FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13.03.2013 - 3 K 34/09
Fundstelle
openJur 2020, 30948
  • Rkr:
Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Auskunftsersuchen des Beklagten vom 22. Oktober 2008 rechtswidrig gewesen ist.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, soweit nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens.

Der Kläger ist eingetragener Kaufmann. Er tritt unter der Firma B. e.K. auf. Gegenstand des Unternehmens ist der Export und Import von Waren aller Art (vgl. Handelsregister A des Amtsgerichts S., HRA ...).

In der Zeit vom 17. Dezember 2007 bis zum 29. Juni 2010 führte der Beklagte beim Kläger eine Betriebsprüfung durch, die sich auf Einkommensteuer 2002 bis 2004, Umsatzsteuer 2002 bis 2004 und Gewerbesteuer 2002 bis 2004 erstreckte (geänderter Prüfungsbericht vom 30. Juni 2010).

In mehreren Schreiben im Juli bis Oktober 2008 mahnten die Prozessbevollmächtigten des Klägers den Abschluss der Betriebsprüfung an. Die Prüferin antwortete mit Schreiben vom 16. Oktober 2008, dass diverse Prüfungsanfragen an das Bundeszentralamt für Steuern und an das Steuerbüro gestellt worden seien; nach abschließender Klärung würden die Prüfungsfeststellungen mitgeteilt werden. Mit Schreiben vom 20. Oktober 2008 forderten die Prozessbevollmächtigten des Klägers den Beklagten auf, seine Prüfungsanfragen aufzulisten.

Nach dem Eingang des Schreibens der Prozessbevollmächtigten vom 20. Oktober 2008 richtete der Beklagte ohne den Kläger vorher hierzu angehört zu haben ein Auskunftsersuchen an die B. C. GmbH, ... R. (inzwischen ...weg 11, ... H., eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts H. unter HRB ...) - B. - betreffend Provisionszahlungen. Der Beklagte führte im Schreiben vom 22. Oktober 2008 aus, dass eine Sachverhaltsaufklärung mit den Beteiligten nicht möglich sei. Man bitte deshalb, bis zum 04. November 2008 schriftlich Auskunft zu geben, ob dem oben genannten Steuerpflichtigen - A... - in den Jahren 2002 bis 2004 Provisionen etc. gutgeschrieben oder ausgezahlt worden seien. Gegebenenfalls werde um die Vorlage geeigneter Unterlagen gebeten, aus denen sich die Höhe und der Zeitpunkt der Provisionszahlungen sowie die Kontoverbindung des Empfängers ergeben. Als Rechtsgrundlage der Auskunftspflicht der B. gab der Beklagte § 93 der Abgabenordnung (AO) an.

Den vom Beklagten vorgelegten Arbeitsunterlagen zur Betriebsprüfung für die Jahre 2002 bis 2004 kann entnommen werden, dass es unter dem Datum 16. Oktober 2008 auch ein Auskunftsersuchen betreffend Provisionszahlungen gegenüber der M. Maschinenbau ... GmbH & Co. KG (M.) gegeben hatte. Hiergegen wurde kein Einspruch eingelegt. Die Antwort der M. ging beim Beklagten per Telefax am 21. Oktober 2008 ein. Die M. gab an, an den Kläger in den Jahren 2003 und 2004 insgesamt drei Zahlungen geleistet zu haben. In den drei vorgelegten Abrechnungspapieren aus den Jahren 2003 taucht der Begriff "Provision" jedoch nicht auf; es ist vielmehr die Rede von "Ausgleichzahlungen". Bezüglich der M. gab es bereits im Rahmen der Prüfung für die Vorjahre eine auf einer Kontrollmitteilung beruhende (streitige) Prüfungsfeststellung betreffs des Erhalts von Provisionen durch den Kläger. Das dazugehörige Klageverfahren wegen Umsatzsteuer wurde beim erkennenden Senat unter dem Aktenzeichen 3 K 923/07 geführt. Gestritten wurde um eine Umsatzerhöhung von 8.530,69 DM (brutto 9.895,61 DM) im Zusammenhang mit einer Rechnung der M. vom 11. April 2000, in der auch von einer "Ausgleichszahlung" bzw. von "Bonusbeträgen" die Rede war. Das Wort "Provision" wird in der Kontrollmitteilung des Finanzamtes K. verwendet. Einem Vermerk in den vom Beklagten vorgelegten Akten, bei dem es sich um eine Stellungnahme zum Einspruch handelt und der von der vermutlich von der Prüferin stammt, ist zu entnehmen, dass die Feststellungen im Zusammenhang mit der M. Anstoß für das Auskunftsersuchen an die B. waren. In dem Vermerk wird ausgeführt: "Um die Prüfung zu vervollständigen, wurde auch der zweite Lieferant (B. GmbH) um Auskunft gebeten."

Die B. antwortete mit Schreiben vom 24. Oktober 2008 (beim Beklagten am 29. Oktober 2008 eingegangen), dass man sich über die Frage nach Provisionszahlungen wundere. A.h bzw. die Firma H. sei Vertragspartner der B. für Lieferungen von Absauganlagen nach Osteuropa. Dies seien reine Handelsgeschäfte, d.h. A.h erhalte von der B. Rechnungen abzüglich eines vereinbarten Wiederverkaufsrabattes zwischen 40 und 50 v.H. der Bruttopreise der B. Mit Zahlung dieser Rechnungen würden ausschließlich die Warenlieferungen beglichen. A. kaufe und verkaufe auf eigene Rechnung. Bis zum Jahr 2007 habe die B. von A. immer wieder ein bestimmtes Spezialteil bezogen. Dies habe er der B. in Rechnung gestellt und die B. habe verrechnet. Die von der B. zu tragenden Kosten der Vermarktung ihrer Produkte habe sie selbst übernommen. Da es sich um reine Handelsgeschäfte gehandelt und A. einen entsprechenden Rabatt erhalten habe, seine keine Provisionszahlungen vereinbart gewesen und bis heute auch nicht geleistet worden.

Bereits vor dem Eingang des Schreibens der B. war am 27. Oktober 2008 ein Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers beim Beklagten eingegangen, in dem sie erklärte, dass gegen das Auskunftsersuchen vom 22. Oktober 2008 Einspruch eingelegt werde. Das Auskunftsersuchen sei aus mehreren Gründen rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten.

Das Auskunftsersuchen verstoße gegen § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, denn ein konkreter Anlass für die Auskunft sei nicht zu erkennen. Bei der Anfrage an die B. handele es sich um eine Ermittlung ins Blaue hinein.

Es liege ein Verstoß gegen § 93 Abs. 1 Satz 3 AO vor. Die Maßnahme verstoße gegen den Subsidiaritätsgrundsatz, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht. Der Beklagte behaupte in dem Auskunftsersuchen wahrheitswidrig, dass eine Sachverhaltsaufklärung mit dem Kläger nicht möglich sei. Der Beklagte sei zu keinem Zeitpunkt an den Kläger mit der Frage herangetreten, ob ihm von der B. in den Jahren Provisionen gutgeschrieben oder ausgezahlt worden seien. Im Übrigen bleibe unerfindlich, weshalb eine Sachverhaltsaufklärung mit dem Kläger nicht möglich sein sollte, wo doch der Beklagte sieben Prüfungsanfragen an ihn gerichtet und damit zu erkennen gegeben habe, dass er eine Sachverhaltsaufklärung mit dem Kläger für möglich erachte. Überdies habe der Kläger nach fast einjähriger Prüfung mit zwei vor der Prüfungsanfrage datierten Schreiben um Unterrichtung gemäß § 199 Abs. 2 AO gebeten; dem sei der Beklagte nicht nachgekommen.

Des Weiteren liege ein Verstoß gegen das Gebot des fairen Verfahrens vor, weil der Beklagte das Auskunftsersuchen dem Kläger gegenüber nicht angekündigt habe. Das Gebot der Fairness verlange, dass man rechtliches Gehör hätte gewähren müssen.

Der Kläger legte ein an ihn gerichtetes Schreiben der B. vom 24. Oktober 2008 vor, in dem die B. ausführt, dass man mit Verwunderung das Schreiben des Beklagten erhalten habe. Die B. habe nie Provisionen an den Kläger geleistet, weil er einen nicht unerheblichen Wiederverkaufsrabatt erhalte. Man verstehe nicht, warum er das dem Finanzamt nicht mitteile; so etwas mache nachdenklich. Der Kläger führte aus, dass man dem Schreiben der B. unschwer entnehmen könne, dass das rechtswidrige Auskunftsersuchen eine Klimaverschlechterung der Geschäftsbeziehung mit der B. provoziert habe. Es werde erwartet, dass man der B. gegenüber die unwahre Behauptung richtig stelle.

Auf ein Schreiben des Beklagten vom 07. November 2008, in dem der Beklagte zur Begründung seiner Auffassung, weshalb er das Auskunftsersuchen für rechtmäßig halte, u.a. ausführte, der nach § 85 AO bestehende Ermittlungsgrundsatz habe erfordert, in Erfahrung zu bringen, ob und in welchem Umfang auch im Prüfungszeitraum Provisionen an den Kläger gezahlt wurden, trug der Kläger weiter vor, dass die sich aus § 85 AO ergebende allgemeine Ermittlungsbefugnis für sich allein nicht das Vorgehen nach § 93 AO rechtfertigen könne, wenn die Voraussetzungen des § 93 nicht vorliegen. Dass sich aus den Buchführungsunterlagen keine Provisionszahlungen ergeben, dokumentiere nichts anderes als die Erklärung des Steuerpflichtigen, keine Provisionen erhalten habe, gebe aber keinen konkreten Anlass i.S.d. § 93 AO her. Auch wenn der Beklagte im Rahmen der vorangegangenen Betriebsprüfung von der Annahme ausgehe, dass der Kläger von einem anderen Unternehmen Provisionen erhalten habe, was der Kläger bestreite, könne dies nicht das Auskunftsersuchen an die B. rechtfertigen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 10. November 2008 Bezug genommen.

Am 24. November 2008 fand in den Räumen des Beklagten ein Gespräch zwischen den Beteiligten statt. Als Ergebnis dieses Gesprächs unterbreitete die Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 25. November 2008 einen Vorschlag für ein Schreiben des Beklagten an die B., mit dem eine Richtigstellung des sich aus dem Auskunftsersuchen ergebenden Sachverhalts erfolgen sollte. Der Beklagte übernahm diesen Vorschlag und setzte ihn in einem Schreiben an die B. vom 25. November 2008 um. Auf den Inhalt des Aktenvermerks über das Gespräch sowie des Schreibens des Beklagten an die B. vom 25. November 2008 wird Bezug genommen.

Da der Kläger nach wie vor eine Entscheidung über den Einspruch begehrte, erließ der Beklagte unter dem Datum 23. Dezember 2008 eine Einspruchsentscheidung. Er verwarf den Einspruch gegen das Auskunftsersuchen vom 22. Oktober 2008 als unzulässig. Es könne dahinstehen, ob das Ersuchen rechtswidrig gewesen sei, denn mit Erteilung der Auskunft sei der Verwaltungsakt erledigt. Der Einspruch sei mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. Ob das Auskunftsersuchen rechtswidrig gewesen sei, könne nur noch geklärt werden, soweit die erhaltenen Auskünfte im Rahmen von nachfolgenden Verwaltungsakten für den Kläger zu belastenden Entscheidungen führen. An der Unzulässigkeit des Einspruchs ändere sich auch nichts, falls der Kläger trotz Erledigung des Verwaltungsaktes an der Feststellung seiner Rechtswidrigkeit ein berechtigtes Interesse haben sollte, denn eine dem § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vergleichbare Regelung gebe es für das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren nicht.

Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 05. Januar 2009 am 08. Januar 2009 Klage erhoben. Er trägt vor, dass das Auskunftsersuchen an die B. rechtswidrig gewesen sei und verweist auf seine Ausführungen im Einspruchsverfahren.

Durch die Auskunftserteilung habe sich der Verwaltungsakt erledigt. Damit sei die Fortsetzungsfeststellungsklage eröffnet. Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Auskunftsverlangens.

Es bestehe Wiederholungsgefahr. Die begehrte Klärung sei als "Richtschnur für zukünftiges Verhalten" des Beklagten von Bedeutung. Die Ausführungen des Beklagten im Schreiben vom 07. November 2008 würden belegen, dass dieser die Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens nach wie vor leugne und damit jede Einsicht fehle, unrechtmäßig vorgegangen zu sein. Mit großer Wahrscheinlichkeit werde in den Folgejahren ein im wesentlicher gleicher Sachverhalt der Besteuerung zugrunde liegen. Es sei anzunehmen, dass der Beklagte in gleicher Weise Auskunftsersuchen unter Umgehung des Klägers an Geschäftspartner des Klägers wiederhole. Diese Vorgehensweise sei, wie das Schreiben der B. an den Kläger zeige, geeignet, die Geschäftsbeziehungen des Klägers zu belasten und sein Ansehen bei seinen Geschäftspartnern zu beschädigen. Insoweit habe der Kläger ein reges wirtschaftliches Interesse daran, dass durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens vom 22. Oktober 2008 das Risiko von wahrscheinlichen und vermeintlich für erlaubt gehaltenen Wiederholungen zu vermindern.

Des Weiteren bestehe ein berechtigtes Interesse unter dem Gesichtspunkt der Genugtuung und Rehabilitierung. Der Beklagte habe den Kläger offensichtlich deshalb übergangen, weil er Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit gehegt habe. Dies entbehre indes jeglicher Grundlage. Was von dem Beklagten insoweit vorgetragen werde (Schreiben vom 07. November 2008 Seite 1 letzter Absatz und Seite 2 erster Absatz) sei völlig inakzeptabel. Der diskriminierende Umgang mit dem Kläger begründe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Auskunftsersuchens vom 22. Oktober 2008.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger vorgetragen, dass nach seinem Erkenntnisstand im Zuge der derzeit laufenden Betriebsprüfung im Zusammenhang mit ausländischen Sachverhalten Auskunftsersuchen ergangen seien, ohne dass er zuvor gehört oder zu den Sachverhalten befragt worden sei.

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass das Auskunftsersuchen des Beklagten vom 22. Oktober 2008 rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat Zweifel an der Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage, weil ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht erkennbar sei. Hinsichtlich der Wiederholungsgefahr fehle es an der substantiierten Darstellung eines konkreten, vernünftigerweise anzuerkennenden schutzwürdigen Interesses. Der allgemeine Hinweis, dass mit großer Wahrscheinlichkeit in den Folgejahren ein im Wesentlichen gleicher Sachverhalt der Besteuerung zugrunde liegen werde, reiche nicht aus. Im Übrigen könne es kein berechtigtes Interesse im Hinblick darauf geben, dass als Ziel der Klage dem Finanzamt untersagt werden solle, bei erneuten oder fortbestehenden Zweifeln am Wahrheitsgehalt der Aussagen des Klägers bzw. seiner Buchführung erneute Auskunftsersuchen an Dritte vorzunehmen. Dies sei mit Besteuerungsgrundsätzen und dem Untersuchungsgrundsatz nicht vereinbar.

Hinsichtlich des Rehabilitationsinteresses weist der Beklagte auf sein Schreiben an die B. vom 25. November 2008 hin. Gründe, die eine weitergehende Rehabilitierung gegenüber der B. erforderlich erscheinen lassen, seien nicht vorgetragen. Was das Rehabilitierungsinteresse im Zusammenhang mit der Glaubwürdigkeit des Klägers angehe, so enthalte das Auskunftsersuchen hierüber keine Aussage. Auch unter Berücksichtigung des Schreibens vom 07. November 2008 sei kein ausreichendes Feststellungsinteresse vorgetragen worden. Insoweit könne der Kläger seine Rehabilitierung im Anfechtungsverfahren gegen die erlassenen bzw. noch zu erlassenden Steuerbescheide erreichen.

Der Beklagte macht zudem Ausführungen dazu, weshalb seiner Ansicht nach das Auskunftsersuchen rechtmäßig gewesen sei. Insoweit wird auf die Ausführungen des Beklagten in der Klageerwiderung vom 26. Februar 2009 Bezug genommen.

In der mündlichen Verhandlung haben die Vertreter des Beklagten erklärt, dass sie zu Auskunftsersuchen während der derzeit laufenden Betriebsprüfung nicht sagen könnten; hierzu wüssten sie nichts. Sie gaben des Weiteren die Erklärung ab, dass sie sich hinsichtlich der zukünftigen Praxis zu Auskunftsersuchen nicht weiter äußern möchten. Ausgenommen sei die B.; insoweit werde der Beklagte keine weiteren Auskunftsersuchen stellen, soweit es Provisionserlöse angehe.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligte sowie auf die vom Beklagten vorgelegten, den Streitfall betreffenden Akten Bezug genommen; hierzu gehören auch die Akten die zum Verfahren 3 K 923/07 vorgelegt wurden.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ist statthaft; der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass das Auskunftsersuchen vom 22. Oktober 2008 rechtswidrig gewesen ist.

a) Nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO kann, wenn ein mit der Klage angefochtener Verwaltungsakt sich im Verlauf des Klageverfahrens erledigt hat, das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts feststellen. Diese Regelung ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entsprechend anzuwenden, wenn ein Verwaltungsakt sich schon vor der Klageerhebung und vor der Einleitung des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens erledigt hat (BFH-Urteile vom 04. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFH/NV 2013, 431; vom 26. September 2007 I R 43/06, BFHE 219, 13, BStBl II 2008, 134, m.w.N.; Beermann/Gosch, FGO § 100 Rz 44; vgl. auch weitere Rechtsprechungsnachweise bei von Groll in Gräber, FGO, 7. Auflage, § 100 Rz. 59 und in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 100 FGO Tz. 52).

Das Auskunftsersuchen ist ein anfechtbarer Verwaltungsakt. Seine Rechtswidrigkeit kann nach Erledigung unter den Voraussetzungen der Fortsetzungsfeststellungsklage festgestellt werden (BFH-Urteil vom 05. April 1984 IV R 244/83, BStBl II 1984, 790). Im Streitfall hat sich das Auskunftsersuchen vom 22. Oktober 2008 nach Einlegung des Einspruchs und vor Klageerhebung erledigt. Denn die B. hat die Auskunft nach Einlegung des Einspruchs aber bereits vor Klageerhebung erteilt (vgl. BFH-Urteil vom 07. August 1979 VII R 14/77, BStBl II 1979, 334 zur Erledigung von Auskunftsersuchen vor Einlegung eines außergerichtlichen Rechtsbehelfs).

b) Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass das Auskunftsersuchen vom 22. Oktober 2008 rechtswidrig gewesen ist.

aa) "Berechtigtes Interesse" i.S.d. § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ist jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende Interesse rechtlicher, tatsächlicher oder wirtschaftlicher Art. Die begehrte Feststellung muss geeignet sein, in einem dieser Bereiche zu einer Positionsverbesserung des Klägers führen (BFH-Urteil vom 04. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFH/NV 2013, 431). Das berechtigte Interesse kann sich nach der BFH-Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 26. September 2007 I R 43/06, BStBl II 2008, 134) zum Einen daraus ergeben, dass die Feststellung der Rechtswidrigkeit die Voraussetzung für den Eintritt einer vom Kläger erstrebten weiteren Rechtsfolge ist (BFH-Urteile vom 12. Januar 1995 IV R 83/92, BFHE 177, 4, BStBl II 1995, 488; in BFH/NV 1995, 621; Schmidt-Troje in Beermann/ Gosch, AO, FGO, § 100 FGO Rz 49, m.w.N.). Zum Anderen kann es daraus abzuleiten sein, dass ein konkreter Anlass für die Annahme besteht, das Finanzamt werde die vom Kläger für rechtswidrig erachtete Maßnahme in absehbarer Zukunft wiederholen (BFH-Urteile vom 29. April 1980 VII K 5/77, BFHE 130, 568, BStBl II 1980, 593; vom 28. Juni 2000 X R 24/95, BFHE 192, 32, 40, BStBl II 2000, 514, 518; vom 20. April 2004 VIII R 88/00, BFH/NV 2004, 1103; Schmidt-Troje in Beermann/Gosch, a.a.O., § 100 FGO Rz 48, m.w.N.). Schließlich kann es unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitierung (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1994 VII R 14/94, BFHE 176, 201, BStBl II 1995, 210) sowie deshalb bestehen, weil die begehrte Feststellung voraussichtlich in einem beabsichtigten und nicht völlig aussichtslosen Schadensersatzprozess erheblich sein wird (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18. Mai 1976 VII R 108/73, BFHE 119, 26, BStBl II 1976, 566; BFH-Beschluss vom 15. Mai 2002 I B 8/02, I S 13/01, BFH/NV 2002, 1317; Tipke in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 100 FGO Tz. 57, m.w.N.).

Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut und dem Regelungszusammenhang des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ist die Prüfung des berechtigten Interesses auf den angefochtenen Verwaltungsakt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO) zu beziehen (BFH-Urteil vom 09. Mai 2012 I R 91/10, BFH/NV 2012, 2004).

Das Feststellungsinteresse muss - sofern es nicht offensichtlich ist - vom Kläger substantiiert dargelegt werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10. Februar 2010 XI R 3/09, BFH/NV 2010, 1450; BFH-Beschluss vom 30. Oktober 2007 VIII B 198/06, BFH/NV 2008, 238, unter II.2., m.w.N.). Es handelt sich um eine Sachurteilsvoraussetzung, d.h. das berechtigte Interesse muss (noch) am Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen (BVerwG-Urteil vom 30. April 1999 1 B 36/99, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6).

bb) Ein vom Kläger geltend gemachtes Rehabilitationsinteresse ist nicht (mehr) gegeben.

Der Kläger hat im Sinne der BFH-Rechtsprechung (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Mai 2002  I B 8/02, BFH/NV 2002, 1317) kein hinreichendes ideelles "Rehabilitationsinteresse" geltend gemacht. Die von ihm genannten Beeinträchtigungen seiner privaten und beruflichen Situation vermögen ein solches nicht zu begründen. Voraussetzung hierfür wäre ein erheblicher Eingriff in die Persönlichkeitssphäre (BFH-Urteil vom 17. Januar 1995 VII R 47/94, BFH/NV 1995, 737), der etwa vorliegt, wenn das erledigte Auskunftsersuchen - anders als im Streitfall - den Vorwurf der Steuerhinterziehung beinhaltet (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 322). Dem Vortrag des Klägers ist auch kein ähnlich diskriminierender, den Kläger persönlich herabsetzender Vorwurf des erledigten Verwaltungsakts (vgl. dazu BFH-Urteile vom 18. Mai 1976 VII R 108/73, BFHE 119, 26, BStBl II 1976, 566; vom 31. Januar 1978 VII R 62/74, BFHE 124, 553, m.w.N.) zu entnehmen. Auch ein tiefgreifender Grundrechtseingriff ist nicht zu erkennen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 1530). Im Übrigen ist gegenüber der B. mit dem Schreiben des Beklagten vom 25. November 2011 eine Rehabilitation des Klägers bereits erfolgt. Dem BFH-Urteil vom BFH-Urteil vom 04. Dezember 2012 VIII R 5/10 (BFH/NV 2013, 431) kann entnommen werden, dass auf eine Rehabilitierung gegenüber dem Dritten ankommt, an den das Auskunftsersuchen gerichtet war (vgl. Rz. 20 des vorgenannten Urteils). Soweit sich der Kläger auf Schreiben bzw. Verhaltensweisen des Beklagten außerhalb des Auskunftsersuchens beruft (z.B. auf das Schreiben des Beklagten vom 07. November 2008), ist dies unerheblich, denn - wie oben ausgeführt - ist Gegenstand der Prüfung, ob ein berechtigtes Interesse vorliegt, allein der Verwaltungsakt, dessen Rechtswidrigkeit festgestellt werden soll.

cc) Allerdings ist unter dem Gesichtspunkt Wiederholungsgefahr ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO zu bejahen.

(1) Das berechtigte Interesse wird von der BFH-Rechtsprechung bejaht, wenn eine hinreichend konkrete Gefahr der Wiederholung in absehbarer Zukunft besteht (BFH-Urteil vom 22. August 2012 X R 36/09, BFH/NV 2013, 436; vgl. auch die Formulierung im BVerwG-Urteil vom 25. August 1993 6 C 7/93, DVBl 1994, 168: Bestehen einer konkreten Gefahr, dass in naher Zukunft eine gleichartige Entscheidung getroffen werden könnte). Ein Feststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr setzt voraus, dass auch in Zukunft die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse bestehen wie in dem für die Beurteilung der erledigten Maßnahme maßgebenden Zeitpunkt (BVerwG-Urteil vom 10. Februar 2000 2 A 3/99, juris). Bei einem erledigten Auskunftsverlangen reicht allerdings der Vortrag nicht aus, es bestehe wegen des allfälligen Informationsbedürfnisses des Finanzamtes die Befürchtung der ständigen Wiederholungsgefahr (BFH-Beschluss vom 16. Februar 2009 VII B 175/08, BFH/NV 2009, 1128).

(2) Im Streitfall ist das Gericht nach Würdigung der Umstände, wie sie sich aus den Akten und auch aus dem Vortrag bzw. Verhalten der Beteiligten ergeben, zu der Überzeugung gelangt, dass eine Wiederholungsgefahr besteht.

Der Kläger ist nach wie vor mit demselben Unternehmensgegenstand tätig. Er muss auch zukünftig, wie die aktuell stattfindende Betriebsprüfung zeigt, mit Betriebsprüfungen durch den weiterhin für ihn zuständigen Beklagten rechnen. Aus dem Verhalten bzw. den Erklärungen der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass der Beklagte bei einem gleichartig gelagerten Sachverhalt, wie er dem Auskunftsersuchen an die B. zugrunde lag, in gleicher Weise vorgehen wird, ggf. auch im Rahmen der zur Zeit stattfindenden Betriebsprüfung. Dass die Beklagtenvertreter erklärt haben, dass gegenüber der B. nicht mehr nach Provisionen nachgefragt werde, lässt die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Denn der Beklagte hat sich ausdrücklich nicht zu der Frage positioniert, wie er sich hinsichtlich weiterer Geschäftspartner des Klägers verhalten werde. Er wollte gerade nicht ausschließen, dass es in naher Zukunft Auskunftsersuchen an Dritte geben könne, ohne den Kläger vorher zu dem Sachverhalt zu befragen, weil man davon ausgehe, dass eine Befragung des Klägers ohne Erfolg sein werde, denn der Kläger werde nichts sagen, was den Angaben seiner Buchführung bzw. seiner Steuererklärung widerspreche. Bei einem solchen Sachverhalt liegt zur Überzeugung des erkennenden Gerichts eine konkrete Wiederholungsgefahr vor, die über die bloß abstrakte Gefahr hinausgeht, dass der Beklagte vermutlich in gleicher Art und Weise auch zukünftig verfahren werde.

2. Die Klage ist begründet.

Das Auskunftsersuchen vom 22. Oktober 2008 ist rechtswidrig gewesen.

a) Nach § 93 Abs. 1 AO haben Beteiligte und andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Im Rahmen ihrer Verpflichtung, den maßgebenden Sachverhalt zur Durchsetzung materiell-rechtlich begründeter Steueransprüche aufzuklären (§§ 85, 88 AO), darf sich die Finanzbehörde derjenigen Beweismittel bedienen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (§ 92 Satz 1 AO). Zu diesen Beweismitteln zählen auch Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten im Besteuerungsverfahren (§ 92 Satz 2 Nr. 1 AO). Die rechtliche Befugnis zu solchen Auskunftsverlangen ergibt sich aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AO (BFH-Urteil vom 04. Oktober 2006 VIII R 54/04, BFH/NV 2007, 190).

Das auf § 93 Abs. 1 Satz 1 AO beruhende Auskunftsersuchen ist ein Ermessensverwaltungsakt, den das Gericht nach Maßgabe des § 102 FGO zu überprüfen hat (BFH-Urteil vom 23. Oktober 1990 VII R 1/86, BStBl II 1991, 277). Die Finanzbehörde kann eine Auskunft nach § 93 AO nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH-Urteile vom 04. Dezember 2012 VIII R 5/10, BFH/NV 2013, 431; vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 4. April 2006 1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, 345, ständige Rechtsprechung; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 AO Tz. 14). Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, sog. Subsidiaritätsprinzip (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 AO Tz. 17).

b) Das Auskunftsersuchen vom 22. Oktober 2008 ist ermessensfehlerhaft, denn es wurde gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.

aa) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nach dem das eingesetzte Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks nicht nur erforderlich und geeignet, sondern hierzu auch in einem angemessenen, d.h. für den Betroffenen zumutbaren Verhältnis stehen muss, genießt Verfassungsrang und ist deshalb stets auch bei der Auslegung und Anwendung von Normen des einfachen Rechts - mithin auch bei der Ermessensausübung durch die Finanzbehörden - zu beachten (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 1976  2 BvL 1/76, BVerfGE 43, 101, 106; BFH-Urteil vom 28. August 2012 I R 10/12, BFH/NV 2013, 428). Die Vorschrift des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, ist eine spezielle Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, sog. Subsidiaritätsprinzip (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 AO Tz. 17). Als Sollvorschrift bringt diese Regelung zum Ausdruck, dass die Behörde in der Regel nach ihr verfahren muss, in atypischen Fällen aber abweichen darf, wobei am Zweck der Vorschrift zu messen ist, ob ein atypischer Fall vorliegt (BFH-Urteile vom 24. Oktober 1989 VII R 1/87, BStBl II 1990, 198; vom 27.Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, 235, BStBl II 1982, 141; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 Tz. 18).

Bei der Ermessensausübung durch die Finanzbehörde hat diese den Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO zu beachten. Die Vorschrift dient einem doppelten Zweck: zum Einen dient sie dem Interesse anderer Personen, die regelmäßig nicht in das Besteuerungsverfahren anderer Personen hineingezogen werden sollen, um ihnen die mit der Auskunftserteilung regelmäßig verbundenen Unannehmlichkeiten aller Art zu ersparen, als nicht geklärt ist, ob der Beteiligte selbst den Sachverhalt aufklären kann. Die Vorschrift dient aber auch dem Interesse des Beteiligten daran, dass andere Personen über seine steuerliche Verhältnisse nach Möglichkeit nichts erfahren (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 AO Tz. 17, m.w.N.). Zu den vorgenannten steuerlichen Verhältnissen des Beteiligten gehört auch das Verwaltungsverfahren an sich, die Art der Beteiligung am Verwaltungsverfahren und die Maßnahmen, die der Betroffene vorgenommen hat. Ebenso ob und bei welcher Finanzbehörde ein Steuerpflichtiger geführt wird und ob eine Außenprüfung stattgefunden hat (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 30 AO Tz. 12).

Die Sachaufklärung hat nicht zum Ziel geführt, wenn sie - aus welchem Grund auch immer - nicht gelungen ist; der Versuch muss also unternommen worden sein (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 Tz. 19). Ob die Sachaufklärung durch den Beteiligten zum Ziele führt oder Erfolg verspricht oder ob dies nicht zutrifft, ist eine Prognoseentscheidung der Finanzbehörde und (vorweggenommene) Beweiswürdigung. Diese Würdigung ist Sache der Finanzbehörde und gerichtlich nur eingeschränkt auf ihre Willkürfreiheit überprüfbar (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 Tz. 20, m.w.N.).

bb) Im Streitfall ist zunächst festzuhalten, dass der Beklagte keinen Versuch unternommen hat, bei dem Kläger nachzufragen, ob er in den Jahren 2002 bis 2004 von der B. Provisionen erhalten hatte. Das ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

cc) Dass ein an den Kläger gerichtetes Auskunftsverlangen keinen Erfolg versprochen hätte, wird vom Beklagten mit der Annahme begründet, dass aus Sicht des Beklagten der Kläger zu der gestellten Frage sich entweder nicht hätte äußern müssen bzw. wollen oder die Gefahr bestanden hätte, dass seine Aussage angesichts der Feststellungen der vorangegangenen Betriebsprüfung ohnehin als unglaubhaft hätte eingestuft werden müssen (Seite 3 unten der Klageerwiderung). In der mündlichen Verhandlung haben die Beklagtenvertreter diese Ansicht wiederholt. Diese Überlegung ist nicht geeignet, eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Auskunftsersuchen an die B. zu tragen.

(1) Die Frage, ob die Sachaufklärung durch den Beteiligten nicht zum Erfolg führt, ist von der Finanzbehörde im Wege der vorweggenommenen Beweiswürdigung zu entscheiden. Sofern diese Beweiswürdigung vertretbar ist, ist sie vom Gericht hinzunehmen. Im Streitfall ist die Beweiswürdigung jedoch nicht vertretbar, das Auskunftsersuchen ist deshalb ermessenfehlerhaft.

(2) Führen Prüfungsfeststellungen wie im Streitfall zu der Annahme des Finanzamtes, dass der Steuerpflichtige Einnahmen nicht erklärt hat, so führt dies nicht per se dazu, dass das Finanzamt zwecks weiterer Ermittlungen nicht mehr erst den Steuerpflichtigen zur Auskunft anhalten muss und sogleich Dritte um Auskunft ersuchen kann, weil man davon ausgehen könne, dass der Steuerpflichtige weitere nicht erklärte Einnahmen nicht zugeben und auf die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Gewinnermittlung bzw. Buchführung verweisen wird. Andererseits muss das Finanzamt bei vermuteten nicht erklärten Einnahmen auch nicht immer zwingend zuerst den Steuerpflichtigen zur Sachverhaltsaufklärung befragen. Es kommt vielmehr auf die Qualität und Quantität der festgestellten nicht erklärten Betriebseinnahmen an. Stellt sich im Rahmen einer Außenprüfung etwa heraus, dass der Steuerpflichtige in erheblichem Umfang Betriebseinnahmen nicht erklärte und betrifft dies ggf. auch eine Vielzahl von Geschäftsbeziehungen, so erscheint eine Würdigung dahingehend, dass noch wesentliche weitere Einnahmen, auch aus weiteren Geschäftsbeziehungen, nicht erklärt wurden, durchaus vertretbar. In einem solchen Fall kann es durchaus ermessensfehlerfrei sein, Auskunftsersuchen an Dritte zu richten, ohne zuvor den Steuerpflichtigen selbst zur Auskunft angehalten zu haben.

Im Streitfall liegen die Dinge jedoch erheblich anders. Denn wie sich aus den Betriebsprüfung-Arbeitsakten zur Vorprüfung entnehmen lässt, gab es bereits im Prüfungszeitraum 1999 bis 2001 Geschäftsbeziehungen zur B. (vgl. z.B. Bl. 119 der Bp-Arbeitsakte, Aufstellung der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen; Bl. 213, Wareneingangskonto). "Auffälligkeiten" hinsichtlich dieser Geschäftsbeziehung sind den Arbeitsakten nicht zu entnehmen; diesbezügliche Prüfungsfeststellungen gab es nicht. Die (streitige) Provision betraf einen anderen Geschäftspartner, die M.; es handelte sich zudem um einen einmaligen Vorgang (vgl. hierzu Tz. 15 des Prüfungsberichts vom 15. Oktober 2004). Im Übrigen musste sich schon aus der Vorprüfung ergeben, dass der Kläger so gut wie ausschließlich Waren im eigenen Namen kaufte und verkaufte, d.h. Provisionserlöse nach der Art der Geschäftsabwicklungen nahezu nicht vorkamen. Damit ergab sich aus den Feststellungen der Vorprüfung kein Sachverhalt, der im Wege einer vorweggenommenen Beweiswürdigung hätte geeignet sein können, um für das an die B. gerichtete Auskunftsersuchen eine Abweichung vom Grundsatz der vorrangigen Befragung des Klägers wegen eines atypischen Falles begründen zu können. Entsprechendes gilt auch im Hinblick auf die Prüfungsfeststellungen im Zusammenhang mit der M. aus der Prüfung für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004. Auch unter Berücksichtigung des Umfangs der Provisionen, von denen man annimmt, der Kläger habe sie erhalten, ist es bei dieser Sachlage, insbesondere auch mit Blick auf die Höhe der Betriebseinnahmen von ca. 600.000,00 € bis ca. 1.000.000,00 € in den Jahren 2002 bis 2004 (laut Jahresabschlüssen), nicht vertretbar, einen atypischen Sonderfall i.S.d. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO anzunehmen. Der Kläger hätte vor Ergehen des im Streit befindlichen Auskunftsersuchens um Sachverhaltsaufklärung bezüglich seiner Geschäftsbeziehung zu B. angehalten werden müssen.

c) Ob ein vom Kläger gerügter Verstoß gegen das Gebot des fairen Verfahrens vorliegt, kann dahinstehen, weil das Auskunftsersuchen bereits wegen eines Ermessensfehlers rechtswidrig gewesen ist. Das Gericht brauchte damit nicht auf den Meinungsstreit einzugehen, den es zu dieser Frage gibt (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 AO Tz. 28, Hüschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 93 AO Rz. 95, Busl in DStZ 2005, 446, die die Auffassung vertreten, dass der Beteiligte nicht zuvor gehört werden muss; a.A. Beermann/Gosch, § 93 AO Rz. 31; Eich, AO-StB 2004, 18).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1 , 711 Satz 1 der

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