AG Wittenberg, Urteil vom 31.08.2017 - 2 OWi 259/17
Fundstelle
openJur 2020, 28505
  • Rkr:
Tenor

Die Betroffene wird freigesprochen.

Die Verfahrenskosten und notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Landeskasse auferlegt.

Gründe

Der Betroffene ist Geschäftsführer der Firma...GmbH. Er ist verheiratet und hat bereits wirtschaftlich selbständige Kinder.

Mit Bußgeldbescheid vom 13.04.2017 legte die Stadt... dem Betroffenen zur Last, am 22.03.2017, zwischen 08.29 und 12.35 Uhr, sowie am 27.03.2017, zwischen 08.43 und 16.18 Uhr, auf dem Markt ... in ... als alleiniger Geschäftsführer der ...GmbH Arbeiten am Gebäude der Sparkasse..., Geschäftsstelle..., durchführen lassen zu haben. Hierzu hätte der Betroffene vor dem Eingangsbereich der Sparkassenfiliale ... ein Klappgerüst/Fahrgerüst aufstellen lassen. Die in Anspruch genommene Fläche des öffentlichen Gehweges hätte ca. 3 qm betragen. Das Aufstellen eines (mobilen) Gerüstes im öffentlichen Verkehrsraum sei Benutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus und somit genehmigungspflichtig. Eine entsprechende Sondernutzungserlaubnis sei bei der Stadt... nicht beantragt worden. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 der Satzung über Erlaubnisse für Sondernutzungen an Gemeindestraßen und Ortsdurchfahrten der Stadt... vom 09.12.2008 sei unter anderem das Aufstellen von Gerüsten eine erlaubnispflichtige Sondernutzung. Zudem hätte der Betroffene die Vorschrift des § 18 Abs. 1 Straßengesetz LSA verletzt. Gegen den Betroffenen wurde eine Geldbuße von 100,00 Euro festgesetzt.

Der Betroffene hat form- und fristgerecht Einspruch eingelegt. Er hat in der Hauptverhandlung dargelegt, er sei seit 27 Jahren mit seiner Firma im Bereich Gebäudereinigung tätig. Dabei sei er in ... für ca. 200 Fenster zuständig. Vor dem hier anhängigen Bußgeldverfahren sei noch niemand auf ihn zugekommen und hätte eine Einholung einer Sondernutzungserlaubnis von ihm verlangt. Seine Mitarbeiter hätten sich bereits geweigert, für die Tätigkeiten Leitern einzusetzen. Die Unfallgefahr auf Leitern sei für die Mitarbeiter viel höher als bei Verwendung einer wie im vorliegenden Fall zum Einsatz gekommenen "Rollbühne". Zudem benötige eine Rollbühne weniger Platz bei der Aufstellung als dies bei der Nutzung einer Leiter der Fall wäre. Der Betroffene erläuterte diese Angaben unter Hinweis auf die von ihm eingereichten Lichtbilder Bl..., welche in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen wurden. Wegen der Einzelheiten wird gem. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf diese Abbildungen verwiesen.

Des Weiteren beanstandete der Betroffene, dass die Bußgeldbehörde ihm im Rahmen des Anhörungsverfahrens zunächst falsche Tatzeiten zur Last gelegt hätte. Nach der auf Blatt... d. A. befindlichen Anhörung wurde dem Betroffenen tatsächlich zunächst zur Last gelegt, im Tatzeitraum vom 24.03.2017 bis zum 27.03.2017 gegen § 18 Abs. 1 Straßengesetz LSA verstoßen zu haben. Erst auf Angabe der Reinigungszeiten durch den Betroffenen selbst wurden ihm im Bußgeldbescheid vom 13.04.2017 sodann die Tatzeiten 22.03.2017, zwischen 08.29 und 12.35 Uhr, bzw. 27.03.2017, zwischen 08.43 und 16.18 Uhr, zur Last gelegt.

Der Betroffene erklärte weiter, die Fläche, die bei der Aufstellung der Rollbühne genutzt worden sei, hätte keine 3 qm betragen. Die verwendete Arbeitsbühne hätte Maße von 0,78 m x 2,6 m, mithin eine Fläche von ca. 2,03 qm aufgewiesen. Bei einer Gesamtbreite des Bürgersteigs von 6,50 m sei daher noch ausreichend Raum für andere Verkehrsteilnehmer zur Nutzung gewesen.

Der Betroffene erklärte ferner, nach seiner Auffassung handele es sich bei der verwendeten Arbeitsbühne nicht um ein Gerüst im Sinne der Satzung der Stadt..., sondern um eine Arbeitsbühne und konkret um einen Leiterersatz. Zudem bezog sich der Betroffene darauf, Gemeingebrauch ausgeübt zu haben, wobei § 14 Abs. 4 Straßengesetz LSA einschlägig sei. Die Verwendung der Arbeitsbühne sei schließlich im Interesse der Sparkasse als Eigentümerin des Anliegergrundstücks erfolgt.

Der Zeuge ... gab an, er hätte am Montag, 27.03.2017 im Bereich des Marktes in ... Parkscheine kontrolliert. Dabei hätte er eine Person auf einer Plattform an der Sparkasse festgestellt. Nach seiner Auffassung hätte es sich hierbei um ein Gerüst auf dem Fußweg gehandelt. Die Person sei auf ihn zugekommen und hätte ihm mitgeteilt, er hätte einen Fehler bei der Kontrolle der Parkscheiben gemacht. Die Situation sei eskaliert und die Polizei sei hinzu gezogen worden. Vor Ort sei ein Verstoß gegen die Sondernutzungssatzung gegenüber dem Betroffenen durch ihn nicht thematisiert worden. Bei Rückkehr in seine Dienststelle hätte er sich erkundigt, ob der Betroffene eine Sondernutzungserlaubnis für die Aufstellung eines Gerüstes gehabt hätte. Dies sei nicht der Fall gewesen. Ein anderer Kollege von ihm hätte mitgeteilt, dass drei Tage vorher bereits eine Person auf einem von dem Zeugen ... beschriebenen Gerüst festgestellt worden sei. Deswegen sei es zur Anhörung mit dem Tatzeitvorwurf 24.03. bis 27.03.2017 gekommen. Der Zeuge erläuterte weiter, dass die Aufstellfläche von 3 qm auf seiner Schätzung beruhe. Eine konkrete Messung sei diesbezüglich nicht erfolgt. Nach seiner Schätzung weise die Bürgersteigbreite ca. 5 bis 7 m auf. Durch die aufgestellte Rüstung sei von dieser Fläche ca. 1 m Breite belegt gewesen. Rollstuhlfahrer hätten die Möglichkeit gehabt, trotz des Gerüstes auf dem Bürgersteig entlang zu passieren. Eine Sondernutzungsgebühr betrage nach seiner Kenntnis 25,00 Euro pro Tag.

Im Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht der Auffassung des Betroffenen insoweit beigetreten, dass die von dem Betroffenen verwendete Arbeitsbühne, die rollbar und mithin mobil ist, kein Gerüst im Sinne der Satzung der Stadt ... vom 09.12.2008 darstellt. Selbst wenn man jedoch die Arbeitsbühne als Gerüst im Sinne dieser Satzung verstehen würde, stellte die Verwendung dieser Rollrüstung zum Zwecke der Reinigung der Leuchtreklame der Sparkasse einen Anliegergebrauch im Sinne des § 14 Abs. 4 Straßengesetz LSA dar, weswegen eine Pflicht zur Einholung einer Sondernutzungserlaubnis hierfür nicht gegeben war. Nach dieser Norm dürfen Eigentümer und Besitzer von Grundstücken, die an einer öffentlichen Straße gelegen sind (Straßenanlieger) unbeschadet sonstiger öffentlich-rechtlicher Vorschriften innerhalb der geschlossenen Ortslage die an die Grundstücke angrenzenden Straßenteile über den Gemeingebrauch hinaus auch für die Zwecke der Grundstücke benutzen, soweit diese Benutzung zur Nutzung des Grundstücks erforderlich ist, den Gemeingebrauch nicht dauernd ausschließt oder erheblich beeinträchtigt oder in den Straßenkörper eingreift.

So liegt der Fall hier. Denn die Putzarbeiten an der Leuchtreklame der Sparkasse der Straßenanliegerin erfolgten ersichtlich im Nutzungsinteresse der Sparkasse. Ferner war die Nutzung des Straßenraumes für weitere Verkehrsteilnehmer nur unerheblich beeinträchtigt und die Nutzung fand ferner nur über einen stundenweisen Zeitraum statt.

Im Ergebnis der Beweisaufnahme war daher der Betroffene vom Tatvorwurf freizusprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 467 StPO, 46 OWiG.

Zitate0
Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte