LG Magdeburg, Urteil vom 08.01.2013 - 11 O 1425/12
Fundstelle
openJur 2020, 26253
  • Rkr:
Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.500 €, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 9.11.2012 zu bezahlen.

2. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 603,93 € zu bezahlen.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die angemessene Höhe eines Schmerzensgeldes wegen einer Verkehrssicherungspflichtverletzung.

Der Beklagte bewohnt mit seiner Ehefrau ein Reihenhaus im W 10 in M. Entlang der Grenze zum Nachbarhaus leitet er Regenwasser über eine Regenrinne so ab, dass das Regenwasser über den vor seinem Haus gelegenen öffentlichen Gehweg fließt. Er verfährt auch im Winter so, mit der Folge, dass das abgeleitete Wasser bei Abfallen der Temperaturen unter den Gefrierpunkt auf dem Gehweg vereist und die vereiste Stelle bei Schneefall von dem gefallenen Schnee schließlich verdeckt wird.

Am Abend des 14.10.2010 herrschten Minustemperaturen. In den Morgenstunden des 15.10.2010 schneite es. Die Klägerin verließ kurz nach 6 Uhr morgens das Haus, ging den schneebedeckten Fußweg des Wes entlang zu einer nahegelegenen Bushaltestelle, glitt aus und brach sich infolge des Sturzes vor dem Haus des Beklagten das Sprunggelenk und den Außenknöchel.

Sie meldete sich unverzüglich bei der Ehefrau des Beklagten in der gemeinsamen Wohnung und teilte ihr das Unfallgeschehen, insbesondere das sie vor dem Haus im Bereich der Regenrinne gestürzt sei, mit. Die Ehefrau des Beklagten war der Klägerin behilflich und holte die Notfallambulanz, die die Klägerin um 6.52 in ein nahegelegenes Krankenhaus einlieferte.

Infolge des Unfalls befand sich die Klägerin zunächst in der Zeit vom 15.12. bis 21.12.2010 in stationärer ärztlicher und operativer Behandlung, die auch die Einbringung chirurgischen Materials verlangte (Stellschraube, Drittelrohrplatte, Zuggurt etc). Am 26.1.2011 wurde ein weiterer ambulanter Eingriff vorgenommen und die eingebrachte Schraube wieder entfernt. Belastbarkeit und Beweglichkeit des Sprunggelenks waren weiterhin beeinträchtigt. Die Klägerin wurde in dieser Zeit physiotherapeutisch weiter behandelt und war bis 30.5.2011 arbeitsunfähig. Anschließend wurde die Klägerin wieder stundenweise, zunächst 4, dann 6 Stunden beschäftigt. Ab 1.8.2011 nahm sie zwar ihre volle Erwerbstätigkeit als Sachgebietsleiterin wieder auf, gleichwohl bestand aufgrund einer verbleibenden Bewegungsbeeinträchtigung des Sprunggelenks aus ärztlicher Sicht zunächst noch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 %. Am 29.11.2011 wurde in einem weiteren operativen Eingriff das verbliebene eingebrachte Material entfernt. Eine Nachuntersuchung in einem Jahr ist erforderlich.

Die Klägerin behauptet, sie sei vor dem Haus des Beklagten im Bereich der Regenrinne gestürzt, obwohl sie flache Winterstiefel getragen habe, weshalb sie sich wie geschildert verletzt und dabei auch ihre Brille beschädigt worden sei. Insoweit sei ihr ein Schaden von 51, 80 € verblieben. Die vereiste Stelle sei aufgrund des Schneefalls nicht erkennbar gewesen. Der Beklagte hafte, weil er eine Gefahrenquelle für den öffentlichen Verkehr geschaffen habe.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes, in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld in Höhe von wenigstens 6000 € zu bezahlen, nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 9.11.2012.

Ferner beantragt sie, den Beklagten zur Zahlung weiterer 51, 80 € nebst weiteren 603,93 € nicht anrechenbarer Rechtsverfolgungskosten zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bestreitet den Unfallhergang, als auch die mitgeteilten Umstände mit Nichtwissen. Weder er noch seine Ehefrau hätten den Unfall gesehen. Die Darstellung der Klägerin sei unglaubwürdig, weil ihr Weg zur Arbeit nicht vor dem Haus vorbeiführen würde. Die Klägerin hätte geeignetes Schuhwerk tragen müssen.

Davon abgesehen sei er auch nicht verkehrssicherungspflichtig. Das Wasser aus der Regenrinne sei "planmäßig" über den Gehweg abgeleitet worden. Dies sei ortsüblich. Die Räum- und Streupflicht setze auch erst um 7.00 morgens ein. Das ergebe sich aus der entsprechenden Satzung der Stadt M. Der Unfall habe sich vor 7.00 ereignet. Am Vorabend sei wegen Minustemperaturen von der Ehefrau des Beklagten insbesondere sogar die Stelle an der Regenrinne "überobligationsmäßig" gestreut worden. Im Übrigen könne auch sorgfältiges Streuen einen Unfall nicht verhindern.

Das ablaufendes Regenwasser gefrieren könne, sei jedermann bekannt und auf den ersten Blick auch schon bei beiläufigem Hinsehen ersichtlich. Die Stelle könne mit einem kleinen Schritt überwunden werden, weshalb nicht von einer Gefahrenquelle gesprochen werden könne.

Die Klägerin hätte schon wegen des Schneefalls, insbesondere im Bereich der Regenrinne besondere Vorsicht walten lassen müssen. Sie wohne keine 5oo m entfernt, weshalb zudem Ortskundigkeit vorausgesetzt werden könne. Wenn sie ausgerutscht sei, dann wegen Gedankenverlorenheit. Sie hätte erkennen können, dass an der Hauswand eine Regenrinne montiert sei.

Wegen der Übrigen Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die Kammer hat die Klägerin als Partei und die Ehefrau des Beklagten als Zeugin vernommenen.

Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll vom 18.12.2012 Bezug genommen. Wegen der übrigen Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gemäß § 823 Abs.1 i.V.m § 253 Abs. 2 BGB Anspruch auf ein angemessenes Schmerzensgeld, weil der Beklagte eine ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt und dadurch die Klägerin an Körper und Gesundheit verletzt hat.

Auf den Inhalt der städtischen Satzung kommt es nicht an, weil Fragen der darin geregelten Räum- und Streupflicht die dem Anlieger auferlegt sind, für die Beurteilung einer zivilrechtlich zu beurteilenden Verkehrssicherungspflichtverletzung nicht erheblich sind. Denn bei der städtischen Satzung handelt es sich um öffentliches Recht. Sie verlagert eine öffentliche Aufgabe aus Gründen der Effektivität der Erledigung dieser Aufgabe auf den Anlieger und bezweckt damit in erster Linie die Vermeidung der Erhebung öffentlicher Gebühren (im Einzelnen bei BVerwG NJW 1966, 170, bei juris Rn 14). Die Satzung regelt deshalb auch keine Haftungsgründe. Insbesondere folgt aus der Existenz einer städtischen Satzung nicht, aus welchen Gründen es gerechtfertigt wäre, eine Haftungsfolge für den Anlieger mit einem Witterungseinfluss zu verknüpfen. Denn der Einzelne ist weder in der Lage das Wetter zu beeinflussen, noch ohne weiteres aufgrund der Vorgaben der Satzung die aus den Witterungsverhältnissen folgenden Gefahren so zu beherrschen und zu kontrollieren, dass der Verkehr sich darauf verlassen kann, dass er vor den Gefahren der Witterungsverhältnissen geschützt ist. Die vorgetragenen und auch in der Rechtsprechung akzeptierten Erwägungen, dass bei Schnee und Eis selbst mit sorgfältigem Abstreuen nicht stets verhindert werden kann, dass ein Passant stürzt, weshalb es Sache des Passanten sei, bei prekären Witterungsverhältnissen selbst aufzupassen, greifen diesen Teilaspekt zwar auf, negieren im Übrigen aber die Fallgestaltung und gehen deshalb an der Sache vorbei.

II.

Die Haftung aufgrund einer Verkehrssicherungspflichtverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB von Grundstückseigentümern oder sonstigen Verfügungsberechtigten beruht auf der Pflicht, konkrete Gefahren für Dritte zu vermeiden, wenn auf dem Grundstück ein Verkehr eröffnet wird oder durch das Setzen besonderer Anreize vom Eigentümer oder sonstigen Verfügungsberechtigten konkrete Gefahren hervorgerufen werden, die über die Grenzen seines Grundstücks hinaus auf einen bestehenden Verkehr einwirken (LG M 11 O 778/12).

a) Insoweit kann der Satzungsinhalt allerdings rechtserheblich werden, weil die Satzung, in den in ihr aufgestellten Grenzen, dem Anlieger oder sonstigen Verfügungsberechtigten des Grundstücks Kontroll- und Handlungspflichten aufbürdet. Bei Satzungsverstößen ist es in der Regel aber nur angemessen, denjenigen in Anspruch zu nehmen, der aufgrund der Lage und des Nutzungszwecks seines Anwesens aufgrund eines bestehenden öffentlichen Verkehrs persönliche, insbesondere wirtschaftliche Vorteile, zieht. Das gilt bei einer entsprechenden Vorteilslage deshalb auch über den Anwendungsbereich der Satzung hinaus (BGH VersR 1956, 289; NJW 1987, 2671; bei Juris Rn 14). Aus diesem haftungsrechtlichen Zusammenhang folgt, dass eine zivilrechtliche Haftung sowohl neben den in der Satzung geregelten Handlungspflichten, als auch dann entstehen kann, wenn es gar keine Satzung gibt (vgl. hierzu bei BGHZ 6, 315,319; BGH NJW 1972, 1321 bei Juris Rn 14). Auf die in der Satzung genannten Uhrzeiten kann sich der Beklagte deshalb nicht ohne weiteres berufen.

b) Verkehrssicherungspflichten entstehen insbesondere dann, wenn die konkrete Gefahrenlage von dem Eigentümer oder dem sonstigen Verfügungsberechtigten des Grundstücks in der Weise herbeigeführt worden ist, dass sie von seinem Grundstück ausgeht und auf einen bestehenden Verkehr einwirkt. Um diese Fallkonstellation geht es hier.

c) Denn der Beklagte hat nicht deshalb eine Verkehrssicherungspflichtverletzung nach § 823 Abs.1 BGB begangen, weil er die Satzung nicht beachtet hat, sondern weil er es zumindest pflichtwidrig unterlassen hat, den Fußgängerverkehr deutlich davor zu warnen, dass er bei Außentemperaturen im Gefrierbereich sein Regenwasser über den Fußweg ableitet. Denn ein auf den Fußweg abgeleitetes Regenwasser begründet, unbesehen des Umstandes, dass der Fußweg bei Regen auch sonst nass wird, eine erheblich gesteigerte Gefährdung der Fußgänger aufgrund Glatteisbildung. Denn die Wassermenge wird aus Gründen, die in der Natur der Sache liegen, aufgrund des lenkenden Eingriffs des Verfügungsberechtigten auf dem Gehweg konzentriert, weshalb es bei Außentemperaturen unter 0 Grad an den betroffenen Stellen auf dem Gehweg auch zu gesteigerter Eisbildung kommt. Zumindest eine deutliche Warnung war deshalb angezeigt, weil aufgrund der Witterungsverhältnisse sowohl mit Eisbildung, als auch mit Schneefall zu rechnen gewesen ist.

aa) Dass es sich im vorliegenden Fall so verhalten hat ist erwiesen. Das ergibt sich bereits aus den Angaben der Ehefrau des Beklagten, die der Kammer, als Zeugin vernommen, anhand des Lichtbildes ( Blatt 8.d.A) eingehend die Stelle erläutert hat, an der das Regenwasser von ihrer Regenrinne aus über den Fußweg abgeleitet wird und zudem auch erläutert hat, dass sie gerade wegen der Minustemperaturen am Vorabend an dieser Stelle nochmals gestreut hat, weshalb der Beklagte auch eine "überobligationsmäßige" Pflichterfüllung behauptet. Auch hat der Beklagte selbst eingeräumt, dass am Morgen eine Schneedecke lag. Das ergibt sich daraus, dass er ausdrücklich darauf verwiesen hat, er hätte erst um 7.00 räumen müssen.

bb) Der Annahme einer "überobligationsmäßigen" Pflichterfüllung kann die Kammer nicht beitreten. Denn wie der Beklagte selbst ausgeführt hat, kann das Abstreuen allein nicht verhindern, den Fußgängerverkehr vor Stürzen zu bewahren. In diesem Zusammenhang ist der Aspekt der unzureichenden Gefahrabwendungsmaßnahme allerdings erheblich, weil es haftungsrechtlich ein jedermann einleuchtender qualitativer Unterschied ist, ob eine witterungsbedingte Gefahrenlage aufgrund der Wetterlage weder vollständig beherrscht noch kontrolliert werden kann oder eine Beherrschbarkeit deshalb gegeben ist, weil die Gefahrenlage ohne sachliche Notwendigkeit oder sonst einen vernünftigen Grund vom Verkehrssicherungspflichtigen selbst hervorgerufen worden ist. Denn was man hervorruft, kann man von vornherein auch unterlassen. Die in Rede stehende Verkehrspflicht legt es deshalb nahe, bei Glatteisgefahr das Ableiten des Regenwassers auf einen öffentlichen Fußweg zu unterlassen und wenn es aus besonderen Gründen nicht anders geht, zumindest deutlich auf die dadurch entstehende Gefahrenlage hinzuweisen. Denn es leuchtet jedermann ohne weiteres ein, dass Glatteis unter einer Schneedecke nicht ohne weiteres erkannt werden kann. Daran ändert auch nichts, dass der Beklagte behauptet, sein Verhalten sei "üblich", bzw es liege eine ortsübliche bauliche Gegebenheit vor. Die Kammer kann sich bereits nicht vorstellen, dass die zuständige Sicherheitsbehörde ein derartiges Verhalten dulden würde, wenn die Einzelfallumstände dort bekannt wären. Davon abgesehen ist der Begriff der "Üblichkeit" inhaltsleer. In dem Zusammenhang in dem er hier vom Beklagten verwendet worden ist, lässt sich ihm allenfalls entnehmen, dass er sich der fremdgefährdenden Auswirkungen seines Verhaltens verschließt. Wenn es möglich wäre, eine konkrete Gefahr mit der Erwägung zu verneinen, sie läge nicht vor, weil Andere diese Gefahrenlage auch schaffen und sie deshalb "ortsüblich" sei, wäre einer wesentlichen Aufgabe der Verkehrspflichten, nämlich Sicherheit im öffentlichen Raum zu gewährleisten, von vornherein der Boden entzogen. Tatsächlich handelt es sich, wie sonst auch bei Sicherheitsfragen, um eine Frage der richtigen Balance (BVerfGE 115, 320 ff, bei Juris Rn 129 ).

c) Der Sturz und die mit dem Sturz einhergehende Körperverletzung, ist auch auf die pflichtwidrige Unterlassung zurückzuführen. Entgegen der Annahme der Beklagten stehen der Klägerin insoweit die Grundsätze des Anscheinsbeweises zur Seite. Denn diese greifen stets dann ein, wenn der Geschädigte in unmittelbarer Nähe der Gefahrenquelle zu Fall gekommen ist (BGH VersR 1962, 449 f; NJW 2005, 2454). Davon abgesehen, bestehen auch an der Darstellung der Klägerin keine Zweifel, weil sie, auch wenn die Ehefrau des Beklagten den Hergang nicht beobachtet hat, hinsichtlich weiterer wesentlicher Einzelheiten mit der Darstellung der Ehefrau des Beklagten übereinstimmt. Denn diese hat in engem unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang die Ernsthaftigkeit der Verletzung selbst wahrgenommen, weil sie der Klägerin erste Hilfe geleistet hat, ihr wegen des anschwellenden Fußgelenks den Stiefel ausgezogen und auch die Notfallambulanz verständigt hat. Hinsichtlich einer konkreten Spurenlage im Schnee war ihre Aussage im Übrigen unergiebig. Dazu konnte sie nichts sagen, weshalb auch insoweit kein Widerspruch zu den Angaben der Klägerin besteht.

d) Das Verhalten des Beklagten ist auch schuldhaft, weil es weder mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ( § 276 BGB) zu vereinbaren ist und der Beklagte den Verkehr vor der von ihm geschaffene Gefahrenlage nicht nur mit einer sondern mit verschiedenen zumutbaren Maßnahme hätte schützen können. Denn wie das Lichtbild von der Unfallstelle (Blatt 8.d.A.) zeigt, wäre es z.B. auch möglich, das Fallrohr ein wenig zu kürzen und neben dem Zaun eine Regentonne aufzustellen. Alternativ hätte sich, im Einverständnis mit dem Nachbarn, auch angeboten, den unteren Teil des Fallrohres hinter den Zaun zu leiten und eine gemeinsame Regentonne in der Vertiefung hinter dem Zaun aufzustellen. Denn augenscheinlich leitet auch der Nachbar sein Regenwasser an der Grundstücksgrenze über den Fußweg ab, worauf sich der Beklagte zuletzt auch ausdrücklich berufen hat, so dass insoweit ein erhebliches gemeinsames Interesse besteht. Das sind alles keine Maßnahmen, auf die ein verständiger Bürger in der Situation des Beklagten, nicht aufgrund eigener Verstandesleistung von selbst kommen könnte und erfordern zudem auch keinen unverhältnismäßigen Aufwand. Von einer "baulichen Gegebenheit" ( Anlage K 6 ), kann deshalb überhaupt keine Rede sein. Davon abgesehen hat es gleichwohl keinen vernünftigen Grund gegeben, warum der Verkehr nicht wenigstens durch eine geeignete Warnung auf die Gefahrenstelle hingewiesen worden ist, zumal sich dem Vortrag des Beklagten entnehmen lässt, dass ihm bekannt ist, dass durch Abstreuen allein die von ihm geschaffene Gefahr nicht mit der gebotenen Sicherheit beseitigt werden kann.

e) Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat die Kammer zugunsten der Klägerin berücksichtigt, dass der Beklagte die Fremdgefährdung billigend in Kauf genommen hat. Das ergibt sich aus seiner Berufung auf ortsübliches Verhalten. Aus den unstreitigen ärztlichen Attesten folgt, dass die Klägerin erhebliche Einschränkungen in ihrer Lebensführung hinnehmen musste, sich wiederholt stationären und ambulanten ärztlichen Eingriffen zu unterziehen hatte, mehr als 5 Monate arbeitsunfähig gewesen ist und schließlich schrittweise wieder in das Berufsleben eingegliedert wurde. Ferner sind für einen Zeitraum von wenigsten weiteren 5 Monaten Bewegungsbeeinträchtigungen im Sprunggelenk zurückgeblieben. Schließlich hat die Kammer zugunsten der Klägerin gewichtet, dass nach dem landesärztlichen Attest von einer ungewissen Perspektive auszugehen ist. Denn danach war vorerst von einer zurückbleibenden MdE von 20 % auszugehen, weshalb sich die Klägerin einer weiteren Nachuntersuchung zu unterziehen hatte.

Zu Gunsten des Beklagten hat die Kammer berücksichtigt, dass er nur zu einer ungeeigneten Maßnahme gegriffen hat, ferner dass sich die Klägerin entgegenhalten lassen muss, dass sie sich trotz allem bei winterlichen Witterungsbedingungen mit besonderer Vorsicht zu bewegen hat und sich deshalb auch nicht auf schlechte Sicht wegen Schnee im Gesicht berufen kann. Notfalls muss sie eben stehen bleiben und sich den Schnee aus dem Gesicht wischen, bis sie wieder sehen kann. Gleichwohl rechtfertigt die zuletzt unstreitige Schneedecke auf dem Fußweg es allerdings nicht, ihr vorzuhalten sie hätte die Gefahrenstelle erkennen müssen. Denn ein Fallrohr an einer Hauswand lässt, sofern es bei Schneefall und der Notwendigkeit, sich unter diesen Bedingungen gesteigert auf den Weg zu konzentrieren, überhaupt in zumutbarer Weise wahrgenommen werden kann, einen verständigen Bürger jedenfalls nicht ohne weiteres auf den Gedanken kommen, dass er es mit einem Anlieger zu tun hat, der sein Regenwasser über den Fußweg ableitet und er unter einer geschlossenen Schneedecke deshalb mit verschärfter Glatteisbildung zu rechnen hat.

Der Beklagte ist im Übrigen für seine Behauptung der Ortsüblichkeit - rechtlich handelt es sich um den Einwand des vorsatzausschließenden Rechtsirrtums- beweisfällig geblieben (zur Beweislast insoweit, Palandt- Grunewald, BGB, 71 Aufl. § 276 Rn 11). Aus dem Verhalten eines oder mehrerer Nachbarn folgt keine Ortsüblichkeit.

Ebenso ist er damit beweisfällig geblieben, dass die Klägerin diese Gefahrenlage kannte. Im Hinblick auf die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes, die insbesondere bei Vorsatz zum Tragen kommt, war im Übrigen zu gewichten, dass der Beklagte deutlich über das hinausgegangen ist, was eine Prozesspartei, die einen empfindlichen Körperschaden erlitten hat, im Rahmen der Klärung des Falles auszuhalten hat. Zum einen war das Schmerzensgeld seit Dezember 2011 abrechnungsreif. Auch hat die Klägerin bei ihrer Forderung den ihr anzurechnenden Mitwirkungsanteil berücksichtigt. Zuzugeben ist dem Beklagten zwar, dass die Bemessung des Schmerzensgeldes innerhalb der Grenzen der Fallfragen stets Spielräume und damit auch Raum für Verhandlungen offen lässt. Derartige Erwägungen haben allerdings eine andere inhaltliche Qualität und können auch deutlich von einem Verhalten abgegrenzt werden, das bei der Klägerin den Eindruck hinterlassen muss, dass sie von dem Beklagten hingehalten wird. So liegt der Fall aber, wenn der Beklagte ohne ersichtlichen Anlass die Glaubwürdigkeit der Klägerin in Abrede stellt, darauf verweist, dass ihr Weg zur Arbeit anders verläuft, ihr ungeeignetes Schuhwerk vorhält, obgleich seine eigene Ehefrau - wie sie in ihrer Vernehmung bekundet hat - ihr nach dem Unfall wegen des angeschwollenen Fußes sogar noch geholfen hat den Stiefel auszuziehen. Dieses Verhalten erscheint auch nicht deshalb in einem milderen Licht, weil der Beklagte gegebenenfalls 4.000 € als angemessen angesehen hätte. Tatsächlich hat er unter Hinweis auf die Auffassung seiner Versicherung jedwede Kompensationsbereitschaft verweigert. Es ist auch nicht angängig, dieses Verhalten auf die Versicherung abzuschieben. Weder ist die Versicherung am Rechtsstreit beteiligt gewesen. Noch wird das Verhalten der Versicherung im Innenverhältnis allein von ihr selbst bestimmt. Bei Fragen einer Schadensregulierung wird es maßgeblich von den Angaben ihres Versicherten mitbestimmt. Insoweit spricht das Schreiben der Versicherung (Anlage K 6), in dem bereits im April 2011 eine ablehnende Haltung wegen einer ortsüblichen baulichen Gegebenheit eingenommen wurde, geradezu Bände. Die Kammer hat unter Abwägung aller Umstände, über den Antrag der Klägerin hinaus, deshalb ein Schmerzensgeld von 7.500 € als angemessen erachtet. An die Anträge ist die Kammer bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nach § 253 ZPO nicht gebunden, weil der Antrag in das Ermessen des Gericht gestellt werden kann und auch gestellt worden ist.

II.

Den behaupteten Restschaden an der Brille hat die Kammer allerdings nicht für erstattungsfähig angesehen. Die Aufwendungen sind nicht ausreichend belegt.

Die Ersatzpflicht für die nichtanrechenbaren Rechtsverfolgungskosten ergibt sich aus § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Sie sind in der Höhe nach nicht beanstandet worden. Die Kammer hat auch keinen Berechnungsfehler entdeckt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.