OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23.04.2019 - 3 L 41/19
Fundstelle
openJur 2020, 30809
  • Rkr:

1.Zur Bestimmung der inhaltlichen Tragweite eines auf Neuverbescheidung gerichteten Urteilstenors.

2. Zum Verschlechterungsverbot im Zusammenhang mit einer prüfungsrechtlichen Verbesserungsklage.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt eine bessere Bewertung ihrer schriftlichen Dokumentation, die sie während der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe als Teil einer besonderen Lernleistung erbracht hat.

Die Klägerin war Schülerin bei dem Beklagten und erhielt am 18. Juni 2016 ihr Abiturzeugnis, das eine Durchschnittsnote von 1,8 auswies. In die Berechnung der Abiturdurchschnittsnote floss auch eine besondere Lernleistung ein, die insgesamt mit 8 Punkten bewertet wurde und aus zwei Teilen bestand: einer mit 6 Punkten bewerteten schriftlichen Dokumentation zum Thema "Ist das Wechselmodell das beste Nachtrennungsmodell?" und einer mit 13 Punkten bewerteten Leistung im Kolloquium.

Nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens, mit dem sich die Klägerin gegen die Bewertung ihrer schriftlichen Dokumentation mit 6 Punkten wendete, erhob die Klägerin am 14. Dezember 2016 Klage. Mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2018 gestellten Klageantrag verfolgte sie das Ziel einer Verpflichtung des Beklagten,

"die Dokumentation der Klägerin für die besondere Lernleistung für die Abiturprüfung im Schuljahr 2015/2016 mit der Bezeichnung "Ist das Wechselmodell das beste Nachtrennungsmodell?" aus dem Dezember 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten und sodann die Abiturnote, wie sie sich aus dem am 18.06.2016 ausgehändigten Abiturzeugnis ergibt, neu festzusetzen, soweit eine bessere Bewertung der Dokumentation als mit 6 Punkten und damit der besonderen Lernleistung als mit 8 Punkten und damit eine bessere Bewertung der Abiturdurchschnittsnote als mit der Note 1,8 erfolgt".

Mit Urteil des Gerichts vom 28. November 2018 wurde der Beklagte unter Aufhebung des Prüfungsergebnisses der besonderen Lernleistung der Klägerin und des Widerspruchsbescheides des Landesschulamtes Sachsen-Anhalt vom 15. November 2016 verpflichtet, die Dokumentation der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. In der Urteilsbegründung heißt es u.a., es sei nicht hinreichend dokumentiert, dass der Erstkorrektor und der Zweitkorrektor jeweils eigenständige Bewertungen der durch die Klägerin erbrachten Leistung vorgenommen hätten. Zur Behebung des Verfahrensfehlers sei die Beurteilung und Bewertung der Arbeit durch zwei neue Prüfer erforderlich. Bei der erforderlichen Neubewertung sei indes das Verschlechterungsverbot zu beachten.

Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzziel weiter.

II.

1. Die Antragsschrift vom 16. Januar 2019 ist dahingehend auszulegen (§ 88 VwGO), dass die Zulassung der Berufung begehrt wird, soweit der Beklagte mit dem angegriffenen Urteil verpflichtet wurde, die Dokumentation der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten. Die Klägerin wendet sich nicht gegen den klageabweisenden Urteilstenor, sondern (allein) gegen den sachlichen Umfang des stattgebenden Urteilstenors. Sie verfolgt ihr Rechtsschutzziel weiter, eine Neubewertung der von ihr vorgelegten Dokumentation zu erreichen, und zwar dergestalt, dass eine bessere Bewertung als mit 6 Punkten erfolgt.

Für die Auslegung des Zulassungsbegehrens ist zu berücksichtigen, dass sich der klageabweisende Teil des Urteils (lediglich) auf die Feststellung bezieht, die Klägerin habe bei einer vorzunehmenden Neubewertung keinen Anspruch auf die Bewertung mit einer bestimmten Note (Urteilsabschrift, S. 14 [dritter Absatz] bis S. 15 [erster Absatz]). Auch wenn sich dies den Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich entnehmen lässt, ist hiervon jedenfalls unter Berücksichtigung der inhaltlichen Ausführungen des Gerichts auszugehen. Denn die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts schließen mit der Feststellung, dass eine vollständige gerichtliche Überprüfung dann stattfinde, wenn der Notengebungsprozess (vollständig) mathematisch determiniert sei; eine solche Gestaltung sei hier indes nicht gegeben (S. 15 [erster Absatz]). Ob das Klagebegehren auf die Bewertung mit einer bestimmten Note überhaupt gerichtet gewesen ist, mag dahinstehen. Denn gegen diesen Teil der Entscheidungsgründe, die sich - ganz allgemein - mit der Reichweite des prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraums beschäftigen, wendet sich die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen inhaltlich nicht. Sie weist zwar (und durchaus zu Recht) darauf hin, dass sie nicht behauptet habe, einen Anspruch auf Neubewertung mit einer bestimmten Note zu haben. Auch stellt sie am Ende der Antragsschrift fest, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils "auch insoweit, soweit darin auch die Klageabweisung gesehen werden [könne]". Allerdings hält sie die Entscheidung nicht deshalb für fehlerhaft, weil das Gericht festgestellt habe, sie habe keinen Anspruch auf Neubewertung mit einer bestimmten Note. Die Klägerin wendet sich unter Punkt 1) der Zulassungsschrift vielmehr gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum prüfungsrechtlichen Verschlechterungsverbot und macht unter Hinweis auf ihren beschränkten Klageantrag geltend, das Verwaltungsgericht sei über das Klagebegehren hinausgegangen. Unter Punkt 2) der Zulassungsschrift trägt sie vor, die angegriffene Bewertung hätte bestimmte Punkte getrennt und mit einer bestimmten Gewichtung ausweisen müssen, was das Gericht bei seiner Entscheidung fehlerhaft nicht berücksichtigt habe. Damit sieht sie sich (allein) durch den sachlichen Umfang der Bindungswirkung des stattgebenden Urteilstenors beschwert. Dies zeigt auch die abschließende Feststellung in der Antragsschrift, wonach "die Vorgabe für die Neubewertung [...] insoweit als fehlerhaft anzusehen [sei]".

Selbst wenn man annehmen wollte, dass sich der klageabweisende Teil des Tenors der angegriffenen Entscheidung auf den Teil des Klageantrages bezieht, mit dem beantragt wurde, "die Abiturnote [...] neu festzusetzen", oder dieser Teil des Tenors schlicht auf einem Versehen des Gerichts beruht, folgt hieraus für die Bestimmung des Zulassungsbegehrens der Klägerin nichts anderes. Denn die Klägerin thematisiert weder die Frage der (Neu-)Festsetzung ihrer Abiturnote, noch macht sie geltend, das Gericht habe ihr einen Anspruch aberkannt, den sie nicht zur Entscheidung gestellt habe, was sich zumindest hinsichtlich der Kostenquotelung nachteilig für sie ausgewirkt habe.

2. Der so verstandene Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Denn aus den Darlegungen in der Antragsschrift ergibt sich nicht, dass die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) oder des Vorliegens eines Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), vorliegen.

a) Unter Punkt 1) der Zulassungsschrift weist die Klägerin darauf hin, dass sie mit ihrer auf Neuverbescheidung ihrer Prüfungsleistung gerichteten Klage eine Verschlechterung des Prüfungsergebnisses habe vermeiden wollen und deshalb ausdrücklich einen Notenverbesserungsantrag gestellt habe. Die Prüfungsbehörde habe zu einer Neubescheidung nur insoweit verpflichtet werden sollen, als keine bessere Note erreicht worden sei. Das Verwaltungsgericht habe den Beklagten unter entsprechender Aufhebung der angegriffenen Bescheide stattdessen dazu verpflichtet, ihre Prüfungsleistung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten. In den Entscheidungsgründen habe es zwar grundsätzlich zutreffend darauf hingewiesen, dass die hiermit gebotene Neubewertung der Prüfungsleistung nicht zu einer Verschlechterung der Prüfungsnote führen dürfe. Zugleich habe es aber ausgeführt, der Grundsatz der Chancengleichheit verbiete eine Verschlechterung des Prüfungsergebnisses bei einer erforderlichen Neubewertung der Prüfungsleistung nur, soweit sie auf einer Änderung des Bewertungssystems oder einem Nachschieben beliebiger Gründe beruhe. Damit habe das Gericht dem Beklagten die Möglichkeit zu einer Verschlechterung der Prüfungsleistung eröffnet, was mit dem eingeschränkten Klageantrag gerade habe verhindert werden sollen.

Dieses Vorbringen rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht.

aa) Soweit die Klägerin unter Hinweis auf das prüfungsrechtliche Verschlechterungsverbot bemängelt, das Verwaltungsgericht sei über das auf Notenverbesserung gerichtete Klagebegehren hinausgegangen, macht sie der Sache nach einen Verstoß gegen § 88 VwGO geltend. Dieser Einwand ist allerdings allenfalls dazu geeignet, einen Verfahrensmangel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zu begründen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Januar 2012 - 9 B 56.11 -, juris Rn. 6 f.). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO können hiermit nicht begründet werden.

Ein verfahrensrelevanter Verstoß des Gerichts gegen § 88 VwGO ist indes nicht ersichtlich.

Aus § 88 VwGO folgt, dass das Gericht an das Klagebegehren, also an den aus dem Gesamtvorbringen im Wege der Auslegung zu ermittelnden Klageantrag im Sinne des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO, der den Streitgegenstand bestimmt, gebunden ist. Es darf dem Kläger weder mehr noch der Art nach etwas anderes (aliud) zusprechen. Beschränkt der Kläger den Streitgegenstand in einer das Gericht bindenden Weise derart, dass das Begehren aus materiell-rechtlichen Gründen nicht bescheidungsfähig ist, so ist die Klage unzulässig. § 88 VwGO ist auch dann verletzt, wenn dem Kläger ein Anspruch aberkannt wird, den er nicht zur Entscheidung gestellt hat (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 88 Rn. 1 [m. w. N.]; zum prozessrechtlichen Verschlechterungsverbot im Zusammenhang mit einer prüfungsrechtlichen Verbesserungsklage siehe im Übrigen auch Schlette, Prüfungsrechtliche Verbesserungsklage und reformatio in peius, DöV 2002, 816, 817 f.).

Zwar trifft es zu, dass der Tenor der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung dem Wortlaut nach hinter dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag zurückgeblieben ist. Denn das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu einer Neubewertung der Dokumentation der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet, ohne diese Verpflichtung dahingehend zu beschränken, dass hiermit eine bessere Bewertung der Dokumentation als mit 6 Punkten, eine bessere Bewertung der besonderen Lernleistung als mit 8 Punkten und eine bessere Bewertung der Abiturdurchschnittsnote als mit der Note 1,8 einhergehen müsse. Allerdings bestimmen sich der Inhalt und die Reichweite von Bescheidungsurteilen i. S. d. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO - wie dargelegt - nach den die maßgebliche Rechtsauffassung des Gerichts darstellenden Entscheidungsgründen. Vorliegend hat das Verwaltungsgericht in seinen Entscheidungsgründen auf Seite 18 [dritter Absatz] der Urteilsausfertigung zusammenfassend festgestellt, dass "der Beklagte - unter Berücksichtigung des oben dargestellten Verschlechterungsverbotes - über das Prüfungsergebnis erneut zu entscheiden [hat], wenn die Neubewertung der Dokumentation im Ergebnis zu einer Verbesserung der Note der besonderen Lernleistung und dem folgend der Abiturdurchschnittsnote führt".

Diese Ausführungen lassen sich - unter Berücksichtigung der weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum prüfungsrechtlichen Verschlechterungsverbot - nur wie folgt verstehen: Die Klägerin darf bei der erforderlichen Neubewertung der Dokumentation in keinem Fall schlechter als mit 6 Punkten bewertet werden. Ebenso wenig darf (als Folge der Neubewertung) die besondere Lernleistung im Gesamtergebnis schlechter als mit 8 Punkten bewertet werden und darf das Ergebnis der Abiturdurchschnittsnote schlechter als 1,8 sein. Nichts anderes hat die Klägerin mit ihrer Klage erreichen wollen.

Die einschränkenden Ausführungen des Gerichts auf Seite 15 der Urteilsabschrift lassen entgegen der Annahme der Klägerin nicht den Schluss zu, dass es der Prüfungsbehörde bei einer Neubewertung erlaubt wäre, ihre schriftliche Dokumentation unter bestimmten Voraussetzungen schlechter als mit 6 Punkten zu bewerten. Dies folgt aus der Bezugnahme des Gerichts auf die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Februar 1993 (- 6 C 38.92 -, juris), vom 11. Juni 1996 (- 6 B 88.95 -, juris) sowie vom 4. Juli 1999 (- 6 C 20.98 -, juris).

Das Gericht führt unter Hinweis auf diese Rechtsprechung aus, dass die Neubewertung einer Prüfungsarbeit (sei es durch die bisherigen oder neue Prüfer) aufgrund begründeter Beanstandungen des Prüflings grundsätzlich nur zu einer besseren oder gleichen Bewertung führen dürfe (BVerwG, Beschluss vom 24. Februar 1993, a. a. O.). Im Rahmen einer Neubewertung dürften weder die früher festgesetzte Note verschlechtert, noch zugunsten des Prüflings in die Abwägung eingeflossene neue Einzelbewertungen durch neue nachteilige Einzelbewertungen aufgefangen werden, um durch eine solche Kompensation eine Verbesserung der Note auszuschließen (BVerwG, Beschluss vom 11. Juni 1996, a. a. O.). Der Grundsatz der Chancengleichheit verbiete eine Verschlechterung des Prüfungsergebnisses bei einer erforderlichen Neubewertung der Prüfungsleistung nur, soweit sie auf einer Änderung des Bewertungssystems oder einem Nachschieben beliebiger Gründe beruhe (BVerwG, Beschluss vom 11. Juni 1996, a. a. O.).

Was die in Bezug genommene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juli 1999 (a. a. O.) anbelangt, so lässt sich dieser Entscheidung entnehmen, dass das prüfungsrechtliche Verschlechterungsverbot nicht uneingeschränkt gilt, sondern nur für den Fall, dass schlicht ein den Prüfling belastender Bewertungsfehler zu korrigieren ist, ohne dass dies Folgewirkungen im Sinne nunmehr notwendiger weiterer Bewertungen hat. Folgewirkungen können sich aber durch die Eigenart der Fehlerbeseitigung nach Lage der Dinge ergeben. Ist z.B. eine bestimmte "Weichenstellung" in der Lösung der Prüfungsaufgabe zunächst unzutreffend als falsch bewertet worden, können bei der Neubewertung auf der Grundlage des ursprünglichen Lösungsweges durchaus auch schwerwiegende Fehler erkannt werden, die bisher nicht im Blickfeld des Prüfers gestanden haben (vgl. hierzu Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 694). Entsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung vom 14. Juli 1999 ausgeführt, dass sich das aus dem Grundsatz der Chancengleichheit abgeleitete so verstandene Verbot der Verschlechterung des Prüfungsergebnisses beispielsweise nicht zu der Frage verhalte, ob der Prüfer bei der Neubewertung einer Prüfungsleistung einen bisher und nur hier übersehenen Fehler berücksichtigen dürfe. Gleiches gelte für die Frage, ob in die erneute Bewertung einfließen dürfe, dass beispielsweise das ursprünglich zuerkannte Gesamtergebnis auf einer mathematisch fehlerhaften Addition der für die einzelnen Prüfungsleistungen vergebenen Punkte beruhe. Insoweit seien "andere Erwägungen wie etwa die des Vertrauensschutzes" anzustellen (BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1999, a. a. O., Rn. 20).

Der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juli 1999 lässt sich indes nicht - jedenfalls nicht ausdrücklich - entnehmen, dass "neu entdeckte Fehler” oder "Rechenfehler" in einer Weise verschlechternd berücksichtigt werden dürfen, durch die das ursprünglich erreichte Ergebnis (hier: 6 Punkte) noch weiter verschlechtert oder gar eine als "bestanden" bewertete Prüfungsleistung nunmehr als "nicht bestanden" bewertet werden darf. Sowohl die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juli 1999 (a. a. O.) als auch diejenige vom 24. Februar 1993 (a. a. O.) hatten Fallgestaltungen zum Gegenstand, bei denen es tatsächlich nicht um eine Verschlechterung ging; die Kläger wehrten sich vielmehr jeweils dagegen, dass trotz eines Bewertungsfehlers die Benotung unverändert geblieben war, weil die Prüfungsbehörden - so der Vorwurf - die zugrunde liegenden Bewertungskriterien verschärft und damit eine neue Begründung für die ursprüngliche Benotung nachgeschoben hatten (hierzu auch Kingreen, Zur Zulässigkeit der reformatio in peius im Prüfungsrecht, DöV 2003, 1 ff., der deshalb meint, die unter dem Aspekt "reformatio in peius" behandelte Problematik hätte eher unter dem Topos "Nachschieben von Gründen" diskutiert werden müssen). Auch der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Juni 1996 (a. a. O.) lässt sich lediglich entnehmen, dass im Rahmen einer Neubewertung weder die früher festgesetzte Note verschlechtert, noch zugunsten des Prüflings in die Abwägung eingeflossene neue Einzelbewertungen durch neue nachteilige Einzelbewertungen aufgefangen werden dürfen, um durch eine solche Kompensation eine Verbesserung der Note auszuschließen.

Das Bundesverwaltungsgericht räumt den Prüfern in den zitierten Entscheidungen mithin lediglich die Möglichkeit zur negativen Bewertung "neu entdeckter Fehler” und zum "Nachrechnen” von bei der ersten Bewertung verworfenen Lösungswegen ein. Es ermöglicht den Prüfern hiermit - jedenfalls - die Beibehaltung des Gesamtergebnisses auch bei einem festgestellten Fehler (ebenso: Hufen, Neubewertung einer Prüfungsleistung, JuS 2000, 926).

Zwar geht das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juli 1999 - weitergehend - davon aus, dass der (alte oder neue) Prüfer in diesem Fall auch zu einem (insgesamt) schlechteren Ergebnis kommen könne (Beschluss vom 27. August 2007 - 2 LA 1208/06 -, juris Rn. 16), denn das prüfungsrechtliche Verschlechterungsverbot existieren nicht als ein verselbständigtes Dogma (Beschluss vom 29. Juli 2016 - 2 ME 135/16 -, juris Rn. 14). Allerdings hat sich das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung weder auf diese Rechtsprechung bezogen, noch ist es inhaltlich der Frage nachgegangen, ob bei der erforderlichen Neubewertung eine tatsächliche Verschlechterung der Note erfolgen könne. Da sich Inhalt und Reichweite von Bescheidungsurteilen i. S. d. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO - wie dargelegt - nach den die maßgebliche Rechtsauffassung des Gerichts darstellenden Entscheidungsgründen bestimmt, kommt es für die Frage, ob das Verwaltungsgericht unter Verstoß gegen § 88 VwGO über das Klagebegehren hinausgegangen ist, nicht auf die Sichtweise des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, sondern auf den Inhalt der hier angegriffenen Entscheidung an. Diese ist wie oben dargelegt zu verstehen.

bb) Vor diesem Hintergrund mag auch dahinstehen, ob die Prüfungsentscheidung (wie die Klägerin zudem geltend macht) "in dem Umfang des bereits erlassenen positiven Prüfungsergebnisses" in Bestandskraft erwachsen oder ob (wovon das Verwaltungsgericht in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juli 1999 [a. a. O., Rn. 22] ausgegangen ist) "durch die prüfungsrechtliche Bescheidungsklage der Eintritt der Bestandskraft des Prüfungsbescheides insgesamt verhindert worden" ist. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO werden hierdurch nicht begründet. Es fehlt jedenfalls an der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit.

Ginge man mit der Klägerin davon aus, dass die prozessuale Beschränkung des Rechtsstreits auf den die bestandskräftigen Festsetzungen überschießenden Teil des Prüfungsanspruchs zur Folge hat, dass der Prüfling hinsichtlich des bereits erreichten und von dem Klagebegehren nicht erfassten Prüfungsergebnisses "Bestandsschutz" genießt (hierzu OVG NRW, Urteil vom 16. Juli 1992 - 22 A 2549/91 -, juris Rn. 31), weil sich das Prüfungsergebnis aus mehreren deutlich abgrenzbaren Bestandteilen zusammensetzt (hierzu Schlette, a. a. O., S. 818), hätte dies zur Konsequenz, dass die Prüfungsbehörde im Rahmen der allein darauf bezogenen Neubescheidung nur zu einer Bestätigung oder Verbesserung des bisherigen Prüfungsergebnisses gelangen könnte.

Nichts anderes gilt bei Zugrundlegung der hier angegriffenen - und wie soeben dargelegt zu verstehenden - Entscheidung des Verwaltungsgerichts: Selbst wenn danach "durch die prüfungsrechtliche Bescheidungsklage" keine auf eine Bewertung der Dokumentation mit 6 Punkten und eine Bewertung der besonderen Lernleistung mit 8 Punkten beschränkte "Bestandskraft des Prüfungsbescheides" eingetreten wäre, steht aufgrund des (vom Beklagten nicht angefochtenen) Urteils des Verwaltungsgerichts - unter Berücksichtigung der insoweit maßgeblichen Entscheidungsgründe - jedenfalls fest, dass nach einer Neubewertung der durch die Klägerin erbrachten schriftlichen Dokumentation die besondere Lernleistung im Gesamtergebnis nicht schlechter als mit 8 Punkten bewertet werden und die Abiturdurchschnittsnote nicht schlechter als 1,8 sein darf.

Aus diesem Grund ist auch unerheblich, dass das Gericht in der angegriffenen Entscheidung das Prüfungsergebnis der besonderen Lernleistung der Klägerin - wie die Antragsschrift weiter bemängelt - "insgesamt und damit in allen Teilen" aufgehoben hat. Abgesehen davon, dass der Antrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2018 ebenfalls auf (vollständige und nicht etwa nur dem Verpflichtungsteil entsprechende) "Aufhebung der Bewertung der Dokumentation der besonderen Lernleistung [...] und der Bewertung der besonderen Lernleistung" gerichtet gewesen ist, ändert die vollständige Aufhebung des Prüfungsergebnisses nichts an dem sachlichen Umfang der Bindungswirkung des stattgebenden Urteilstenors. Anders gewendet: Der Beklagte darf auch in diesem Fall bei einer Neubewertung die durch die Klägerin erbrachte schriftliche Dokumentation nicht schlechter als mit 6 Punkten und die besondere Lernleistung im Gesamtergebnis nicht schlechter als mit 8 Punkten bewerten. Nichts anderes gilt für die Abiturdurchschnittsnote; diese darf nicht schlechter als 1,8 ausfallen.

b) Auch die unter Punkt 2) der Zulassungsschrift zum "vorgegebenen Bewertungsrahmen" erhobenen Einwände, mit denen die Klägerin ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend macht, rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.

Die Klägerin wendet ein, sie habe bereits erstinstanzlich unter Hinweis auf § 33 Abs. 3 i. V. m. § 29 der Verordnung über die gymnasiale Oberstufe (Oberstufenverordnung) vom 3. Dezember 2013 (GVBl. LSA 2013, 507) in der vom 12. November 2016 bis zum 15. März 2019 geltenden Fassung (im Folgenden: OberStV a.F.) vorgetragen, dass sich der Fachprüfungsausschuss an den zentralen Bewertungshinweisen zu orientieren habe. Der Beklagte habe für ihren Abiturjahrgang bestimmte "Hinweise und Hilfen" erstellt. Deshalb habe die Punktevergabe unter Beachtung der dort ausdrücklich aufgeführten Kriterien zu erfolgen. An dieses "Anforderungsprofil" seien die Prüfer gebunden gewesen. Tatsächlich hätten sich allerdings weder die Prüfer noch der Prüfungsausschuss an diese Vorgaben gehalten. Der angegriffenen Bewertung lasse sich nicht entnehmen, ob und inwieweit die vorgegebenen Bewertungskriterien Berücksichtigung gefunden hätten. Das Verwaltungsgericht habe zu diesem Gesichtspunkt in der angegriffenen Entscheidung ausgeführt, "dass die Gewichtung der verschiedenen Aufgabenteile untereinander dem prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraum vorbehalten bleibe (S. 18, 2. Abs. Entscheidungsgründe) und damit ein Bewertungsfehler nicht angenommen werden könne". Vorliegend gehe es allerdings nicht um den gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Bewertungsspielraum des Prüfers, sondern um Einhaltung verbindlicher Bewertungsvorgaben. Insoweit sei das Gericht folglich hinter ihrem Klagebegehren zurückgeblieben.

aa) Dieser Vortrag ist nicht etwa deshalb unbeachtlich, weil es der Klägerin insoweit an der erforderlichen Beschwer fehlte.

Eine Beschwer des Rechtsmittelführers, die Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ist, liegt dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung, soweit sie für die Beteiligten verbindlich werden kann, hinter seinem Begehren zurückbleibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1981 - 7 C 30.80 -, juris Rn. 14 [m. w. N.]). Verbindlich werden kann sie, soweit sie der materiellen Rechtskraft fähig ist (§ 121 VwGO). Zur Bestimmung des sachlichen Umfangs der Bindungswirkung ist von der Urteilsformel auszugehen. Wo sie, wie etwa bei einer Klageabweisung, hierfür nicht ausreicht, sind zur Bestimmung ihrer inhaltlichen Tragweite die Entscheidungsgründe heranzuziehen. Bei Bescheidungsurteilen i. S. d. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO ist es hingegen die Regel, dass Teile der Entscheidungsbegründung rechtskraftfähig sind. Denn die Rechtsauffassung, zu deren Beachtung das Gericht die Behörde verpflichtet, lässt sich regelmäßig nicht in der Urteilsformel darstellen. In diesen Fällen bestimmt sich der Umfang der materiellen Rechtskraft und damit der Bindungswirkung nach den die maßgebliche Rechtsauffassung des Gerichts darstellenden Entscheidungsgründen. Ein Urteil, das einem Bescheidungsantrag stattgibt, beschwert daher den Kläger, wenn die das Urteil ausweislich der Begründung tragende Rechtsauffassung des Gerichts zu einer weniger weitgehenden Bindung der Behörde zugunsten des Klägers geführt hat, als dieser mit der Klage angestrebt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1981, a. a. O.; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, Vorbemerkung zu § 124 Rn. 44).

Das ist hier der Fall. Zwar hat sich das Verwaltungsgericht in seinen Entscheidungsgründen entgegen der Annahme der Klägerin zu der von ihr angesprochenen Thematik nicht verhalten. Es gibt folglich zu dieser Frage auch keine vom Gericht für verbindlich erklärte Rechtsauffassung, die der Beklagte bei einer erneuten Entscheidung zu beachten hätte. Soweit es in diesem Sinn an einer die Behörde bindenden Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts fehlt, ist aber eine Beschwer der Klägerin gegeben.

Das Gericht führt in der durch die Klägerin in Bezug genommenen Passage der Urteilsabschrift (S. 18 [gemeint: S. 17], zweiter Absatz) aus, dass die von der Klägerin gerügte fehlerhafte Gewichtung der Stärken und Schwächen der Bearbeitung keinen Bewertungsfehler begründe. Denn gerade die Benotung einschließlich der Beurteilung der Qualität der Darstellung und der Darstellungsweise sowie die Gewichtung der verschiedenen Aufgabenteile untereinander blieben dem prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraum vorbehalten. Auf eine anderslautende Selbsteinschätzung könne es deshalb an dieser Stelle nicht ankommen. Dass der Klägerin über die konkrete Aufgabenstellung hinaus eine bestimmte Darstellung ihrer Bearbeitung vorgeben bzw. mit ihr abgesprochen worden sei, sei nicht belegt. Das Gericht hat sich an dieser Stelle weder mit der Frage einer "Bindungswirkung" der in Rede stehenden und von der Klägerin so bezeichneten "Bewertungsvorgaben" beschäftigt, noch geht es auf den "Leitfaden zur Erstellung und Bewertung der besonderen Lernleistung" und die "Hinweise und Hilfen für die Erstellung und Bewertung" der besonderen Lernleistung ein.

Auch die übrigen Entscheidungsgründe beschäftigen sich mit der von der Klägerin angesprochenen Thematik nicht. Soweit sich das Gericht auf Seite 15 (letzter Absatz) bis Seite 17 (erster Absatz) der Urteilsabschrift bestimmten inhaltlichen Einwendungen der Klägerin zuwendet und ausführt, aus welchen rechtlichen Gründen diese Einwände nicht durchzugreifen vermögen, dienen diese Ausführungen zwar der Bestimmung der inhaltlichen Tragweite des auf Neuverbescheidung gerichteten Urteilstenors. Die Frage einer Bindungswirkung von durch den Beklagten formulierter Bewertungsschemata wird dort allerdings nicht behandelt.

Das Schweigen des Gerichts zu dem von der Klägerin vorgetragenen Gesichtspunkt kann auch nicht etwa als "Billigung" oder "Nichtbeanstandung" dieses Umstands gewertet werden. Das Fehlen diesbezüglicher Ausführungen in den Entscheidungsgründen ist vieldeutig. Es kann u. a. darauf beruhen, dass es dem fraglichen Umstand - generell oder gegenüber den einen Aufhebungsausspruch tragenden anderen Rechtsmängeln - keine (zusätzlich) entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen oder es ihn als rechtmäßig eingestuft hat; auch kann die Verbescheidung dieses Gesichtspunkts versehentlich unterblieben sein (hierzu auch BayVGH, Urteil vom 25. Februar 2013 - 22 B 11.2587 -, juris Rn. 72).

bb) Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils liegen allerdings nicht vor.

"Ernstliche Zweifel" an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nur dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Da gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen ist, erfordert dies, dass sich der Zulassungsantrag substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt und unter anderem konkret ausgeführt wird, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind (OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa Beschluss vom 3. Januar 2007 - 1 L 245/06 -, juris Rn. 3 [m. w. N.]). Dabei reicht es nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen (BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03 -, juris).

Hieran gemessen erwecken die unter Punkt 2) der Zulassungsschrift zum "vorgegebenen Bewertungsrahmen" erhobenen Einwände keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Die Rüge der Klägerin, die angegriffene Bewertung hätte bestimmte Punkte getrennt und mit einer bestimmten Gewichtung ausweisen müssen, verfängt nicht.

Zwar trifft es zu, dass sowohl der vom Beklagten erstellte "Leitfaden zur Erstellung und Bewertung der besonderen Lernleistung" mit Stand vom Dezember 2015 (Bl. 55 ff. der Gerichtsakte) als auch die ebenfalls vom Beklagten erstellten - undatierten - "Hinweise und Hilfen für die Erstellung und Bewertung" der besonderen Lernleistung (Bl. 71 ff. der Gerichtsakte) jeweils ein mit "Bewertung der Dokumentation" bezeichnetes Blatt enthalten, das zwischen drei verschiedenen und im Einzelnen näher beschriebenen Bewertungskriterien unterscheidet, nämlich den formalen Anforderungen ("max. 10 Punkte"), der Fach- und Methodenkompetenz ("max. 20 Punkte") und der inhaltlichen Bewältigung ("max. 30 Punkte"). Auch heißt es jedenfalls im zitierten Leitfaden einleitend, dass hiermit "die geltenden inhaltlichen und formalen Kriterien vorgestellt und erläutert [werden], so dass sie einerseits als verbindlicher Handlungsrahmen für die Schüler und andererseits als geltender Bewertungsmaßstab für die betreffenden Lehrkräfte gelten".

Die Klägerin hat aber nicht nachvollziehbar dargelegt, dass diesen "Bewertungsvorgaben" in irgendeiner Form Normqualität zukommen könnte. Sie beruft sich zwar auf die Regelungen in § 33 Abs. 3 i. V. m. § 29 Abs. 1 OberStV a.F., die "bindend" seien. Auch "die Prüfungsordnung" gebe vor, dass sich der Fachprüfungsausschuss und damit auch die Prüfer "an den Bewertungshinweisen zu orientieren" hätten. Nachvollziehbar und rechtlich aufbereitet ist dieser Vortrag allerdings nicht. Dabei lässt das Zulassungsvorbringen schon nicht erkennen, welche "Prüfungsordnung" die Klägerin - neben der hier einschlägigen OberStV a.F - bei ihren Überlegungen im Blick hatte. Welche Bedeutung dem bezeichneten "Leitfaden" und den "Hinweisen und Hilfen" in normativer Hinsicht zukommen soll, erschließt sich ebenfalls nicht.

Gemäß § 6 Abs. 4 SchulG LSA schließt das Gymnasium mit der Abiturprüfung ab (Satz 1). Die oberste Schulbehörde legt fest, in welchen Fächern schriftliche Prüfungen mit zentral gestellten Aufgaben durchgeführt werden (Satz 2). Die Bewertung erfolgt auf der Grundlage der zentralen Bewertungshinweise und des Erwartungshorizonts des jeweiligen Fachprüfungsausschusses (Satz 3). Die oberste Schulbehörde wird gemäß § 6 Abs. 6 SchulG LSA u.a. dazu ermächtigt, durch Verordnung das Nähere zu den Ausführungen des § 6 Abs. 4 SchulG LSA zu regeln. Entsprechend bestimmt § 29 Abs. 1 OberStV a.F., der die Bewertung der schriftlichen Abiturprüfung regelt, dass der jeweilige Fachprüfungsausschuss den Erwartungshorizont erstellt (Satz 1). Er orientiert sich dabei an den zentralen Bewertungshinweisen und berücksichtigt die von der den jeweiligen Kurs unterrichtenden Lehrkraft vorgelegten unterrichtlichen Voraussetzungen (Satz 2).

Was die vorliegend in Rede stehende besondere Lernleistung anbelangt, so handelt es sich hierbei gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 OberStV a.F. um eine Leistung auf Abiturniveau, die die Schülerinnen und Schüler freiwillig und selbstständig in der Qualifikationsphase erbringen können. Sofern die Schülerin oder der Schüler eine derartige Leistung einbringt, ersetzt sie eines der schriftlichen Prüfungsfächer, die auf grundlegendem Anforderungsniveau geprüft werden (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 5 OberStV a.F.). Die besondere Lernleistung ist schriftlich zu dokumentieren und in einem Kolloquium darzustellen und zu erläutern (§ 15 Abs. 3 Satz 1 OberStV a.F.). Bewertet werden sowohl die schriftliche Dokumentation als auch die Leistung im Kolloquium (§ 33 Abs. 1 OberStV a.F.). Für die Bewertung der Dokumentation gilt § 29 OberStV a.F. entsprechend (§ 33 Abs. 3 OberStV a.F.).

Soweit die Klägerin vor dem Hintergrund dieser Regelungen der Auffassung sein sollte, dass es sich bei dem vom Beklagten formulierten "Leitfaden" und den "Hinweisen und Hilfen" um "zentrale Bewertungshinweise" im Sinne von § 6 Abs. 4 Satz 3 SchulG LSA und § 29 Abs. 1 Satz 2 OberStV a.F. handeln soll, trifft dies schon deshalb nicht zu, weil die zentralen Bewertungshinweise nicht durch die jeweilige Schule, sondern durch das Ministerium für Bildung des Landes Sachsen-Anhalt erstellt und herausgebracht werden (siehe auch die weiterführenden Hinweise auf dem Bildungsserver des Landesinstituts für Schulqualität und Lehrerbildung Sachsen-Anhalt [LISA], www.bildung-lsa.de, dort unter dem Punkt "Prüfungen / Zentrale Leistungserhebungen"; "Schriftliche Abiturprüfung").

Werden "Bewertungshinweise" im Sinne im Sinne von § 6 Abs. 4 Satz 3 SchulG LSA und § 29 Abs. 1 Satz 2 OberStV a.F. des nicht "zentral", sondern - wie hier - durch die jeweilige Schule erstellt, handelt es sich lediglich um Verwaltungsvorschriften, die zwar das Ziel verfolgen, eine möglichst einheitliche und vorhersehbare Prüfungspraxis zu gewährleisten, die jedoch keine unmittelbare Außenwirkung haben, sondern nur verwaltungsintern wirken, indem sie das dienstliche Verhalten der Prüfer regeln (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1981, a. a. O., Rn. 19; hierzu auch Niehues/Fischer/Jeremias, a. a. O., Rn. 79 und 80). Soweit diese Verwaltungsvorschriften - wie hier - ein bestimmtes Bewertungsschema für die Bewertung von Prüfungsleistungen vorgeben, haben sie im Verhältnis zum Prüfling Wirkungen allenfalls im Hinblick auf die Verpflichtung des Prüfers zur Wahrung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG und die damit verbundene Selbstbindung zur pflichtgemäßen Anwendung der innerdienstlichen Richtlinie.

Zwar kann das Abweichen von einer derartigen Verwaltungsvorschrift Indiz dafür sein, dass der Bewertungsmaßstab, der ansonsten bei allen anderen Prüflingen in vergleichbarer Situation angewandt wurde, im Einzelfall unzulässigerweise verlassen wurde. Weicht die tatsächliche ständige Prüfungspraxis indes von dem als Verwaltungsvorschrift erlassenen Bewertungsschema ab, ist im Außenverhältnis zum Prüfling nicht die Verwaltungsvorschrift, sondern die tatsächliche Übung maßgebend; denn das hier gemäß Art. 3 Abs. 1 GG geltende Gleichbehandlungsgebot bezieht sich inhaltlich nicht auf den Wortlaut des verwaltungsinternen Bewertungsschema, sondern auf die Gleichmäßigkeit der Verwaltungsübung mit dem Ziel der Verwirklichung der äußeren Chancengleichheit (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, a. a. O., Rn. 81).

Dass nach diesen Grundsätzen davon auszugehen ist, dass das durch den Beklagten erstellte Bewertungsschema durch die Prüfer regelmäßig angewendet wird und lediglich im Fall der Klägerin unbeachtet geblieben ist, behauptet die Zulassungsschrift schon nicht. Hierfür ist auch nichts ersichtlich. Allein die Nichtanwendung dieses Bewertungsschemas auf die Prüfungsleistung der Klägerin stellt indes keinen Bewertungsfehler dar.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren beruht auf den §§ 52 Abs. 2, 40, 47 GKG. In prüfungsrechtlichen Verfahren, bei denen es nicht um das Bestehen der Prüfung, sondern um eine (Bescheidungsklage auf) Notenverbesserung der bestandenen Prüfung geht, ist mangels konkreter Anhaltspunkte der Auffangwert des § 52 Abs. 2 GG in Ansatz zu bringen (Sächs. OVG, Beschluss vom 29. Januar 2013 - 2 A 58/12 -, juris Rn. 25 [m. w. N.]).

4. Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).