LG Magdeburg, Urteil vom 16.10.2018 - 2 S 37/18
Fundstelle
openJur 2020, 28787
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Magdeburg vom 20.12.2017 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil und das des Amtsgerichts vom 20.12.2017 sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 720 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger macht einen Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete geltend.

Die Beklagte schloss mit dem Rechtsvorgänger des Klägers einen seit 1.4.2014 geltenden Mietvertrag. Es war ein Grundmietzins von 300 € (3,80 €/qm) zu zahlen.

Mit Schreiben vom 19.1.2017 verlangte die B GmbH & Co.KG die Zustimmung zur Erhöhung der Grundmiete um 60 € auf 360 €/monatlich (4,56 €/qm). Zur Begründung bezog sie sich auf den Mietspiegel für die Landeshauptstadt Magdeburg aus dem Jahr 1998 und bot die Einsichtnahme in diesen an. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben (Bl. 14) Bezug genommen.

Die Beklagte stimmte der Mieterhöhung nicht zu.

Der Kläger hat behauptet, der Beklagten sei aus vorangegangenem Schriftwechsel bekannt, dass er der neue Eigentümer/Vermieter und die B GmbH & Co. KG die neue Verwalterin der Wohnung seien. Er hat das Mieterhöhungsverlangen für zulässig gehalten und behauptet, der verlangte Mietzins sei ortsüblich und angemessen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, der Erhöhung der Grundmiete für die Wohnung A-Straße 60, 03/VH, ... Magdeburg von bisher monatlich 300 € auf 360  € mit Wirkung ab dem 1.4.2017 zuzustimmen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat das Mieterhöhungsverlangen für unwirksam gehalten und gemeint, dem Mieterhöhungsverlangen fehle jeglicher Hinweis auf den tatsächlichen Eigentümer bzw. Vermieter. Es könne auch nicht mit dem fast 20 Jahre alten Mietspiegel begründet werden. Der Mietspiegel von 1998 sei bewusst aus dem Verkehr gezogen worden. Die Landeshauptstadt Magdeburg erkenne ihn nicht mehr an, veröffentliche ihn nicht mehr und bekenne sich im Ergebnis auch nicht mehr zu ihm.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Mieterhöhungsverlangen sei formell unwirksam. Der Mietspiegel aus dem Jahr 1998 könne nicht mehr zur Begründung des Mieterhöhungsverlangens herangezogen werden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil Bezug genommen.

Das Urteil wurde dem Kläger zu Händen seines Bevollmächtigten am 16.1.2018 zugestellt. Mit am 23.1.2018 eingegangenem Schriftsatz legte der Kläger Berufung ein und begründete diese sogleich.

Der Kläger meint, das Amtsgericht habe den Unterschied zwischen einfachem und qualifiziertem Mietspiegel ignoriert, gesetzliche Vorschriften übersehen und die BGH-Rechtsprechung falsch gewertet und hält das Mieterhöhungsverlangen nach wie vor für zulässig.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Magdeburg vom 20.12.2017, Geschäftsnummer 150 C 826/17, die Beklagte zu verurteilen, der Erhöhung der Grundmiete für die Wohnung A-Straße 60, 03/VH, ... Magdeburg von bisher 300 € auf 360  € mit Wirkung ab dem 1.4.2017 zuzustimmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

Sie ist jedoch unbegründet.

Zu Recht hat das Amtsgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, es liege kein formell ordnungsgemäßes Mieterhöhungsverlangen vor. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

Zwar ist es richtig, dass § 558 a Abs. 4 S. 2 BGB u. a. die Verwendung eines veralteten Mietspiegels zulässt, wenn in dem Zeitpunkt des Erhöhungsverlangens kein Mietspiegel vorhanden ist, bei dem § 558 c Abs. 3 oder § 558 d Abs. 2 eingehalten wurde (also kein einfacher oder qualifizierter aktualisierter Mietspiegel).

Bei der Frage, ob für ein Mieterhöhungsverlangen im Jahr 2017 auch ein Mietspiegel aus dem Jahr 1998 herangezogen werden kann, ist indes auf Sinn und Zweck des in § 558 a BGB normierten Begründungserfordernisses abzustellen.

Der BGH hat mit Urteil vom 13.11.2013, VIII ZR 413/12, hierzu ausgeführt:

"Gemäß § 558a Abs. 1 BGB ist das Erhöhungsverlangen dem Mieter zu erklären und zu begründen. Die Begründung soll dem Mieter die Möglichkeit geben, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen, um überflüssige Prozesse zu vermeiden (Senatsurteil vom 12. Juli 2006 - VIII ZR 215/05, WuM 2006, 569 unter II 1 b). Hierfür ist erforderlich, dass die Begründung dem Mieter konkrete Hinweise auf die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens gibt, damit er während der Überlegungsfrist die Berechtigung der Mieterhöhung überprüfen und sich darüber schlüssig werden kann, ob er dem Erhöhungsverlangen zustimmt oder nicht. Dabei dürfen an das Begründungserfordernis im Hinblick auf das Grundrecht des Vermieters aus Art. 14 GG zwar keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (vgl. insoweit BVerfGE 49, 244, 249 f.; Senatsurteil vom 12. November 2003 - VIII ZR 52/03, NJW 2004, 1379 unter II 2 b - noch zu § 2 Abs. 2 MHG). Allerdings muss das Erhöhungsverlangen - in formeller Hinsicht - Angaben über die Tatsachen enthalten, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleitet, und zwar in dem Umfang, wie der Mieter solche Angaben benötigt, um der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachgehen und diese zumindest ansatzweise überprüfen zu können (Senatsurteil vom 12. Dezember 2007 - VIII ZR 11/07, NJW 2008, 573Rn. 12 mwN)."

Soll also die Begründung eine Entscheidung über das Zustimmungsverlangen ermöglichen und hierzu Tatsachen vermitteln, aus denen der Mieter auf die Berechtigung des Verlangens schließen kann, so kann hierzu nicht ein fast 20 Jahre alter Mietspiegel herangezogen werden. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel handelt, da die in ihm abgebildeten Tatsachen überholt sind und keine Rückschlüsse auf die zum Zeitpunkt des Mieterhöhungsverlangens aktuell gezahlten Mieten zulassen. Selbst wenn der einfache Mietspiegel die als üblichen Mieten nicht genau wiederspiegeln sollte, ist er doch ein Plausibilitätsaspekt bei dem Mieter, wenn er ansatzweise zeitnah erstellt wurde. Damit wird dem Mieter die Entscheidungsgrundlage, die die Begründung des Mieterhöhungsverlangens vermitteln soll, vorenthalten. Die Bezugnahme auf den nahezu 20 Jahre alten Mietspiegel ist mithin nur eine Scheinbegründung. Ließe man sie zu, wäre es gleichbedeutend damit, für die formelle Wirksamkeit eines Mieterhöhungsverlangens keinerlei Begründung zu verlangen. Das hat der Gesetzgeber, wie aus dem gesetzlich normierten Begründungserfordernis zu ersehen ist, ersichtlich nicht gewollt.

Die Entscheidung des BGH vom 6.7.2011, VIII ZR 337/10, steht dem nicht entgegen. Sie befasst sich mit einem Fall, in dem das Mieterhöhungsverlangen auf der Basis des alten und wenige Tage nach Veröffentlichung des aktualisierten Mietspiegels ausgesprochen wurde. Diese Situation ist nicht vergleichbar mit der hier vorliegenden, bei der aufgrund des großen vergangenen Zeitraumes wesentliche Änderungen der Mietstruktur wahrscheinlich sind.

Die Frage, wie alt ein Mietspiegel sein darf, um noch zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens herangezogen werden zu können, bedarf hier keiner Entscheidung, da jedenfalls ein nahezu 20 Jahre alter Mietspiegel zu alt ist.

Das unwirksame Mieterhöhungsverlangen führt dazu, dass die Klage als unzulässig abzuweisen ist (vgl. BGH, Urteil vom 13.11.2013, VIII ZR 413/12, Rdn. 13 - zitiert nach juris).

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, da es von grundsätzlicher Bedeutung ist, ob ein Mietspiegel, der, wie hier, 20 Jahre alt ist, zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens herangezogen werden kann.

Der nicht nachgelassen Schriftsatz des Klägers vom 05.10.2018 gab keine Veranlassung, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten.

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