OLG Naumburg, Beschluss vom 01.08.2014 - 8 UF 121/14
Fundstelle
openJur 2020, 27827
  • Rkr:

Erschöpft sich die Begründung einer Kostenentscheidung in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit gemäß § 81 FamFG in der Nennung der herangezogenen Normen, ohne die Erwägungen für die Ermessensausübung auch nur anzudeuten, so liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor, der das Rechtsmittelgericht berechtigt, sein eigenes Ermessen an die Stelle des nicht ausgeübten Ermessens durch die Vorinstanz zu setzen.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Halle (Saale) vom 15.05.2014, Aktenzeichen 24 F 514/14 EAGS, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 1.000,00 €.

Gründe

Die zulässige Beschwerde (§§ 57 Abs. 1 S. 2 Nr. 4, 58 Abs. 1, 63 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, 64 Abs. 1 und 2 FamFG) der Antragstellerin gegen die im angefochtenen Beschluss vom 15.05.2014 erfolgte Aufhebung der einstweiligen Anordnung vom 28.02.2014 und Zurückweisung ihres Antrages vom 27.02.2014 ist nicht begründet.

Das Familiengericht hat verfahrensfehlerfrei entschieden (§§ 49 ff. FamFG).

Zur im einstweiligen Anordnungsverfahren ausreichenden Glaubhaftmachung einer Tatsachenbehauptung - auch im Sinne von §§ 51 Abs. 1 S. 2, 31 FamFG - bedarf es zwar nicht der vollen gerichtlichen Überzeugung; es genügt nach allgemeinem Verständnis ein geringerer Grad der richterlichen Überzeugungsbildung, der bereits vorliegt, sofern bei freier Würdigung des gesamten Verfahrensstoffes eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft (BGH, MDR 2007, 669).

An diesem Maßstab gemessen hat die Antragstellerin aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die zwecks Meidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner sie tätlich angegriffen sowie vorsätzlich und widerrechtlich körperlich misshandelt hat. Die vom Familiengericht auf der Grundlage des von ihm festgestellten Sachverhalts vorgenommene rechtliche Bewertung begegnet keinen Bedenken und wird von der Beschwerde, die die Antragstellerin nicht begründet hat, auch nicht bekämpft.

Soweit die Antragstellerin sich gegen die Kostenentscheidung des Amtsgerichts wendet, ist die Beschwerde im Ergebnis ebenfalls unbegründet.

In Gewaltschutzsachen entscheidet das Familiengericht gem. § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Es begegnet allerdings Bedenken, dass das Familiengericht seine Ermessenentscheidung nicht begründet hat.

Dem steht nicht entgegen, dass diese Ermessensausübung einer Überprüfung des Senats grundsätzlich nur eingeschränkt zugänglich ist. Die Überprüfungsmöglichkeit beschränkt sich darauf, ob das Familiengericht von dem ihm eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Der Sinn des eingeräumten Ermessens würde verfehlt, wenn das Beschwerdegericht berechtigt und verpflichtet wäre, ein vom erstinstanzlichen Gericht fehlerfrei ausgeübtes Ermessen durch eine eigene Ermessensentscheidung zu ersetzen. Das Beschwerdegericht kann die Kostenentscheidung nur auf Ermessensfehler in Form des Ermessensfehlgebrauchs oder der Ermessensüberschreitung überprüfen, also darauf, ob das erstinstanzliche Gericht von dem ihm obliegenden Ermessen einen ungesetzlichen Gebrauch gemacht hat. Das könnte namentlich der Fall sein, wenn es für die Ermessenentscheidung maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht ermittelt oder sonst unberücksichtigt gelassen hat (BGH, FamRZ 2007, 893). Diese Rechtsprechung ist auch im Anwendungsbereich des § 81 FamFG maßgeblich, der die Ausübung billigen Ermessens zum tragenden Grundsatz der Kostenentscheidung erhoben hat (OLG Celle, JAmt 2012, 40; OLG Hamm, FamRZ 2012, 1829).

Solcher Ermessensfehlgebrauch ist dem Familiengericht indes hier unterlaufen. Denn dessen Begründung erschöpft sich in der Nennung der herangezogenen Normen, ohne die Erwägungen für seine Ermessensausübung auch nur anzudeuten. Eine mit Rechtsmitteln angreifbare Entscheidung muss zumindest so weit mit einer Begründung versehen sein, dass die Beteiligten über die die Entscheidung tragenden Gründe in einer Weise unterrichtet werden, die es ihnen ermöglicht, die maßgeblichen Erwägungen nachzuvollziehen. Auch die Gründe einer Kostenentscheidung müssen zumindest so präzise und ausführlich sein, dass den am Verfahren Beteiligten und auch dem Rechtsmittelgericht auf ihrer Grundlage eine Überprüfung der Entscheidung möglich ist. Dies gilt umso mehr, wenn - wie vorliegend, nachdem die angefochtene Entscheidung an § 81 FamFG auszurichten ist- das Gesetz richterlichem Ermessen Raum gibt.

Der Senat ist deshalb berechtigt, sein eigenes Ermessen an die Stelle des nicht ausgeübten Ermessens des Amtsgerichts zu setzen (OLG Frankfurt, FamRTZ 2013, 1922).

Danach waren die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gem. § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG der Antragstellerin aufzuerlegen. Denn diese hat, wie bereits ausgeführt, nicht glaubhaft gemacht, dass der Sachverhalt sich wie von ihr dargestellt zugetragen hat und sie vom Antragsgegner am 02.12.2013 tätlich angegriffen wurde. Zudem ist zu berücksichtigen, dass sie bis auf diesen Vorfall keine weiteren Vorfälle behauptet und bis zur Antragstellung am 27.02.2014 fast 3 Monate hat verstreichen lassen, sodass von Anfang an kein Anordnungsgrund gem. § 49 FamFG vorlag. Dass die erstinstanzlich anwaltlich vertretene Antragstellerin unter diesen Umständen dennoch ein gerichtliches Tätigwerden einforderte, durch welches Verfahrenskosten entstehen, spricht dafür, diese der Antragstellerin aufzuerlegen.

Weil das Amtsgericht den Sachverhalt ausführlich ermittelt hat, stützt der Senat seine Entscheidung auf die im ersten Rechtszug vorgenommenen Verfahrenshandlungen ; von deren Wiederholung wird abgesehen, da von ihr - nachdem die Antragstellerin keine neuen streitigen Gesichtspunkte vorgetragen hat - keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG).

Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist daher mit der Kostenfolge aus § 84 FamFG zurückzuweisen. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 40 Abs. 1 S. 1, 41, 49 Abs. 1 HS 1 FamGKG.

Weil dem Rechtsmittel der Antragstellerin kein Erfolg beschieden ist, kommt im Übrigen die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nicht in Betracht (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 S. 1 ZPO).