OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.01.2019 - 1 M 154/18
Fundstelle
openJur 2020, 30749
  • Rkr:

1. Ausbildungsplatzkonkurrenz zum Zwecke der anschließenden Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens und Beförderung.

2. Zur Vorwirkung einer Ausbildungsplatzkonkurrenz für eine spätere Beförderungsdienstpostenübertragung und Beförderung.

3. Zur Zulässigkeit der Heranziehung anderer Eignungsprognoseerkenntnismittel anstelle von dienstlichen Beurteilungen.

4. Zur Aktualität von Auswahlgrundlagen und zum Mangel eines erheblichen Aktualitätsvorsprunges.

Gründe

1. Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 5. Kammer - vom 28. November 2018, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkt ist, hat in der Sache Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat die vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung zu Unrecht versagt, denn der Antragsteller hat den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO erforderlichen Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis erlassen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder wenn die Regelung aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sowie die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit den §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft zu machen. Wird mit einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Hauptsache ganz oder teilweise vorweggenommen und dadurch in aller Regel ein faktisch endgültiger Zustand geschaffen, kann eine Regelung nur ergehen, wenn der Antragsteller in der Hauptsache zumindest überwiegende Erfolgsaussichten hat und schlechthin unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen ausgesetzt wäre, wenn er auf den rechtskräftigen Abschluss eines Klageverfahrens verwiesen werden müsste. Überwiegende Aussichten in der Hauptsache bestehen hingegen nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch mit größter Wahrscheinlichkeit begründet ist und aller Voraussicht nach auch im Hauptsacheverfahren bestätigt werden wird (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 5. Januar 2007 - 1 M 1/07 -, juris [m. w. N.]).

a) Der Antragsteller hat mit seinem Beschwerdevorbringen den erforderlichen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

aa) Beamte haben gegenüber dem Dienstherrn bei der Vergabe eines Beförderungsamtes den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl unmittelbar nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (BVerwG in ständiger Rechtsprechung, etwa, Urteil vom 17. August 2005 - 2 C 36.04 -, juris [m. z. N.]). Ein Beförderungsbewerber hat dementsprechend einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr über seine Bewerbung ermessens- und beurteilungsfehlerfrei entscheidet (so genannter Bewerbungsverfahrensanspruch, vgl. hierzu: BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. Juli 2002 - 2 BvQ 25/02 -, NVwZ 2002, 1367, und Kammerbeschluss vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 -, NVwZ 2003, 200; BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 - 2 C 14.02 -, BVerwGE 118, 370 [m. z. N.]).

Dies gilt auch dann, wenn mit einer Dienstpostenzuweisung Vorwirkungen auf die spätere Vergabe des Amts im statusrechtlichen Sinne verbunden sind und die hierauf bezogene Auswahlentscheidung damit vorweggenommen oder vorbestimmt wird (siehe: BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1.13 -, juris = BVerwGE 147, 20; OVG LSA, Beschluss vom 25. Oktober 2016 - 1 M 124/16 -, juris) oder wenn es um die Zulassung zum Aufstieg in eine höhere Laufbahn (vgl.: OVG LSA, Beschluss vom 26. April 2010 - 1 M 74/14 -, juris [m. w. N.]) oder um die Besetzung eines Ausbildungs(studien)platzes für eine anschließende höherwertige Verwendung geht, unabhängig davon, ob sich der Dienstherr im letztgenannten Fall zudem mit der Ausschreibung für eine Besetzung des Platzes ausschließlich nach Leistungsgesichtspunkten gemäß Art. 33 Abs. 2 GG entschieden hat (vgl.: OVG LSA, Beschluss vom 17. September 2012 - 1 M 101/12 -, juris [m. w. N.]). Letzteres ist vorliegend seitens des Funktionsvorgängers der Antragsgegnerin mit der Ausschreibung vom 18. Oktober 2017 für einen Ausbildungsplatz zur späteren Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens und eines zur amtsangemessenen Verwendung (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 19. Mai 2016 - 2 C 14.15 - und Urteil vom 11. Dezember 2014 - 2 C 51.13-, jeweils juris) zu vergebenden höheren Statusamtes überdies der Fall.

Die Entscheidung über die Auswahl unter mehreren Bewerbern steht im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, wobei das Ermessen insofern gebunden ist, als die Entscheidung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu treffen ist (Art. 33 Abs. 2 GG). Der Bewerber hat dementsprechend (nur) einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, welcher dann verletzt ist, wenn die für den Bewerber nachteilige Auswahlentscheidung unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist oder auf einer fehlerhaften Ausübung von Ermessens- bzw. Beurteilungsspielräumen beruht (siehe: OVG LSA, Beschluss vom 28. November 2006 - 1 M 216/06 -, Beschluss vom 14. Mai 2002 - 3 M 76/02 - [m. w. N.]). Die im Rahmen der Ermessensentscheidung vorzunehmende Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ist ein Akt wertender Erkenntnis, bei dem der Ernennungsbehörde durch Art. 33 Abs. 2 GG ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist mit der Folge, dass Verwaltungsgerichte bei der Überprüfung der behördlichen Entscheidung darauf beschränkt sind, die Einhaltung seiner Grenzen zu kontrollieren, nämlich ob der Dienstherr den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen der Beurteilungsermächtigung verkannt hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat (siehe: OVG LSA, a. a. O. [m. w. N.]). Wird das subjektive Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt, folgt daraus, dass der unterlegene Bewerber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann beanspruchen kann, wenn seine Aussichten, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, offen sind, d. h. wenn seine Auswahl möglich erscheint (BVerfG, Beschluss vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 -, NVwZ 2003, 200).

Aus Art. 33 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG folgt des Weiteren die Verpflichtung des Dienstherrn, die seiner Entscheidung zugrunde liegenden wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen. Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen - deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber gegebenenfalls durch Akteneinsicht verschaffen kann - wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber befinden zu können, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen will. Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen. Schließlich stellt die schriftliche Dokumentation der Auswahlerwägungen sicher, dass die Bewertungsgrundlagen der entscheidenden Stelle vollständig zur Kenntnis gelangt sind; sie erweist sich damit als verfahrensbegleitende Absicherung der Einhaltung der Maßstäbe des Art. 33 Abs. 2 GG (so ausdrücklich: BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - 1 WB 19.08 -, NVwZ-RR 2009, 604, unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07-, NVwZ 2007, 1178).

Für die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung kommt es dabei allein auf die Erwägungen an, die der Dienstherr bei seiner Auswahlentscheidung in Ausübung seines Verwendungsermessens und des ihm vorbehaltenen Beurteilungsspielraums hinsichtlich der Eignung der Kandidaten angestellt hat. Mit dieser Entscheidung wird zugleich die Sach- und Rechtslage fixiert, die maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung ist. Zwar können Ermessenserwägungen sowie Einschätzungen, bei denen ein Beurteilungsspielraum besteht, in entsprechender Anwendung des § 114 Satz 2 VwGO im gerichtlichen Verfahren ergänzt werden. Hierzu gehört indes nicht die vollständige Nachholung oder die Auswechslung der die Entscheidung tragenden Gründe. Derartige Erwägungen sind vielmehr unzulässig und bei der gerichtlichen Kontrolle der Auswahlentscheidung nicht berücksichtigungsfähig. Gegenteiliges folgt auch nicht aus § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG (i. V. m. § 1 VwVfG LSA), da die Nachholung einer Begründung hiernach bereits dokumentierte materielle Auswahlerwägungen voraussetzt (siehe zum Vorstehenden: BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 2011 - 2 VR 4.11 -, IÖD 2011, 2; Beschluss vom 16. Dezember 2008 - 1 WB 19.08 -, a. a. O.; zudem: OVG LSA, Beschluss vom 26. Oktober 2010 - 1 M 125/10 -, juris [m. w. N.]).

bb) Hiervon ausgehend hat der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen den erforderlichen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, denn die Antragsgegnerin hat den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers verletzt, indem sie für ihre Auswahlentscheidung unzureichend aussagekräftige wie aktuelle Auswahlgrundlagen herangezogen und die wesentlichen Auswahlerwägungen dementsprechend nicht genügend dokumentiert hat.

Der von Art. 33 Abs. 2 GG geforderte Leistungsvergleich der Bewerber um ein Beförderungsamt muss anhand aussagekräftiger, d. h. aktueller, hinreichend differenzierter und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhender dienstlicher Beurteilungen vorgenommen werden. Demzufolge liegt ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG vor, wenn der getroffenen Beförderungsentscheidung keine (hinreichend aussagekräftigen) dienstlichen Beurteilungen zugrunde lagen. Maßgebend für den Leistungsvergleich nach Art. 33 Abs. 2 GG ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil der Beurteilung, das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist (siehe: OVG LSA, Beschluss vom 3. Mai 2016 - 1 M 71/16 -, juris [m. w. N.]). Die im Rahmen der Ermessensentscheidung vorzunehmende Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ist ein Akt wertender Erkenntnis, bei dem der Ernennungsbehörde durch Art. 33 Abs. 2 GG ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist mit der Folge, dass Verwaltungsgerichte bei der Überprüfung der behördlichen Entscheidung darauf beschränkt sind, die Einhaltung seiner Grenzen zu kontrollieren, nämlich ob der Dienstherr den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen der Beurteilungsermächtigung verkannt hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat (siehe OVG LSA, Beschluss vom 15. April 2014 - 1 M 31/14 -, juris [m. w. N.]).

Diese an die Vergabe eines Beförderungsamtes (Amt im statusrechtlichen Sinne) anknüpfenden Anforderungen gelten grundsätzlich auch bei der beabsichtigten Vergabe eines höherwertigen Dienstpostens (Amt im [konkret] funktionellen Sinne) in den vorbezeichneten Vorwirkungsfällen (OVG LSA, Beschluss vom 25. Oktober 2016 - 1 M 124/16 -, juris). Nichts anderes gilt überdies in den Fällen, in denen es um die Zulassung zum Aufstieg in eine höhere Laufbahn(gruppe) oder um die Besetzung eines Ausbildungs(studien)platzes für eine anschließende höherwertige Verwendung geht und sich der Dienstherr - wie hier - mit der Ausschreibung für eine Besetzung des Platzes ausschließlich nach Leistungsgesichtspunkten gemäß Art. 33 Abs. 2 GG entschieden hat.

Soweit die Antragsgegnerin und mit ihr der Beigeladene davon ausgehen, dass der Antragsteller das in der dienstpostenbezogenen Ausschreibung aufgeführte Anforderungsprofil unter Leistungsgesichtspunkten nicht in dem Maße wie der Beigeladene erfülle, wird der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers aus Art. 33 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG - wie die Beschwerde mit Recht rügt - verletzt. Insoweit sind die Aussichten des Antragstellers offen, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, d. h. seine Auswahl erscheint möglich.

Die an Art. 33 Abs. 2 GG zu messende Auswahlentscheidung für ein Statusamt darf grundsätzlich nicht anhand der Anforderungen eines konkreten Dienstpostens erfolgen (siehe: BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1.13 -, BVerwGE 147, 20; OVG LSA, Beschluss vom 16. Juni 2014 - 1 M 51/14 -, juris). Zwar kann der Dienstherr über die Eignung des Bewerberfeldes auch in einem gestuften Auswahlverfahren befinden. Bewerber, die die allgemeinen Ernennungsbedingungen oder die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllen oder die aus sonstigen Eignungsgründen für die Ämtervergabe von vornherein nicht in Betracht kommen, können in einer ersten Auswahl ausgeschlossen werden und müssen nicht mehr in den Leistungsvergleich einbezogen werden. Bei der Bestimmung des Anforderungsprofils ist der Dienstherr aber an die gesetzlichen Vorgaben gebunden und, soweit eine an Art. 33 Abs. 2 GG zu messende Dienstposten- oder Ausbildungsplatzvergabe in Rede steht, auch zur Einhaltung des Grundsatzes der Bestenauswahl verpflichtet (vgl.: BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013, a. a. O. [m. w. N.]; OVG LSA, Beschluss vom 16. Juni 2014, a. a. O.).

Hiermit ist eine Einengung des Bewerberfeldes aufgrund der besonderen Anforderungen eines bestimmten Dienstpostens grundsätzlich nicht vereinbar. Zwar entscheidet der Dienstherr über die Einrichtung und nähere Ausgestaltung von Dienstposten innerhalb des von Verfassung und Parlament vorgegebenen Rahmens aufgrund der ihm zukommenden Organisationsgewalt nach seinen Bedürfnissen. Setzt ein Dienstposten nach seiner Funktionsbeschreibung spezifische Anforderungen voraus, die der Inhaber zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Dienstaufgaben erfüllen muss, können diese Kriterien im Rahmen der Stellenausschreibung verlangt werden (siehe: BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013, a. a. O.; OVG LSA, Beschluss vom 16. Juni 2014, a. a. O.).

Die Organisationsgewalt des Dienstherrn ist aber beschränkt und an die Auswahlgrundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG gebunden, wenn mit der Dienstpostenzuweisung Vorwirkungen auf die spätere Vergabe des Amtes im statusrechtlichen Sinne verbunden sind und die hierauf bezogene Auswahlentscheidung damit vorweggenommen oder vorbestimmt wird. In diesen Fällen sind die Vorgaben des Anforderungsprofils vielmehr den Maßstäben aus Art. 33 Abs. 2 GG unterworfen. Da der Bezugspunkt der Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG indes nicht die Funktionsbeschreibung des konkreten Dienstpostens, sondern das angestrebte Statusamt ist, ist es mit Art 33 Abs. 2 GG unvereinbar, einen Bewerber vom Auswahlverfahren auszuschließen, nur weil er den besonderen Anforderungen des aktuell zu besetzenden Dienstpostens nicht entspricht (so: BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013, a. a. O.; OVG LSA, Beschluss vom 16. Juni 2014, a. a. O.). Nichts anderes vermag zudem in Fällen - wie dem hier gegebenen - zu gelten, in denen der Vergabe eines solchen höherwertigen Dienstpostens mit Vorwirkung die Absolvierung eines Ausbildungsganges mit entsprechend einhergehender Vergabe eines Ausbildungsplatzes vorangeht.

Ausnahmen von dem vorgenannten Grundsatz sind nur zulässig, wenn die (spätere) Wahrnehmung der Aufgaben eines Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann. Diese Voraussetzungen hat der Dienstherr darzulegen, sie unterliegen voller gerichtlicher Kontrolle (siehe: BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013, a. a. O.). Das Anforderungsprofil muss dabei zwingend vor Beginn der Auswahlentscheidung festgelegt und dokumentiert werden, damit die Gründe für diese Entscheidung transparent sind und die Entscheidung nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG überprüft werden kann. Die nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotene effektive gerichtliche Kontrolle wäre anderenfalls praktisch nicht möglich (siehe: BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 5 C 16.10 -, BVerwGE 139, 135; Beschluss vom 20. Juni 2013, a. a. O.; OVG LSA, Beschluss vom 16. Juni 2014, a. a. O.).

Eine solche - ausbildungsplatzvorausgehende - dienstpostenbezogene Ausnahme macht die Antragsgegnerin vorliegend geltend; sie wird auch von der Beschwerde nicht weiter in Frage gestellt. Der von Art. 33 Abs. 2 GG geforderte Leistungsvergleich der Bewerber muss aber auch anforderungsprofilbezogen grundsätzlich anhand aussagekräftiger, d. h. aktueller, hinreichend differenzierter und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhender dienstlicher Beurteilungen vorgenommen werden. Durch die Bestimmung des Anforderungsprofils eines Dienstpostens legt der Dienstherr nämlich die Kriterien für die Auswahl der Bewerber um diesen Dienstposten bzw. dem diesem vorgeschalteten Ausbildungsplatz fest; die Funktionsbeschreibung des Dienstpostens bestimmt objektiv die Kriterien, die der Inhaber erfüllen muss. An ihnen werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber um den Dienstposten bemessen, um eine optimale Besetzung zu gewährleisten. Im Auswahlverfahren ist der Dienstherr an das von ihm entwickelte Anforderungsprofil gebunden, da er andernfalls in Widerspruch zu dem selbst gesteckten Ziel bestmöglicher Aufgabenwahrnehmung gerät. Erst wenn mehrere Bewerber allen Anforderungskriterien gerecht werden, haben - in der Regel durch dienstliche Beurteilungen ausgewiesene - Abstufungen der Qualifikation Bedeutung. Unter dieser Voraussetzung bleibt es der Entscheidung des Dienstherrn überlassen, welchen der zur Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu rechnenden Umständen er das größere Gewicht beimisst. Danach entfaltet ein Anforderungsprofil Bindungswirkung für die Gewichtung der Leistungsmerkmale bei der Bewerberauswahl (siehe: BVerwG, Beschluss vom 11. August 2005 - 2 B 6.05 -, juris [m. w. N.]; zudem: OVG LSA, Beschluss vom 26. August 2010 - 1 M 125/10 -, juris [m. w. N.]).

Nur wenn dienstliche Beurteilungen nicht oder nicht hinreichend Aufschluss für eine dienstposten- und damit ausbildungsplatzbezogene Eignungsprognose zulassen, kann und darf ausnahmsweise auf andere bzw. zusätzliche Leistungs- bzw. Eignungserkenntnismittel zurückgegriffen werden (siehe etwa zu Auswahlgesprächen: OVG LSA, Beschluss vom 9. April 2008 - 1 M 25/08 -, juris [m. w. N.]).

Hier hat die Antragsgegnerin mit ihren im Vermerk vom 14. August 2018 schriftlich fixierten Auswahlerwägungen "ausschlaggebend" auf die "im Auswahlverfahren erreichten Ergebnisse", insbesondere der sogenannten Hauptuntersuchung bzw. auf die "Bewertung des DLR im Wesentlichen ausschlaggebend" abgestellt (siehe Blatt 4 und 5 der Beiakte A). Insoweit kann hier dahinstehen, ob die - von der Beschwerde nicht weiter gerügte - nicht wesentliche Berücksichtigung der dienstlichen Regelbeurteilungen der Bewerber überhaupt ausnahmsweise zulässig und deren allenfalls nachrangige Berücksichtigung (zureichend) begründet wurde. Jedenfalls lassen die als wesentliche Auswahlgrundlage herangezogenen Ergebnisse der jeweiligen Hauptuntersuchung des Antragstellers und des Beigeladenen - wie die Beschwerde mit Recht rügt - einen tragfähigen Leistungsvergleich nicht zu.

Soll maßgeblich auf andere Eignungsnachweise als dienstliche (Regel-)Beurteilungen abgestellt werden, müssen diese wegen ihrer quasi ersetzenden Funktion im Wesentlichen die qualitativen Anforderungen an dienstliche (Regel-)Beurteilungen erfüllen, um den nach Art. 33 Abs. 2 GG erforderlichen Leistungsvergleich anhand aussagekräftiger, d. h. aktueller, hinreichend differenzierter und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhender Erkenntnismittel vornehmen zu können. Dem wird der Bewertungsergebnisbogen des DLR nicht gerecht. Dieser sieht zwar mehrere Einzelmerkmale mit einer Risikobewertung von (ungewichtet) 0, 1 oder 2 Punkten vor und fasst sie zu zwei Gruppen (Berufsgrunduntersuchung [BU] und Hauptuntersuchung [HU]) mit jeweils einer Gesamtbewertung zusammen. Die Einzelbewertungen werden indes für die Gesamtbewertung lediglich mathematisch addiert und es ist weder eine Begründung für die Einzelmerkmale noch - vor allem - für die jeweilige Gesamtbewertung vorgesehen. Dies genügt jedenfalls in Fällen - wie dem vorliegenden - nicht, wenn die Vergabe der Einzelpunkte in keiner Weise konkret nachvollzogen und damit die Punktevergabe nicht einer im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG effektiven gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann. Die von der Antragsgegnerin im Nachgang vorgelegte "Richtlinie für Eignungsauswahlverfahren der Pilot/innen in der Bundespolizei" lässt zwar Rückschlüsse über den Prüfungsgegenstand, nicht jedoch über die jeweils erfolgte konkrete Punktevergabe zu. Prüfungsprotokolle o. ä. zur Plausibilisierung der Bewertungen hat die Antragsgegnerin jedenfalls nicht vorgelegt, und solche befinden sich ebenso wenig in den vorgelegten Verwaltungsvorgängen.

Mit Recht rügt die Beschwerde überdies, dass die maßgeblich auf die DLR-Bewertung gestützte Auswahlentscheidung einen ungerechtfertigten Aktualitätsvorsprung zugunsten des Beigeladenen aufweist. Während die Hauptuntersuchung des Antragstellers bereits am 9. Mai 2016 erfolgt ist, wurde diese beim Beigeladenen zeitnah zur Auswahlentscheidung "im Jahr 2018" durchgeführt.

Schon im Verhältnis von Regel- und Anlassbeurteilungen zueinander bzw. von Anlassbeurteilungen untereinander sind zwar nicht dieselben strengen Anforderungen an die Vergleichbarkeit zu stellen, wie sie für Regelbeurteilungen gelten. Dass die nötige höchstmögliche Vergleichbarkeit der Beurteilungen grundsätzlich nur dann gewährleistet ist, wenn auch die Beurteilungsstichtage und die erfassten Beurteilungszeiträume formal gleich sind, lässt sich auf Anlassbeurteilungen nicht übertragen, weder im Verhältnis zueinander noch im Verhältnis zu Regelbeurteilungen. Diese Forderung stieße schon an praktische Grenzen und würde die anders gelagerte Funktion von Anlassbeurteilungen vernachlässigen. Diese sollen lediglich einen aktuellen Leistungsvergleich ermöglichen, wo dieser anders nicht herzustellen ist, und darüber hinaus Aussagen zur Eignung bezogen auf das konkret angestrebte Amt enthalten. Von daher ist die Aussagekraft von Anlassbeurteilungen grundsätzlich auf den Anlass und den von ihr erfassten Zeitraum beschränkt und verändert nicht die an eine nachfolgende Regelbeurteilung gestellten Anforderungen. Demgegenüber soll die Regelbeurteilung - für alle Beamten gleichmäßig - die zu beurteilenden Merkmale nicht nur punktuell, sondern in ihrer zeitlichen Entwicklung und unabhängig von einer konkreten Verwendungsentscheidung erfassen. Hierdurch bedingt sind weniger strenge Anforderungen zu stellen, was die Übereinstimmung der Beurteilungszeiträume von Anlassbeurteilungen angeht. Die Einholung - auch gebotener - Anlassbeurteilungen darf indes nicht dazu führen, dass einem der Bewerber ein nicht nur marginaler Aktualitätsvorsprung zuwächst. In einem solchen Fall ist der Dienstherr gehalten, die resultierenden Erkenntnisdefizite bei den übrigen Bewerbern auszugleichen und die Vergleichbarkeit sämtlicher dienstlichen Beurteilungen herzustellen. Inwieweit die Beurteilungszeiträume differieren können, ohne dass dadurch ein aussagekräftiger Leistungsvergleich ausgeschlossen wird, bedarf vorliegend keiner exakten Festlegung. Von einem nicht mehr aussagekräftigen aktuellen Vergleich der Leistungen kann jedenfalls dann keine Rede mehr sein, wenn die der Auswahlentscheidung zugrunde liegenden Beurteilungszeiträume überhaupt nicht oder nur noch geringfügig übereinstimmen (siehe zum Vorstehenden: OVG LSA Beschluss vom 23. Januar 2017 - 1 M 175/16 -, juris [m. w. N.]).

Nichts anderes vermag in Fällen zu gelten, in denen der Dienstherr - wie hier - anstelle dienstlicher Beurteilungen andere Erkenntnismittel bzw. Auswahlgrundlagen maßgeblich für seine Auswahlentscheidung heranzieht. Für die vorliegende Fallgestaltung, bei der überdies nicht auf einen Bewertungszeitraum, sondern vielmehr auf einen bestimmten Zeitpunkt abgestellt wird, kann jedenfalls von einer Vergleichbarkeit der Aktualität der Eignungsfeststellung nicht mehr ausgegangen werden, wenn die Prüfung(sergebnisse) um etwa zwei Jahre differieren. In derartigen Fällen hat der Dienstherr vielmehr dafür Sorge zu tragen, dass der nicht (mehr aktuell) bewertete Mitbewerber einer (erneuten) Eignungsprüfung unterzogen wird. Dies hat die Antragsgegnerin vorliegend jedoch unterlassen.

bb) Da hiernach der aus Art. 33 Abs. 2 GG folgende Bewerbungsverfahrensanspruch durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt ist, kann der Antragsteller eine erneute Auswahlentscheidung beanspruchen, weil sich derzeit auch nicht mit der hier erforderlichen Gewissheit feststellen lässt, dass der Antragsteller bei einer erneuten Auswahlentscheidung "offensichtlich chancenlos" (so: BVerfG, Beschluss vom 1. August 2006 - 2 BvR 2364/03 -, NVwZ 2006, 1401) ist. Dabei ist vom beschließenden Senat zu beachten, dass es im Hinblick auf den dem Dienstherrn bei der Auswahlentscheidung zustehenden Beurteilungs- und Ermessensspielraum grundsätzlich nicht Aufgabe des Gerichtes ist, den besser geeigneten Bewerber zu bestimmen und eine eigene Prognose der Erfolgsaussichten der Bewerbung vorzunehmen (so: BVerfG, Beschluss vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 -, NVwZ 2003, 200). Insofern ist zudem zu beachten, dass der neu zu treffenden Auswahlentscheidung aktuellere Leistungs- bzw. Eignungsbewertungsgrundlagen zur Verfügung stehen (werden).

cc) Auf das weitere Vorbringen der Beteiligten zum Vorliegen eines Anordnungsanspruches kam es nach alledem nicht mehr entscheidungserheblich an. Insoweit ist das auf die Regelbeurteilung des Antragstellers bezogene wie beschränkte Akteneinsichtsgesuch des Beigeladenen obsolet (geworden).

b) Der Antragsteller hat zudem den Anordnungsgrund dafür glaubhaft gemacht, dem Antragsgegner vorläufig zu untersagen, dem Beigeladenen anstelle des Antragstellers die am 18. Oktober 2017 ausgeschriebene Ausbildungsstelle von fliegendem Personal für die Polizeihubschrauberstaffel des Landes Sachsen-Anhalt für den ab dem 1. Juni 2024 zu besetzenden Dienstposten als Hubschrauberführer zu übertragen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut entschieden worden ist, da mit der Ausbildung des Beigeladenen anstelle des Antragstellers allein der Beigeladene die Voraussetzungen für die beabsichtigte anschließende Übertragung des höherwertigen Dienstpostens und die damit im Zusammenhang stehende Übertragung eines Beförderungsamtes erfüllte. Soweit der Beigeladene meint, der Antragsteller könne noch zum 1. Januar 2021 rechtzeitig als nächster Bewerber die hier streitgegenständliche Ausbildung absolvieren, lässt dies den Anordnungsgrund vorliegend nicht entfallen. Denn selbst wenn - entgegen den bisherigen ausdrücklich gegenteiligen Angaben der Antragsgegnerin - zu diesem Zeitpunkt ein zusätzlicher Ausbildungsplatz zur Verfügung stände, kann hier nicht mit der erforderlichen Gewissheit angenommen werden, dass der Antragsteller insoweit zum Zuge kommt. Gegenteiliges haben die Antragsgegnerin oder der Beigeladene jedenfalls nicht dargelegt. Ein Ausblenden des Erfahrungsvorsprunges des Beigeladenen käme dem Antragsteller daher nicht zugute.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO; die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen im Beschwerdeverfahren, in dem dieser keinen Antrag gestellt hat, waren als in der Sache unterliegender Beteiligter des Verfahrens nicht aus Gründen der Billigkeit für erstattungsfähig zu erklären.

3. Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren und gemäß § 63 Abs. 3 GKG zugleich für das Verfahren erster Instanz beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i. V. m. §§ 40, 47, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 GKG, da es vorliegend nicht um eine einer bloßen Dienstpostenkonkurrenz vergleichbare reinen Ausbildungsplatzkonkurrenz, sondern um eine - wie bereits oben ausgeführt - den sogenannten Vorwirkungsfällen vergleichbare Fallgestaltung handelt. Insofern war für das Beschwerdeverfahren die Hälfte der Summe der für ein Kalenderjahr nach der - hier zunächst zu durchlaufenden - Besoldungsgruppe A 10 LBesO LSA zuzüglich der allgemeinen ruhegehaltfähigen Stellenzulage nach Nr. 13. lit. b) der Vorbemerkungen der Besoldungsordnungen A und B i. V. m. der Anlage 8 (91,04 € monatlich) zu zahlenden Bezüge im Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung zugrunde zu legen. Dabei geht der Senat mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass der Antragsteller der 8. Erfahrungsstufe (3.719,87 € monatlich) zugeordnet ist. Der sich daraus ergebende Betrag war nicht im Hinblick auf ein bloßes Neubescheidungsbegehren weiter zu reduzieren (siehe: OVG LSA, Beschlüsse vom 15. April 2014 - 1 M 31/14 und 1 M 33/14 -, juris [m. w. N.]).

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).