OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 12.01.2012 - 2 L 104/10
Fundstelle
openJur 2020, 29190
  • Rkr:

Jüdischen Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion, denen in entsprechender Anwendung von § 1 Abs. 3 des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge vom 22.07.1980 (HumHAG) unbefristete Aufenthaltserlaubnisse erteilt wurden, die gemäß § 101 Abs. 1 Satz 2 AufenthG als Niederlassungserlaubnisse fortgelten, können keine wohnsitzbeschränkenden Auflagen erteilt werden.

Tatbestand

Die Kläger begehren vom Beklagten die Aufhebung der Wohnsitzauflagen in ihren Niederlassungserlaubnissen.

Die am (...) 1937 und (...) 1947 geborenen, miteinander verheirateten Kläger sind ukrainische Staatsangehörige und reisten am 02.12.1999 nach Durchführung eines Aufnahmeverfahrens für jüdische Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion mit bis zum 17.02.2000 geltenden Visa in die Bundesrepublik Deutschland ein.

Am 19.01.2000 erteilte ihnen der Beklagte unbefristete Aufenthaltserlaubnisse jeweils mit der Nebenbestimmung, dass Wohnsitznahme und gewöhnlicher Aufenthalt nur in seinem Kreisgebiet gestattet sind. Zugleich stellte er den Klägern jeweils eine "ausländerbehördliche Bescheinigung" aus, nach der sie die Rechtsstellung eines Flüchtlings im Sinne des § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge vom 22.07.1980 (HumHAG) haben. Unter dem 06.12.2000 erteilte der Beklagte den Klägern weitere ausländerbehördliche Bescheinigungen, nach der diese als Flüchtlinge im Sinne des § 1 Abs. 1 HumHAG gelten.

Den am 11.05.2004 gestellten Antrag, die Wohnsitzauflagen zu streichen, um einen Umzug der Kläger zu ihrer Tochter nach B. (Baden-Württemberg) zu ermöglichen, lehnte der Beklagte mit Bescheiden vom 07.07.2004 und 17.08.2004 ab, da die Stadt B. dem beabsichtigten Zuzug nicht zugestimmt habe und die Kläger Sozialleistungen erhielten.

Am 15.08.2006 stellte der Beklagte den Klägern Niederlassungserlaubnisse nach § 23 Abs. 2 AufenthG aus, denen jeweils die Auflage, "Wohnsitznahme nur im Land Sachsen-Anhalt gestattet" beigefügt war.

Mit Schreiben vom 06.10.2006 stellten die Kläger beim Beklagten erneut einen Antrag auf "Umverteilung" nach B., da sie wegen verschiedener körperlicher Gebrechen auf die Hilfe ihrer Tochter angewiesen seien. Hierzu legten sie eine ärztliche Bescheinigung vom 21.10.2006 vor, wonach eine Familienzusammenführung eventuell die Leiden der Klägerin zu 2 lindern könnte. Die Stadt B. stimmte einem Zuzug der Kläger wiederum nicht zu, da diese Sozialleistungen erhielten und im Übrigen deren Tochter mitgeteilt habe, dass ein Antrag auf Feststellung einer Pflegestufe für die Klägerin zu 2 von der Krankenkasse abgelehnt worden sei. Daraufhin lehnte der Beklagte die Änderung der Auflagen mit Bescheid vom 12.01.2007 erneut ab. In der Begründung gab er an, zwar könne die Zustimmung zu einem Umzug auch unabhängig von der Sicherung des Lebensunterhalts u. a. dann erteilt werden, wenn der Umzug der Sicherstellung der benötigten Pflege von Betroffenen, die wegen ihres Alters, einer Krankheit oder einer Behinderung pflegebedürftig seien, durch die Verwandten am Umzugsort diene. Diese Voraussetzungen lägen bei den Klägern aber nicht vor, weil eine Pflegebedürftigkeit nicht nachgewiesen sei.

Den hiergegen am 12.02.2007 erhobenen Widerspruch wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2008, den Klägern zugestellt am 05.09.2008, zurück. Zur Begründung führte die Widerspruchsbehörde u. a. aus, die Kläger erfüllten nicht die Voraussetzungen für eine Streichung der wohnsitzbeschränkenden Auflage nach dem Erlass des Landes Sachsen-Anhalt für die entsprechende bundeseinheitliche Verfahrensweise. Das Bundesverwaltungsgericht habe mit Urteil vom 15.01.2008 (1 C 17/07) zwar entschieden, dass Wohnsitzauflagen gegenüber anerkannten Flüchtlingen, die Sozialhilfeleistungen bezögen, gegen Art. 23 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) verstießen, wenn sie zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten verfügt würden. Das Gericht habe aber nicht generell das Beifügen von Wohnsitzauflagen beanstandet.

Ihre am 01.10.2008 erhobene Klage haben die Kläger im Wesentlichen wie folgt begründet: Die im Widerspruchsbescheid angeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei auch auf Wohnsitzauflagen und Umverteilungsanträge von jüdischen Emigranten anzuwenden, die in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommener Flüchtlinge vom 22.07.1980 (HumHAG) auf der Grundlage eines Beschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz vom 09.01.1991 in der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen worden seien. Als sog. Kontingentflüchtlingen sei ihnen kein schlechterer Rechtsstatus hinsichtlich Freizügigkeit und Sozialhilfe zuzuerkennen als Konventionsflüchtlingen. Im Übrigen sei der Nachweis der Pflegebedürftigkeit an den zu hohen Anforderungen des Beklagten gescheitert. Ihre Tochter lebe nunmehr in Forst (Baden), aber auch das zuständig gewordene Landratsamt Karlsruhe verweigere die Zustimmung zu einem Umzug dorthin.

Die Kläger haben beantragt,

die Wohnsitzauflagen in den ihnen erteilten Niederlassungserlaubnissen vom 15.08.2006 sowie den Bescheid des Beklagten vom 12.01.2007 und den Widerspruchsbescheid des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt vom 28.08.2008 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, dass das HumHAG am 01.01.2005 außer Kraft getreten sei, so dass sich auch bei einer entsprechenden Anwendung des § 1 Abs. 1 HumHAG keine Gleichstellung jüdischer Emigranten mit Flüchtlingen ergebe, die unter die GFK fielen.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 29.04.2010 hat das Verwaltungsgericht die Wohnsitzauflagen in den Niederlassungserlaubnissen vom 15.08.2006, den Bescheid des Beklagten vom 12.01.2007 und den Widerspruchsbescheid des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt vom 28.08.2008 aufgehoben und zur Begründung u. a. ausgeführt:

Rechtsgrundlage für die streitigen Auflagen sei § 23 Abs. 2 Satz 4 AufenthG. Das der Behörde darin eingeräumte Ermessen zum Erlass einer wohnsitzbeschränkenden Auflage sei zwar durch den im Widerspruchsbescheid genannten Erlass zunächst in rechtlich nicht zu beanstandender Art und Weise gebunden, um ungleiche Belastungen der Sozialleistungsträger zu vermeiden. Auch seien die darin geregelten Voraussetzungen für eine Aufhebung der Wohnsitzauflagen wegen Pflegebedürftigkeit der Kläger nicht erfüllt. Die Auflagen seien aber deshalb ermessensfehlerhaft ergangen, weil sie mit § 1 Abs. 1 HumHAG und Art. 23 i.V.m. Art. 26 GFK nicht vereinbar seien. Der Heranziehung der Konventionsregelungen stehe nicht entgegen, dass es sich bei den Klägern nicht unmittelbar um Flüchtlinge im klassischen Sinn handele, also um Personen, die sich in einer nachgewiesenen Verfolgungssituation befunden hätten. Ihre mit Flüchtlingen vergleichbare Rechtsstellung rechtfertige sich aber daraus, dass sie von der Bundesrepublik Deutschland entsprechend den Vorschriften des HumHAG aufgenommen worden seien. Damit hätten sie die Rechtsstellung nach § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes erworben mit der Folge, dass sie die Rechtsstellung nach den Art. 2 bis 34 GFK genießen, ohne dass es zuvor der Überprüfung im Hinblick auf eine Verfolgung in der ehemaligen Sowjetunion bedurft hätte. Hintergrund sei der Beschluss in der Konferenz der Regierungschefs des Bundes und der Länder vom 09.01.1991, der Einreise jüdischer Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion vor dem Hintergrund der historischen Verantwortung Deutschlands für die Verbrechen des Nationalsozialismus sowie des Wunsches sowjetischer Juden, auch in der Bundesrepublik Deutschland eine neue Heimat zu gründen, "entsprechend" den Vorschriften des HumHAG zuzustimmen. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die nur "entsprechende" Anwendung des HumHAG zur Versagung der Rechtsgewährungen dieses Gesetzes führen sollte.

Ihren Rechtsstatus hätten die Kläger auch nicht im Hinblick auf die Neuregelungen des Zuwanderungsgesetzes verloren, weil ihre Sonderstellung durch die Übergangsvorschriften der §§ 101 Abs. 1 Satz 2, 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bewahrt werde. Sie könnten sich auch nach Inkrafttreten des AufenthG weiterhin auf die ihnen mit der entsprechenden Anwendung des HumHAG gewährten "Rechtsfolgenverheißungen" berufen.

Ausgehend von diesem Rechtsstatus verstießen die Wohnsitzauflagen gegen Art. 23 i. V. m. Art. 26 GFK. Art. 26 gewähre Flüchtlingen, die sich - wie die Kläger - rechtmäßig im Aufnahmestaat befinden, das Recht, den Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen, vorbehaltlich der Bestimmungen, die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen Anwendung finden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließe, sei diesen Flüchtlingen auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge und sonstiger Hilfeleistungen die gleiche Behandlung zu gewähren wie den Staatsangehörigen des Aufnahmelandes. Daraus folge, dass freizügigkeitsbeschränkende Maßnahmen nicht zum Zwecke einer angemessenen Verteilung von Sozialhilfeleistungen eingesetzt werden dürften. Ausgenommen seien allein Beschränkungen, die aus migrationspolitischen Gründen erfolgten und die auf einen besonderen Bedarf auf Integrationsmaßnahmen zurückzuführen seien. Der Beklagte knüpfe aber ermessensfehlerhaft allein an fiskalische Zwecke, die gerechte Lastenverteilung zugunsten der Sozialleistungsträger, an.

Die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung hat der Beklagte wie folgt begründet: Der Heranziehung der GFK stehe entgegen, dass es sich bei den Klägern nicht unmittelbar um Flüchtlinge im klassischen Sinn handele, also um Personen, die sich in einer nachgewiesenen Verfolgungssituation befunden hätten. Sie genössen die Rechtsstellung als ausländische Flüchtlinge nach § 1 Abs. 1 HumHAG auch nicht aufgrund des Umstandes, dass sie von der Bundesrepublik Deutschland entsprechend den Vorschriften dieses Gesetzes aufgenommen worden seien. Auch die Übergangsvorschrift des § 103 AufenthG begründe keinen Flüchtlingsstatus, sondern setze diesen voraus. Soweit es um den Status als Flüchtling gehe, könne § 1 Abs. 1 HumHAG auch nicht entsprechend angewandt werden, da es bereits an einer Regelungslücke fehle. Vielmehr habe § 33 AusIG (nunmehr § 23 Abs. 2 AufenthG) die Übernahme von Ausländern aus humanitären Gründen oder politischen Interessen erlaubt. Die Übereinkunft des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten sei als politische Entscheidung anzusehen, mit der lediglich eine einheitliche administrative Vorgehensweise für die Einreise jüdischer Emigranten vereinbart worden sei. Sie habe jedoch nicht zum Inhalt gehabt, den jüdischen Emigranten unmittelbar oder mittelbar einen Flüchtlingsstatus zuzugestehen. Die in § 1 Abs. 1 HumHAG vorgesehene Zuerkennung der Rechtsstellung als Flüchtling sei im Hinblick auf die Gewährung eines Daueraufenthaltsrechts und die sich aus der GFK ergebenden Rechtsfolgen für die jüdischen Emigranten weder erforderlich noch angemessen gewesen. Ein Verfolgungsschicksal von jüdischen Emigranten in ihrem Herkunftsland habe bei der Übereinkunft keine maßgebliche Rolle gespielt. Die Aufnahme der betreffenden Personen aufgrund von Einzelfallentscheidungen habe - was auch in der Vereinbarung der Regierungschefs eindeutig zum Ausdruck gekommen sei - vielmehr nach der Absprache des Bundeskanzlers mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland der Erhaltung der Lebensfähigkeit jüdischer Gemeinden in Deutschland, der Familienzusammenführung und der Vermeidung von Härtefällen dienen sollen. Die im Zeitpunkt der Behördenentscheidung einschlägige Erlasslage sei damit gesetzeskonform. Nach dem Erlass des Ministeriums des Innern des Landes Sachsen-Anhalt vom 13.01.2006 sei bei Inhabern von Niederlassungserlaubnissen nach § 23 Abs. 2 AufenthG - insbesondere bei jüdischen Zuwanderern - die Möglichkeit einer wohnsitzbeschränkenden Auflage ausdrücklich vorgesehen. Eine Streichung oder Änderung einer solchen Auflage zur Ermöglichung eines länderübergreifenden Wohnortwechsels bedürfe der vorherigen Zustimmung durch die Ausländerbehörde des Zuzugsortes. Das sei im Fall der Kläger bislang nicht geschehen und mit Blick auf den bisherigen Stand der Dinge auch nicht zu erwarten. Im Übrigen wohne die Tochter der Kläger seit dem 01.08.2011 in N-Stadt, so dass ggf. ein neuer Umzugsantrag nach N-Stadt gestellt werden könnte.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tragen vor: Die Aufnahme jüdischer Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion entsprechend den Vorschriften des HumHAG bezwecke ihre Gleichbehandlung mit Konventionsflüchtlingen. Das Wort "entsprechend" im Beschluss der Regierungschefs des Bundes und der Länder vom 09.01.1991 sei nicht verwendet worden, um Abstriche bei dem ihnen zuerkannten Rechtsstatus vorzunehmen, sondern weil sich der deutsche Staat bewusst gewesen sei, dass es sich bei diesen um keine Konventionsflüchtlinge handele. Wenn solchen Flüchtlingen grundsätzlich nur aus triftigen, nicht fiskalischen Gründen Wohnsitzbeschränkungen zugemutet werden dürfen, müsse dies erst recht für die jüdischen Einwanderer gelten, deren Zuwanderung ausdrücklich als erwünscht qualifiziert worden sei und die sich als zur Zuwanderung "eingeladen" fühlen durften. Ihre Gleichstellung mit Konventionsflüchtlingen sei auch gegenüber anderen Gruppen zu rechtfertigen, da es sich um eine Bevölkerungsgruppe handele, die besonders unter der nationalsozialistischen Verfolgung zu leiden gehabt habe. Es handle sich überwiegend um Überlebende des Völkermordes und deren Nachfahren. Hinzu komme, dass die GFK unter dem Eindruck der Verfolgung von Minderheiten durch Diktaturen, namentlich der NS-Gewaltherrschaft, zustande gekommen sei.

Soweit § 1 Abs. 1 HumHAG und Art. 26 GFK nicht heranzuziehen sein sollten, würde sich die Verpflichtung zu einer nicht ungünstigeren Behandlung der jüdischen Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion jedenfalls aus Verfassungsrecht, namentlich dem Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung und dem Willkürverbot ergeben. Die Staatsleitung habe sich dafür entschieden, diese Personengruppe zumindest nicht schlechter zu stellen als Konventionsflüchtlinge, und dies auch deutlich zum Ausdruck gebracht. Die vom Beklagten herangezogenen Erlasse stammten sämtlich aus der Zeit vor der Leitentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu freizügigkeitsbeschränkenden Maßnahmen bei Konventionsflüchtlingen und seien nicht außenverbindlich. Auch wenn für die Klägerin zu 2 bislang keine Pflegebedürftigkeit habe festgestellt werden können, seien die Folgen der jahrelangen Trennung der Kläger von ihren Kindern schwerwiegend und könnten auch nicht durch häufige Besuche ausgeglichen werden. Sie seien ungeachtet des Umzugs ihrer Tochter nach N-Stadt an einem Umzug in den Landkreis Karlsruhe interessiert, weil mittlerweile ihre zweite Tochter (Y.) in K-Stadt lebe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die vom Beklagten vorgelegten Behördenvorgänge Bezug genommen.

Gründe

I. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Wohnsitzauflagen in den Niederlassungserlaubnissen vom 15.08.2006 zu Recht aufgehoben.

1. Die Anfechtungsklage ist zulässig. Insbesondere sind die Auflagen, die selbständig anfechtbar sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.03.1996 - 1 C 34.93 -, BVerwGE 100, 335 [337 f.]), nicht bereits in Bestandskraft erwachsen. Die Kläger erhoben hiergegen rechtzeitig Widerspruch.

Das Schreiben der - seinerzeit anwaltlich nicht vertretenen - Kläger vom 06.10.2006, mit dem sie "bezugnehmend auf § 12 Aufenthaltsgesetz" die "Umverteilung" an den Wohnsitz ihrer Tochter nach B. beantragten, ist als Widerspruch gegen die jeweilige Wohnsitzauflage in den Niederlassungserlaubnissen auszulegen. Eine Behörde, bei der der Widerruf bzw. die Rücknahme eines belastenden Verwaltungsaktes beantragt wird, muss zunächst prüfen, ob der Verwaltungsakt gegenüber dem Antragsteller bestandskräftig geworden ist, und andernfalls den Antrag auch als Widerspruch gegen den Verwaltungsakt auslegen (BVerwG, Urt. v. 12.12.2001 - 8 C 17.01 -, BVerwGE 115, 302 [310], m. w. N.). Dies war hier der Fall. Die Wohnsitzauflagen waren im Zeitpunkt des Eingangs des Schreibens vom 06.10.2006 beim Beklagten am 10.10.2006 noch nicht bestandskräftig. Die Niederlassungserlaubnisse vom 15.08.2006, denen die Nebenbestimmungen beigefügt waren, wurden den Klägern im August 2006 ausgehändigt. Da sie keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielten, war gemäß § 58 Abs. 2 VwGO die Einlegung des Widerspruchs innerhalb eines Jahres nach Eröffnung (Bekanntgabe) der Niederlassungserlaubnisse zulässig. Auch das Landesverwaltungsamt ist in seinem Widerspruchsbescheid vom 28.08.2008 zu Recht davon ausgegangen, dass gegen die Wohnsitzauflagen in den Niederlassungserlaubnissen Widerspruch erhoben sei, den es als unbegründet zurückwies.

Der Aufhebung der Wohnsitzauflagen in den Niederlassungserlaubnissen steht auch nicht entgegen, dass bereits die den Klägern am 19.01.2000 erteilten unbefristeten Aufenthaltserlaubnisse jeweils wohnsitzbeschränkende Auflagen enthielten. Zwar erwuchsen diese in Bestandskraft, weil die Kläger hiergegen keinen Widerspruch erhoben. Den Antrag der Kläger, diese Auflagen zu streichen, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 17.08.2004 ab, den die Kläger ebenfalls nicht anfochten. Auch blieben gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG u. a. die vor dem 01.01.2005 getroffenen räumlichen Beschränkungen, Bedingungen und Auflagen wirksam. Jedoch hat der Beklagte in den neu ausgestellten Niederlassungserlaubnissen vom 15.08.2006 die räumliche Beschränkung neu geregelt und von seinem Kreisgebiet auf das gesamte Land Sachsen-Anhalt erweitert und damit die Anfechtungsmöglichkeit neu eröffnet. Es handelte sich nicht lediglich um eine Teilrücknahme der in den unbefristeten Aufenthaltserlaubnissen jeweils verfügten weitergehenden räumlichen Beschränkung. Vielmehr erfolgte die neue räumliche Beschränkung in Anwendung der Nr. 4.1 des Erlasses des Ministeriums des Innern des Landes Sachsen-Anhalt vom 13.01.2006 (42.32-12231-80) der vorsieht, dass nach Ablauf von zwei Jahren die räumliche Beschränkung auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde zu ändern ist und die Wohnsitznahme nunmehr im gesamten Land Sachsen-Anhalt ermöglicht werden soll.

Selbst wenn davon auszugehen sein sollte, dass die Änderung der Wohnsitzbeschränkung die Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsbehelfs nicht neu eröffnete, etwa weil sie gegenüber der ursprünglichen Wohnsitzauflagen eine für die Kläger günstigere Regelung enthält, wäre die Anfechtungsklage dennoch zulässig. Denn die Widerspruchsbehörde ist befugt, auch über einen verfristeten Widerspruch in der Sache zu entscheiden und so die Klagemöglichkeit neu zu eröffnen, soweit nicht ein Verwaltungsakt mit Drittwirkung Gegenstand des Widerspruchs ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO. 17. Aufl, § 70 RdNr. 9, m. w. Nachw.).

2. Die Anfechtungsklage ist auch begründet. Die Wohnsitzauflagen sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Sollen - wie hier - Nebenbestimmungen zu einem Verwaltungsakt durch andere Nebenbestimmungen ersetzt werden, setzt dies voraus, dass - neben den Voraussetzungen für die Rücknahme oder den Widerruf der zu ersetzenden Nebenbestimmung und für die in der nachträglichen Beifügung der neuen Nebenbestimmung liegenden Teilaufhebung (Teilrücknahme oder Teilwiderruf) des Hauptverwaltungsakts - die Voraussetzungen des § 36 VwVfG für die neue Nebenbestimmung vorliegen (vgl. U. Stelkens, VwVfG, 7. Aufl., § 36 RdNr. 48). Dies ist hier nicht der Fall. Die Aufnahme der streitigen - nunmehr auf das Gebiet des Landes Sachsen-Anhalt bezogenen - wohnsitzbeschränkenden Auflagen aus den vom Beklagten angeführten Gründen ist nicht zulässig.

Gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. V. m. § 36 Abs. 1 VwVfG darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden. Nach § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. V. m. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG darf unbeschadet des Abs. 1 ein Verwaltungsakt nach pflichtgemäßem Ermessen mit einer Bestimmung erlassen werden, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird (Auflage).

2.1. Zwar lässt § 23 Abs. 2 Satz 4 AufenthG - abweichend von § 9 Abs. 1 AufenthG - bei nach § 23 Abs. 2 Satz 3 AufenthG erteilten Niederlassungserlaubnissen die Beifügung einer wohnsitzbeschränkenden Auflage ausdrücklich zu. Eine Niederlassungserlaubnis wird gemäß § 23 Abs. 2 Satz 3 AufenthG in den Fällen des § 23 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilt, in denen das Bundesministerium des Innern zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland im Benehmen mit den obersten Landesbehörden angeordnet hat, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufnahmezusage erteilt. Die Vorschrift des § 23 Abs. 2 AufenthG findet für die Kläger, die bereits vor Inkrafttreten des AufenthG im Besitz unbefristeter Aufenthaltserlaubnisse waren, nach Maßgabe der Übergangsvorschrift des § 101 Abs. 1 Satz 2 AufenthG Anwendung. Danach gilt u. a. eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die - wie im Fall der Kläger - in entsprechender Anwendung des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge vom 22.07.1980 (BGBl. I S. 1057) - HumHAG - erteilt worden ist, als Niederlassungserlaubnis nach § 23 Abs. 2 AufenthG fort.

2.2. Die Entscheidung, ob bei Niederlassungserlaubnissen nach § 23 Abs. 2 AufenthG eine darin zugelassene wohnsitzbeschränkende Auflage erteilt wird, liegt indes im pflichtgemäßen Ermessen der Ausländerbehörde. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Ermessenserwägungen, die für die streitigen Wohnsitzauflagen maßgebend waren, fehlerhaft sind, auch wenn sie den geltenden Erlassen des Ministeriums des Innern des Landes Sachsen-Anhalt entsprechen.

2.2.1. Das den Ausländerbehörden in § 23 Abs. 2 Satz 4 AufenthG eingeräumte Ermessen kann zwar durch Verwaltungsvorschriften gebunden werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.01.2008 - 1 C 17.07 -, BVerwGE 130, 148 [151], RdNr. 15) ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn das Ermessen im Einzelfall durch bundeseinheitliche Ländererlasse gelenkt wird und sich die Vorgaben der Erlasse nicht auf einzelne Ausländer, sondern auf Gruppen von Ausländern beziehen. Ein Bedürfnis für eine Wohnsitzbeschränkung kann sich aus dem erwarteten oder befürchteten Verhalten einer Ausländergruppe insgesamt ergeben, ohne dass für jeden Einzelfall geprüft werden muss, ob eine solche Beschränkung gerechtfertigt ist. Die dadurch bewirkte Ermessensbindung geht allerdings nicht so weit, dass wesentlichen Besonderheiten des Einzelfalles nicht mehr Rechnung getragen werden könnten. Das Erfordernis einer individuellen Ermessensentscheidung gebietet es deshalb, die der Behörde bekannten oder erkennbaren Belange des Ausländers von Amts wegen bereits bei der Entscheidung über die Auflagenerteilung zu berücksichtigen und nicht erst in einem nachgelagerten, vom Ausländer einzuleitenden Verfahren auf Streichung oder Änderung der Auflage.

Mit dem Erlass des Ministeriums des Innern des Landes Sachsen-Anhalt vom 13.01.2006 (42.32.12231-82) sollte eine bundeseinheitliche Handhabung von wohnsitzbeschränkenden Auflagen - auch für Inhaber einer Niederlassungserlaubnis nach § 23 Abs. 2 AufenthG, insbesondere bei jüdischen Zuwandern - gewährleist werden. Dieser regelt u. a., dass wohnsitzbeschränkende Auflagen bei Inhabern von Aufenthaltserlaubnissen nach dem 5. Abschnitt des AufenthG und von Niederlassungserlaubnissen nach § 23 Abs. 2 AufenthG erteilt werden, soweit und solange sie Leistungen nach dem SGB II oder XII oder dem AsylbLG beziehen (Ziffer 1). Er bestimmt weiter (Ziffer 4.1) dass die Niederlassungserlaubnis bzw. Aufenthaltserlaubnis mit der zunächst auf zwei Jahre befristeten Auflage versehen wird, dass die Wohnsitznahme nur im Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde gestattet ist, und dass nach Ablauf der Frist bei fortgesetztem Bezug von Sozialleistungen die Wohnsitznahme durch Auflage (von Amts wegen) in Sachsen-Anhalt zu gestatten ist, um die Wohnungsnahme an einem Ort nach Wahl innerhalb des Landes Sachsen-Anhalt zu ermöglichen. Er regelt ferner, unter welchen Voraussetzungen eine solche Auflage gestrichen oder aufgehoben werden kann (Ziffern 2 und 4.4). Mit weiterem Erlass vom 24.08.2008 (42.32.12231-82.0.4) hat das Ministerium des Innern den Erlass vom 13.01.2006 wegen der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.01.2008 (a.a.O.) lediglich in Bezug auf Inhaber von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG eine Streichung der bestehenden Wohnsitzauflagen angeordnet.

2.2.2. Allerdings müssen solche Erlasse, um Grundlage einer Ermessensbindung sein zu können, und die darauf aufbauende Verwaltungspraxis der Behörden mit höherrangigem Recht vereinbar sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.09.1984 - 1 A 4.83 -, BVerwGE 70, 127; VGH BW, Urt. v. 13.02.1984 - 13 S 71/84 -, VBlBW 1984, 248).

a) So müssen ausländerrechtliche Erlasse insbesondere den Vorgaben des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.07.1951 (BGBl 1953 II 559) - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) -, die in Bundesrecht transformiert wurden, genügen.

aa) In Bezug auf wohnsitzbeschränkende Maßnahmen ist insbesondere Art. 26 GFK von Bedeutung. Diese Norm bestimmt, dass jeder vertragsschließende Staat den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in seinem Gebiet befinden, das Recht gewähren wird, dort ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen, vorbehaltlich der Bestimmungen, die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen Anwendung finden. Beschränkungen der Freizügigkeit nach Art. 26 GFK haben zum einen den in der Vorschrift selbst geregelten Grundsatz der Ausländergleichbehandlung zu beachten; zum anderen müssen sie sich, wenn sie an die Inanspruchnahme von Sozialhilfe anknüpfen, auch an Art. 23 GFK messen lassen. Aus dem Zusammenspiel der in Art. 26 GFK gewährten Freizügigkeit mit dem Grundsatz fürsorgerechtlicher Gleichbehandlung in Art. 23 GFK ergibt sich, dass freizügigkeitsbeschränkende Maßnahmen gegenüber Flüchtlingen nicht zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten eingesetzt werden dürfen. Verfolgt die Ausländerbehörde bei der Anordnung von Wohnsitzauflagen derartige fiskalische Ziele, macht sie von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch. Art. 23 GFK verbietet zwar nicht prinzipiell bei aufenthaltsrechtlichen Beschränkungen gegebenenfalls auch am Sozialhilfebezug anzuknüpfen, wenn damit z. B. aus migrationspolitischen Gründen eine Gruppe von Ausländern erfasst werden soll, für die etwa ein besonderer Bedarf an Integrationsmaßnahmen gesehen wird; rechtmäßig ist eine solche die Sozialhilfegewährung nach Art. 23 GFK erfassende Regelung aber nur als Folge einer aus anderen Gründen gerechtfertigten aufenthaltsrechtlichen Beschränkung, nicht als ihr eigentlicher Zweck (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 15.01.2008, a.a.O., RdNr. 19 f.).

bb) Dem Beklagten ist allerdings darin beizupflichten, dass die Kläger keine Flüchtlinge im Sinne der GFK sind. Gemäß Art. 1 Abschnitt A Nr. 2 GFK (i. V. m. Art. 1 Nr. 2 des Zusatzprotokolls vom 31.01.1967) findet im Sinne dieses Abkommens der Begriff "Flüchtling" auf jede Person Anwendung, die aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will; oder die sich als staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will. Diese Voraussetzungen erfüllen die Kläger nicht, da sie die ehemalige Sowjetunion nicht aus den vorgenannten Gründen, sondern im Rahmen eines geregelten Aufnahmeverfahrens verlassen haben.

cc) Die Kläger unterfallen dem Schutz der Regelungen der GFK auch nicht auf Grund § 1 Abs. 1 HumHAG. Nach dieser bis zum 31.12.2004 geltenden Vorschrift genossen Ausländer, die im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen der Bundesrepublik Deutschland auf Grund der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor der Einreise in der Form des Sichtvermerks oder auf Grund einer Übernahmeerklärung nach § 33 Abs. 1 AuslG im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufgenommen wurden, im Geltungsbereich dieses Gesetzes die Rechtsstellung nach den Artikeln 2 bis 34 GFK. Bei Vorliegen der Voraussetzungen dieser Bestimmung entstand mit der Aufnahme kraft Gesetzes die Rechtsstellung nach § 1 Abs. 1 HumHAG; ein Anerkennungs- oder Feststellungsverfahren existierte nicht. Wie sich aus der Bezeichnung des Gesetzes sowie dessen Entstehungsgeschichte und Begründung (vgl. BT-Drs. 8/3752) ergibt, galt das HumHAG nicht allgemein für Ausländer, sondern nur für Flüchtlinge, also für Ausländer, die sich in einer Verfolgungssituation befunden haben - was nicht notwendig die Gefahr politischer Verfolgung (in eigener Person) voraussetzte - oder deren Lage durch ein Flüchtlingsschicksal gekennzeichnet war (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.02.1996 - 9 C 145.95 -, DVBl 1996, 624 [625]; Urt. v. 17.02.1992 - 9 C 77.89 - NVwZ 1993, 187 [188]; VGH BW, Urt. v. 13.07.2011 - 11 S 1413/10 -, DVBl 2011, 1096; vgl. auch BayVGH, Beschl. v. 22.12.2010 - 19 B 09.824 -, Juris).

Die Aufnahme jüdischer Emigranten wie der Kläger erfolgte indes nur auf einer entsprechenden behördlichen Anwendung dieser Rechtsgrundlage und führte nicht dazu, dass sie (kraft Gesetzes) eine Rechtsstellung als Kontingentflüchtlinge im Sinne des § 1 Abs. 1 HumHAG erwarben; denn es ging nicht um die Aufnahme von Verfolgten bzw. Flüchtlingen im Rahmen einer humanitären Hilfsaktion. Die Aufnahme der jüdischen Emigranten aus der Sowjetunion hatte gerade nicht den Zweck, einer Verfolgungssituation oder einem Flüchtlingsschicksal durch eine politische Lösung Rechnung zu tragen. In dem zugrunde liegenden Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 09.01.1991 in Bonn, der Einreise jüdischer Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion "entsprechend" den Vorschriften des HumHAG zuzustimmen, war der Aspekt einer Verfolgungs- oder Flüchtlingssituation überhaupt nicht erwähnt. Dieser Beschluss erfolgte vielmehr vor folgendem Hintergrund, den der VGH BW in dem zitierten Urteil vom 13.07.2011 (a.a.O., RdNr. 27 ff. in Juris) wie folgt dargestellt hat:

"Die Aufnahme jüdischer Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion im Bundesgebiet auf der Grundlage des Beschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz vom 09.01.1991 hatte ihren politischen und gesellschaftlichen Ausgang in Beschlüssen der Regierung der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik im Jahre 1990. Anfang des Jahres 1990 hatte die damalige Regierung der DDR unter dem Eindruck der "Wende" damit begonnen, jüdische Personen aus der Sowjetunion in einem erleichterten Verfahren einreisen zu lassen (Mertens, Alija - Die Emigration der Juden aus der UdSSR/GUS, 2. Aufl., 1993, S. 213 ff.; Weizsäcker, Jüdische Migranten im geltenden deutschen Staatsangehörigkeits- und Ausländerrecht, ZAR; Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Dezember 2003 <Migrationsbericht 2003>, S. 34). Im Rahmen eines Beschlusses vom 11.07.1990 zu vorläufigen Regelungen des Aufenthalts und des Asyls für Ausländer sah der Ministerrat der DDR vor, "zunächst in zu begrenzendem Umfang ausländischen jüdischen Bürgern, denen Verfolgung oder Diskriminierung droht, aus humanitären Gründen Aufenthalt zu gewähren"; für diesen Personenkreis wurden Hilfen in finanzieller Hinsicht und bei der Integration zugesichert (näher 16. Sitzung des Ministerrates vom 11.07.1990 zu Top 17 <Bundesarchiv DC 20/I-3-3021>; Kessler, Jüdische Migration aus der ehemaligen Sowjetunion seit 1990 - unter 2.2 <abrufbar unter www.berlin-judentum.de>; siehe auch BT-Drs. 11/8439 vom 14.11.1990 - Einwanderungsoption für sowjetische Jüdinnen und Juden). Dem vorausgegangen war ein Appell des "Runden Tisches", an dem auch jüdische Vertreter beteiligt waren, an die Regierung, "unabhängig von den geltenden Bestimmungen, den Aufenthalt für jene zu ermöglichen, die sich in der Sowjetunion als Juden diskriminiert und verfolgt sehen" (näher Becker, Ankommen in Deutschland - Einwanderungspolitik als biographische Erfahrung im Migrationsprozess russischer Juden - 2001, S. 44). Während die DDR den jüdischen Immigranten aus der UdSSR ein Bleiberecht zubilligte und die Flüchtlinge formal DDR-Bürgern gleichgestellt waren, erhielten diese Personen in der Bundesrepublik lediglich Duldungen (näher Mertens, a.a.O., S. 215 f.; Weizsäcker, a.a.O., S. 97). Darüber hinaus hatte die westdeutsche Regierung durch entsprechende Anweisung an ihre Auslandvertretungen bei sowjetisch-jüdischen Zuwanderungswilligen eine Art "Aufnahmestopp" verhängt (im Einzelnen Becker, S. 45; Mertens, S. 219). Trotz entsprechender Bemühungen der DDR-Delegationen fand die im Osten praktizierte Aufnahmeregelung keinen Eingang in den Einigungsvertrag (Mertens S. 218 f.). Der faktische Aufnahmestopp für die "Einwanderung" sowjetischer Juden nach dem 03.10.1990 wurde zu einer nationalen und internationalen Belastungsprobe für das wiedervereinigte Deutschland (siehe ausführlich Aktuelle Stunde - Einreise für Juden aus Osteuropa - in der 231. Sitzung des Deutschen Bundestags vom 25.10.1990, Plenarprotokoll S. 18359 ff.; Debatte in der 234. Sitzung des Deutschen Bundestags vom 31.10.1990 zur Einwanderung sowjetischer Juden in die Bundesrepublik Deutschland, Plenarprotokoll S. 18740 ff. sowie der zugrunde liegende Antrag der Fraktion Die Grünen vom 24.10.1990 <BT-Drs. 11/8212>; vgl. auch Mertens, S. 219 ff., Becker, S. 45 ff. sowie S. 50 ff.). Ende des Jahres 1990 einigten sich die Bundesregierung, der Zentralrat der Juden und die Regierungen der Länder schließlich auf eine Fortführung einer Aufnahme (Weizsäcker, a.a.O., S. 97; Migrationsbericht 2003, S. 34 und Migrationsbericht 2008, 112; Kessler, a.a.O.).

Mit der Aufnahme jüdischer Zuwanderer sollte die Verantwortung Deutschlands für das gegenüber Juden begangene Unrecht dokumentiert und ein Beitrag zur "Wiedergutmachung" geleistet werden. Vor allem aber verfolgte sie den Zweck, die wenigen, überalterten jüdischen Gemeinden in Deutschland zu erhalten und zu stärken. Eine weitere Überlegung war, dass es infolgedessen zu einer Revitalisierung des jüdischen Elements im deutschen Kultur- und Geistesleben kommen würde. Keine entscheidende Rolle spielte hingegen der Umstand, dass es damals - letztlich ebenfalls begünstigt durch den Einfluss der Reformpolitik - vermehrt zu antisemitischen Handlungen gegenüber Juden in der ehemaligen UdSSR gekommen war. Zwar wurde in der politischen Debatte die Lage der Juden in der Sowjetunion als "bedrückend" beschrieben, und es wurden Beispiele für "Benachteiligungen" und "Schmähungen" genannt (vgl. etwa die Redebeiträge in der o.g. Debatte der 234. Sitzung; auch Kessler, a.a.O. unter 2.1). Die Bundesregierung betonte 1990/91 aber ausdrücklich, dass die sowjetische Führung inzwischen aktiv gegen antisemitische Übergriffe vorgehe und es bei einer Aufnahme nicht um den Schutz vor - politischer - Verfolgung gehe (siehe im Einzelnen zur damaligen politischen Motivation vor allem BT-Drs. 11/8439 vom 14.11.1990, S. 2 ff.; Ausführungen des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesinnenministerium Waffenschmidt in der Aktuellen Stunden der 231. Sitzung des Deutschen Bundestags, a.a.O., S. 18363 f., Weizsäcker, a.a.O., S. 97; Hochreuter, Zuwanderung als Wiedergutmachung?, NVwZ 2000, 1376; Rüßler, Berufliche Integrationsprobleme hochqualifizierter Zuwanderer, ZAR 2000, 268, 269.)..."

Auch bei der letztlich auf Anweisungen des Bundesministeriums des Innern zurückgehenden konkreten Ausgestaltung des Aufnahmeverfahrens spielte dieser Gesichtspunkt keine Rolle; vielmehr betonte der Bundesminister des Inneren sogar ausdrücklich, dass die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung des Kontingentflüchtlingsgesetzes hinsichtlich einer Aufnahme jüdischer Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion nicht vorlagen (vgl. VGH BW, Urt. v. 13.07.2011, a.a.O., m.w.N.)

dd) Der Umstand, dass die entsprechend § 1 HumHAG aufgenommenen jüdischen Emigranten nicht die Rechtsstellung von Flüchtlingen haben, bedeutet allerdings nicht, dass sie in Bezug auf die Freizügigkeit anders behandelt werden dürfen als Flüchtlinge. Dabei kann offen bleiben, ob mit dem VGH BW (a.a.O.) eine Rechtsstellung "sui generis" aufgrund der Aufnahmezusage durch Verwaltungsakt angenommen werden kann, und ob daraus folgt, dass deren Inhaber in jeder Hinsicht nach den für Flüchtlinge geltenden Grundsätzen behandelt werden müssen.

Die Behörden müssen bei ihren Ermessensentscheidungen und bei Schaffung ermessenslenkender Vorgaben auch die übergreifend für die gesamte Rechtsordnung wirksamen verfassungsrechtlichen Anforderungen beachten; dazu gehören u. a. die Grundrechte, insbesondere Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.09.1989 - 6 A 5.88 -, Buchholz 260 § 1 BRKG Nr. 1; Beschl. v. 26.02.1992 - 3 B 86.91 -, IFLA 1992, 116; Sachs, a.a.O., § 40 RdNr. 83 ff.). Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet u. a., eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten nicht anders zu behandeln, wenn zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG, Beschl. v. 07.10.1980 - 1 BvL 50/79, 1 BvR 240/79 -, BVerfGE 55, 72 [88]; BVerwG, Urt. v. 26.01.2006 - 2 C 43.04 -, BVerwGE 125, 79 [82]). Bei der Prüfung der ungleichen Behandlung von Personengruppen besteht eine strenge Bindung, die umso enger ist, je mehr sich die personenbezogenen Merkmale den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten annähern und je stärker sich die Ungleichbehandlung der Personen auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. (BVerfG, Beschl. v. 06.07.2004 - 1 BvL 4.97 -, BVerfGE 111, 160 [169]). Bei wohnsitzbeschränkenden Auflagen für im Bundesgebiet lebende Ausländer ist das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG betroffen. Ein Ausländer kann das Recht, sich an einem Ort ständig niederzulassen und ihn zum Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse zu machen, zwar nicht aus Art. 11 GG, aber aus Art. 2 Abs. 1 GG herleiten, wobei der daraus folgende Schutz jedoch nur in dem durch Art. 2 Abs. 1 GG gezogenen Rahmen, insbesondere nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet ist (BVerfG, Beschl. v. 03.07.2001 - 2 BvR 1022/01 -, Juris).

Zwischen der Gruppe der Flüchtlinge und der Gruppe der jüdischen Einwanderer, denen in entsprechender Anwendung des § 1 Abs. 3 HumHAG unbefristete Aufenthaltserlaubnisse erteilt wurden, bestehen keine Unterschiede von solchem Gewicht, die eine ungleiche Behandlung bei der Anordnung wohnsitzbeschränkender Auflagen rechtfertigen könnten.

Den verwaltungsbehördlichen Erlassen, auf denen die Ermessensentscheidung des Beklagten beruht, liegen allein fiskalische Erwägungen zugrunde. In dem Erlass des Ministeriums des Innern des Landes Sachsen-Anhalt vom 13.01.2006, der nach Absprache der Ausländerreferenten der Länder eine bundeseinheitliche Verfahrensweise gewährleisten soll, wird der Grundsatz aufgestellt, dass wohnsitzbeschränkende Auflagen erteilt und aufrechterhalten werden bei Inhabern von Aufenthaltserlaubnissen nach dem 5. Abschnitt des AufenthG und von Niederlassungserlaubnissen nach § 23 Abs. 2 AufenthG, soweit und solange sie Leistungen nach dem SBG II oder XII oder dem AsylbLG beziehen. Im nachfolgenden Erlass vom 24.04.2008 wird dieser Grundsatz für diesen Personenkreis mit Ausnahme der Inhaber von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG aufrechterhalten. Allein der Umstand, dass die Ausländerbehörden bei Flüchtlingen wegen der Vorgaben der Art. 23, 26 GFK gezwungen sind, auf die Beifügung wohnsitzbeschränkender Auflagen aus fiskalischen Gründen zu verzichten, reicht als zulässiges Unterscheidungskriterium nicht aus.

Bei den Aufenthaltstiteln des 5. Abschnitts des AufenthG - und damit auch bei Inhabern von Niederlassungserlaubnissen nach § 23 Abs. 2 AufenthG - ist die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts und damit der Bezug von Leistungen nach dem SGB II oder XII oder dem AsylbLG kein (Regel-)Versagungsgrund (vgl. § 5 Abs. 3 AufenthG). Dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 26 wird dann Rechnung getragen, wenn die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des 5. Abschnitts in gleicher Weise auf Flüchtlinge wie auf alle anderen dort erfassten Ausländer angewandt wird; in diesem Rahmen kommt eine Beschränkung von Wohnsitzauflagen auf Bezieher von Leistungen aus Sozialhilfemitteln nur dann in Betracht, wenn mit den Auflagen migrationspolitische und nicht fiskalische Ziele verfolgt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.01.2008, a.a.O., RdNr. 23). Der Senat vermag nicht zu erkennen, weshalb für das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG ein weniger strenger Maßstab zu gelten hätte. Auch in anderen Bereichen staatlichen Handelns reichen allein fiskalische Gründe in der Regel nicht aus, um eine differenzierende Behandlung verschiedener Personengruppen ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 31.01.1996 - 2 BvL 39/93, 2 BvL 40/93 -, BVerfGE 93, 386 [402]). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Staat den mit der Regelung verfolgten Zweck auch auf andere, die Betroffenen weniger belastende Weise erreichen kann. So ließe sich hier die mit den wohnsitzbeschränkenden Auflagen bezweckte gerechte Lastenverteilung auf die Länder auch durch entsprechende Ausgleichzahlungen zwischen den Ländern erreichen, ohne dass den Betroffenen auf Dauer Beschränkungen der Freizügigkeit auferlegt werden müssten.

Auch wenn der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht fordern sollte, dass sämtliche der im 5. Abschnitt des AufenthG aufgeführten Gruppen von Ausländern in Bezug auf die Freizügigkeit gleich zu behandeln sind, scheidet jedenfalls eine schlechtere Behandlung der entsprechend § 1 HumHAG aufgenommenen jüdischen Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion gegenüber Inhabern von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG allein aus fiskalischen Gründen aus. Die Emigranten verfügen über einen Aufenthaltstitel, der - wie in den Fällen des § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) - unabhängig von der Sicherung des Lebensunterhalts erteilt wurde. Zudem sind die ihnen erteilten Aufenthaltstitel - im Gegensatz zu den Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG - sogar unbefristet und unterliegen nicht der für Asylberechtigte und Flüchtlinge nach Maßgabe des § 52 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG zugelassenen Widerrufsmöglichkeit bei Erlöschen oder Unwirksamwerden der Anerkennung als Asylberechtigter oder der Rechtsstellung als Flüchtling. Gerade vor dem Hintergrund, dass den jüdischen Einwanderern - aus Gründen der Wiedergutmachung der an den Juden in der Zeit des Nationalsozialismus begangenen Verbrechen - auf Dauer ein gesicherter Aufenthalt im Bundesgebiet ermöglicht werden sollte, erscheint es dem Senat nicht hinnehmbar, diese Ausländergruppe in Bezug auf die Freizügigkeit allein aus fiskalischen Gründen schlechter zu behandeln als Flüchtlinge.

Eine ungleiche Behandlung der beiden Gruppen von Ausländern lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass der Gesetzgeber mit § 23 Abs. 2 Satz 4 AufenthG eine Regelung geschaffen hat, die nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 07.02.2003 (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 78) dazu dienen sollte, die bisherige Praxis der Beifügung einer wohnsitzbeschränkenden Auflage bei Sozialhilfebezug aus Gründen der gerechten Lastenverteilung auf die Länder beizubehalten. Der Umstand, dass die Bundesregierung offenbar davon ausgegangen ist, dass der Bezug von Sozialhilfe in der Regel genügt, um eine Wohnsitzauflage ermessensfehlerfrei anordnen zu können, führt nicht dazu, dass bei der Aufstellung ermessenslenkender Vorschriften und der Ausübung des Ermessens nach § 23 Abs. 2 Satz 4 AufenthG höherrangiges Recht, insbesondere die verfassungsrechtlichen Anforderungen außer Acht gelassen werden könnten. Bedient sich ein Gesetz eines inhaltlich nicht näher bestimmten Ermessensbegriffs, um einen bestimmten Gesetzeszweck zu verfolgen, ist davon auszugehen, dass es von vornherein Ermessen nur in den Grenzen einräumen will, wie sie auch sonst durch die rechtsstaatliche Ordnung des Grundgesetzes dem behördlichen Ermessen gezogen sind: es darf von vornherein nur pflichtgemäß im Sinne des jeweiligen Gesetzeszwecks und im Einklang mit verfassungsrechtlichen Anforderungen gehandhabt werden. Mithin darf eine solche Ermessensnorm von vornherein nur im verfassungsmäßigen Sinn verstanden werden; sie kann nur in diesen Grenzen zur Ermessensbetätigung ermächtigen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.06.1980 - 1 PBvU 1/79 -, BVerfGE 54, 277 [300]). Es kann auch nicht davon gesprochen werden, dass der Zweck des § 23 Abs. 2 Satz 4 AufenthG nicht (mehr) erreicht werden kann, wenn wohnsitzbeschränkende Auflagen aus fiskalischen Gründen den Niederlassungserlaubnissen nicht beigefügt werden dürfen. Insoweit kann nicht allein auf die Gesetzesbegründung abgestellt werden. Für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung kommt es in erster Linie auf den objektivierten Willen des Gesetzgebers an; der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den anderen Grundsätzen erhaltenen Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die anderweit nicht ausgeräumt werden können (vgl. BVerfGE, Urt. v. 21.05.1952 - 2 BvH 2/52 -, BVerfGE 1, 299 [312]; BVerwG, Urt. v. 22.08.2000 - 1 C 9.00 -, DVBl. 2001, 136 [137]). Ist es verfassungsrechtlich geboten, eine Norm in bestimmter Weise auszulegen, und steht diese Auslegung auch in Einklang mit dem Wortlaut der Norm, kommt danach der Gesetzesbegründung keine entscheidende Bedeutung mehr zu. Die Vorschrift des § 23 Abs. 2 Satz 4 AufenthG verliert mit der vom Senat vorgenommenen Auslegung auch nicht ihren Sinn. Für die Anordnung wohnsitzbeschränkender Auflagen aus migrationspolitischen Gründen bleibt auch im Rahmen des § 23 Abs. 2 Satz 4 AufenthG weiterhin Raum.

3. Der Bescheid vom 12.01.2007, mit dem der Beklagte eine Änderung oder Streichung der Wohnsitzauflagen ablehnte, war aus Gründen der Klarstellung ebenfalls aufzuheben.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und über die Abwendungsbefugnis ergeben sich aus § 167 VwGO i. V. m den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

III. Der Senat lässt die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu. Ein Revisionsverfahren kann zur Klärung der Rechtsfrage beitragen, ob gegenüber jüdischen Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion, die in entsprechender Anwendung des HumHAG Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland gefunden haben, freizügigkeitsbeschränkende Maßnahmen getroffen werden können.

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