auf jedem Fall verbleibende Vergütungsgrundbetrag nach § 49 RVG ist durch die Einstandspflicht der Staatskasse abgesichert. Die Regelung entspricht ihrem Rechtsgedanken nach der Gläubigerschutzvorschrift des § 366 Abs. 2 BGB (vgl. Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, § 58 Rn. 1 bis 3). Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz trifft somit eine spezifische Regelung für das Zusammentreffen eines Anspruchs nach §§ 45 ff. RVG mit einem Kostenerstattungsanspruch gegen den Prozessgegner. Zahlungen des Prozessgegners sind daher zunächst bei der Wahlanwaltsvergütung (die für die Kostenerstattung durch den Prozessgegner maßgebend ist) zu berücksichtigen, soweit diese die Vergütung nach §§ 45 ff. RVG übersteigt (BayLSozG, B.v. 3.7.2013 - L 15 SF 241/12 B - juris Rn. 12).

Somit ist vorliegend die mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. Juni 2015 festgesetzte Kostenerstattung in Höhe von 606,10 Euro gemäß § 58 Abs. 2 RVG zunächst auf die geltend gemachte Wahlvergütung in Höhe von 808,13 Euro anzurechnen. Der verbleibende Restbetrag in Höhe von 202,03 Euro kann der Beschwerdeführer gegenüber der Staatskasse nach §§ 45 Abs. 1, 49 RVG beanspruchen.

2. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Teilbewilligung von Prozesskostenhilfe zu einem Anteil von ¾ der Kosten. Die gesetzliche Vergütung in diesem Sinn umfasst dabei dasjenige Verfahren und denjenigen Umfang, für den das Gericht den Rechtsanwalt beigeordnet hat (§ 48 Abs. 1 RVG). In Bezug auf Ansprüche muss die Beiordnung bestimmt gefasst sein (vgl. Hartmann, KostG, 47. Aufl. 2017, § 48 RVG Rn. 53). Wird die Prozesskostenhilfe und Beiordnung in diesem Sinne auf einen Teilanspruch beschränkt, erhält der beigeordnete Anwalt die Vergütung nur aus dem Teilwert oder anteilsmäßig.

Dem Kläger wurde durch Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 26. März 2015 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu ¾ der Kosten bewilligt und der Prozessbevollmächtigte beigeordnet. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die Klage zu ¾ der streitbefangenen Klagesumme Aussicht auf Erfolg bot. Die Teilbewilligung führt zu einer Verminderung des Vergütungsanspruches entweder dergestalt, dass nur ein Anteil von ¾ der Gebühren nach § 49 RVG aus dem Gesamtstreitwert oder die Wertgebühren aus einem Teilstreitwert beansprucht werden können (zu den unterschiedlichen Berechnungsmethoden vgl. VG München, B.v. 1.12.2014 - M 24 M 14.31118 - juris Rn. 21; Hartmann, KostG, 47. Aufl. 2017, § 48 RVG Rn. 65; für Bestimmung aus einem Teilstreitwert vgl. OVG NW, B.v. 16.4.2012 - 18 E 871/11 - juris Rn. 28; VG Kassel, B.v. 1.2.2013 - 3 O 1308/12.KS.A - juris Rn. 2).

Vorliegend kann wegen der Anrechnung der Kostenerstattung seitens des Beklagten und eines Restanspruches von 202,03 Euro dahingestellt bleiben, ob der Vergütungsanspruch sich auf einen Anteil von ¾ der Vergütung aus dem Gesamtstreitwert oder auf die Vergütung aus einem Teilstreitwert in Höhe von ¾ des Gesamtstreitwerts beläuft. Denn wegen der Anrechnung nach § 58 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt allenfalls noch den Restbetrag von 202,03 Euro beanspruchen.

Aus der teilweisen Bewilligung von Prozesskostenhilfe ergibt sich kein genereller Nachrang der Prozesskostenhilfe gegenüber der Inanspruchnahme des Prozessgegners oder des eigenen Mandanten. Zu Unrecht weist das Verwaltungsgericht darauf hin, der Klägerbevollmächtigte sei gehalten, die ihm zustehenden Ansprüche nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, soweit sie nicht vom Beklagten zu erstatten sind, von seinem Mandanten einzufordern. Zwar steht dem nicht schon § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO entgegen, wonach die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bewirkt, dass die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht mehr geltend machen können. Da vorliegend Prozesskostenhilfe nur zu einem Anteil von ¾ bewilligt wurde, könnte der Rechtsanwalt seinen Gebührenanspruch zu dem verbleibenden Teil in Höhe von ¼ der Rechtsanwaltsvergütung gegenüber dem Mandanten geltend machen. Der Rechtsanwalt hat jedoch - wie ausgeführt - die Wahl, ob, in welchem Umfang und in welcher Reihenfolge er den Gegner und/oder die Staatskasse bis zur Höhe der Gebühren nach § 49 RVG oder ausnahmsweise auch die Prozesskostenhilfepartei in Anspruch nimmt.

Auch bei Teilgewährung von Prozesskostenhilfe sind Zahlungen zunächst auf die durch die Prozesskostenhilfe nicht gedeckten Vergütungsteile zu verrechnen (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 5. Aufl. 2010, Rn. 798). Soweit die Staatskasse den Rechtsanwalt befriedigt hat, geht der Vergütungsanspruch gegen die Partei nach § 59 Abs. 1 RVG auf sie über.

Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).