LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.12.2014 - 6 Sa 545/13
Fundstelle
openJur 2020, 26593
  • Rkr:

Einzelfallentscheidung zur Berechtigung einer außerordentlichen Kündigung wegen privater Verwertung von Betriebsunterlagen.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 29.08.2013 - 5 Ca 933/13 NMB - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten (noch) über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten.

Der Kläger ist seit 11.04.2011 bei der Beklagten als Mitarbeiter im Bereich strategischer Einkauf tätig. Die Rechtsbeziehungen der Parteien bestimmen sich nach dem Arbeitsvertrag vom 06.04.2011 (Bl. 11 bis 14 d. A.). Dieser Vertrag sieht in § 13 vor, dass eine außerordentliche Kündigung der Begründung bedarf.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 11.03.2013 (Bl. 15 d. A.) außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 15.04.2013. Sie stützt diese Kündigung auf eine von ihr angenommene schwere Pflichtverletzung des Klägers, nämlich das unbefugte Kopieren von betriebsinternen Unterlagen mit dem Ziel, diese für private Zwecke zu verwenden.

Die Parteien hatten bereits in einem Vorrechtsstreit zum Geschäftszeichen 3 Ca 908/12 Arbeitsgericht Halle über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer von der Beklagten ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung gestritten. Der Kläger hat in diesem Rechtsstreit obsiegt und ist in der Folgezeit von der Beklagten an wechselnden Arbeitsplätzen weiterbeschäftigt worden.

Am 01.03.2013, gegen 13.00 Uhr übergab die Beklagte im Rahmen eines Personalgesprächs dem Kläger ein Abmahnungsschreiben datiert auf den 28.02.2013 (Bl. 16 d. A.), in dem ihm vorgeworfen wurde, er habe einen am 22.02.2013 von der Mitarbeiterin E ausgelösten Bestellvorgang nicht ordnungsgemäß abgewickelt.

Der Kläger begab sich im Anschluss an dieses Gespräch in das von ihm zum damaligen Zeitpunkt mit mehreren Kollegen gemeinsam genutzte Großraumbüro, entnahm diverse Ordner mit Bestellvorgängen aus dem Aktenregal und fertigte von den abgehefteten Unterlagen an den im Flur befindlichen Kopiergerät Kopien, die er sodann zurück in das Großraumbüro verbrachte und dort in seiner Aktentasche verstaute. Der Kopiervorgang zog sich über mehr als eine Stunde hin. Der Kläger wurde sodann von dem durch Kollegen herbeigerufenen Prokuristen und dem Verwaltungsleiter der Beklagten in einem weiteren Personalgespräch zur Rede gestellt. Der Inhalt dieses Gespräches ist zwischen den Parteien streitig. Nachdem der Kläger nach Dienstschluss seinen Arbeitsplatz verlassen hatte, fand sein Kollege B auf dem von dem Kläger benutzten Schreibtisch insgesamt 116 Kopien von Bestellvorgängen. Wegen des Inhaltes dieser Kopien wird auf Blatt 60 ff der Akte verwiesen.

Die Beklagte entschloss sich sodann zum Ausspruch einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung und informierte hierüber den in ihrem Betrieb bestehenden Betriebsrat mit Schreiben vom 04.03.2013 (Bl. 176 d. A.). Dieser stimmte dem Ausspruch einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung am 05.03.2013, nachdem er zu dem kündigungsauslösenden Vorfall Kollegen des Klägers befragt hatte, zu (Bl. 177 d. A.).

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der streitgegenständlichen Kündigung komme keine Rechtswirksamkeit zu. Er hat die Vorwürfe wie auch eine ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrates bestritten.

Der Kläger hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 11.03.2013, dem Kläger zugegangen am 11.03.2013, beendet worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 28.02.2013 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilten, das sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung in dem Arbeitsverhältnis erstreckt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe Kopien von Bestellvorgängen für private Zwecke gefertigt. Bei den von ihm erstellten Kopien handele es sich um jene, die nach Verlassen seines Arbeitsplatzes der Kollege B auf dem Schreibtisch vorgefunden habe. Die Dokumente seien - unstreitig - vertraulich. Sie weisen keinen Bezug zu dem abmahnungsrelevanten Bestellvorgang am 22.02.2013 auf. In dem Personalgespräch habe der Kläger keine Angaben über den Verwendungszweck der von ihm gefertigten Kopien getätigt. Andererseits habe er jedoch - unstreitig - bereits zuvor die Beklagte aufgefordert, ihm ein Zwischenzeugnis zu erteilen, da er den Arbeitsplatz wechseln wolle. Angesichts dieser Sachlage sei davon auszugehen, dass betriebliche Gründe für das Anfertigen der Kopien nicht bestanden haben.

Der Kläger hat hierzu entgegnet, er habe keineswegs Kopien von betriebsinternen Unterlagen für private Zwecke gefertigt. Die von ihm kopierten Bestellvorgänge haben sich auf den ihm in der Abmahnung vom 28.02.2013 vorgeworfenen Pflichtverstoß bezogen. Er habe in einem weiteren zwischen den Parteien unstreitig angedachten Personalgespräch mit Hilfe dieser Unterlagen den Vorwurf widerlegen wollen. Nach dem zweiten Personalgespräch am 01.03.2013 habe er jedoch eingesehen, dass ein solches Bemühen zwecklos sei und die von ihm gefertigten Kopien wieder vernichtet. Bei den von seinem Kollegen B nach Verlassen des Arbeitsplatzes vorgefundenen Kopien handele es sich nicht um jene, die er zuvor gefertigt habe. Diese Blätter - Fehlkopien aus vorangegangenen Kopiervorgängen - habe er als "Schmierpapier" verwendet.

Zutreffend sei, dass er die Kopien in seine private Aktentasche verbracht habe. Dies beruhe darauf, dass er für den im Großraumbüro befindlichen Schreibtisch nicht über einen eigenen Schlüssel verfügt habe.

Die Beklagte hat hierzu entgegnet, der Kläger habe keineswegs lediglich Kopien von Bestellunterlagen, die das abgemahnte Fehlverhalten betreffen, gefertigt. So habe seine Kollegin H, als sie neben dem Kläger am Kopiergerät stand, erkennen können, dass die von ihm zu jenem Zeitpunkt gefertigte Kopie sich auf einen bereits abgeschlossenen Bestellvorgang bezogen habe.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 29.08.2013 der Kündigungsschutzklage stattgegeben und die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der streitgegenständlichen Kündigung komme weder als außerordentliche noch als hilfsweise ordentliche Kündigung Rechtswirksamkeit zu. Die Beklagte habe nicht ausreichend Tatsachen darlegen können, um ihren Vorwurf, der Kläger habe betriebsinterne Unterlagen für private Zwecke verwenden wollen, substantiiert zu belegen. Aus dem sich bietenden Sachverhalt sei allenfalls ein diesbezüglicher Verdacht ableitbar. Hierauf könne die Beklagte die streitgegenständliche Kündigung jedoch nicht erfolgreich stützen, weil sie die zur Wirksamkeit einer Verdachtskündigung erforderlichen vorangehenden Aufklärungsmaßnahmen nicht durchgeführt habe. Weiter hat das Arbeitsgericht auch der auf Entfernung der Abmahnung vom 28.02.2013 gerichteten Klage sowie der Klage auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses stattgegeben.

Gegen dieses, der Beklagten ausweislich des Empfangsbekenntnisses (Bl. 240 d. A.) am 13.11.2013 zugestellte Urteil hat sie am 12.12.2013 Berufung eingelegt und diese am 13.01.2014 begründet.

Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt sie zuletzt noch ihren Klagabweisungsantrag betreffend die Kündigungsschutzklage des Klägers weiter.

Sie vertritt die Auffassung, das Arbeitsgericht habe den von ihr dargelegten Sachverhalt rechtsfehlerhaft bewertet. Der Kläger habe durch sein Verhalten einen vollendeten Diebstahl begangen. Weiter liege ein Verstoß gegen § 17 UWG vor. Bereits mit Einstecken der gefertigten Kopien in seine Aktentasche seien diese Straftaten vollendet worden. Hierin liege zugleich ein wichtiger Grund, der die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen vermöge.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 29.08.2013 teilweise abzuändern und die Kündigungsschutzklage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

A.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Es handelt sich um das gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG statthafte Rechtsmittel. Die Beklagte hat auch die Berufungseinlegungsfrist des § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG sowie die dort geregelte Berufungsbegründungsfrist gewahrt. Ausweislich des zur Akte gereichten Empfangsbekenntnisses ist das erstinstanzliche Urteil der Beklagten erst am 13.11.2013 zugestellt worden. Umstände, die die Beweiskraft des Empfangsbekenntnisses erschüttern könnten, sind nicht erkennbar. Der Hinweis des Klägers auf das Absendedatum der Urteilsausfertigung ist hierfür nicht geeignet. Entscheidend für den Fristanlauf ist nicht der Eingang der Ausfertigung in der Kanzlei des Beklagtenvertreters. Die Frist läuft erst an, wenn der Prozessbevollmächtigte das Schriftstück mit Empfangswillen entgegennimmt (Zöller/Stober ZPO 30. Aufl. § 174 Rn. 6)

Die Berufungsbegründung entspricht weiter den Vorgaben des § 520 Abs. 3 ZPO. Die Beklagte setzt sich mit rechtlichen Argumenten mit dem erstinstanzlichen Urteil in entscheidungserheblicher Weise auseinander, indem sie aufzeigt, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht einen vollendeten Diebstahl und damit eine nach ihrer Auffassung zur außerordentlichen Kündigung berechtigende Pflichtverletzung des Klägers verneint.

B.

Die Berufung der Beklagten ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird durch die Kündigung der Beklagten vom 11.03.2013 weder außerordentlich noch mit ordentlicher Frist aufgelöst.

I.

Dem Arbeitnehmer ist es aufgrund der dem Arbeitsvertrag immanenten Pflicht zur Rücksichtnahme verwehrt, sich ohne Einverständnis des Arbeitgebers betriebliche Unterlagen oder Daten anzueignen oder diese für betriebsfremde Zwecke zu vervielfältigen. Betreffen die Unterlagen ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, ist die Herstellung einer verkörperten Wiedergabe gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) UWG sogar strafbewehrt, wenn dies zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht geschieht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen. Verstößt der Arbeitnehmer rechtswidrig und schuldhaft gegen diese Vorgaben, kann darin ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB liegen. Ob eine außerordentliche Kündigung berechtigt ist, hängt insbesondere von der Motivation des Arbeitnehmers und möglichen nachteiligen Folgen für den Arbeitgeber ab (BAG 08.05.2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 16, 19 und 32).

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze mangelt es der außerordentlichen Tatkündigung bereits an einem wichtigen Grund an sich.

Aus dem Sachvortrag der Beklagten, die für sämtliche Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB darlegungspflichtig ist, lässt sich nicht mit der nötigen Substanz ableiten, der Kläger habe beim Kopieren von Betriebsinterna mit dem Vorsatz gehandelt, sich diese für betriebsfremde Zwecke anzueignen und zu verwenden. Dagegen spricht entscheidend, dass der Kläger im Beisein seiner Kollegen über mehr als eine Stunde hinweg Kopien von Bestellvorgängen gefertigt hat und diese Tätigkeit für alle Anwesenden eindeutig erkennbar war. Die Mitarbeiterin H hat beispielsweise den Kläger direkt an dem Kopiergerät beobachten und feststellen können, welche Unterlagen er vervielfältigt. Weiter spricht gegen eine von dem Kläger beabsichtigte Verwendung der Kopien für betriebsfremde Zwecke der Umstand, dass er unmittelbar zuvor wegen einer nach Behauptung der Beklagten fehlerhaft durchgeführten Bestellung abgemahnt worden ist und hinsichtlich dieses Vorwurfs aus Sicht des Klägers noch Klärungsbedarf bestand. Selbst wenn der Kläger (auch) Bestellvorgänge kopiert haben sollte, die sich nicht auf den für die Abmahnung relevanten 22.02.2013 beziehen, so folgt hieraus nicht zweifelsfrei, dass er diese Vorgänge für betriebsfremde Zwecke verwenden wollte. Ebenso wenig lässt sich diese Überzeugung dadurch gewinnen, dass der Kläger zum damaligen Zeitpunkt sich mit der Absicht trug, den Arbeitsplatz zu wechseln. Weiterer Sachvortrag, aus dem zweifelsfrei auf ein Motiv des Klägers dahin, er wolle sich mit den kopierten Betriebsinterna bei einem Wettbewerber der Beklagten "einkaufen", geschlossen werden könnte, ist nicht dargetan. Eine diesbezügliche Zielsetzung lässt sich auch nicht aus den von der Beklagten vorgelegten Kopien - unterstellt es handelt sich um jene, die der Kläger gefertigt hat - ableiten. Angaben dazu, in welcher Hinsicht der Inhalt dieser Schriftstücke für den Kläger bei einer Bewerbung von Nutzen sein könnte, hat die Beklagte nicht vorgebracht. Ebenso wenig kann die Beklagte substantiiert darlegen, dass der Kläger die kopierten Unterlagen aus dem von ihm mit genutztem Großraumbüro entfernt hat. Dieser Umstand mag zwar für den objektiven Tatbestand einer vertraglichen Pflichtverletzung unerheblich sein. Ihm kommt jedoch bei der Frage, ob der Kläger mit dem Ziel, die Unterlagen aus den Betriebsräumen zu entfernen, um sie sodann für betriebsfremde Zwecke zu verwenden, gehandelt hat, Bedeutung zu. Aufgrund seiner Position als Einkäufer hatte der Kläger auch Zugang zu Bestellvorgängen, so dass der Zugriff hierauf als solcher nicht zwingend auf eine "Schädigungsabsicht" schließen lässt.

Der Beklagten ist nach alledem zwar zuzugestehen, dass die von ihr vorgetragene Verhaltensweise durchaus den Verdacht nahelegt, der Kläger habe der Vertraulichkeit unterliegende Unterlagen für nicht betriebliche Zwecke verwenden wollen. Ein Tatnachweis lässt sich hieraus jedoch nicht zweifelsfrei ableiten.

2. Der streitigen Kündigung kommt auch nicht als außerordentliche Verdachtskündigung Rechtswirksamkeit zu.

Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.

Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG 23.05.2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 20, 21).

Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung. Bei ihr besteht in besonderem Maße die Gefahr, dass der Arbeitnehmer zu Unrecht beschuldigt wird. Dessen Anhörung ist deshalb ein Gebot der Verhältnismäßigkeit. Unterbliebe sie, wäre die Kündigung nicht "ultima ratio". Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung Gelegenheit geben, zu den Verdachtsmomenten Stellung zu nehmen, um dessen Einlassungen bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigen zu können. Versäumt er dies, kann er sich im Prozess nicht auf den Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers berufen; die hierauf gestützte Kündigung ist unwirksam (BAG 20.03.2014 - 2 AZR 1037/12 - Rn. 23).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Dabei kann dahinstehen, ob sich aus dem Sachvortrag der Beklagten ein dringender Verdacht ergibt. Die Beklagte hat jedenfalls vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung nicht die erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen durchgeführt. Dies hat das Arbeitsgericht auf den Seiten 10 bis 12 der Entscheidungsgründe zutreffend ausgeführt. Weiterer Sachvortrag ist hierzu von der Beklagten auch im Berufungsverfahren nicht geleistet worden.

3. Mithin kommt es nicht mehr darauf an, ob die außerordentliche Kündigung auch wegen Verstoßes gegen das vertraglich vereinbarte Begründungsgebot (§ 13 Arbeitsvertrag) unwirksam ist.

II.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird nicht durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung mit Ablauf der dem Kläger zustehenden Kündigungsfrist aufgelöst. Auch dieser Kündigung kommt keine Rechtswirksamkeit zu.

1. Die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Tatkündigung scheitert daran, dass diese, weil ein verhaltensbedingter Grund hierfür nicht gegeben ist, sozial nicht gerechtfertigt i. S. d. § 1 Abs. 2 KSchG ist.

Danach ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Sie ist durch solche Gründe "bedingt", wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (BAG 21.06.2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 14).

Vorliegend fehlt es bereits an einer schuldhaften Pflichtverletzung des Klägers. Wie vorstehend ausgeführt, ist eine Pflichtverletzung des Klägers in Form der Herstellung von Kopien zur Verwendung für betriebsfremde Zwecke von der Beklagten nicht schlüssig dargelegt worden.

2. Die streitige Kündigung ist schließlich nicht als ordentliche Verdachtskündigung rechtswirksam, weil sie auch unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt nicht sozial gerechtfertigt ist.

Eine Verdachtskündigung ist auch als ordentliche Kündigung sozial nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten. Dies gilt zum einen für die Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als solchen. In dieser Hinsicht bestehen keine Unterschiede zwischen außerordentlicher und ordentlicher Kündigung. Für beide Kündigungsarten muss der Verdacht gleichermaßen erdrückend sein. Dies gilt zum anderen für die inhaltliche Bewertung des fraglichen Verhaltens und die Interessenabwägung. Auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG müssen sie zu dem Ergebnis führen, dass das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtig ist, - wäre es erwiesen - sogar eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen würde. Nur unter dieser Voraussetzung ist die Kündigung schon durch den bloßen Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens iSv. § 1 Abs. 2 KSchG "bedingt" (BAG 21.11.2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 32).

Wie vorstehend unter I. 2. ausgeführt, liegen die Voraussetzungen für eine (außerordentliche) Verdachtskündigung nicht vor.

III.

Nach alledem konnte das von der Beklagten auf die Abweisung der Kündigungsschutzklage beschränkte Rechtsmittel keinen Erfolg haben.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO.

D.

Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Den entscheidungserheblichen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Kammer weicht mit ihrer Entscheidung auch nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab.

Auf § 72a ArbGG wird hingewiesen.