AG Halle (Saale), Urteil vom 29.01.2013 - 95 C 3073/12
Fundstelle
openJur 2020, 27860
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer Kostenausgleichsvereinbarung. Mit Datum vom 30.06.2011 stellte der Beklagte über einen Vermittler bei der Klägerin einen Antrag auf Abschluss einer fondsgebundenen Rentenversicherung. Mittels desselben Antragsformulars beantragte der Beklagte bei der Klägerin eine separate Kostenausgleichsvereinbarung. Hiernach sollte der Beklagte die insgesamt anfallenden Abschluss- und Einrichtungskosten hinsichtlich der fondsgebundenen Rentenversicherung iHv. 5.969,88 € in 48 monatlichen Teilbeträgen à 124,37 € bezahlen. Zudem befanden sich auf dem Antragsformular Widerrufsbelehrungen sowohl hinsichtlich des Versicherungsvertrages als auch hinsichtlich der Kostenausgleichsvereinbarung (Blatt 7 ff. der Akte).

In den Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Kostenausgleichsvereinbarung heißt es in § 6:

,,(1) Dieser Vertrag endet mit dem vereinbarten Ablauf des betreffenden Versicherungsvertrages ..."

,,(2) Andere Aufhebungsgründe des Versicherungsvertrages führen - bis auf den Widerruf des Versicherungsvertrages - grundsätzlich nicht automatisch zur Beendigung dieses Vertrages ..."

Am 19.07.2011 übersandte die Klägerin den Versicherungsschein und die Kostenausgleichsvereinbarung an die Beklagte. Nach 7 Monaten erklärte der Beklagte, den Versicherungsvertrag zu kündigen. Er stellte auch die Zahlungen auf die Kostenausgleichsvereinbarung ein. Der Beklagte wurde durch die Klägerin mehrfach zur Zahlung der rückständigen Raten aus der Kostenausgleichsvereinbarung aufgefordert, mithin ergab sich unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Teilzahlungen iHv. 870,59 € und des als Sicherheit abgetretenen Rückkaufswertes iHv. 221,76 rechnerisch ein offener Gesamtbetrag iHv. 4.877,53 €. Die Klägerin machte jedoch lediglich einen Gesamtbetrag iHv. 4.199,10 € geltend. Dabei wurde der Beklagte auch darauf hingewiesen, dass bei Nichtzahlung bis zum 30.05.2012 die gesamte Restschuld der Kostenausgleichsvereinbarung gem. § 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen sofort zur Zahlung fällig werde. Aus § 2 Abs. 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen der Kostenausgleichsvereinbarung ergibt sich:

,,(2) Befindet sich der Versicherungsnehmer mit mindestens zwei aufeinanderfolgenden Teilzahlungen ganz oder teilweise und mindestens mit 10 %, bei einer Laufzeit des Kostenausgleichsvertrages über 48 Monate mit 5 % des Nennbetrages des Teilzahlungspreises in Verzug und hat die PrismaLife erfolglos eine zweiwöchige Frist zur Zahlung des rückständigen Betrages, mit der Erklärung gesetzt, dass sie bei Nichtzahlung innerhalb der Frist die gesamte Restschuld verlangt, so wird der Gesamtkostenbetrag sofort fällig."

Eine Zahlung durch den Beklagten erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 30.08.2012 erklärte er den Widerruf seiner auf den Abschluss des Versicherungsvertrages und der Kostenausgleichsvereinbarung gerichteten Willenserklärungen. Zudem wurden diese durch den Beklagten angefochten.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die gesamte Restschuld der Kostenausgleichsvereinbarung gem. § 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen fällig sei, mithin habe sich der Beklagte spätestens ab 05.06.2012 mit der Zahlung der Restschuld in Verzug befunden.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 4.199,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.07.2012 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin habe die geltend gemachten Abschluss- und Einrichtungskosten nicht wirksam fällig gestellt; die Vereinbarung zwischen dem Beklagten und der Klägerin sei unwirksam - selbst wenn die Wirksamkeit unterstellt wäre, habe der Beklagte wirksam widerrufen und angefochten. Hilfsweise erklärt er die Aufrechnung mit von ihm gesehenen Schadensersatzansprüchen.

Für die Einzelheiten des Sachvortrages werden die wechselseitig eingereichten Schriftsätze in Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen gegen den Beklagten keine Ansprüche aus der Kostenausgleichsvereinbarung zu.

Die zugrundeliegende Kostenausgleichvereinbarung ist als Umgehungsgeschäft zu § 169 V 2 VVG (neue Fassung) nichtig (§ 134 BGB). Die vorliegend gewählte Art der Vertragsgestaltung, in der die Vereinbarung über die separate Zahlung der Abschluss- und Einrichtungskosten einer fondgebundenen Rentenversicherung trotz Kündigung des Versicherungsvertrages unabhängig von der Dauer seines Bestehens in voller Höhe Bestand behalten soll, verstößt als Umgehungsgeschäft gegen den Rechtsgedanken der §§ 169 V 2, 169 II 3 VVG.

Eine Gesetzesumgehung liegt vor, wenn die Gestaltung eines Rechtsgeschäfts objektiv den Zweck hat, den Eintritt einer Rechtsfolge zu verhindern, die das Gesetz für derartige Geschäfte vorsieht. Die Nichtigkeit eines Umgehungsgeschäfts ergibt sich bereits im Wege der Auslegung aus der umgangenen Norm. Auszugehen ist jeweils vom Inhalt und Zweck der maßgeblichen Vorschrift. Bei der vorzunehmenden rechtlichen Bewertung kommt es darauf an, ob es mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen (vergl. Palandt/Ellenberger, BGB, § 134 RN 28 mit weiteren Nachweisen).

Nach der gesetzlichen Regelung (des § 169 V 2 VVG) ist ein Abzug für noch nicht getilgte Abschluss- und Einrichtungskosten unzulässig, wenn der Versicherungsvertrag gekündigt wird. Sinn und Zweck der Regelung ist es, das gesetzlich vorgesehene Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers nicht zu unterlaufen, da dies einer unzulässigen Vertragsstrafe gleich käme. Wegen des klaren Wortlautes sind jegliche Abzüge verboten, die einem Abzug von Abschluss- und Einrichtungskostenkosten entsprechen. Der unter Umständen nach kurzer Zeit den Versicherungsvertrag beendende Versicherungsnehmer soll nicht wegen einer fortbestehenden Zahlungsverpflichtung durch die Verrechnung mit dem Rückkaufswert faktisch in seiner Entschließungsfreiheit im Hinblick auf die Kündigungsmöglichkeit eingeschränkt werden. Zweck der Norm ist allein ein Schutz des Versicherungsnehmers vor der unzulässigen Geltendmachung der noch nicht getilgten Versicherungsnebenkosten (Abschluss- und Vertriebskosten) und vor dem faktischen Druck, eine Kündigung des Versicherungsvertrages wegen fortbestehender Zahlungsverpflichtung hinsichtlich der Kosten zu unterlassen (vgl. LG Düsseldorf vom 10.02.2011 - 11 O 401/10; LG Rostock vom 06.08.2010 - 10 O 137/10; AG Gelsenkirchen vom 31.05.2012 - 32 C 69/12; AG Schöneberg vom 13.12.2011 - 4 C 192/11).

Die gesetzliche Regelung zielt, worauf die Klägerin zurecht verweist, primär auf sogenannte Bruttopolicen ab, in denen der Rückkaufwert durch etwaige noch nicht gezahlte Abschluss- und Vertriebskosten geschmälert würde. Indes wird genau dieses Ergebnis durch die von der Klägerin gewählte Vertragkonstruktion ebenfalls erreicht. Die vorliegende separate Kostenausgleichsvereinbarung soll in ihrem Bestand nicht von den fondgebundenen Rentenversicherungen der Kläger abhängig sein (§ 6 Absatz 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Kostenausgleichsvereinbarungen). Der einzige Unterschied zu der vom Gesetz direkt sanktionierten Vereinbarungskonstellation liegt in der äußeren Selbständigkeit der beiden Verträge. In der Sache wird eine Verpflichtung des Versicherungsnehmers angestrebt, die vollen Abschluss- und Einrichtungskosten zu zahlen, auch wenn er dafür ohne Fortführung des Versicherungsvertrages keinen Gegenwert mehr erhält. Die Konstruktion des Doppelvertrages dient dazu, den vom Gesetz (§§ 169 V 2, 169 II 3 VVG) verbotenen Erfolg durch eine Gestaltungsmöglichkeit zu erreichen, die (scheinbar) nicht von der Vorschrift erfasst wird (vergl. zu diesem Ansatz Palandt/Ellenberger, BGB, § 134 RN 28). Die bewusste Aufspaltung und formale juristische Aufteilung der vertraglichen Abreden in Versicherungsvertrag einerseits und separate Kostenausgleichsvereinbarung andererseits umgeht daher den dargelegten Schutzzweck der Norm (vgl. AG Gelsenkirchen vom 31.05.2012 - 32 C 69/12).

Es liegt ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot vor. Die zwischen der Klägerin und dem Beklagten geschlossene Kostenausgleichsvereinbarung ist gemäß § 134 BGB nichtig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 2 ZPO.