OLG Naumburg, Urteil vom 18.06.2010 - 10 U 61/09 (Hs)
Fundstelle
openJur 2020, 28180
  • Rkr:

Der Streitgegenstand bestimmt sich auch in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten nach dem Klageantrag und dem zugrunde liegenden Lebenssachverhalt. Dieser setzt sich bei Wettbewerbsverstößen aus der beanstandeten Werbemaßnahme und den die Unlauterkeit begründenden Umständen zusammen.

Für die Annahme einer Beschwer ist es ausreichend, wenn das erstinstanzliche Gericht zumindest den Anschein erweckt, als habe es dem Begehren des Klägers nicht voll entsprochen. Die zulässige Berufung erweist sich aber als unbegründet, wenn in Wirklichkeit das Erstgericht dem Klägerbegehren in vollem Umfang entsprochen hat.

Die etwaige Unzulässigkeit einer Klageerweiterung führt nicht zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels insgesamt, anders als wenn mit der Berufung ausschließlich ein neuer, bisher noch nicht geltend gemachter Anspruch verfolgt wird.

Die Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche gegen eine Lotto-Toto Gesellschaft eines Bundeslandes durch einen Verband, dem ausschließlich private Gewerbetreibende im Glücksspielwesen angehören erweist sich jedenfalls dann als rechtsmissbräuchlich, wenn der Verband planmäßig den unlauteren Wettbewerb seiner eigenen Mitglieder duldet und gegen die öffentlichen Anbieter nur mit dem Ziel der Beendigung des staatlichen Lizenzsystems im Glücksspielwesen vorgeht.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 06. November 2009 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Magdeburg abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für den Rechtsstreit wird einheitlich auf 80.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Berufungen beider Parteien sind zulässig. Jedoch hat allein die Berufung der Beklagten in der Sache Erfolg. Die Klage ist danach als unzulässig abzuweisen.

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Förderung und Werbung des Verkaufs von Losen der "G." in Anspruch.

Der Kläger - dessen Aktivlegitimation im Sinne des § 8 Abs. 3 UWG im Einzelnen streitig ist - ist ein am 04. Dezember 2008 in das Vereinsregister des Amtsgerichts Köln unter der Registernummer ... eingetragener Berufsverband. Zu dem Vereinszweck und den satzungsmäßigen Aufgaben des Klägers verhält sich § 3 seiner Satzung. Dort heißt es u.a.:

1. Der Verein fördert insbesondere im Sinne der § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG und § 3 UKlaG die gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Interessen seiner Mitglieder und von Personen, die sich unmittelbar oder mittelbar im Wirtschaftsbereich des Geschicklichkeits-. Gewinn- und Glücksspielwesens einschließlich Lotterien, Ausspielungen und Wetten (der "Vereinsinteressenbereich") betätigen und/oder betätigen wollen, unter Ausschluss von Interessen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtlichen Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind. Insbesondere hat der Verein den Zweck und die Aufgaben, im Vereinsinteressenbereich:

a) den lauteren Wettbewerb in Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen und/oder gesetzlichen Vorgaben zu fördern, auf faire gesetzliche Rahmenbedingungen für eine freie Entfaltung verantwortungsvoller unternehmerischer Tätigkeit, insbesondere seiner Mitglieder, hinzuwirken oder solche Rahmenbedingungen ggf. zu erhalten, sowie unverhältnismäßigen staatlichen Maßnahmen und Beschränkungen einer freien und verantwortungsbewussten Ausübung beruflicher und unternehmerischer Grundfreiheitsrechte politisch und rechtlich entgegenzuwirken;

b) das Marktverhalten von Marktteilnehmern im Vereinsinteressensbereich zu beobachten und auf die Einhaltung der geltenden gesetzlichen Vorgaben und Bestimmungen hin zu kontrollieren, insbesondere im Hinblick auf die geltenden Vorgaben und Bestimmungen zur

- Spielsuchtprävention und -bekämpfung;

- Ordnung und Überwachung des legalen Glücksspielangebots mit dem Ziel, ein Ausweichen auf illegale Glücksspiele zu verhindern;

- Gewährleistung des Jugend- und Spielerschutzes;

- Sicherstellung der ordnungsgemäßen Durchführung von Glücksspielen;

- Abwehr von mit illegalen Glücksspielen verbundener Folge- und Begleitkriminalität;

c) im Vereinsinteressensbereich den unlauteren, leistungswidrigen Wettbewerb in allen Erscheinungsformen [...] im Zusammenwirken mit Behörden und Gerichten zu bekämpfen; [...].

Der Satzungszweck wird insbesondere verwirklicht durch [...]

e) außergerichtliche und gerichtliche Verfolgung von Rechtsverstößen in allen Erscheinungsformen im Vereinsinteressenbereich, insbesondere Verstößen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Wegen der weiteren Regelungen der Satzung des Klägers wird auf deren als Anlage K1 (Anlagenband I) vorgelegte Abschrift Bezug genommen.

Die Beklagte ist der Anbieter von Lotterien und Sportwetten in Sachsen-Anhalt und be-auftragtes Unternehmen der im Deutschen Lotto- und Totoblock zusammengeschlossenen Lotto- und Totogesellschaften für die sog. G.. Als solches zeichnet sie auch für deren Internetauftritt unter www.g....de verantwortlich.

Der Kläger hatte in seinem vorgerichtlichen Abmahnschreiben vom 09. März 2009 Ausführungen nur zum Internetauftritt der Beklagten als beanstandeten Wettbewerbsverstoß gemacht und insbesondere ausgeführt:

[...] " wie uns bekannt geworden ist, werden unter Federführung Ihres Unternehmens unter http:///www.g....de Äußerungen sämtlicher Mitglieder des Deutschen Lotto- und Totoblocks mit dem Ziel getätigt, den Absatz von Losen der Lotterie ‚G.’ zu fördern. Damit wird im Internet verbotswidrig für öffentliches Glücksspiel geworben. [...] Der dem Verein aus dem oben dargestellten Gesetzesverstoß zustehende Unterlassungsanspruch [...] "

Zu den weiteren Einzelheiten dieses Schreibens wird auf dessen Abschrift als Anlage K 9 (Anlagenband I) verwiesen.

Der Kläger hat im Einzelnen dargelegt, dass ihm eine Vielzahl von Mitgliedern angehöre, die als Wettbewerber der Beklagten auf demselben Markt wie die Beklagte aufträten; wegen der Einzelheiten hierzu wird Bezug genommen auf die Auflistung in der Klageschrift (Bl. 12-17 Band I d.A.) sowie im Schriftsatz des Klägers vom 05. August 2009 (Bl. 27-37 Band II d.A.). Dabei sei der Kläger auch imstande, seine satzungsmäßigen Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen. Dass ihm die Aktivlegitimation zustehe, belege ferner ein Rechtsgutachten vom 11. September 2009 (Bl. 159 ff. Band II d.A.). In der Sache selbst finde der Nutzer unter der Internetseite www.g....de einen Werbeauftritt, wie er im Klageantrag abgebildet sei. Die Beklagte werbe unter der genannten Internetadresse mit dem Kernslogan "G. - die Rentenlotterie, die Gutes tut" und mit dem Versprechen "Glück für alle", insbesondere für den Spieler, den Sport, die Denkmalpflege, die Wohlfahrt, "für Sie" und "für jeden". Der Kläger ist der Auffassung gewesen, diese geschäftlichen Handlungen verstießen gegen das glücksspielrechtliche Werbeverbot für öffentliches Glücksspiel, was wiederum die Interessen seiner Mitglieder am Zustand lauterer Marktverhältnisse beeinträchtige. Denn hierdurch versuche die Beklagte, Vorteile und Marktanteile zu erzielen, die den rechtmäßig auf dem Gebiet des Glücksspielwesens Handelnden versagt blieben. Hilfsweise werde sein Antrag darauf gestützt, dass die Werbung des öffentlichen Glücksspiels im Internet schlechthin verboten ist.

Der Kläger hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von 5 EUR bis zu 250.000 EUR - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft zu vollstrecken ist an dem gesetzlichen Vertreter der Beklagten, es zu unterlassen,

bei geschäftlichen Handlungen im Bereich des Glücksspielwesens

den Absatz von Losen der G. zu fördern

und/oder im Internet für öffentliches Glücksspiel zu werben und/oder werben zu lassen, wie auf der Internetseite unter www.g....de am 09.03.2009 geschehen und nachstehend wiedergegeben:

Abbildung 1:

(aus Gründen der Anonymisierung nicht wiedergegeben)

Abbildung 2:

(aus Gründen der Anonymisierung nicht wiedergegeben)

Abbildung 3:

(aus Gründen der Anonymisierung nicht wiedergegeben)

Abbildung 4:

(aus Gründen der Anonymisierung nicht wiedergegeben)

Abbildung 5:

(aus Gründen der Anonymisierung nicht wiedergegeben)

Abbildung 6:

(aus Gründen der Anonymisierung nicht wiedergegeben)

Abbildung 7:

(aus Gründen der Anonymisierung nicht wiedergegeben)

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat dem Vorbringen des Klägers im Einzelnen entgegengehalten, seine Mitglieder seien teils gar nicht mehr aktiv, jedenfalls ganz überwiegend nur im Internet bzw. nicht auf dem relevanten Lotteriemarkt tätig und sofern doch, dann allenfalls illegal, d.h. ohne die notwendige Erlaubnis. Der Kläger nehme seine satzungsmäßigen Aufgaben nicht wahr und sei auch finanziell nicht ausreichend ausgestattet. Zudem führe er trotz ihm bekannter wettbewerbsrechtlicher Verstöße gegen seine eigenen Mitglieder nicht ein einziges Verfahren; Letzteres ist unstreitig. Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger handele damit auch rechtsmissbräuchlich. Im Übrigen seien die im Klageantrag angeführten Auftritte mit Ausnahme des Impressums nicht der Internetseite www.g...de entnommen, sondern einem Faltblatt, so dass weder Begehungs- noch Wiederholungsgefahr bestehe. Schließlich sei nicht jede Werbung für Glücksspiel schlechthin untersagt, ihr Auftreten halte sich in dem zulässigen informierenden Rahmen.

Das Landgericht hat der Klage durch das angefochtene Urteil vom 06. November 2009 insoweit stattgegeben, als es der Beklagten aufgegeben hat, es zu unterlassen, bei geschäftlichen Handlungen im Bereich des Glücksspielwesens den Absatz von Losen der G. zu fördern und dabei im Internet für öffentliches Glücksspiel zu werben oder werben zu lassen, "wie dies auf den Internetseiten unter www.g...de am 09.03.2009 geschehen ist" - unter Anführung der vom Kläger eingereichten Abbildungen. Der Kläger sei aktivlegitimiert, zumal die Rechtslage bis zum Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 08. September 2009 (C-42/07 - "Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Baw International") als nicht geklärt habe angesehen werden müssen. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage unter Aufhebung der Kosten abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, Werbung im Internet sei zwar generell verboten. Ferner: "Soweit der Kläger im Übrigen untersagen lassen möchte, den Absatz von Losen der G. zu fördern und hierbei für öffentliche Glücksspiele zu werben, ist der Antrag unbegründet." Denn soweit der Antrag generell jede Art von Werbung untersage, sei er jedenfalls unbegründet.

Hiergegen richten sich die Rechtsmittel beider Parteien. Gegen das ihnen jeweils am 10. November 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 02. Dezember 2009 und der Kläger am 10. Dezember 2009 Berufung eingelegt. Nach von beiden Parteien beantragter und bewilligter Fristverlängerung hat die Beklagte sodann ihre Berufung am 08. Februar 2010 und der Kläger die seinige am 11. Februar 2010 begründet; dies war jeweils der letzte Tag der verlängerten Frist.

Die Beklagte rügt insbesondere, das angefochtene Urteil habe zu Unrecht die Voraussetzungen für eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung der Verbandsklagebefugnis verneint, obwohl diverse Gerichte dem Kläger attestiert hätten, dass seine Mitglieder selbst rechtswidrig handelten. Zudem hätte die Klage schon aufgrund der fehlenden Übereinstimmung der angeführten Auftritte mit ihrer Internetseite www.g....de als unbegründet abgewiesen werden müssen.

Die Beklagte beantragt:

Das am 06.11.2009 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg, Az. 36 O 88/09 (14), wird aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen - sowie:

1. Das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 06.11.2009 - 36 0 880/09 (014) - wird abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von 5 EUR bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft zu vollstrecken ist an dem gesetzlichen Vertreter der Beklagten, es zu unterlassen,

bei geschäftlichen Handlungen im Bereich des Glücksspielwesens

den Absatz von Losen der G. zu fördern und/oder im Internet für öffentliches Glücksspiel zu werben und/oder werben zu lassen, wie auf der Internetseite unter www.g....de am 09.03.2009 geschehen und nachstehend wiedergegeben:

[... - es folgen die Abbildungen 1 - 7 des Klageantrags erster Instanz.]

2. hilfsweise zu 1.:

Das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 06.11.2009 - 36 0 880/09 (014) - wird abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von 5 EUR bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft zu vollstrecken ist an dem gesetzlichen Vertreter der Beklagten, es zu unterlassen,

bei geschäftlichen Handlungen im Bereich des Glücksspielwesens

a) den Absatz von Losen der G. zu fördern und zu werben oder werben zu lassen, wie nachstehend wiedergegeben:

[... - es folgen die Abbildungen 1 - 4 des Klageantrags erster Instanz]

b) im Internet für öffentliches Glücksspiel zu werben und/oder werben zu lassen, wie auf der Internetseite unter www.g. .. .de am 09.03.2009 geschehen und nachstehend wiedergegeben:

[... - es folgen die Abbildungen 5 - 7 des Klageantrags erster Instanz]

3. hilfsweise zu Ziffer 2.:

Das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 06.11.2009 - 36 O 880/09 (014) - wird abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von 5 EUR bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft zu vollstrecken ist an dem gesetzlichen Vertreter der Beklagte, es zu unterlassen,

bei geschäftlichen Handlungen im Bereich des Glücksspielwesen,

a) den Absatz von Losen der G. zu fördern und zu werben oder werben zu lassen in der Weise, dass der Hinweis auf die Gewinnmöglichkeiten mit Aussagen zur Mittelverwendung der durch das Glücksspiel eingenommenen Gelder (Sportforderung, Denkmalpflege, Wohlfahrtspflege) hingewiesen wird, wie nachstehend abgebildet geschehen:

[... - es folgen die Abbildungen 1 - 4 des Klageantrags erster Instanz]

b) im Internet für öffentliches Glücksspiel zu werben und/oder werben zu lassen, wie auf der Internetseite unter www.g ... de am 09.03.2009 geschehen und nachstehend wiedergegeben:

[... - es folgen die Abbildungen 5 - 7 des Klageantrags erster Instanz]

Die Beklagte ihrerseits beantragt hierzu,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger rügt das angefochtene Urteil insbesondere unter Verweis darauf, dass sich "der beanstandete Flyer" - auf den sich der Kläger in der Berufungsinstanz erstmalig bezieht, vgl. Bl. 178 Band III d.A. - nicht auf Information und Aufklärung beschränke, sondern vielmehr eine im Streitfall auch außerhalb des Internets unzulässige Werbung darstelle. Zudem habe das erstinstanzliche Gericht seine Hinweispflicht verletzt, so dass äußerst hilfsweise der Klageantrag jetzt mit dem Berufungsantrag zu Ziffer 2. differenziert und mit demjenigen zu Ziffer 3. präzisiert werde. Im Übrigen hätten nunmehr mehrere Oberlandesgerichte in Verfahren gegen Blockgesellschaften die Aktivlegitimation des Klägers bejaht. Schließlich sei es auch unzutreffend, dass seine Mitglieder gegen geltendes Recht verstießen. Insbesondere seien zum einen die erforderlichen Genehmigungen am jeweiligen Sitz seiner im Internet werbenden und auftretenden Mitglieder - insoweit vorzugsweise Gibraltar und Malta - erteilt worden, zum anderen werde in den jeweiligen Nutzungs- bzw. allgemeinen Geschäftsbedingungen stets darauf hingewiesen, dass nur solche Personen wirksam an Spielveranstaltungen teilnehmen könnten, an deren Wohnort das jeweilige Glücksspiel legal sei.

Die Beklagte ihrerseits hält die Berufung des Klägers für unzulässig, weil einerseits keine Beschwer vorliege, andererseits die Klage mit den Berufungsanträgen zu Ziffer 2. und Ziffer 3. über den erstinstanzlichen Streitgegenstand - nämlich den Internetauftritt unter www.g....de - hinausgehe und so unzulässig erweitert werde. In jedem Fall sei die angefochtene Entscheidung des Landgerichts zu berichtigen, weil tatsächlich keine Abweisung im Übrigen erfolgt sei.

Dabei ist es zutreffend, dass die den Parteien übermittelte Ausfertigung des erstinstanzlichen Urteils nicht den auf Seite 5 der Urschrift enthaltenen Satz enthält:

"Im Übrigen wird die Klage abgewiesen."

(vgl. Urschrift Bl. 35 Band III d.A. einerseits, "Leseabschrift" Bl. 54 Band III d.A. andererseits sowie die von den Parteien eingereichten Urteilsabschriften [Aktenhülle in Band III d.A.]).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und umfangreich eingereichten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist unbegründet, wohingegen die Berufung der Beklagten in der Sache Erfolg hat und zur Abweisung der Klage als unzulässig führt.

Die Berufungen beider Parteien sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO).

1. Der Berufung des Klägers steht bei der Prüfung der Zulässigkeit nicht entgegen, dass der Kläger seinen ursprünglichen Klageantrag in der Berufungsinstanz jedenfalls formell um zwei weitere Klageanträge erweitert hat.

a) Nach zutreffender Rechtsprechung führt insbesondere die etwaige Unzulässigkeit einer Klageerweiterung, die noch nach den Grundsätzen der §§ 263, 264, 533 ZPO zu prüfen ist, nicht zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels insgesamt. Dieses bleibt vielmehr insoweit zulässig, als für den Berufungskläger eine Beschwer vorliegt und dieser - zumindest teilweise - die Beseitigung der in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer erstrebt (BGH NJW 2001, 206; BGH NJW-RR 1994, 1404; BGH NJW-RR 1996, 765; BGH NJW-RR 1998, 390). Nur wenn ausschließlich ein neuer, bisher noch nicht geltend gemachter Anspruch verfolgt wird, ist die Zulässigkeit der Berufung zu verneinen (so schon BGH, Urteil vom 08.06.1994, VIII ZR 178/93, zitiert nach juris). Letzteres ist jedoch vorliegend nicht der Fall, weil der Kläger seinen ursprüng-lichen Klageantrag in der Berufungsinstanz uneingeschränkt weiterverfolgt. Daher kann bei einer im Übrigen zulässigen Berufung auch ein bisher nicht gestellter Antrag - so im Streitfall die Berufungsanträge zu Ziffer 2. und Ziffer 3. - im Wege der Klageerweiterung grundsätzlich in das Berufungsverfahren eingeführt werden.

Für den ursprünglichen Klageantrag, der jetzt den Berufungsantrag zu Ziffer 1. darstellt, fehlt es auch nicht an der danach erforderlichen Beschwer des Klägers. Denn durch die vom Landgericht vorgenommene Abweisung der Klage im Übrigen, die für den Kläger jedenfalls aus den Entscheidungsgründen ersichtlich ist, und unabhängig von der Frage, ob das erstinstanzliche Gericht insoweit den Streitgegenstand zutreffend beurteilt hat (dazu sogleich), wird jedenfalls zumindest der Anschein erweckt, als habe das erstinstanzliche Gericht dem Begehren des Klägers nicht voll entsprochen. Dies ist nach zutreffender Rechtsprechung für die Annahme der erforderlichen Beschwer ausreichend (vgl. BGH, Urteil vom 20.01.2004, XI ZR 69/02, Rdnr. 12 m.w.N., zitiert nach juris).

b) Die insoweit zulässige Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet.

Im Rahmen des Berufungsverfahrens sind Entscheidungen des ersten Rechtszugs nach § 513 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nur noch darauf überprüfbar, ob die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung nach § 546 ZPO beruht oder ob die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dabei ist grundsätzlich von den durch das Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen auszugehen. Im Hinblick hierauf hat das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur zu prüfen, ob ernstliche Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen bestehen.

Zur Berufung des Klägers ist das nicht der Fall. Zu seinen Lasten erweist sich die angefochtene Entscheidung im Ergebnis nicht als unrichtig. Vielmehr hat das Landgericht dem Begehren des Klägers in vollem Umfang entsprochen, dies aber verkannt.

Für die Frage des Umfangs des Begehrens des Klägers ist die Beurteilung des Streitgegenstand entscheidend. Streitgegenstand in erster Instanz war ausschließlich das geschäftliche Auftreten der Beklagten auf der Internetseite www.g....de . Maßgeblich für die Beurteilung des Streitgegenstandes sind auch in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten der Klageantrag und der zugrunde liegende Lebenssachverhalt. Gerade beim wettbewerbsrechtlichen Unterlassungs-anspruch ist aber der Lebenssachverhalt von besonderer Bedeutung, da ein unternehmerisches Handeln unter verschiedenen Gesichtspunkten wettbewerbswidrig sein kann (vgl. etwa BGH, Urteil vom 09.06.2005 - I ZR 279/02 - "Telefonische Gewinnauskunft", zitiert nach juris). Bei Wettbewerbsverstößen setzt sich nach ständiger Rechtsprechung der Lebenssachverhalt aus der beanstandeten Werbemaßnahme und den die Unlauterkeit begründenden Umständen zusammen. Kommen bei ein und demselben Sachverhalt nebeneinander Ansprüche aus mehreren Normen in Betracht, so kommt es darauf an, ob sich der Kläger zur Begründung seiner Klage allein auf den eine Norm betreffenden Sachverhalt gestützt hat oder ob er einen Lebenssachverhalt vorgetragen hat, der geeignet ist, den Tatbestand auch anderer Normen zu tragen (vgl. BGH, a.a.O.; BGH, Urteil vom 03.04.2003 - I ZR 1/01 - "Reinigungsarbeiten", zitiert nach juris). Im Streitfall hat sich der Kläger erstinstanzlich wie auch in seiner vorgerichtlichen Abmahnung ausschließlich auf den Internetauftritt der Beklagten unter www.g....de als beanstandetes geschäftliches Auftreten bezogen. Ein geschäftliches bzw. werbendes Auftreten der Beklagten außerhalb dieses Internetauftritts wurde hingegen vom Kläger in erster Instanz zu keinem Zeitpunkt gerügt oder auch nur dargelegt. Wie ausgeführt verwendet der Kläger erstmals überhaupt in seiner Berufungsbegründung den Begriff des "beanstandeten Flyers".

Damit beschränkte sich der erstinstanzliche Klageantrag ebenso wie dessen Begründung allein auf den Internetauftritt der Beklagten. Dieser jedoch ist - insoweit ausdrücklich und dem Klageantrag folgend - der Beklagten vom erstinstanzlichen Gericht antragsgemäß untersagt worden, so dass dem Begehren des Klägers tatsächlich durch das erstinstanzliche Gericht in vollem Umfang entsprochen worden ist. Einen weitergehenden Anspruch hat der Kläger in erster Instanz nicht geltend gemacht, das Gericht erster Instanz hatte deshalb darüber nicht zu befinden (§ 308 ZPO).

Nachdem insoweit der Berufungsantrag zu 1. erstinstanzlich sowohl zulässig als auch begründet war, kommt es auf die weiteren Berufungsanträge zu Ziffer 2. und Ziffer 3. im Hinblick auf ihren Hilfscharakter nicht mehr an; insbesondere bedarf es nach dem Vorgesagten keiner weiteren Differenzierung und Präzisierung.

Nur vorsorglich ist deshalb hierzu auszuführen, dass es sich hierbei nach den Grundsätzen des § 263 ZPO um eine Klageänderung in Form der Klageerweiterung handelt; insbesondere liegt ein Fall des § 264 ZPO nicht vor. Die erstmals in der Berufungsinstanz gestellten, klageerweiternden Anträge sind jedoch unzulässig, weil die Voraussetzungen einer zulässigen Klageänderung im Sinne des § 533 ZPO nicht vorliegen. Nach dem Zweck des Berufungsrechts dient die Berufungsinstanz in erster Linie der Fehlerkontrolle der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Vorschrift des § 533 ZPO verhindert deshalb, dass sich das Berufungsgericht im Rahmen neuer Streitgegenstände mit neuem Streitstoff befassen und hierzu im Berufungsrechtszug erstmalig eine Sachentscheidung treffen muss (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2007 - VII ZR 27/06 - zitiert nach juris). Im Streitfall sind schon die Voraussetzungen der Sachdienlichkeit nach § 533 Nr. 1 ZPO nicht gegeben, auf die es deshalb ankommt, weil die Beklagte spätestens mit ihrem Schriftsatz vom 30. April 2010 unter Ziffer 2. (Bl. 36 ff. Band IV d.A.) hat erkennen lassen, mit der Klageänderung gerade nicht einverstanden zu sein. Für eine grundsätzlich mögliche Einwilligungsvermutung gemäß § 267 ZPO i.V.m. § 525 Satz 1 ZPO bleibt damit kein Raum. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Frage der Sachdienlichkeit grundsätzlich objektiv unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu beurteilen und dabei die Frage zu beantworten ist, ob eine Zulassung der Klageänderung den Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumen und einem weiteren Prozess vorbeugen würde. Dies wäre hier möglicherweise zutreffend, bedarf an dieser Stelle jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn die Sachdienlichkeit ist nach ganz herrschender Auffassung, der der Senat beipflichtet, regelmäßig dann zu verneinen, wenn mit dem neuen Anspruch ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt wird, bei dessen Beurteilung das bisherige Prozessergebnis nicht verwertet werden kann (vgl. Zöller/Greger, 28. Auflage 2010, Rdnr. 13 zu § 263 m.w.N.). So verhält es sich im Streitfall, in welchem erstinstanzliches Vorbringen beider Parteien zu der Frage, ob und wie und in welchem Umfang die Beklagte außerhalb des Internets geschäftlich auftritt bzw. aufgetreten ist, nicht existiert: Wie ausgeführt wird klägerseits erstmals in der Berufungsinstanz ein sog. "Flyer" der Beklagten erwähnt. Im Übrigen hat der Kläger zu den Voraussetzungen einer Ausnahme des eingeschränkten Novenausschlusses nach § 531 Abs. 2 ZPO nichts vorgetragen.

Damit bleibt festzuhalten, dass der Berufung des Klägers insgesamt kein Erfolg beschieden sein kann.

2. Die nach den Eingangsausführungen zulässige Berufung der Beklagten jedoch ist begründet.

Auch hierfür gilt, dass im Rahmen des Berufungsverfahrens die Entscheidung des ersten Rechtszugs nach § 513 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nur noch darauf überprüfbar ist, ob die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung nach § 546 ZPO beruht oder ob die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dabei ist grundsätzlich von den durch das Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen auszugehen. Im Hinblick hierauf hat das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur zu prüfen, ob ernstliche Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen bestehen.

Dies ist vorliegend der Fall, weil die Sach- und Rechtslage eine abweichende Beurteilung rechtfertigt. Das Landgericht hat rechtlich unzutreffend einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte nach §§ 8 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 5 des Glückspielstaatsvertrags (GlüStV) bejaht, wobei letzterer durch das sachsen-anhaltische Gesetz zum Glückspielstaatsvertrag vom 18. Dezember 2007 (GVBl. LSA 2007, 412) zum 01. Januar 2008 in Kraft getreten ist und an dessen Wirksamkeit der Senat auch unter verfassungs- und europarechtlichen Gesichtspunkten insbesondere nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 08. September 2009 (C-42/07 - "Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Baw International") keine Zweifel hat.

Im Streitfall ist die Klage als unzulässig abzuweisen.

Denn das Vorgehen des Klägers ist bei der notwendigen und erforderlichen Gesamt-betrachtung rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG, so dass der Kläger aus diesem Grund an der Geltendmachung der Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG gehindert ist. Dabei betrifft der Einwand des Rechtsmissbrauchs die Zulässigkeit der Unterlassungsklage (BGH, Urteil vom 10.12.1998 - I ZR 141/96 - Vorratslücken; ders., Urteil vom 20.12.2001 - I ZR 215/98 - zitiert nach juris).

Dabei kann als Vorfrage (vgl. BGH a.a.O.) die grundsätzliche Prozessführungsbefugnis des Klägers im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nach zutreffender Rechtsprechung zunächst nicht verneint werden, weil es danach letztlich auf die konkrete Anzahl der Mitglieder eines Verbands nicht entscheidend ankommt. So ist erheblich i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG die Zahl der Mitglieder des Verbands auf dem einschlägigen Markt dann, wenn diese Mitglieder als Unternehmen bezogen auf den maßgeblichen Markt in der Weise repräsentativ sind, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbands ausgeschlossen werden kann. Wie der Bundesgerichtshof klargestellt hat, kann dies auch schon bei einer geringen Zahl auf dem betreffenden Markt tätiger Mitglieder anzunehmen sein (BGH, GRUR 2007, 809 Rdnr. 15 - Krankenhauswerbung; ders., GRUR 2007, 610 - Sammelmitgliedschaft V). Darauf, ob diese Verbandsmitglieder nach ihrer Zahl und ihrem wirtschaftlichen Gewicht im Verhältnis zu allen anderen auf dem Markt tätigen Unternehmen repräsentativ sind, kommt es nicht entscheidend an (BGH, GRUR 2007, 809 Rdnr. 15 - Krankenhauswerbung). Dies ergibt sich schon daraus, dass andernfalls die Klagebefugnis von Verbänden auf oligopolistischen Märkten unangemessen eingeschränkt würde. Die Gesamtzahl der in der Branche tätigen Unternehmen und deren Marktbedeutung ist daher nicht von entscheidender Bedeutung. Ebenso wenig braucht ein Kläger zu Bedeutung und Umsatz seiner (mittelbaren oder unmittelbaren) Mitglieder vorzutragen. Dem Zweck des Gesetzes, die Klagebefugnis der Verbände auf Fälle zu beschränken, die die Interessen einer erheblichen Zahl von verbandsangehörigen Wettbewerbern berühren, wird schon dann hinreichend Rechnung getragen, wenn im Wege des Freibeweises festgestellt werden kann, dass es dem Verband bei der betreffenden Rechtsverfolgung nach der Struktur seiner Mitglieder um die ernsthafte kollektive Wahrnehmung der Mitgliederinteressen geht (BGH, GRUR 1996, 804 - Preisrätselgewinnauslobung III; zu alledem: BGH, Urteil vom 23.10.2008 - I ZR 197/06 - Sammelmitgliedschaft VI, zitiert nach juris). Letzteres ist hier auch nach Auffassung der Beklagten der Fall, die dem Kläger im Ergebnis gerade vorhält, ausschließlich als Statthalter seiner Verbandsmitglieder aufzutreten. Deshalb und bei einer Gesamtwürdigung des Vorbringens des Klägers geht auch der Senat im Streitfall davon aus, dass der Kläger kollektiv die Interessen seiner Verbandsmitglieder wahrnimmt und nicht nur ein individuelles Einzelinteresse verfolgt. Im Übrigen und soweit die Beklagte erstinstanzlich unwidersprochen mit Schriftsatz vom 09. September 2009 unter Ziffer 3. (Bl. 139 f. Band II d.A.) im Einzelnen vorgetragen hat, dass der Kläger nicht über die notwendige finanzielle Ausstattung im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG verfüge, haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig gestellt, dass dieser Vortrag der Beklagten nicht mehr aufrechterhalten werden soll.

Das Vorgehen des Klägers ist jedoch rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG. Danach ist die Geltendmachung der in § 8 Abs. 1 UWG bezeichneten Ansprüche grundsätzlich unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls missbräuchlich ist. Diese Voraussetzung ist nach Auffassung des Senats im Streitfall gegeben.

Die Verbandsmitglieder des Klägers verstoßen - bezogen auf den konkret behaupteten Wettbewerbsverstoß der Internetwerbung - durchweg selbst unstreitig gegen die Vorgaben des § 5 Abs. 3 GlüStV, wonach Werbung für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen und im Internet sowie über Telekommunikationsanlagen ausnahmslos verboten ist. Im Gegenteil: Soweit diese Verbandsmitglieder des Klägers im Internet werben, gehen sie sogar noch über das allein gerügte unlautere Handeln der Beklagten hinaus, indem sie neben der Internetwerbung stets auch gegen § 4 Abs. 4 GlüStV verstoßen, wonach weitergehend auch das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet ebenfalls ausnahmslos verboten ist. Dabei hat der Senat nicht verkannt, dass es nach der Rechtsprechung für die Eigenschaft als Mitbewerber allein auf das tatsächliche Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses ankommt und es dafür grundsätzlich unerheblich ist, ob die eigene Tätigkeit des Anspruchstellers, die das Wettbewerbsverhältnis begründet, gesetz- oder wettbewerbswidrig ist, so dass ein Mitbewerber - der sich so im geschäftlichen Verkehr verhält - grundsätzlich nicht den Schutz gegen unlauteren Wettbewerb verliert (so BGH, Urteil vom 24.02.2005, I ZR 101/02 - "Vitamin-Zell-Komplex"). Dabei sind die Erwägungen zutreffend, dass das Recht des unlauteren Wettbewerbs nach § 1 Satz 2 UWG auch dem Schutz von Interessen der Allgemeinheit dient und es deshalb zweckwidrig wäre, derartige Verfahren mit der Prüfung zu belasten, ob eine klagende Partei bei ihrer eigenen Wettbewerbstätigkeit insbesondere gesetzwidrig handelt.

Anders verhält es sich nach Auffassung des Senats aber wohl dann, wenn die Rechtslage wie im Streitfall eindeutig ist - die Gesetzwidrigkeit derartigen geschäftlichen Handelns somit ohne weitere Prüfung offen zu Tage tritt. Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung.

Denn im Streitfall ist von wesentlicher Bedeutung für die Beurteilung des vom Senat bejahten rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Klägers, dass es nach dem Vorbringen beider Parteien und auch nach der Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Senatsverhandlung zwischen den Parteien unstreitig ist, dass der Kläger bis auf anfänglich 4 Verfahren gegen ausschließlich privatrechtlich strukturierte Wettbewerber nunmehr in über 100 Fällen ausschließlich gegen die satzungsgemäß von seiner Interessenwahrnehmung ausgeschlossenen "juristische Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtliche Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind" , vorgeht, weil nach der Erläuterung seines Vorstandsmitglieds - was sich letztlich aber auch im Umkehrschluss aus der zitierten Satzung selbst ergibt - diese aufgrund ihrer Strukturen und des staatlichen Zulassungserforder-nisses "die natürlichen Gegner" seiner Verbandsmitglieder seien und es für diese "nichts bringe", gegen privatrechtliche Konkurrenten im oben dargestellten engeren Sinne vorzugehen.

Zwar ist es nach der Rechtsprechung grundsätzlich zulässig - soweit (wie im Streitfall) Interessen der Allgemeinheit berührt werden - und damit einem nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG klagebefugten Verband grundsätzlich nicht verwehrt, nur gegen bestimmte Verletzer gerichtlich vorzugehen, gegen andere aber nicht; die Entscheidung hierüber steht ebenso in seinem freien Ermessen wie es dem einzelnen Gewerbetreibenden freisteht, ob und gegen welche Mitbewerber er Klage erheben will. Eine unzumutbare Benachteiligung des (allein) angegriffenen Verletzers gegenüber anderen - etwa deshalb, weil nunmehr allein er die angegriffenen Handlungen unterlassen müsse - ist darin schon deshalb nicht zu sehen, weil es dem Verletzer offensteht, seinerseits gegen gleichartige Verletzungshandlungen seiner von dem Verband nicht angegriffenen Mitbewerber vorzugehen. Selbst bei identischer Werbung kann es grundsätzlich noch nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden, wenn ein Verband, der die Frage der Wettbewerbswidrigkeit eines bestimmten Verhaltens höchstrichterlich klären lassen will, zunächst gegen einen Dritten und nicht gegen ein eigenes Mitglied gerichtlich vorgeht (so BGH, Urteil vom 23.01.1997 - I ZR 29/94 - Produktwerbung - m.w.N., zitiert nach juris).

Unzulässig aber ist auch nach dieser Rechtsprechung und den zugrunde liegenden Erwägungen das planmäßige Dulden des unlauteren Wettbewerbs der eigenen Mitglieder durch einen klagenden Verband, wenn dieses wie nach Überzeugung des Senats im Streitfall aus sachfremden Erwägungen gegeben ist und bei Berücksichtigung der Gesamtumstände im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG zum durchgreifenden Einwand des Rechtsmissbrauchs führt.

Dabei ist es ebenfalls zutreffend, dass die Annahme, eine "diskriminierende" Verletzer-auswahl bei Schonung der eigenen Mitglieder sei rechtmissbräuchlich, nicht aus sich heraus und unabhängig von der Stellung des Verbandes auf dem jeweiligen Markt evident ist (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 19.03.2009 - 6 U 212/08 - zitiert nach juris). Dabei hält es der Senat jedoch schon für mindestens zweifelhaft, ob es ein zulässiges Ziel gerichtlicher Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche sein kann, das "staatliche Monopol für den Glücksspielmarkt in Deutschland" zu beseitigen (so aber wohl KG, Urteil vom 12.08.2009 - 24 U 40/09 - zitiert nach juris; dazu sogleich). Es geht jedoch im Streitfall nicht darum, sämtlichen Marktteilnehmern, die sich gerichtlich gegen das staatliche Wett- und Glücksspielmonopol zur Wehr setzen oder ein wirtschaftliches Interesse an dessen Beseitigung haben, eine eigene Klagebefugnis in Bezug auf einzelne Wettbewerbsverstöße der staatlichen Wett- und Glückspielveranstalter abzusprechen, weil es dann tat-sächlich kaum noch Möglichkeiten gäbe, die Vertriebs- und Werbemethoden dieser Unternehmen einer gerichtlichen Überprüfung zuzuführen (insoweit zutreffend KG, Urteil vom 30.03.2009 - 24 U 145/08 - zitiert nach juris).

Vielmehr liegt im Streitfall der Rechtsmissbrauch in der Kombination der Verhaltens-weisen des Klägers begründet, der nicht nur "zunächst" nicht gegen die eigenen Verbandsmitglieder vorgeht, sondern aus sachfremden Erwägungen heraus - nämlich mit dem Ziel der Beendigung des staatlichen Lizenzsystems im Glücksspielwesen, dazu sogleich - erklärtermaßen zum jetzigen Zeitpunkt ausschließlich und dauerhaft nur noch gegen diejenigen Wettbewerber vorgeht, deren Interessenwahrung und damit mindestens im Ergebnis auch Mitgliedschaft beim Kläger satzungsgemäß ausdrücklich ausge-schlossen ist. Dabei ist das Ziel der Beendigung des staatlichen Lizenzsystems im Glücksspielwesen deshalb sachfremd, weil dieses Lizenzsystem gerade den aus Sicht des Senats nicht zweifelhaften verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, die durch das Bundesverfassungsgericht aufgestellt worden sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 - Sportwettenmonopol, zitiert nach juris) und im Übrigen auch jederzeit bei entsprechender grundgesetzlicher Betroffenheit einer auch verfassungs-rechtlichen Nachprüfung zugänglich ist.

Diese Kombination der Verhaltensweisen des Klägers dient damit weder dem freien Wettbewerb noch der Allgemeinheit i.S.d. § 1 UWG, sie führt vielmehr im Gegenteil zu einer einseitigen Wettbewerbsverzerrung zu Lasten aller Nicht-Mitglieder des Klägers, weil sich allein diese - ob zu Recht oder zu Unrecht - auf Abmahnungen und Wettbewerbsrechtsstreitigkeiten einstellen müssen, während die Mitglieder des Klägers weitgehend, jedenfalls von diesem unbehelligt ihren Geschäften nachgehen können. Dabei ist es dem Senat ausdrücklich nicht daran gelegen, das Glücksspielwesen in seiner derzeitigen Aus-prägung vor wettbewerbsrechtlichen Angriffen zu schützen, wenn diese denn aus wett-bewerbsrechtlicher Intention erfolgten. Diese jedoch ist im Streitfall gerade nicht mehr erkennbar: Ist das derzeitige nur erlaubnispflichtige Veranstalten von Glücksspielen zu-lässig, wovon der Senat wie ausgeführt ausgeht, würde im Ergebnis bei einer weiteren Duldung des Verhaltens des Klägers bzw. - was dem im Streitfall gleichsteht - seiner im Internet auftretenden Verbandsmitglieder auch dem unter den strafrechtlichen Schutz des § 284 StGB gestellten unerlaubten Veranstalten von Glücksspielen Vorschub geleistet. Auch diese praktische Erwägung ist als weiteres Ergebnis im Rahmen der Gesamt-würdigung nach § 8 Abs. 4 UWG nicht hinzunehmen.

Nach alledem scheidet ein Unterlassungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte im Streitfall aus, weil die Geltendmachung der Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG für den Kläger gemäß § 8 Abs. 4 UWG nicht zulässig ist. Die Klage musste deshalb im Ergebnis als unzulässig abgewiesen werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Der Senat lässt die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts zu.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 2, 48 Abs. 1 Satz 1, 51, 53 Abs. 1, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO. Dabei hat sich der Senat insbesondere von folgenden Erwägungen leiten lassen, wobei die Parteien dem überschlägigen Rechenmodell - das in der mündlichen Senatsverhandlung dargelegt worden ist - nicht widersprochen haben: Nach öffentlich zugänglichen Presseberichten haben die Umsätze der "G." in den Jahren 2008/2009 rund 200 Mio. EUR betragen, von denen jährlich 27%, d.h. 54 Mio. EUR für wohltätige Zwecke ausgeschüttet werden. Abzüglich der eigentlichen Gewinnausschüttungen von rund 25 Mio. EUR verbleibt damit ein Betrag von rund 120 Mio. EUR, von dem noch die Lotteriesteuer (16 Prozent) und die anfallenden Unkosten (15 Prozent) abzuziehen sind. Kann danach von einem jährlichen Unternehmensgewinn von jedenfalls 80 Mio. EUR ausgegangen werden, ist das grundsätzliche wirtschaftliche Interesse der Parteien an der Werbung hierfür mit mindestens 1 % des erzielbaren Gewinns nicht zu niedrig angesetzt. Dabei hat der Senat allerdings noch berücksichtigt, dass das wirtschaftliche Interesse der klagenden Partei für die Bemessung des Streitwerts wesentlich ist, d.h. im Streitfall konkret das eigene wirtschaftliche Interesse des Klägers an einem künftigen Wegfall der aus seiner Sicht konkurrierenden Werbung für die "G.". Dieses Interesse am Unterlassungsbegehren kann mit wiederum 10 % des genannten Betrages angesetzt werden. Ein Streitwert von 80.000,00 EUR für den Rechtsstreit ist damit jedenfalls nicht zu hoch angesetzt, vielmehr erscheint diese Höhe bei Berücksichtigung aller Ermessensgesichtspunkte angemessen.

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