LG Halle, Urteil vom 15.01.2010 - 5 O 404/07
Fundstelle
openJur 2020, 27784
  • Rkr:

Wegen der Privilegierung der Zwangsvollstreckung außerhalb des insolvenzrechtlichen 3-Monats-Zeitraums setzt § 133 Abs. 1 InsO voraus, dass der andere Teil auch subjektiv von einer Rechtshandlung des Schuldners ausgeht.

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 43.897,11 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 01.01.2006 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 7/10 und der Beklagte 3/10.

3. Das Urteil ist für beide Parteien gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 134.263,66 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger ficht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der I .

Am 08.11.2005 stellte die Insolvenzschuldnerin Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dem Antrag wurde am 01.01.2006 stattgegeben und der Kläger als Insolvenzverwalter bestellt. Zur Zeit der Antragstellung hatte die Insolvenzschuldnerin die auf S. 3 f. der Klageschrift (Bl. 17 f. d.A.), S. 4 bis 7 des Klägerschriftsatzes vom 29.02.2008 (Bl. 52 bis 55 d.A.) und S. 2 bis 4 des Klägerschriftsatzes vom 21.04.2009 (Bl. 89 bis 91 d.A.) aufgelisteten offenen Verbindlichkeiten, die zum Teil schon seit dem Jahre 2002 fällig waren. Das beklagte Land erhielt von der Insolvenzschuldnerin zu folgenden Zeitpunkten Steuerzahlungen in folgender Höhe:

Lfd. Nr.

Datum

Betrag in Euro

Zahlungsgrund

1

28.10.2005

310,00

Kfz-Steuer für S

2

05.08.2005

322,76

Nicht vorgetragen

3

22.07.2005

8,00

Körperschaftssteuer 2003

4

22.07.2005

9.542,25

Lohnsteuer Juni 2005

5

22.07.2005

2.100,46

Umsatzsteuer Mai 2005

6

06.07.2005

16.176,52

Lohnsteuer Mai 2005, Umsatzsteuer April 2005 und Körperschaftssteuer 2. Vj. 2005

7

09.06.2005

11.457,43

Lohnsteuer April 2005

8

25.05.2005

19.352,26

Lohnsteuer Januar und März 2005

9

13.04.2005

287,50

Kfz-Steuer für S

10

13.04.2005

4.812,44

Umsatzsteuer Januar 2005

11

23.03.2005

10.337,18

Lohnsteuer Februar 2005

12

09.02.2005

4.891,43

Rest-Umsatzsteuervorauszahlung 2005

13

29.01.2005

252,00

Umsatzsteuer September 2004

14

29.01.2005

9.683,65

Umsatzsteuer Dezember 2004

15

29.01.2005

21.247,32

Umsatzsteuer November 2004

16

29.12.2004

12.258,36

Umsatzsteuer Oktober 2004

17

08.12.2004

10.000,00

Umsatzsteuer Oktober 2004

18

19.10.2004

1.224,10

Rückständige Umsatzsteuer und Kosten aus vorangegangenen VollstreckungsmaßnahmenGesamt

134.263,66

Die Zahlungen erfolgten vom Konto Nr. ... der Insolvenzschuldnerin bei der Streithelferin des Klägers. Zum Zeitpunkt der Zahlungen verfügte die Insolvenzschuldnerin über einen Dispositionskredit in Höhe von 400.000,00 Euro. Sämtliche Zahlungen erfolgten aus der eingeräumten Kontokorrentkreditlinie, d.h. das Konto befand sich zum Zeitpunkt sämtlicher Zahlungen im Minus.

Mit Schreiben vom 24.07.2007 focht der Kläger gegenüber dem beklagten Land die Zahlungen Nr. 1 bis 15 an und forderte die Erstattung. Mit Schriftsatz vom 03.04.2008 (Bl. 59 ff. d.A.) dehnte der Kläger die Anfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO auf die Zahlungen Nr. 16 bis 18 aus.

Bereits am 17.12.2003 und 08.01.2004 drohte der Beklagte der Insolvenzschuldnerin Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen rückständiger Steuerverbindlichkeiten aus den Monaten Oktober und November 2003 an. Am 22.07.2004 und 06.09.2004 teilte die Insolvenzschuldnerin dem Beklagten mit, dass sie die zu diesem Zeitpunkt fälligen Steuern nicht bezahlen könne, und bat um Stundung, die ihr von dem Beklagten gewährt wurde.

Die Zahlungen Nr. 8 und 7 erfolgten in folgendem Zusammenhang:

Unter dem 12.05.2005 erließ der Beklagte eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung wegen ausstehender Lohnsteuer für Januar und März 2005 in Höhe von 19.352,26 Euro und pfändete alle der Insolvenzschuldnerin gegenwärtig und künftig gegen die Streithelferin des Klägers zustehenden Ansprüche, Forderungen und Rechte aus allen bei der Streithelferin geführten Konten, insbesondere Konto Nr. ... Die Verfügung wurde sowohl der Insolvenzschuldnerin als auch der Streithelferin des Klägers zugestellt. Mit der als Anlage B 4, Bl. 45 d.A., vorliegenden Drittschuldnererklärung vom 24.05.2005 erklärte die Streithelferin des Klägers gegenüber dem Beklagten, dass das von der Pfändung betroffene Kontokorrentkonto im Zeitpunkt der Pfändung ein ausreichendes Guthaben ausgewiesen habe und die Streithelferin den gepfändeten Betrag überweisen werde. Am 24.05.2005 überwies die Buchhaltungsangestellte der Insolvenzschuldnerin, S, mit dem als Anlage K 43 (Bl. 109 d.A.) vorliegenden Überweisungsträger 19.352,26 Euro an den Beklagten (Zahlung Nr. 8).

Unter dem 07.06.2005 erließ der Beklagte eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung wegen ausstehender Lohnsteuer für April 2005 in Höhe von 11.457,43 Euro und pfändete alle der Insolvenzschuldnerin gegenwärtig und künftig gegen die Streithelferin des Klägers zustehenden Ansprüche, Forderungen und Rechte aus allen bei der Streithelferin geführten Konten, insbesondere Konto Nr. ... Die Verfügung wurde sowohl der Insolvenzschuldnerin als auch der Streithelferin des Klägers zugestellt. Mit der als Anlage B 2, Bl. 43 d.A., vorliegenden Drittschuldnererklärung vom 09.06.2005 erklärte die Streithelferin des Klägers gegenüber dem Beklagten, dass das von der Pfändung betroffene Kontokorrentkonto im Zeitpunkt der Pfändung ein ausreichendes Guthaben ausgewiesen habe und die Streithelferin den gepfändeten Betrag überweisen werde. Am 09.06.2005 überwies die Buchhaltungsangestellte der Insolvenzschuldnerin, S, mit der als Anlage K 44 (Bl. 110 d.A.) vorliegenden Online-Überweisung 11.457,43 Euro an den Beklagten (Zahlung Nr. 7).

Mit rechtskräftigem Urteil vom 25.07.2008, Az. 98 C 233/08, für dessen Inhalt auf Bl. 72 bis 78 d.A. verwiesen wird, verurteilte das Amtsgericht H das beklagte Land zur Rückzahlung von KfZ-Steuern in Höhe von 1.087,83 Euro an den Kläger, die die Insolvenzschuldnerin im Zeitraum 30.06.2004 bis 22.07.2005 an das Finanzamt H des beklagten Landes gezahlt hatte.

Der Kläger meint, er habe die streitgegenständlichen Zahlungen wirksam gemäß § 133 Abs. 1 InsO, die Zahlung Nr. 1 auch nach § 131 Abs. 1 Zif. 2 InsO, angefochten.

Der Kläger und die Streithelferin beantragen,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 134.263,66 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 01.01.2006 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, bezüglich der Zahlungen Nr. 7 und Nr. 8 liege keine Rechtshandlung der Insolvenzschuldnerin vor. Die Insolvenzschuldnerin sei nicht zahlungsunfähig gewesen, da ihr der Kontokorrentkredit zur Verfügung gestanden habe. Weder eine drohende Zahlungsunfähigkeit noch ein Benachteiligungsvorsatz der Insolvenzschuldnerin sei dem beklagten Land bekannt gewesen. Bei der Zahlung Nr. 1 handele es sich nicht um eine inkongruente Befriedigung.

Für die weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

I.

Die Klage ist nur zum Teil begründet.

A. Der Kläger hat aus der Anfechtung der Zahlungen Nr. 1 bis 6 und 9 bis 11 gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 43.897,11 Euro aus §§ 143 Abs. 1, 129 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO.

1. Bei den Zahlungen der Insolvenzschuldnerin Nr. 1 bis 6 und 9 bis 11 handelte es sich unstreitig um Rechtshandlungen der Insolvenzschuldnerin gemäß §§ 129 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO.

2. Die Zahlungen wurden gemäß § 129 Abs. 1 InsO vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.01.2006 vorgenommen und benachteiligten die Insolvenzgläubiger, da sich durch die Zahlungen die Befriedigungsmöglichkeiten der anderen Gläubiger verschlechtert haben.

3. Die Zahlungen wurden gemäß § 133 Abs. 1 InsO in den letzten 10 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, d.h. in dem Zeitraum vom 08.11.1995 bis zum 08.11.2005 vorgenommen.

4. Bei den Zahlungen hatte die Insolvenzschuldnerin den Vorsatz, ihre anderen Gläubiger zu benachteiligen. Unabhängig davon, ob es sich um eine kongruente oder eine inkongruente Deckung handelt, liegt Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners vor, wenn der Schuldner weiß, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um über Zahlungen an einzelne Gläubiger hinaus alle Gläubiger befriedigen zu können, und er bei der Befriedigung eines Gläubigers folglich in Kauf nimmt, dass die übrigen Gläubiger möglicherweise leer ausgehen werden (vgl. BGH, Urteil vom 27.05.2003, Az. IX ZR 169/02, BGH Z 155, 75 ff., unter II.3.c). Dies war hier spätestens seit dem 23.03.2005 zum Zeitpunkt der frühesten hier erörterten Zahlung Nr. 11 der Fall. Nach der hier unter Nr. 11 angefochtenen Zahlung der Lohnsteuer für Februar 2005 in Höhe von 10.337,18 Euro an das Finanzamt des beklagten Landes befand sich das Konto Nr. ... bei der Streithelferin mit 384.617,76 Euro im Soll (vgl. Blatt 5 des Kontoauszugs Nr. 50, vorliegend im Anlagenkonvolut K 7, Anlagenband I), d.h. die Schuldnerin hatte unter Berücksichtigung ihres Kontokorrentkredits in Höhe von 400.000,00 Euro insgesamt noch einen Zahlungsspielraum von knapp 16.000,00 Euro. Gleichzeitig schuldete sie unstreitig seit Oktober 2002 einen monatlichen Mietzins von 8.599,92 Euro (vgl. Bl. 17 d.A.), der bis zur Insolvenzeröffnung nicht beglichen war. Dies bedeutet, dass zum Zeitpunkt der Zahlung am 23.03.2005 neben der Lohnsteuerforderung des Beklagten gleichzeitig Mietforderungen für 30 Monate in Höhe von 257.997,60 Euro fällig waren und zu befriedigen gewesen wären. Da der Insolvenzschuldnerin zum Zeitpunkt der Lohnsteuerzahlung (Nr. 11) nur noch ein Kontokorrentkredit in Höhe von noch nicht einmal 30.000,00 Euro zur Verfügung stand, nahm sie somit billigend in Kauf, die Forderung ihres Vermieters nicht mehr befriedigen zu können. Dasselbe gilt für die späteren Zahlungen Nr. 1 bis 6, 9 und 10 an das Finanzamt des beklagten Landes.

5. Die Mitarbeiter des Finanzamtes des beklagten Landes kannten zur Zeit der Zahlungen Nr. 1 bis 6 und 9 bis 11 den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Insolvenzschuldnerin. Diese Kenntnis wird gemäß § 133 Abs. 1 S. 2 InsO vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Die Mitarbeiter des Finanzamtes des beklagten Landes wussten spätestens am 23.03.2005, dass die Zahlungsunfähigkeit der späteren Insolvenzschuldnerin drohte. Unstreitig bat die Insolvenzschuldnerin bereits im 2. Halbjahr 2004 um die Stundung von Steuerschulden. Ausweislich der Anlage K 11 wurde am 10.02.2005 die Lohnsteuer für Januar 2005 in Höhe von ca. 10.000,00 Euro fällig. Diese nicht gestundete Lohnsteuer zahlte die Insolvenzschuldnerin nicht, sondern erst wieder am 23.03.2005 die Lohnsteuer für Februar 2005. Aus der Tatsache, dass die Insolvenzschuldnerin die fällige und nicht gestundete Lohnsteuer nicht mehr bezahlte, musste der Beklagte schließen, dass es der Insolvenzschuldnerin trotz der bezüglich anderer Steuern getroffenen Stundungsvereinbarung nicht mehr möglich war, alle fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen. Hiergegen spricht nicht, dass der Beklagte die Lohnsteuerforderung für Januar 2005 dann mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 12.05.2005 erfolgreich vollstreckte. Denn das einzige Motiv der Insolvenzschuldnerin, die fällige Lohnsteuer nicht zu bezahlen, konnte nur sein, das Geld für die Befriedigung anderer Gläubiger, die bei einem gewerblich tätigen Schuldner regelmäßig vorhanden sind, zu reservieren. Entgegen der Meinung des Beklagten steht es der Annahme von Zahlungsunfähigkeit nicht entgegen, wenn der Schuldner einzelne Gläubiger noch bedienen kann. Entscheidend ist, dass ihm die Mittel fehlen, um alle fälligen Verbindlichkeiten in absehbarer Zeit zu erfüllen. Der von der Beklagten festgestellte Zahlungsunwille der Insolvenzschuldnerin bezüglich der Lohnsteuer für Januar 2005 stellt sich im Lichte der vorangegangenen Stundungsvereinbarung und mangels konkreter anderer Motive, nicht zahlen zu wollen, als untrügliches Zeichen für die drohende oder sogar bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin dar. Die Mitarbeiter des Finanzamtes der Beklagten wussten folglich auch, dass infolge der seit dem 23.03.2005 erfolgten Zahlungen der Insolvenzschuldnerin an den Beklagten die übrigen Gläubiger benachteiligt wurden.

B. Hingegen hat der Kläger keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 30.809,69 Euro aus der Anfechtung der Zahlungen Nr. 8 und 7 aus §§ 143 Abs. 1, 129 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO.

1. Zwar handelt es sich bei den Zahlungen Nr. 8 und Nr. 7 objektiv um eine von der Insolvenzschuldnerin gesteuerte Rechtshandlung iSd § 133 Abs. 1 InsO. Als die Buchhaltungsangestellte der Insolvenzschuldnerin nach der Pfändung durch den Beklagten vom 12.05.2005 bzw. 07.06.2005 die gepfändeten Beträge überwies, tat sie dies nicht aus einem Guthaben der Insolvenzschuldnerin bei der Streithelferin, sondern aus der Kontokorrentkreditlinie. Da der Kontokorrentkredit von der Streithelferin nur gewährt wird, wenn ein entsprechender Abruf durch die Insolvenzschuldnerin vorliegt, handelt es sich um eine freiwillige Handlung der Insolvenzschuldnerin, die diese auch hätte unterlassen können. Hätte sie den Abruf unterlassen, hätte ihr kein Anspruch gegen die Streithelferin zugestanden und die Pfändung des Beklagten wäre ins Leere gegangen.

2. Entgegen der von der Streithelferin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 14.01.2010 geäußerten Ansicht widerspricht dieses Ergebnis nicht dem Urteil des BGH vom 06.10.2009, Az. IX ZR 191/05, NJW 2009, 3362 ff. Die Anwendung des § 133 Abs. 1 InsO scheitert im vorliegenden Fall weder daran, dass objektiv keine Rechtshandlung des Schuldners vorgelegen hätte, noch daran, dass der Beklagte nicht gewusst hätte, dass die Zahlung zu einer Gläubigerbenachteiligung führen würde, sondern daran, dass der Beklagte zu Recht darauf vertrauen durfte, dass die Zahlung im Rahmen einer Zwangsverfügung erfolgt ist, welche außerhalb des 3-Monatszeitraums auch bei Verletzung der Interessen der übrigen Gläubiger bestandsfest ist. Hingegen war der innere Tatbestand des § 133 Abs. 1 InsO in dem vom BGH entschiedenen Fall unproblematisch; mit diesem musste sich der BGH nicht näher auseinandersetzen (vgl. BGH aaO, unter II.3.). Jedoch zeigen seine Ausführungen zum objektiven Tatbestand, dass die vom BGH entschiedene Fallkonstellation in subjektiver Hinsicht ganz wesentlich von dem hier entschiedenen Fall abweicht. Unter II.1. führt der BGH aus: "Bei Begebung des ersten Schecks stand bereits fest, dass die Vollstreckungsversuche der Beklagten fruchtlos verlaufen waren." Im Gegensatz hierzu musste der Beklagte im vorliegenden Fall davon ausgehen, dass seine Pfändung erfolgreich war: Die Streithelferin hatte ihm in den Drittschuldnererklärungen vom 24.05.2005 und 09.06.2005 ein ausreichendes Guthaben auf dem von der Pfändung betroffenen Kontokorrentkonto bescheinigt und ihre Drittschuldnerzahlung angekündigt. Unter diesen Voraussetzungen stellt sich die Tatsache, dass die zeitnah zu dieser Erklärung erfolgte Überweisung von der Buchhaltungsangestellten der Insolvenzschuldnerin durchgeführt wurde, für den Beklagten nicht als freiwillige, von einem Vorsatz getragene Rechtshandlung des Schuldners, sondern als Zwangsverfügung dar.

C. Der Kläger hat auch keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 59.556,86 Euro aus der Anfechtung der Zahlungen Nr. 12 bis 18 gemäß §§ 143 Abs. 1, 129 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO.

Die Zahlungen Nr. 12 bis 18 erfolgten im Zeitraum 19.10.2004 bis zum 09.02.2005. Auch wenn diese Zahlungen objektiv von der Insolvenzschuldnerin mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz geleistet worden sein sollten, hat der Kläger nicht dargelegt, dass die Mitarbeiter der Beklagten in diesem Zeitraum die gemäß § 133 Abs. 1 S. 1 InsO erforderliche Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Insolvenzschuldnerin hatten. Die Voraussetzungen für eine Vermutung dieser Kenntnis gemäß § 133 Abs. 1 S. 2 InsO, dass nämlich der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte, liegen für den Zeitraum 19.10.2004 bis 09.02.2005 nicht vor.

1. Der Kläger will die Kenntnis der Mitarbeiter der Beklagten von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin bereits in diesem Zeitraum daraus herleiten, dass die Insolvenzschuldnerin - was unstreitig ist - das Finanzamt des beklagten Landes am 22.07.2004 und 06.09.2004 um Stundung von Steuerverbindlichkeiten bat. Der Kläger - wie im Übrigen auch das vom Kläger zitierte Urteil des Amtsgerichts H vom 25.07.2008 (Az. 98 C 233/08) - verkennt dabei, dass es nicht bei einer einseitigen Stundungsbitte der Insolvenzschuldnerin geblieben ist, sondern das Finanzamt des beklagten Landes die erbetene Stundung auch gewährte. Zahlungsunfähigkeit liegt gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 InsO vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Trifft der Insolvenzschuldner mit seinen Gläubigern Stundungsvereinbarungen, kann dies dazu führen, dass es nicht zur Zahlungsunfähigkeit kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 19.07.2007, IX ZB 36/07). Es ist nicht ersichtlich, dass die Mitarbeiter des Finanzamts der Beklagten bis zum 10. Februar 2005 (Fälligkeit der Lohnsteuer für Januar 2005, vgl. oben A.5.) Anhaltspunkte dafür hatten, dass trotz der getroffenen Stundungsvereinbarung die Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin drohte. Zwar hatte die Insolvenzschuldnerin ausweislich Anlage K 37 (Bl. 64 d.A.) per 30.09.2004 eine fällige und nicht bezahlte Steuerschuld von 1.312,10 Euro. Dieser Betrag resultierte jedoch ersichtlich aus Unklarheiten bei der Verrechnung und wurde nach Klärung dann auch sofort am 19.10.2004 von der Insolvenzschuldnerin bezahlt. Dieser Vorfall konnte dem Beklagten daher keine Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin vermitteln. Trotz des gerichtlichen Hinweises vom 07.04.2009 (Bl. 85 d.A.) hat der Kläger keine weitere im Zeitraum vom 19.10.2004 bis 09.02.2005 bereits fällige und von der Insolvenzschuldnerin nicht bezahlte Schuld vorgetragen, von der die Mitarbeiter des Beklagten Kenntnis gehabt hätten. Zwar hat der Kläger insgesamt 3 Listen offener Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin vorgelegt, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr bedient wurden. Diese Listen wurden von der Beklagten nicht bestritten. Sie enthalten durchaus auch eine Reihe von Verbindlichkeiten, die vor dem 19.10.2004 fällig geworden sind. Dabei handelt es sich aber ausschließlich um Verbindlichkeiten aus Warenlieferung, Dienstleistungen, Mietvertrag oder gegenüber Krankenkassen. Bei keiner dieser Art von Verbindlichkeiten ist ersichtlich oder von dem Kläger vorgetragen, inwiefern die Mitarbeiter des Beklagten in der Zeit vom 19.10.2004 bis zum 09.02.2005 hiervon Kenntnis gehabt haben sollen.

2. Davon, dass der Beklagte von der Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin bereits seit dem Jahre 2003 wusste, ist auch nicht auf Grund der Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts H vom 25.07.2008, Az. 98 C 233/08, auszugehen. Entgegen der Meinung des Klägers erstreckt sich die Rechtskraft auf diese Feststellung in den Entscheidungsgründen des amtsgerichtlichen Urteils nicht. Gebunden ist das Zweitgericht nämlich nur, wenn der Streitgegenstand des Erstprozesses auch im Zweitprozess als Vorfrage wieder eine Rolle spielt, nicht aber an die Entscheidung einer Vorfrage, die dem Erst- und dem Zweitprozess gemeinsam ist (vgl. Zöller/Vollkommer, Vor § 322 ZPO Rn. 28). Streitgegenstand des vor dem Amtsgericht geführten Prozesses war die Anfechtung von insgesamt fünf Kfz-Steuerzahlungen der Insolvenzschuldnerin. Diese Kfz-Steuerzahlungen spielen für den hiesigen Prozess keine Rolle. Beide Prozesse haben nur die gemeinsame Vorfrage, ab wann das beklagte Land die Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin kannte. Die Entscheidung dieser Vorfrage erwächst nicht in Rechtskraft.

D. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 143 Abs. 1 S. 2 InsO, 819 Abs. 1, 291, 288 Abs. 1 BGB.

E. Da der nicht nachgelassene Schriftsatz der Streithelferin vom 14.01.2010 nur Rechtsausführungen enthält, die zu keinem anderen Ergebnis führen (vgl. oben B.2.), hat das Gericht keine Veranlassung, das Verfahren gemäß § 156 ZPO wieder zu eröffnen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Da sich die Streitverkündung des Klägers nur auf die Zahlungen Nr. 7 und Nr. 8 bezog und der Kläger bezüglich dieser Zahlungen in vollem Umfang unterlegen ist, hat die Streithelferin gemäß § 101 Abs. 1 ZPO ihre Kosten selbst zu tragen.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.