OLG Naumburg, Beschluss vom 09.10.2018 - 8 UF 102/18 (EAO)
Fundstelle
openJur 2020, 28609
  • Rkr:

Rückführung eines minderjährigen Kindes in die Ukraine nach dem HKÜ.

Tenor

I.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen die am 24. August 2018 verkündete einstweilige Anordnung des Amtsgerichts - Familiengerichts - Naumburg wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor der einstweiligen Anordnung zur Klarstellung wie folgt neu gefasst wird:

1.

Die Beteiligte zu 2 wird verpflichtet, das (am 17.Oktober 2011 geb.) Kind K. R. innerhalb von 2 Wochen ab der Zustellung des Beschlusses des Senats in die Ukraine zurückzuführen.

2.

Kommt die Beteiligte zu 2 der Verpflichtung gemäß Nr. 1 nicht innerhalb von 2 Wochen ab der Zustellung des Beschlusses des Senats nach, so ist sie oder jede andere Person, bei der sich das Kind aufhält, verpflichtet, das (am 17. Oktober 2011 geb.) Kind K. R. an den Beteiligten zu 3 oder eine von diesem bestimmte Person zum Zwecke der Rückführung in die Ukraine herauszugeben.

3.

a) Bei schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die sich aus Nr. 2 ergebenden Verpflichtungen kann das Gericht gegenüber der oder dem Verpflichteten ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von EUR 25.000 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten anordnen. Verspricht die Anordnung eines Ordnungsgelds keinen Erfolg, kann das Gericht Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten anordnen. Die Festsetzung eines Ordnungsmittels unterbleibt, wenn die oder der Verpflichtete Gründe vorträgt, aus denen sich ergibt, dass sie oder er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat.

b) Außerdem wird zur Vollstreckung von Nr. 2 angeordnet:

Der Gerichtsvollzieher wird beauftragt und ermächtigt, das (am 17. Oktober 2011 geb.) Kind K. R. der Beteiligten zu 2 oder jeder anderen Person, bei der sich das Kind aufhält, wegzunehmen und es an den Beteiligten zu 3 oder eine von diesem bestimmte Person an Ort und Stelle herauszugeben;

Der Gerichtsvollzieher wird beauftragt und ermächtigt, zur Durchsetzung dieser Anordnung unmittelbaren Zwang gegen die Beteiligte zu 2 oder jede zur Herausgabe verpflichtete Person und erforderlichenfalls auch gegen das Kind anzuwenden;

der Gerichtsvollzieher wird zum Betreten und zur Durchsuchung der Wohnung der Beteiligten zu 2 und der Wohnung jeder anderen Person, bei der sich das Kind aufhält, ermächtigt;

der Gerichtsvollzieher wird ermächtigt, die vorgenannten Vollstreckungsmaßnahmen auch zur Nachtzeit sowie an Sonn- und Feiertagen vorzunehmen;

Der Gerichtsvollzieher wird zur Hinzuziehung polizeilicher Vollzugsorgane ermächtigt.

4.

Die Beteiligte zu 2 trägt die Rückführungs- und Vollstreckungskosten.

5.

Das Jugendamt der Stadt H. ist verpflichtet,

Vorkehrungen zur Gewährleistung der sicheren Herausgabe des Kindes an den Beteiligten zu 3 zu treffen,

das Kind zur Vollstreckung der Herausgabe gegebenenfalls vorläufig bis zur Rückführung in die Obhut einer für geeignet befundenen Einrichtung oder Person zu geben.

II.

Die Beteiligte zu 2 trägt die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens; außergerichtliche Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden, abgesehen von denjenigen des Beteiligten zu 1, nicht erstattet.

Die Beteiligte zu 2 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Beschwerdewert beträgt EUR 1.500.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 2 beschwert sich gegen eine einstweilige Anordnung des Familiengerichts, mit dem sie zur Rückgabe ihres Kindes nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) verpflichtet worden ist.

Die (am 15.10.1981 geb.) Beteiligte zu 2 ist ukrainische Staatsbürgerin russischer Volkszugehörigkeit und lebt in Deutschland, wo sie studiert. Der (am 12.03.1971 geb.) Beteiligte zu 3 ist deutscher Staatsbürger und lebt in der Ukraine; er ist promovierter Historiker und freischaffender Künstler. Nachdem die Beteiligten zu 2 und 3 eine nichteheliche Lebensgemeinschaft miteinander aufgenommen hatten und nach ul. D 66-1, P. /Ukraine, übergesiedelt waren, wo sie in einem Haus der Beteiligten zu 2 lebten - in dem der Beteiligte zu 3 heute noch wohnt -, ging aus ihrer Lebensgemeinschaft

das (am 17.10.2011 geb.) Kind K.

hervor, das die ukrainische Staatsbürgerschaft besitzt und um das es im vorliegenden Kindesherausgabeverfahren nach dem HKÜ geht. Die Beteiligten zu 2 und 3 wurden nach dem maßgebenden ukrainischen Recht Inhaber der gemeinsamen elterlichen Sorge (Art. 16 des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern [KSÜ] in Verbindung mit Art. 141 ff. des Familiengesetzbuchs der Ukraine; vgl. Palandt/Thorn, BGB, 77. Auflage, S. 2769 [zu Art. 3 HKÜ] unter Bezugnahme auf S. 2765 [zu Art. 16 KSÜ] sowie Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht [zu Art. 141 ff. des Familiengesetzbuchs der Ukraine]).

Im Jahr 2015 trennte sich die Beteiligte zu 2 vom Beteiligten zu 3 und der Streit der beiden um ihr Kind wurde am 15.07.2016 von einer Kommission des Jugendamts des Kreises P. (Ukraine) dahingehend entschieden, dass das Kind seinen Aufenthalt bei der Beteiligten zu 2 haben sollte (Bl. 170 II d.A.).

1. Diese Entscheidung nahm der Beteiligte zu 3 zum Anlass, mit dem Kind nach Deutschland auszureisen, woraufhin die nach Deutschland übergesiedelte Beteiligte zu 2 beim Familiengericht Celle ein - erstes - Kindesherausgabeverfahren nach dem HKÜ anhängig machte (Bl. 139 II f. d.A.), in dem die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 24.08.2016 einen familiengerichtlich gebilligten Vergleich schlossen, nach dem der Lebensmittelpunkt des Kindes bei der Beteiligten zu 2 in Deutschland sein sollte und dem wieder in die Ukraine zurückgekehrten Beteiligten zu 3 regelmäßiger Umgang mit seinem Kind zugestanden wurde (Bl. 20 I ff. d.A.). Anschließend nahm die Beteiligte zu 2 ihr jetziges Studium in Deutschland auf.

Trotz des familiengerichtlich gebilligten Vergleichs beantragten die Beteiligten zu 2 und 3 am 28.03.2017 bei der Schule in P. (Ukraine) übereinstimmend, ihr Kind dort aufzunehmen (Bl. 34 I f. d.A.), und am 31.03.2017 schlossen sie eine in deutscher und russischer Sprache abgefasste - nicht familiengerichtlich gebilligte - Elternvereinbarung (Bl. 94 II ff. d.A.), in der sie "feststellten", dass der "Lebensmittelpunkt" des Kindes "faktisch zurzeit in P. " (Ukraine) war, so dass es ihnen "sinnvoll" erschien, dass ihr Kind "gemäß ... eigenem Wunsch ab 01. September 2017 die P. Schule ... besucht und ab 24. April 2017 an den Vorbereitungsveranstaltungen teilnimmt", wobei sie "auf Grund der positiven Erfahrungen zum Jahresbeginn 2017" versuchen wollten, "weiterhin das sogenannte fliegend integrierende Wechselmodell des Umgangs" mit ihrem Kind "zu verwirklichen" (Bl. 71 I f. d.A.) mit der Folge, dass das Kind ab Mitte April 2017 nicht nur an den besagten Vorbereitungsveranstaltungen teilnahm, sondern auch in die erste Klasse der Schule der Schule in P. /Ukraine aufgenommen wurde (Bl. 31 I d.A.) - wie die Beteiligten zu 2 und 3 am 04.10.2018 bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Senat angaben -. Das ihr zugestandene Umgangsrecht praktizierte die Beteiligte zu 2, indem sie das Kind regelmäßig in ihrem Haus in der Ukraine aufsuchte, in dem sie übernachtete (Bl. 56 III d.A.).

2. Nachdem das Kind begonnen hatte, an den Vorbereitungsveranstaltungen der P. Schule teilzunehmen, holte die Beteiligte zu 2 das Kind - ohne Rücksprache mit dem Beteiligten zu 3 - am 16.11.2017 kurz nach 11.00 Uhr aus dem laufenden Schulunterricht heraus (Bl. 48 I d.A.) und nahm es mit zu sich nach Deutschland (Bl. 3 I d.A.).

Dies veranlasste den Beteiligten zu 3, nur wenige Wochen später am 08.12.2017 beim Familiengericht Celle das vorliegende - zweite - Kindesherausgabeverfahren nach dem HKÜ anhängig zu machen, in dem er den Erlass einer einstweiligen Herausgabeanordnung begehrt (Bl. 1 ff. BA 23 F 23225/17 AG Celle).

Nachdem sich das Familiengericht Celle mit Beschluss vom 17.02.2018 für örtlich unzuständig erklärt und das einstweilige Anordnungsverfahren an das Familiengericht Naumburg verwiesen hatte (Bl. 114 f. BA), bestellte das Familiengericht Naumburg am 08.02.2018 den Beteiligten zu 1 zum Verfahrensbeistand des Kindes (Bl. 212 I ff. d.A.) und verhandelte anschließend am 22.03.2018 mit den Beteiligten zu 2, 3 und 4 und den Verfahrensbevollmächtigten mündlich, wobei es zwar die Beteiligten zu 2 und 3, nicht aber das Kind persönlich anhörte, weil am Schluss der Verhandlung ein - familiengerichtlich gebilligter - Vergleich geschlossen wurde, mit dem sich die Beteiligte zu 2 bis 09.04.2018 zur Ausreise mit dem Kind in die Ukraine verpflichtete, also zur Herausgabe des Kindes an den Beteiligten zu 3 bereit erklärte (§ 156 Abs. 2 FamFG; Bl. 103 II ff. d.A.). Der Beteiligte zu 1 war zwar zum Termin geladen, aber nicht erschienen, und darauf, dass ihm eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung nicht möglich sei, hatte er rechtzeitig vor dem Termin mit Schriftsatz vom 15.03.2018 hingewiesen (Bl. 84 II d.A.).

Gegen den am Schluss der Sitzung vom Donnerstag, den 22.03.2018, verkündeten Beschluss des Familiengerichts, mit dem der besagte Vergleich familiengerichtlich gebilligt wurde, wandte sich die Beteiligte zu 2 mit der zwei Wochen später am Donnerstag, den 05.04.2018, beim Familiengericht eingelegten und sogleich begründeten Beschwerde (Bl. 123 II ff. d.A.), mit der sie eine Aufhebung des Beschlusses und eine Zurückverweisung des Verfahrens an das Familiengericht beantragte (§ 69 Abs. 1 FamFG; Bl. 221 II d.A.). Sie machte geltend, dass nicht nur ihre Willenserklärung, die sie beim Abschluss der besagten Elternvereinbarung vom 31.03.2017 abgab, sondern auch diejenige, die zum Abschluss des familiengerichtlich gebilligten Vergleichs vom 22.03.2018 führte, von Willensmängeln beeinflusst sei, so dass es nicht nur an einer wirksamen Elternvereinbarung, sondern auch an dem für eine gerichtliche Billigung des Vergleichs notwendigen Einvernehmen gefehlt habe, und die Herausgabe des Kindes an den Beteiligten zu 3 außerdem dem Kindeswohl widerspreche (Bl. 123 II ff. d.A.).

Mit Rücksicht darauf reiste die Beteiligte zu 2 nicht mit dem Kind in die Ukraine aus, so dass sich das Kind - nach wie vor - bei ihr in Deutschland befindet.

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 hob der Senat den Beschluss des Familiengerichts vom 22.03.2018, mit dem der Vergleich vom selben Tag familiengerichtlich gebilligt wurde, auf und verwies das einstweilige Anordnungsverfahren an das Familiengericht zurück, weil das Familiengericht vor dem Abschluss des Vergleichs weder das Kind persönlich angehört noch den Beteiligten zu 1 als Verfahrensbeistand des Kindes am Abschluss des Vergleichs beteiligt hatte (Bl. 235 II ff. d.A.).

Daraufhin hörte das Familiengericht am 30.07.2018 das Kind - in Anwesenheit des Beteiligten zu 1 - persönlich an (Bl. 36 III - 41 III d.A.) und verhandelte am 07.08.2018 mit den Beteiligten und Verfahrensbevollmächtigten mündlich (Bl. 53 III - 53 III d.A.), wobei es nochmals die Beteiligten zu 2 und 3 persönlich anhörte (Bl. 54 III - 61 III, 64 III - 71 III d.A.).

Auf Grund der Verhandlung verkündete das Familiengericht am 24.08.2018 eine einstweilige Anordnung, in der es die Zulässigkeit des Antrags des Beteiligten zu 3 auf Rückführung des Kindes in die Ukraine feststellte, weil der (am 08.12.2017 anhängig gemachte) Antrag innerhalb der Frist von weniger als einem Jahr seit dem Verbringen des Kindes nach Deutschland (16.11.2017) gestellt wurde (Art. 12 Abs. 1 HKÜ), und mit der es - im Wege einer gestuften Rückführungsentscheidung (vgl. NK-BGB/Benicke, 2. Auflage, Anhang III zu Art. 24 EGBGB, Art. 12 HKÜ Rn 18 unter Bezugnahme auf Dutta/Scherpe, FamRZ 2006, 901, 906 f., wo auf die überwiegende Praxis der deutschen Gerichte verwiesen wird) - zunächst die Verpflichtung der Beteiligten zu 2 zur Rückführung des Kindes in die Ukraine (Nr. 1 des Tenors) und sodann eine vollstreckungsfähige Herausgabe des Kindes (Nr. 2 des Tenors) anordnete (Art. 12 HKÜ), für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Nr. 2 des Tenors ein Ordnungsgeld und unabhängig davon den Gebrauch von Gewalt anordnete, wobei es die Kosten der Beteiligten zu 2 auferlegte und das Jugendamt des Beteiligten zu 4 auf seine Verpflichtung zur Mitwirkung aufmerksam machte (§ 9 IntFamRVG; Bl. 89 III ff. d.A.).

Gegen diese - ihr am 27.08.2018 zugestellte (Bl. 123 III d.A.) - Entscheidung wendet sich die Beteiligte zu 2 mit der am 05.09.2018 eingelegten und sogleich begründeten Beschwerde, mit der sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt, dass das Kind nach der Entscheidung der Kommission des Jugendamts des Kreises P. vom 15.07.2016 und nach dem familiengerichtlich gebilligten Vergleich vom 24.08.2016, der vor dem Familiengericht Celle geschlossen wurde, seinen Aufenthalt bei ihr, der Beteiligten zu 2, haben solle, sowohl die Willenserklärung, die sie bei der abweichenden Elternvereinbarung vom 31.03.2017 abgegeben habe, als auch ihre weitere Willenserklärung, die zum Abschluss des vom Familiengericht gebilligten Vergleichs vom 22.03.2018 führte, von Willensmängeln beeinflusst sei (Bl. 136 II ff. d.A.), das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt bis zum 16.11.2017 nicht in der Ukraine gehabt habe - zumal sich der Beteiligte zu 3 in einer privatschriftlichen Erklärung vom 08.10.2017 damit einverstanden erklärt habe, dass das Kind mit seinem "Hauptwohnsitz" bei ihr in Deutschland angemeldet werde (Bl. 16 II d.A.) - und eine Rückkehr des Kindes in die Ukraine zum Beteiligten zu 3 jedenfalls dem Kindeswohl widerspreche, das sich bei ihr in Deutschland eingelebt habe, zumal sie das Kind inzwischen in 07.2018 in die erste Klasse der Grundschule an ihrem Wohnort eingeschult habe (Bl. 136 III ff. d.A.).

Am 04.10.2018 verhandelte der Senat mit den Beteiligten und ihren Verfahrensbevollmächtigten mündlich, wobei er nochmals das Kind - in Anwesenheit des Beteiligten zu 1 - und die Beteiligten zu 2 und 3 (die Beteiligte zu 2 unter Mithilfe eines Dolmetschers) persönlich anhörte.

II.

Die zulässige Beschwerde der Kindesmutter (§ 57 Nr. 2, § 63 Abs. 2 Nr. 1 und § 64 FamFG) ist nicht begründet:

1. Die Beschwerde der Kindesmutter ist zulässig, weil der statthafte Rechtsbehelf (§ 57 Nr. 2 FamFG) gegen die einstweilige Anordnung des Familiengerichts innerhalb der für Entscheidungen in einstweiligen Anordnungsverfahren geltenden Beschwerdefrist von zwei Wochen eingelegt wurde (§ 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG).

2. Die Beschwerde der Kindesmutter ist nicht begründet, weil das Verfahren des Familiengerichts nicht zu beanstanden ist und die einstweilige Anordnung des Familiengerichts, mit der die Rückgabe des Kindes in die Ukraine (Nr. 1 des Tenors) mit vollstreckungsfähigem Inhalt (Nr. 2 des Tenors) angeordnet wurde (Art. 12 Abs. 1 HKÜ), zu Recht erlassen wurde:

a) Das Verfahren des Familiengerichts ist nicht zu beanstanden, zumal nicht nur die persönliche Anhörung des Kindes - in Anwesenheit des Verfahrensbeistands -, sondern auch die persönliche Anhörung der Kindeseltern durchgeführt wurde.

b) Das Familiengericht hat auch zu Recht angenommen, dass die Kindesmutter das Kind am 16.11.2017 widerrechtlich aus der Schule in P. /Ukraine zu sich nach Deutschland verbrachte (Art. 3 HKÜ) mit der Folge, dass auf den fristgemäßen Antrag des Kindesvaters die Rückführung des Kindes in die Ukraine angeordnet werden musste (Art. 12 Abs. 1 HKÜ):

aa) Das Verbringen eines Kindes in einen anderen Staat gilt als widerrechtlich, wenn dadurch das Sorgerecht verletzt wird, das einer Person gemeinsam nach dem Recht des Staates zusteht, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und dieses Recht im Zeitpunkt des Verbringens gemeinsam tatsächlich ausgeübt wurde (Art. 3 HKÜ):

Bevor die Kindesmutter das Kind am 16.11.2017 kurz nach 11.00 Uhr aus dem Unterricht der Schule in P. /Ukraine herausholte und zu sich nach Deutschland verbrachte, hatte das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt beim Kindesvater in der Ukraine. Denn bereits am 28.03.2017 hatten die Kindeseltern bei der Schule in P. übereinstimmend beantragt, ihr Kind dort aufzunehmen, und - dementsprechend - am 31.03.2017 eine Elternvereinbarung geschlossen, in der sie "feststellten", dass der "Lebensmittelpunkt" des Kindes "faktisch zurzeit in P. " (Ukraine) war, so dass es ihnen "sinnvoll" erschien, dass ihr Kind "gemäß ... eigenem Wunsch ab 01. September 2017 die P. Schule ... besucht und ab 24. April 2017 an den Vorbereitungsveranstaltungen teilnimmt", wobei sie "auf Grund der positiven Erfahrungen zum Jahresbeginn 2017" versuchen wollten, "weiterhin das sogenannte fliegend integrierende Wechselmodell des Umgangs" mit ihrem Kind "zu verwirklichen" mit der Folge, dass das Kind ab Mitte April 2017 nicht nur an den besagten Vorbereitungsveranstaltungen teilnahm, sondern auch in die erste Klasse der Schule der Schule in P. /Ukraine aufgenommen wurde; in P. /Ukraine lebte das Kind auch bei dem im Haus der Kindesmutter wohnenden Kindesvater, bis die Kindesmutter das Kind am 16.11.2017 zu sich nach Deutschland verbrachte. Die Kindesmutter übte lediglich das Umgangsrecht aus, das ihr der Kindesvater mit der Elternvereinbarung vom 31.03.2017 zugestanden hatte, und dieses Recht praktizierte sie in der Weise, dass sie das Kind regelmäßig in ihrem Haus in der Ukraine aufsuchte, in dem sie auch übernachtete. Dem tatsächlichen gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in der Ukraine bis zum 16.11.2017 steht weder entgegen, dass sich die Kindesmutter in dem vom Kindesvater am 08.12.2017 anhängig gemachten vorliegenden einstweiligen Anordnungsverfahren nunmehr darauf beruft, dass sie Willenserklärungen - und Wissenserklärungen - nicht frei von Willensmängeln abgegeben habe, noch, dass sich der Kindesvater in einer privatschriftlichen Erklärung vom 08.10.2017 damit einverstanden erklärte, dass das Kind mit seinem "Hauptwohnsitz" bei ihr in Deutschland angemeldet werde. Es kommt mithin nicht darauf an, dass die Kindesmutter bei ihrer persönlichen Anhörung vom 07.08.2018 geltend machte, die Elternvereinbarung vom 31.03.2017 sei unter dem Druck des Kindesvaters zu Stande gekommen, der ihr gedroht habe, "dass er für den Fall, dass sie die Vereinbarung nicht unterschreibe, mit K. verschwinden werde in Länder, in denen das HKÜ nicht gelte, so dass sie das Kind nie wiedersehen werde" (Bl. 56 III d.A.), abgesehen davon, dass der Kindesvater dieser Behauptung entgegengetreten ist, indem er bereits bei seiner persönlichen Anhörung vom 07.08.2018 erklärte, dass er mit dem Kind nur in der Ukraine leben wolle.

Nach dem Recht der Ukraine stand dem Kindesvater auch das gemeinsame Sorgerecht zu, als die Kindesmutter das Kind am 16.11.2017 zu sich nach Deutschland verbrachte. Denn nachdem die Kindeseltern eine nichteheliche Lebensgemeinschaft miteinander aufgenommen hatten und nach ul. D. 66-1, P. /Ukraine übergesiedelt waren, wo sie in dem Haus der Kindesmutter lebten - in dem der Kindesvater heute noch wohnt -, ging aus ihrer Lebensgemeinschaft das (am 17.10.2011 geb.) Kind K. hervor, das die ukrainische Staatsbürgerschaft besitzt, und die Kindeseltern wurden nach dem maßgebenden ukrainischen Recht Inhaber der gemeinsamen elterlichen Sorge (Art. 16 des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern [KSÜ] in Verbindung mit Art. 141 ff. des Familiengesetzbuchs der Ukraine; vgl. Palandt/Thorn, BGB, 77. Auflage, S. 2769 [zu Art. 3 HKÜ] unter Bezugnahme auf S. 2765 [zu Art. 16 KSÜ] sowie Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht [zu Art. 141 ff. des Familiengesetzbuchs der Ukraine]).

Dieses gemeinsame Sorgerecht übte der Kindesvater auch tatsächlich aus, als die Kindesmutter das Kind am 16.11.2017 zu sich nach Deutschland verbrachte. Denn ab Mitte April 2017 nahm das Kind nicht nur an den Vorbereitungsveranstaltungen der Schule in P. /Ukraine teil und wurde in die erste Klasse der Schule aufgenommen, sondern das Kind lebte in P. /Ukraine auch bei dem im Haus der Kindesmutter wohnenden Kindesvater, bis es die Kindesmutter, die lediglich ein Umgangsrecht ausübte, zu sich nach Deutschland verbrachte.

Die Kindesmutter verletzte das vom Kindesvater ausgeübte gemeinsame Sorgerecht, indem sie das Kind am 16.11.2017 - ohne Einverständnis des Kindesvaters - zu sich nach Deutschland verbrachte.

bb) Dies hat zur Folge, dass das Familiengericht auf den fristgemäßen Antrag des Kindesvaters vom 08.12.2017 die Rückführung des Kindes in die Ukraine anordnen musste (Art. 12 Abs. 1 HKÜ):

Das Familiengericht wäre nur dann nicht verpflichtet gewesen, die Rückgabe des Kindes anzuordnen, wenn die Kindesmutter, die sich der Rückgabe widersetzt, "nachgewiesen" hätte, dass der Kindesvater die gemeinsame elterliche Sorge "tatsächlich nicht ausgeübt" hatte - was der Kindesmutter nicht gelungen ist, wie ausgeführt wurde, zumal die Darlegungs- und Beweislast bei der Kindesmutter liegt, so dass die Kindesmutter das Familiengericht nicht auf den Amtsermittlungsgrundsatz verweisen durfte (vgl. NK-BGB/Benicke, 2. Auflage, Anhang III zu Art. 24 EGBGB, Art. 13 HKÜ Rn 4 m.w.N.) - oder dass eine Rückgabe mit einer "schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage bringt" (Art. 13 Abs. 1 HKÜ) oder hätte "festgestellt" werden können, dass "sich das Kind der Rückgabe widersetzt und dass es ein Alter und eine Reife erreicht hat, angesichts deren es angebracht erscheint, seine Meinung zu berücksichtigen" (Art. 13 Abs. 1 und 2 HKÜ).

Dies hat die - für den Ausnahmetatbestand darlegungs- und beweispflichtige - Kindesmutter (vgl. NK-BGB/Benicke, 2. Auflage, Anhang III zu Art. 24 EGBGB, Art. 13 HKÜ Rn 4 m.w.N.) nicht "nachgewiesen":

Entscheidungsmaßstab für den Ausnahmetatbestand nach dem HKÜ kann nicht die Frage sein, ob dem Wohl des Kindes durch die Rückführung oder das Verbleiben im Zufluchtsstaat am besten gedient wird; denn bei der Entscheidung über die Rückführung geht es nicht um das Sorgerecht für das Kind (NK-BGB/Benicke a.a.O., Art. 13 Rn 4 m.w.N.), weil über das Sorgerecht nur in einem gesonderten Sorgerechtsverfahren, das ggf. im Herkunftsland anhängig gemacht werden muss, zu entscheiden ist (NK-BGB/Benicke a.a.O., Art. 13 HKÜ Rn 42 m.w.N.). Dementsprechend erfolgt im vorliegenden Rückführungsverfahren nach dem HKÜ keine umfassende Kindeswohlprüfung (vgl. NK-BGB/Benicke a.a.O., Art. 13 HKÜ Rn 42 m.w.N.).

(1) Was den Einwand der Kindesmutter anbelangt, dass eine Rückgabe mit einer "schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage bringt", muss sich die Kindesmutter schon die Elternvereinbarung vom 31.03.2017 entgegenhalten lassen, mit der sie sich mit dem Aufenthalt des Kindes beim Kindesvater in der Ukraine einverstanden erklärte; die Elternvereinbarung lässt nämlich vermuten, dass ihr Inhalt dem Kindeswohl entspricht, so dass die Vereinbarung dafür eine gewisse Indizwirkung entfaltet (vgl. BGH, FamRZ 2011, 796 ff.). Weder für ihre Behauptung, die Elternvereinbarung sei von Willensmängeln beeinflusst, noch für ihre Behauptung, der Kindesvater gefährde das Wohl des Kindes, hat die - darlegungs- und beweispflichtige - Kindesmutter (hinreichende) Nachweise erbracht. Stattdessen hat sie bei ihrer persönlichen Anhörung vom 07.08.2018 lediglich "Aggressionen des Kindesvaters ihr gegenüber" behauptet, die "zunehmend auch im Beisein des Kindes stattgefunden hätten" (Bl. 57 III d.A.); auf der anderen Seite hat sie eingeräumt, dass sie auch nach der Trennung vom Kindesvater noch bei Umgangskontakten in ihrem Haus in der Ukraine übernachtet habe (Bl. 57 III d.A.), abgesehen davon, dass sie den Einwand des Kindesvaters bei seiner persönlichen Anhörung vom 07.08.2018 nicht entkräftet, er sei immer für ein "gewaltfreies Zusammenleben eingetreten und praktiziere dies auch heute noch so" (Bl. 59 III d.A.). Eine "schwerwiegende Gefahr" eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind hat die - darlegungs- und beweispflichtige - Kindesmutter erst recht nicht nachgewiesen.

Zwar soll die Rückführung eines Kindes nicht erfolgen, wenn es um die Rückkehr in ein Kriegsgebiet geht (NK-BGB/Benicke a.a.O., Art. 13 HKÜ Rn 22 m.w.N.); um ein Kriegsgebiet handelt es sich bei der Stadt P. in der Ukraine aber nicht, in der sich das Haus der Kindesmutter befindet, in dem der Kindesvater nach wie vor lebt, denn die Stadt befindet sich nicht östlich, sondern nordöstlich von Kiew mehrere hundert Kilometer vom Kriegsgebiet in der Ostukraine entfernt. Es ist auch kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass der Kindesvater mit dem Kind in ein Kriegsgebiet umziehen wollte.

(2) Zwar hat die (fast 7-jährige) K. bei ihrer früheren persönlichen Anhörung vom 30.07.2018 zum Ausdruck gebracht, dass es für sie wichtig sei, dass es zukünftig mit ihrer Mama zusammenwohnen könne; ob dies in Deutschland oder in Russland sei, sei für sie nicht so wichtig. Auch brachte das Kind seinerzeit zum Ausdruck, dass sie "den Papa nicht sehen wolle". Es konnte aber schon damals nicht erklären, warum dies der Fall sei, sondern erklärte nur, dass die Mama ihr gesagt habe, dass der Papa sie nicht zurück nach Deutschland lassen würde. Auch gefalle es ihr nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Ukraine, und sie spreche sowohl deutsch als auch russisch gut, zumal die Mama nach wie vor mit ihr hauptsächlich russisch spreche und nur der Papa hauptsächlich deutsch (Bl. 37 III d.A.).

Dazu hat der Verfahrensbeistand in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 04.10.2018 ausgeführt, dass der Wille des (fast 7-jährigen) Kindes "wechselhaft" sei und nicht befürchtet werden müsse, dass er bei einer Rückführung des Kindes in die Ukraine "gebrochen" werden müsse.

Dies hat sich bestätigt, als der Senat daraufhin das Kind - in Anwesenheit des Beistands - persönlich anhörte. Bei dieser Anhörung hat das aufgeweckte und aufgeschlossene Kind unbefangen erklärt, dass es beide Eltern gleichermaßen liebe und es am liebsten sähe, wenn die Eltern wieder zusammenlebten; sie, K. , spreche sowohl deutsch als auch russisch und auch ein bisschen ukrainisch, so dass es nicht darauf ankomme, ob sie die Schule in Deutschland oder diejenige in der Ukraine besuche, in der sie am Unterricht in russischer Sprache teilnehme. Die Schule gefalle ihr hier wie dort gut, wobei es nur auf das jeweilige Schulfach ankomme; sie könne und wolle daher nicht entscheiden, wo sie wohne und zur Schule gehe.

Demnach befindet sich das Kind in einem Loyalitätskonflikt, so dass nicht angenommen werden kann, die Kindesmutter habe den Nachweis erbracht, dass "sich das Kind der Rückgabe widersetzt und dass es ein Alter und eine Reife erreicht hat, angesichts deren es angebracht erscheint, seine Meinung zu berücksichtigen". Um Derartiges anzunehmen, muss das Kind in der Lage sein, den Loyalitätskonflikt, in dem es sich regelmäßig befindet, zu verarbeiten und trotz möglicher Einflussnahmen besonders von Seiten des Entführungselternteils einen eigenen Willen zu bilden, wobei das Kind verstehen muss, dass die Entscheidung über die Rückgabe noch nicht darüber entscheidet, bei welchem Elternteil es leben wird. Selbst wenn sich ein Kind weigert, zu dem Antragsteller zurückzukehren, und bei dem Entführungselternteil bleiben will, dann stünde dies einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht zwingend entgegen, zumal auch eine Rückkehr des Kindes mit dem Entführungselternteil denkbar ist - denn dem Entführer ist es zuzumuten, das Kind auf die Rückkehr vorzubereiten und mit dem Kind zurückzukehren; praktisch relevant ist dies vor allem bei kleineren Kindern, deren Hauptbezugsperson der Entführungselternteil ist, da es eine Kindeswohlgefährdung zu vermeiden gilt (NK-BGB/Benicke, 2. Auflage, Anhang III zu Art. 24 EGBGB, Art. 13 HKÜ Rn 31 m.w.N.) - und über das Sorgerecht erst in einem gesondert anhängig zu machenden Sorgerechtsverfahren entschieden wird (vgl. zum Ganzen NK-BGB/Benicke a.a.O., Art. 13 HKÜ Rn 42 m.w.N.).

3. Die Androhungen zur - amtswegigen - Vollstreckung beruhen auf § 44 IntFamRVG, 88 ff. FamFG.

Da die Kindesmutter zur Rückführung des Kindes verpflichtet ist trägt sie auch die Kosten, die mit einer Rückführung des Kindes durch sie verbunden sind, Art. 26 HKÜ. Die Entscheidung über die Kosten der Vollstreckung beruht auf § 92 Abs. 2 FamFG.

Die Verpflichtung des Jugendamts zur Mitwirkung bei der Vollstreckung nach Nr. 5 des Tenors beruht auf § 9 Abs. 1 Nr. 4 IntFamRVG.

Der Ausspruch des Familiengerichts, dass eine Vollstreckungsklausel nicht erforderlich ist (Nr. 6 des Tenors der angefochtenen Entscheidung), entfällt, weil es eines solchen Ausspruchs (nach dem FamFG) regelmäßig nicht bedarf (vgl. Keidel/Giers, FamFG, 19. Auflage, § 86 Rn 17) und von diesem Grundsatz auch vorliegend nicht abgewichen zu werden braucht, da kein Beteiligter, sondern das Gericht die Vollstreckung - von Amts wegen - durchzuführen hat (§ 44 Abs. 3 IntFamRVG).

III.

Die Entscheidung über die erstinstanzlichen Kosten des Verfahrens beruht auf § 81 FamFG, weil nur die Kindesmutter das vorliegende einstweilige Anordnungsverfahren veranlasst hat; von der Auferlegung außergerichtlicher Kosten sieht der Senat ab, da dies bei einem Streit unter Familienangehörigen regelmäßig angemessen ist.

Die Entscheidung über die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens beruht auf § 84 FamFG.

Der Beschwerdewert folgt aus § 41 in Verbindung mit § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar, so dass sie mit ihrer Bekanntgabe sofort wirksam ist.

Feldmann               Harms               Bisping

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