LG Magdeburg, Urteil vom 18.05.2011 - 9 O 266/11
Fundstelle
openJur 2020, 27872
  • Rkr:

Keine Geldentschädigung für Bezeichnung als Winkeladvokat und unzutreffende Darstellung der gerichtlichen Änderungen eines Bescheids.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist Oberregierungsrat bei der Polizeidirektion D. S. Ost und Leiter des Dezernates ... (Recht).

Die Beklagte plante für den 14.06.2008 einen Aufzug in Z. Am 10.06.2008 erließ die Polizeidirektion D. einen Auflagenbescheid, dessen sofortige Vollziehung mit gesonderter Begründung angeordnet wurde. Verfasser des Bescheides war der Kläger.

Die Beklagte erreichte in einem Eilverfahren, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen einige Auflagen des Bescheides wieder hergestellt wurde.

Die Beklagte führte ihren geplanten Aufzug durch.

In einem Artikel auf der Homepage der Beklagten bezeichnete diese den Kläger als "mittelguten Juristen" und "Winkeladvokaten". Wörtlich heißt es: " ... die handwerklichen Fehler bei der Erstellung des Auflagenbescheides waren so schwerwiegend, dass zwei Instanzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit sämtliche von uns angefochtene Auflagen aufhoben. ..."

Einen Unterlassungsantrag des Klägers erkannte die Beklagte an und wurde mit Anerkenntnisurteil vom 18.01.2010 verurteilt, bei Meidung eines Ordnungsgeldes die entsprechenden Äußerungen zu unterlassen, vgl. Bl 52.d.A.

Bei einer Internetrecherche am 28.12.2010 fand der Kläger den Artikel auf einer Seite namens server100.de. Die entsprechende Domain ist dem Vorsitzenden der Beklagten zugeordnet, vgl. Bl. 108 d.A..

Am 11.01.2011 forderte der Kläger die Beklagte mit anwaltlichem Schriftsatz unter Fristsetzung zum 25.01.2011 zur nochmaligen Unterlassung und zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 6.000,00 Euro auf.

Die Beklagte entfernte den Artikel von sämtlichen ihr zurechenbaren Internetseiten.

Der Kläger behauptet,

eine Geldentschädigung sei angemessen, weil die Genugtuung des Anerkenntnisurteils nicht ausreiche. Die Beklagte habe den Artikel weiter verbreitet, bzw. gegen die Verbreitung nicht ausreichend unternommen. Es komme ihm im Wesentlichen darauf an, dass die unwahre Behauptung, sämtliche Auflagen des Bescheides seien aufgehoben worden, aus dem Netz entfernt wird. Durch die wiederholte Behauptung, er habe handwerkliche Fehler gemacht, werde seine Reputation untergraben und seine weitere Arbeit erschwert.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 667,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.01.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine angemessene Geldentschädigung wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung gem. § 823 BGB i.V.m. Art. 2 GG.

Neben dem Anspruch auf Unterlassung einer bestimmten Äußerung kann ein Anspruch auf Geldentschädigung zum Ausgleich des immateriellen Schadens nur dann bestehen, wenn eine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegt, deren Beeinträchtigung nach ihrer Art nicht auf andere Art und Weise befriedigend ausgeglichen werden kann, vgl. BGH NJW 00, ...95; 05, ...5. Ob eine schwerwiegende Verletzung vorliegt hängt von Art und Umfang des Eingriffs, Anlass und Beweggründen des Handelns sowie dem Verschuldensgrad ab. Dabei ist die Intensität danach zu beurteilen, in welchen geschützten Bereich eingegriffen wird und welche Grundrechte dem Handelnden zur Seite stehen, vgl. BVerfG NJW 04, 2371; Palandt-Sprau, 70. Aufl. 2011, § 823 Rn. 124.

Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers durch den veröffentlichten Artikel ist auf dessen Sozial- bzw. Berufssphäre beschränkt. Der Artikel beschäftigt sich ausschließlich mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers im Zusammenhang mit dem Auflagenbescheid zu der Demonstration in Z.

Da die Äußerungen sich allein auf die fachliche Kompetenz des Klägers erstrecken, bewegen sie sich (auch wenn sie falsch sein sollten) in dem Rahmen, der dem Kläger aufgrund seiner hoheitlichen Stellung zuzumuten ist. Es ist Aufgabe des Klägers, anmeldepflichtige Veranstaltungen mit oder ohne Auflagen zu genehmigen oder zu untersagen. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass er unliebsame Entscheidungen trifft, die von dem Antragsteller oder anderen Personengruppen kritisch kommentiert werden. Dies vor allem dann, wenn es sich um Veranstaltungen von Parteien und politischen Bewegungen handelt, da diese besonders geeignet sind, zu einer Polarisierung und Emotionalisierung in der Gesellschaft zu führen.

Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass die Behauptungen in dem Artikel hinsichtlich des Umfangs der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht korrekt sind und die Bezeichnung als "Winkeladvokat" beleidigend ist. Die Kammer ist allerdings der Ansicht, dass unter Abwägung des verletzten Bereiches des Persönlichkeitsrechtes im Zusammenhang mit dem konkreten Anlass, der Eingriff nicht so schwerwiegend ist, dass er eine Geldentschädigung rechtfertigt.

Darüber hinaus wurde der Artikel unstreitig von allen von der Beklagten betriebenen Internetseiten und auch von server100.de entfernt. Die Beklagte bot sogar an, eine Gegendarstellung auf ihrer Seite zu veröffentlichen, die dem Kläger die Möglichkeit geboten hätte, die falschen Behauptungen richtig zu stellen. Hiervon wollte der Kläger keinen Gebrauch machen. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht hätte demnach auch auf andere Art und Weise ausgeglichen werden können.

Zudem verfügt der Kläger über einen Unterlassungstitel, der ihm die Möglichkeit bietet, wenn auch keinen materiellen Vorteil so doch Genugtuung zu erlangen.

Nach alledem sieht die Kammer nicht, dass der Eingriff so schwerwiegend ist, dass ein Ausgleich auf andere Art als durch Zahlung einer Geldentschädigung nicht erreicht werden kann.

Da der Kläger vollständig unterlegen ist, hat er die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, vgl. § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11, 711 ZPO.