OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 04.04.2019 - 2 O 37/19
Fundstelle
openJur 2020, 30808
  • Rkr:

1. Bei Streitigkeiten um Sondernutzungen ist als Streitwert der zu erwartende Gewinn bis zur Grenze des Jahresbetrages anzusetzen (Nr. 43.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013). Bei der Aufstellung von Altkleidercontainern ist der jährliche Gewinn nach dem durchschnittlichen jährlichen Sammelaufkommen für Altkleider und Altschuhe, dem erzielbaren Verkaufserlös und der Gewinnmarge im maßgeblichen Zeitraum der Sondernutzung zu schätzen.

2. Bei einer Klage auf Neubescheidung eines Antrages auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis ist der insgesamt zu erwartende Jahresgewinn zu halbieren (vgl. Nr. 1.4 des Streitwertkataloges).

Gründe

1. Die gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG zulässige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die er zulässigerweise im eigenen Namen erhoben hat und mit der er eine Heraufsetzung des Streitwerts von 17.390,00 € auf 930.000,00 € begehrt, hat (nur) in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Nach der Empfehlung in Nr. 43.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, dem der Senat regelmäßig folgt, ist bei Streitigkeiten um Sondernutzungen als Streitwert der zu erwartende Gewinn bis zur Grenze des Jahresbetrages anzusetzen. Bei der Aufstellung von Altkleidercontainern ist der jährliche Gewinn nach dem durchschnittlichen jährlichen Sammelaufkommen für Altkleider und Altschuhe, dem erzielbaren Verkaufserlös und der Gewinnmarge im maßgeblichen Zeitraum der Sondernutzung zu schätzen.

Nach der von der Klägerin in Bezug genommenen Studie "Konsum, Bedarf und Verwendung von Bekleidung und Textilien in Deutschland" des Fachverbandes Textilrecycling (https://www.bvse.de/images/pfd/Leitfaden-Broschueren/150914_Textilstudie_2015.pdf) (S. 37) betrug das Sammelaufkommen von Altkleidern und Altschuhen in Deutschland im Jahr 2013 1.010.988 t, wovon ein Anteil von 889.669 t auf Containersammlungen entfiel. Aktuellere Zahlen sind - soweit ersichtlich - nicht vorhanden. Daraus ergibt sich - bezogen auf die Gesamteinwohnerzahl in Deutschland im maßgeblichen Zeitraum 2016 bis 2018 von durchschnittlich ca. 82,8 Mio. - ein Aufkommen von durchschnittlich ca. 10,75 kg/je Einwohner, so dass im Stadtgebiet der Beklagten bei einer Einwohnerzahl von knapp über 241.000 von einem Aufkommen von Altkleidern und Altschuhen in einer Größenordnung von knapp 2.600.000 kg auszugehen ist. Bei 464 aufzustellenden Sammelcontainern errechnet sich ein jährliches Aufkommen von ca. 5.600 kg je Container. Diese Menge ist bei einem Fassungsvermögen der von der Klägerin verwendeten Altkleidercontainer von bis zu 300 kg und der vorgesehenen wöchentlichen Leerung auch faktisch erreichbar.

Den zu erzielenden durchschnittlichen Verkaufspreis für den hier in Rede stehenden Zeitraum von 2016 bis 2018 schätzt der Senat auf ca. 300 € je Tonne. Zwar mag in der Vergangenheit der von der Klägerin veranschlagte Verkaufspreis von ca. 400 € je Tonne zu erzielen gewesen sein (so auch OVG NW, Beschl. v. 20.01.2014 - 20 B 331/13 - juris, RdNr. 44). Ein solcher Preis dürfte jedoch für den maßgeblichen Zeitraum nicht mehr realistisch sein (vgl. MDR Aktuell vom 27.08.2018 (https://www.mdr.de/nachrichten/wirtschaft/inland/fast-fashion.recycling-100.html). Während früher sogar bis zu 500 € je Tonne gezahlt worden sein sollen, sollen sich die Preise bis zum Jahr 2018 halbiert haben (vgl. Lübecker Nachrichten online vom 19.05.2018 (https://www.ln-online.de/Lokales/Luebeck/Chaos-bei-der-Altkleidersammlung). Damit ergibt sich ein jährlicher Gesamtumsatz von ca. 1.680,00 € je Container. Die von der Klägerin unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OVG NW (a.a.O.) veranschlagte Gewinnmarge von 50 % hält der Senat für zu hoch. Nach den Angaben des Klägers im Parallelverfahren 2 L 126/18 (2 A 37/16 MD) beträgt der jährliche Gewinnanteil umgerechnet ca. 38,5 %. Damit ergibt sich ein geschätzter Jahresgewinn von ca. 650,00 € je Container.

Das Begehren der Klägerin war nach der Klageschrift vom 09.02.2016 auf die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zur Aufstellung von bis zu 464 Containern gemäß der dem Antrag beigefügten Standortliste gerichtet. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kommt es für die Bedeutung der Sache für die Klägerin nicht darauf an, ob unter Berücksichtigung der 9 weiteren Bewerber eine realistische Möglichkeit der Belegung von nur 47 Plätzen anzunehmen war. Der bei einer Anzahl von 464 Containern zu erwartende Jahresgewinn von 301.600,00 € ist allerdings zu halbieren, weil lediglich die Neubescheidung des Antrages auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis in Streit gestanden hat (vgl. Nr. 1.4 des Streitwertkataloges).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG

3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).