LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 06.10.2014 - 2 O 702/13
Fundstelle
openJur 2020, 27991
  • Rkr:

Zwar ist bei einer nach zulässigem Einspruch erfolgenden Terminsbestimmung nach Möglichkeit eine Zeitspanne zur Beweisaufnahme einzuplanen, welche nach dem neuen Sach- und Streitstand geboten und durchführbar erscheint. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Vorsitzende bei der Terminsbestimmung einen freien, den Umständen nach in Betracht kommenden Termin auslassen müsste, um alle nachteiligen Folgen der Verspätung des Parteivorbringens auszuräumen. Andernfalls würde die Regelung des § 296 ZPO durch ein Säumnisverfahren unterlaufen.

Tenor

1. Das Versäumnisurteil vom 22.05.2014 wird aufrechterhalten.

2. Der Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 30.440,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt vom Beklagten Zahlung ausstehender Miete.

Die Parteien schlossen am 13.07.2009 bzw. 15.07.2009 einen Gewerbemietvertrag über die Nutzung einer Fläche von rund 1.500 m² als Indoor-Spielplatz zu einer monatlichen Nettokaltmiete in Höhe von 3.805,00 €. Für den Zeitraum November 2012 bis Juni 2013 entrichtete der Beklagte keine Miete, mithin steht insgesamt ein Betrag in Höhe der Klageforderung (30.440,00 €) aus.

Der Kläger trägt vor, die streitgegenständliche Gewerbefläche befinde sich in vertragsgemäßem Zustand.

Er beantragt,

das Versäumnisurteil vom 24.05.2014 aufrechtzuerhalten und den Einspruch zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil vom 20.05.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, der Kläger sei wegen des am 10.10.2012 eröffneten Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen nicht aktivlegitimiert. Er behauptet mit Schriftsatz vom 11.07.2014, eingegangen bei Gericht am 20.08.2014, die streitgegenständlichen Räumlichkeiten entsprächen nicht dem vertraglich zugesicherten Zustand und rügt diverse angebliche Mängel, deren Beseitigung dem Kläger obliege und die eine Mietminderung in Höhe von 100% rechtfertigten.

Das Gericht hat in mündlicher Verhandlung am 20.05.2014 Versäumnisurteil gegen den Beklagten erlassen. Eine Klageerwiderung war trotz gesetzter Frist mit Hinweis auf Verspätungsfolgen nicht eingegangen. Das Versäumnisurteil wurde dem Beklagten gemäß Zustellungsurkunde am 06.06.2014 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 19.06.2014 hat der Beklagte Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 20.05.2014 eingelegt. Mit Ladungsverfügung vom 23.06.2014 wurde dem Beklagten unter Hinweis auf die Folgen einer Fristversäumnis aufgegeben, binnen 2 Wochen den Einspruch zu begründen. Mit Schriftsatz vom 15.08.2014 hat der Beklagte Bezug genommen auf eine Klageerwiderung vom 11.07.2014, die dem Gericht nicht vorlag, und die er mit Schriftsatz vom 19.08.2014, Eingang bei Gericht 20.08.2014, in "2. Ausfertigung" dem Gericht übermittelt hat. Das Gericht hat mit Verfügung vom 20.08.2014 und im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 29.08.2014 auf die mögliche Verspätung des Beklagtenvorbringens hingewiesen.

Zur Ergänzung wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 23.05.2014 und 29.08.2014 Bezug genommen.

Gründe

Der Einspruch ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von rückständiger Miete in Höhe von 30.440,00 € gemäß § 3 Abs. 1 des Mietvertrags vom 13.07.2009/15.07.2009. Der Kläger ist legitimiert, die Forderung gerichtlich geltend zu machen, weil er durch Freigabeerklärung vom 11.10.2012 die Verfügungsbefugnis über die streitgegenständlichen Gebäude wiedererlangt hat. Die Veröffentlichung der Freigabeerklärung ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung und rein deklaratorischer Natur (BGH, Urteil v. 09.02.2012, IX ZR 75/11 - zitiert nach juris - m.w.N.), so dass dahinstehen kann, ob sie erfolgt ist.

Das Vorbringen des Beklagten zur Einspruchsbegründung mit Schriftsatz vom 19.08.2014, bei Gericht eingegangen am 20.08.2014, wird gemäß §§ 340 Abs. 3 S. 3, 296 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückgewiesen. Den nach Ablauf der gesetzten Frist erfolgten Vortrag zu etwaigen Mietmängeln hat der Kläger mit gemäß § 283 ZPO nachgelassenem Schriftsatz vom 18.09.2014 erheblich bestritten (vgl. zum Erfordernis des erheblichen Bestreitens: OLG Karlsruhe Urteil vom 28.10.2003, 17 U 59/02 - zitiert nach juris -). Die Frage, ob die behaupteten Mietmängel geeignet sind, die Mietminderung zu begründen, würde im Falle der Berücksichtigung des Vortrags des Beklagten eine Beweiserhebung erforderlich machen. Denn im Falle der Nichterfüllung der nach Anlage 3 zu § 5 Abs. 1 des Mietvertrags vorgesehenen Anforderungen an die Mieträume könnten die Einwendungen eine Mietminderung begründen. § 6 des Mietvertrags steht diesem nicht entgegen. Gemäß § 6 Abs. 1 des Mietvertrags vom 13.07.2009/15.07.2009 ist die Ausübung der Mietminderung nur unter den dort genannten Voraussetzungen vereinbart. § 536 Abs. 4 BGB steht dieser Vereinbarung nicht entgegen, weil es sich nicht um ein Mietverhältnis über Wohnraum handelt. Die Voraussetzungen der Mietminderung sind insoweit vorgetragen, als der Beklagte darauf hingewiesen hat, seit Jahren mehrfach und nachdrücklich die Mängel angezeigt zu haben. Soweit § 6 die "rechtskräftige gerichtliche Feststellung des zu Grunde liegenden Anspruchs" vorsieht bzw. dessen "Anerkennung durch den Vermieter", kann sich diese Passage sinnvollerweise nur auf das im selben Absatz geregelte Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrecht beziehen. Im Falle einer Minderung der Miete gibt es keinen dieser zu Grunde liegenden Anspruch.

Der Beklagte hat die ihm gemäß § 275 ZPO gesetzte Erwiderungsfrist versäumt. Das Säumnisverfahren (§§ 330 ff ZPO) hebt zwar eine vorangegangene Versäumnis von Erklärungsfristen nicht auf, die säumige Partei ist aber mit dem in der Einspruchsbegründung nachgeholten Vorbringen zur Hauptsache nicht schlechthin ausgeschlossen. Das Versäumnisurteil beruht allein auf dem schlüssigen Klagevorbringen. Über die Folgen des ungenutzten Ablaufs der Klageerwiderungsfrist ist darin nicht zu befinden. Diese Entscheidung ist vielmehr erstmals in der auf den Einspruch anberaumten Verhandlung zu treffen. Durch den zulässigen Einspruch wird der Prozess in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis der mündlichen Verhandlung befand (§ 342 ZPO). Damit werden alle früheren Prozesshandlungen oder Unterlassungen wieder erheblich. Das Gesetz nimmt zwar die dem Säumnisverfahren eigene Verzögerung des Rechtsstreits in Kauf, jedoch werden andere Versäumnisse durch den Einspruch nicht ausgeräumt. So sind die Rechtsfolgen einer Fristversäumung gemäß § 296 ZPO auch allein aus der Sicht der auf den Einspruch folgenden Verhandlung zu beurteilen. Soweit eine Verzögerung in der Erledigung des Rechtsstreits durch zumutbare vorbereitende Maßnahmen für diese Verhandlung vermieden werden kann, darf das Gericht das Vorbringen auch dann nicht zurückweisen, wenn die gemäß § 275 ZPO gesetzte Frist versäumt worden ist (BGH, Urteil vom 23.10.1980, VII ZR 307/79 - zitiert nach juris - m.V.a.: BGHZ 76, 173, 175ff; Messer NJW 1978, 2559; Deubner NJW 1979, 337, 342; Fastrich NJW 1979, 2598, 2600; E. Schneider MDR 1979, 710, 712).

Vorliegend hat der Beklagte auch die gesetzte Einspruchsbegründungsfrist gemäß § 340 ZPO versäumt. Bereits dem Versäumnisurteil selbst war innerhalb des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 22.05.2014 die Belehrung über die möglichen Folgen der Fristversäumnis beigefügt und dieses dem Beklagten laut Zustellungsurkunde am 06.06.2014 zugestellt worden. Das Gericht hatte nach Eingang des zulässigen Einspruchs am 19.06.2014 mit Verfügung vom 23.06.2014 Termin zur mündlichen Verhandlung für den 21.08.2014 anberaumt und dem Beklagten unter Hinweis auf die möglichen Folgen einer Fristversäumnis Frist zur Einspruchsbegründung binnen 2 Wochen gesetzt. Ausweislich der Zustellungsurkunde wurde der Prozessbevollmächtigten des Beklagten die beglaubigte Abschrift der fristsetzenden Verfügung am 26.06.2014 (vgl. dort Ziff. 6) zugestellt.

Nach Eingang eines zulässigen Einspruchs hat der Vorsitzende des Prozessgerichts unverzüglich Termin zur Verhandlung zu bestimmen (§§ 216 Abs. 2, 341a ZPO). Die Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden (§ 272 Abs. 3 ZPO). Damit wäre es nicht vereinbar, wenn der Vorsitzende die auf den Einspruch anzuberaumende Verhandlung so weit hinausschieben müsste, dass in diesem Termin alle nach dem verspäteten Vorbringen in Betracht kommenden Beweise erhoben werden könnten. Zwar ist bei der Terminsbestimmung nach Möglichkeit eine Zeitspanne zur Beweisaufnahme einzuplanen, welche nach dem neuen Sach- und Streitstand geboten und durchführbar erscheint (BGH, NJW 1974, 1512, 1513). Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Vorsitzende bei der Terminsbestimmung einen freien, den Umständen nach in Betracht kommenden Termin auslassen müsste, um alle nachteiligen Folgen der Verspätung des Parteivorbringens auszuräumen. Andernfalls würde die Regelung des § 296 ZPO durch ein Säumnisverfahren unterlaufen. Eine Zurückweisung verspäteten Vorbringens käme in all jenen Fällen nicht mehr in Betracht, in denen der Verhandlungstermin erst nach Eingang des verspäteten Schriftsatzes bestimmt wird (vgl. dazu Deubner NJW 1980, 294). Der Beschleunigungszweck der gesetzlichen Neuregelung wäre verfehlt, eine "Flucht in die Terminsversäumnis" (vgl. BGHZ 76, 173, 178) würde sich in allzu vielen Fällen doch lohnen (BGH, Urteil vom 23.10.1980, VII ZR 307/79 - zitiert nach juris -).

Erst nach neuerlicher Terminsladung durch Verfügung vom 18.08.2014 ging die Einspruchsbegründung am 20.08.2014 in "2. Ausfertigung" bei Gericht ein. Es handelte sich hierbei um die erstmalige Einlassung des Beklagten zur Sache überhaupt. Bis zum 20.08.2014 war für das Gericht nicht absehbar, dass es einer Beweisaufnahme bedurft hätte. Selbst wenn nach Eingang des Schriftsatzes noch eine kurzfristige Ladung dort benannter Zeugen unter Beachtung der Ladungsfristen gelungen wäre (bereits dies erscheint höchst zweifelhaft, zumal dem Kläger noch angemessene Frist zur Stellungnahme hätte eingeräumt werden müssen, weil diesem der entsprechende Schriftsatz erst noch durch das Gericht zugestellt werden musste, so dass der erforderliche Umfang einer Beweisaufnahme erst deutlich nach dem 20.08.2014 erkennbar geworden wäre), hätte dies nicht zum Beweis der behaupteten Tatsachen führen können. Zur Klärung des streitigen Tatsachenvorbringens wäre die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich gewesen (so auch vom Beklagten durch entsprechenden Beweisantritt vorgesehen und gegenbeweislich durch den Kläger im Rahmen seines Bestreitens). Gegebenenfalls wäre die Einholung eines solchen Gutachtens in dem Zeitraum zwischen ursprünglicher Terminsbestimmung und (aufgrund des Terminsverlegungsantrags des Beklagten vom 15.08.2014) tatsächlicher mündlicher Verhandlung am 29.08.2014 möglich gewesen, dies ist jedoch im Ergebnis unerheblich, weil es für die Feststellung einer Verzögerung in der Erledigung des Rechtsstreits bei Berücksichtigung verspäteten Vorbringens allein darauf ankommt, ob der Rechtsstreit bei Zulassung dieses Vorbringens länger dauern würde als bei dessen Zurückweisung (absoluter Verzögerungsbegriff gem. BGH, Urteil vom 17.04.1980, VII ZR 114/79 - zitiert nach juris -, vgl. hierzu auch BVerfG, Beschluss vom 05.05.1987, 1 BvR 903/85 - zitiert nach juris -). In keinem Fall jedoch war die Einholung eines solchen Gutachtens zwischen Eingang der Einspruchsbegründung und Termin zur mündlichen Verhandlung durchführbar, eine entsprechende Beweisaufnahme hätte somit den Rechtsstreit verzögert. Es drängt sich vorliegend auch nicht ohne weitere Erwägungen auf, dass bei rechtzeitigem Vorbringen dieselbe Verzögerung eingetreten wäre, weil jedenfalls entsprechende terminsvorbereitende Maßnahmen deutlich eher hätten eingeleitet werden können, insbesondere die Beauftragung eines Gutachters. Daher ist die Präklusion nicht rechtsmissbräuchlich und verstößt nicht gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl. hierzu BVerfG aaO; im Anschluss an BVerfG: OLG Hamm, Urteil v. 23.10.2000, 13 U 72/00 - zitiert nach juris -).

Gründe für die Fristversäumnis im Zusammenhang mit der Einspruchsbegründung hat der Beklagte nicht vorgetragen. Die Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat lediglich ausgeführt, der genaue Ausgangstag könne nicht zurückverfolgt werden. Dies genügt nicht den Anforderungen einer genügenden Entschuldigung der Verspätung, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Schriftsatz vom 11.07.2014 bereits vom Tag nach Fristablauf am 10.07.2014 datiert, mithin dieser selbst im Falle der sofortigen Übermittlung erst nach Ablauf der Frist bei Gericht hätte eingehen können. Das Gericht wertet das Verhalten der Prozessbevollmächtigten des Beklagten als eine Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten, die sich der Beklagte gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Unter Beachtung einer üblichen, von einem ordentlichen Rechtsanwalt zu fordernden Sorgfalt hätte die Prozessbevollmächtigte vorliegend besondere Vorkehrungen treffen müssen, damit der nach ihrem Vortrag am 11.07.2014 und damit bereits nach Fristablauf verfasste Schriftsatz zeitnah und sicher bei Gericht eintrifft, zumal er Beweisantritte enthielt, deren Berücksichtigung davon abhing, dass eine gewisse Vorlaufzeit zur mündlichen Verhandlung bestand.

Der Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.

Mangels Erfolgsaussichten in der Hauptsache ist auch der Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil zurückzuweisen.

Der Rechtsstreit war auch nicht der Kammer zur Entscheidung vorzulegen. Dem Rechtsstreit lag die Frage zu Grunde, ob aufgrund eines Mietvertrags ausstehende Mietzahlungen geschuldet sind. Dies begründet keine besondere Schwierigkeit in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht. Die Voraussetzungen des § 348 Abs. 1 ZPO sind gewahrt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 ZPO.

Die Streitwertentscheidung ergeht aufgrund § 3 ZPO, § 48 GKG.

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