LG Stendal, Beschluss vom 08.07.2015 - 509 StVK 91/15
Fundstelle
openJur 2020, 28748
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 23.2.2015 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Der Antragssteller hat die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen zu tragen.

Der Streitwert wird auf bis 500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin die Aufstellung von Telefonkabinen.

Der Antragsteller befindet sich in Haft in der JVA BB. Er ist derzeit im Wohngruppenvollzug untergebracht. Ihm wurde von der Antragsgegnerin die Möglichkeit zum Telefonieren eingeräumt. Im Wohngruppenvollzug besteht die Möglichkeit, in der Zeit von 6.00 Uhr bis 21.00 Uhr zu telefonieren. Dabei stehen den Gefangenen zwei Telefone zur Verfügung, die sich außerhalb der Wohnbereiche befinden und an Orten aufgestellt sind, die grundsätzlich nicht ständig von Gefangenen frequentiert werden.

Mit Schreiben vom 14.7.2014 beantragte der Antragsteller die Aufstellung von Telefonzellen in der Anstalt. Wörtlich führte er Folgendes aus: "Hiermit beantrage ich das Aufstellen von Telefonzellen zum Schutz vor dem Mithören Dritter; Art. 2 GG: "Das Grundrecht schützt generell gegen das heimliche Mitschneiden von Telefongesprächen, auch geschäftlicher Natur, und gegen das Mithörenlassen Dritter bei Telefongesprächen (BVerfGE 106, 28/39f; BGH, NJW 03, 127f; BAGE 87, 31/39)."

Mit Bescheid vom 18.2.2015 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab. Hierin führte sie unter anderem aus, Bl. 47 d.A.:

"Bei der Konzipierung der Anstalt waren keine geschlossenen Telefonzellen vorgesehen. Für die etwaige Nachrüstung stehen dem Land Sachsen-Anhalt zurzeit keine Haushaltsmittel zur Verfügung. Weiterhin verweise ich auf die allgemeinen Lebensbedingungen in der Freiheit. An öffentlichen Plätzen, wie an Bahnhöfen oder Flughäfen, ist es weithin üblich, dass vorhabende öffentliche Telefone freistehend aufgestellt werden ohne eine Art der Abschirmung. Die Fernsprecher auf den Stationen sind an Standpunkten aufgestellt, die grundsätzlich nicht ständig durch Gefangene frequentiert werden. Die Entfernung zu den Wohnbereichen ist ausreichend groß, so dass ein verdecktes Mithören von Gefangenen ausgeschlossen ist. Von einer Grundrechtsverletzung des Fernmeldegeheimnisses kann nicht ausgegangen werden, wenn Mitgefangene im Vorbeigehen Teile des Gespräches akustisch wahrnehmen könnten."

Gegen die Weigerung der Antragsgegnerin zur Aufstellung von abgeschirmten Telefonkabinen wehrt sich der Antragsteller mit seinem Antrag vom 23.2.2015, nachdem sein ursprünglicher Untätigkeitsantrag vom 13.11.2014 (Bl. 31-32 d.A.) zwischenzeitlich beschieden worden war. Er ist der Ansicht, er hätte aus Gründen der Vertraulichkeit seiner Telefongespräche einen Anspruch auf Aufstellung von Telefonkabinen. Es sei nicht ausreichend, dass die bereitgestellten Telefone sich in wenig frequentierten Bereichen außerhalb des Wohnbereichs befänden und dass Dritte lediglich im Vorbeigehen einzelne Worte des Telefonats mithören könnten. Insbesondere bestehe die Möglichkeit, dass zwei Gefangene gleichzeitig telefonieren könnten. Darüber hinaus bestehe ein Schutz gegen das Mitschneiden von Telefongesprächen. Für ihn sei nicht nachvollziehbar, wieso bei einzelnen Gesprächen ein Mithören durch die Antragsgegnerin zur Feststellung des Gesprächspartners ermöglicht sei.

Der Antragsteller beantragt wörtlich,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Bescheid vom 19.2.2015 aufzuheben und das Aufstellen von Telefonkabinen zur Einhaltung des Art. 2 GG anzuordnen bzw. zu veranlassen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag als unbegründet zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Aufstellung abgeschirmter Telefonkabinen. Es würden keine Ton- oder Bildaufnahmen von den Gesprächen angefertigt werden. Soweit durch Mitgefangene im Vorbeigehen einzelne Worte des Telefonats mitgehört werden könnten, sei darin keine Grundrechtsverletzung zu sehen. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 18.2.2015, Bl. 44 d.A., Bezug genommen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten in der Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

Der Antragsteller hat keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Aufstellung von abgeschirmten Telefonkabinen. Eine Anspruchsgrundlage bietet ihm hierfür weder die Regelung des § 32 StVollzG noch das sich aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ableitende Allgemeine Persönlichkeitsrecht.

Gemäß § 32 S.1 StVollzG kann dem Gefangenen gestattet werden, Ferngespräche zu führen. Der Anstalt steht damit ein Ermessen bei der Frage zu, ob einem Gefangenen die Möglichkeit zu Ferngesprächen einzuräumen ist oder nicht. Zwar hat die Anstalt im Falle einer solchen Einräumung auch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des jeweiligen Gefangenen nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zu achten, insbesondere in seinen Ausgestaltungen als "Recht auf Selbstbewahrung" und als "informationelles Selbstbestimmungsrecht". Als Recht der Selbstbewahrung verbürgt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht dem einzelnen, sich zurückzuziehen, sich abzuschirmen und allein für sich zu bleiben. Dabei geht es um das Recht des Grundrechtsträgers, im weitesten Sinne in Ruhe gelassen zu werden, um den Schutz der Privatsphäre (BVerfGE 90, 255 (260)), um die "personale Identität", sein Recht auf Selbstfindung im Alleinsein und in enger Beziehung zu ausgewählten Vertrauten. Zwar ist vom Antragsteller nicht vorgetragen und auch nicht erkennbar, dass einzelne Gespräche aufgrund einer Berührung des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung einen zwingenden Schutz der Gesprächsinhalte vor staatlicher Kenntnisnahme - etwa durch die zufällige Gegenwart von Vollzugsbediensteten - gebieten würden. Jedoch ist davon auszugehen, dass genehmigte Telefongespräche von Gefangenen, die auch in ihrem Charakter als Wiedereingliederungsmaßnahme gemäß § 23 S.2 StVollzG grundsätzlich zu fördern sind, den Bereich der Privatsphäre des Gefangenen berühren können. Daher ist - vorbehaltlich der in § 32 S. 3 und 4 StVollzG geregelten Überwachungsmöglichkeiten - im Falle genehmigter Telefonate auch einem Gefangenen grundsätzlich die adäquate Möglichkeit von Telefonaten mit privaten Inhalten einzuräumen, etwa bei Gesprächen mit Verwandten. So wäre es etwa unangebracht, den Gefangenen zum Telefonieren auf den Wohnbereich zu verweisen, wo sich bestimmungsgemäß andere Gefangene aufzuhalten pflegen und die ungestörte Kommunikation am Telefon nicht mehr gewährleistet wäre. Dem ist die Antragsgegnerin jedoch dadurch hinreichend begegnet, dass sie die Telefone aus dem Wohnbereich ausgelagert und eine Entfernung hierzu gewahrt hat, so dass ein verdecktes Mithören von Gefangenen ausgeschlossen ist. Dies erscheint unter den gegebenen Umständen ausreichend. Ein Recht darauf, dass das Telefon sich in einem baulich vollständig abgeschirmten Bereich befindet, gebietet das Recht auf Selbstbewahrung des Gefangenen nicht. Dementsprechend kann die Anstalt auch nicht zur Einrichtung von Telefonkabinen gezwungen werden (Feest, StVollzG, 5. Aufl., § 32 StVollzG, Rn. 2). Sofern der Antragsteller anführt, dass auch zwei Gefangene gleichzeitig telefonieren könnten, ist es ihm zumuten, sich bei Gesprächen mit vertraulichem Inhalt, die er nach freier Wahl zwischen 6.00 Uhr und 21.00 Uhr führen kann, mit den anderen Gefangenen des Wohngruppenbereiches im Einzelfall zu arrangieren, um eine solche zeitgleiche Nutzung auszuschließen.

Soweit der Antragsteller darüber hinaus anführt, dass Gespräche mitgeschnitten würden und er sich damit in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung verletzt fühlt, finden sich hierzu keinerlei Anhaltspunkte. Eine Überwachung von Telefonaten kann unter den Voraussetzungen von § 32 S.3 und 4 StVollzG erfolgen, wenn sie im Einzelfall erforderlich ist. Ist eine solche Überwachung der fernmündlichen Unterhaltung erforderlich, so ist die beabsichtigte Überwachung dem Gesprächspartner des Gefangenen unmittelbar nach Herstellung der Verbindung durch die Vollzugsbehörde oder den Gefangenen mitzuteilen. Der Gefangene ist rechtzeitig vor Beginn der fernmündlichen Unterhaltung über die beabsichtigte Überwachung und die Mitteilungspflicht nach Satz 3 zu unterrichten. Eine solche Überwachung hat jedoch nichts mit dem Begehren des Antragstellers auf Aufstellung von abgeschirmten Telefonkabinen zu tun. Soweit der Antragsteller mit Schriftsatz vom 25.5.2015 (Bl. 25-26 d.A.) anführt, seine Telefongespräche würden von der Antragsgegnerin überwacht werden, ist für das Gericht nicht ersichtlich, inwiefern die begehrte Aufstellung von Telefonkabinen dem entgegenwirken würde. Auch bei Errichtung von abgeschirmten Telefonkabinen stünde der Antragsgegnerin bei Erforderlichkeit nach § 32 S.3 und 4 StVollzG die Möglichkeit der Überwachung zu. Soweit der Antragsteller außerdem anführt, dass eine Aufzeichnung von Telefongesprächen unzulässig sei, finden sich für eine solche Aufzeichnung - auch durch Dritte - keinerlei Anhaltspunkte.

Nach alledem hat der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch auf Errichtung abgeschirmter Telefonkabinen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 StVollzG. Der Streitwert war gemäß §§ 52, 60 GKG festzusetzen.

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