AG Sangerhausen, Endurteil vom 08.08.2012 - 1 C 483/11
Fundstelle
openJur 2020, 25942
  • Rkr:
Tenor

1.) Die Klage wird abgewiesen.

2.) Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 600,- € abwenden, falls nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 12.11.2010 in ... , am Brandrain auf dem Parkplatz vor dem... ereignete.

Die Klägerin stellte an dem Tag dort ihr Fahrzeug, einen PKW ..., mit dem amtlichen Kennzeichen ... ab und begab sich in den Markt.

Der Beklagte zu 1.) stellte seinen PKW ... mit dem amtlichen Kennzeichen ..., das an dem Tag bei der Beklagten zu 2.) haftpflichtversichert war, daneben ab. Als er beabsichtigte das Fahrzeug zu verlassen und die Tür des PKW's öffnete, riß ihm eine Windböe die Tür aus der Hand und stieß gegen das Auto der Klägerin. Das Fahrzeug der Klägerin wurde zunächst durch den von ihr beauftragten Sachverständigen ... begutachtet. Anschließend wurde das Fahrzeug vom Sachverständigen ..., der von der Beklagten zu 2.) beauftragt wurde, nachbegutachtet.

Daraufhin teilte die Beklagte zu 2.) der Klägerin mit Schreiben vom 04.02.2011 u.a. folgendes mit: ... Die Nachbesichtigung ergab, dass der überwiegende Schaden an Ihrem Fahrzeug nicht auf das Ereignis vom 12.11.2010 zurückzuführen ist ....

Die Klägerin teilte der der Beklagten zu 2.) im Rahmen der Schadensregulierung danach folgendes schriftlich mit:

- Schreiben ohne Datum, dass bei der Beklagten zu 2.) am 01.03.2011 einging:

.... Hiermit sende ich Ihnen, Herr ..., den Nachweis, dass mein Auto vor dem Sachverhalt mit Herrn ... keine Vorschäden hatte ....

- Schreiben vom 20.03.2011: ... erneut antworte ich Ihnen, dass sich vorher keinerlei Schäden an meinem Auto befanden ....

Die Klägerin trägt vor, sie habe sowohl den aufnehmenden Polizeibeamten als auch den Beklagten zu 1.) darauf hingewiesen, dass die Lackkratzer im Bereich der oberen Kante hinter dem Spiegel nicht unfallursächlich seien, sondern auf ein bereits zurückliegendes Schadensereignis zurückzuführen sind. Sie habe von der Delle in dem unteren Bereich des Kontursprungs (Sicke) erst durch den Gutachter ... erfahren.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagten seien zur Erstattung des Schadens verpflichtet. Sie meint, es reiche, aus den Polizeibeamten, den Sachverständigen, einer davon von der Beklagten zu 2.) beauftragt, aus, um ihrer Anzeigepflicht zu genügen.

Die Klägerin beantragte zunächst, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 2.227,63 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, weiterhin an die Klägerin die nach Vorbemerkung 3 Absatz 4 zu Nr. 3100 VVRVG entstandene Geschäftsgebühr in Höhe von 272,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

In der mündlichen Verhandlung, nach Einholung des gerichtlichen Gutachtens vom 08.08.2012, reduzierte die Klägerin ihren Antrag.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 1039,63 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen an die Klägerin die nach Vorbemerkung 3 Absatz 4 zu Nr. 3100 VVRVG entstandene Geschäftsgebühr in Höhe von 272,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen

Klageabweisung.

Sie sind der Ansicht nicht zum Schadensersatz verpflichtet zu sein. Die Klägerin habe das Schadensersatzbegehren nicht richtig begründet, sondern vorsätzlich Vorschäden verschwiegen. Durch den nicht kompatiblen Schaden lasse sich nicht ausschließen, dass auch kompatible Schäden durch ein früheres Ereignis verursacht worden seien.

Das Gericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 30.01.2012 Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Insoweit wird auf das erstattete Gutachten des Sachverständigen ...vom 18.05.2012 Bezug genommen.

Die Klägerin und der Beklagte zu 1.) wurden persönlich angehört. Insoweit wird auf das gerichtliche Protokoll verwiesen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht Sangerhausen ist örtlich (§ 20 StVG) und sachlich (§ 23 Nr. 1 GVG) zuständig.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Klägerin steht gegenüber den Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 823 BGB, 7, StVG, 3 PflVG zu.

Zwar ist es unstreitig zu einem Verkehrsunfall zwischen dem PKW der Klägerin und dem PKW des Beklagten zu 1.) gekommen. Der Unfall ist auch bei dem Betrieb des PKW's des Beklagten zu 1.) erfolgt. Das ergibt sich daraus, dass er die Tür seines PKW's öffnete und eine Windböe sie ihm aus der Hand riß und diese letztlich den PKW der Klägerin berührte. Dabei ist es unerheblich, dass beide PKW's standen, denn der Unfall ereignete sich im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Führen der Kraftfahrzeuge.

Die Klägerin hat gegenüber den Beklagten jedoch keinen Anspruch auf Ersatz des geltend gemachten Schaden nach §§ 823 BGB, 7 Absatz 1 StVG, 3 Nr. 1 PflVG.

Die Beklagten sind nämlich nach §§ 7 Absatz I (2) Satz 3, Absatz V (4) AKB in Verbindung mit § 6 Absatz 3 WG von ihrer Leistungspflicht befreit.

Die Klägerin hat ihre Pflicht zur Anzeige des Vorschadens verletzt.

Sie hat gegenüber der Beklagten zu 2.) auf Anfrage hin nicht angegeben, dass an ihrem Fahrzeug im betroffenen Bereich des durch den Unfall beteiligten Fahrzeuges ein Vorschaden bestand.

Vielmehr hat sie in 2 Schreiben, die an die Beklagte zu 2.) gerichtet waren, angegeben, dass ihr PKW keine Vorschäden hatte.

Die Klägerin beruft sich vergeblich darauf, dass sie anderen Personen die Vorschäden angezeigt haben will.

Die Anzeige gegenüber den Polizeibeamten reicht offenkundig nicht aus, da diese mit der Schadensregulierung nicht befaßt sind. Die Parteien haben zudem, letztlich unstreitig, angeben, dass die Polizisten erklärt haben, die Unfallparteien sich selbst einigen müssten, da der Schaden so gering ist.

Die Anzeigen gegenüber den Gutachtern durch die Klägerin reichen ebenfalls nicht aus, da diese gleichfalls mit der Schadensregulierung nicht beauftragt sind.

Zwar wurde der von der Beklagten zu 2.) benannte Sachverständige ... mit der Begutachtung des Fahrzeugs der Klägerin beauftragt. Jedoch ist dieser nur zur Ermittlung des Schadens beauftragt worden und nicht mit der Schadensregulierung.

Somit ist auf den Zeitpunkt der Schadensbearbeitung durch die Beklagte zu 2.) abzustellen und nicht auf den - späteren - Zeitpunkt der Nachbegutachtung.

Schließlich hat die Klägerin mit ihren beiden Schreiben nach Vorlage des Nachgutachtens und dem Hinweis darauf, weiterhin das Fehlen von Vorschäden behauptet.

Die Klägerin hat letztlich in der mündlichen Verhandlung vom 08.08.2012 selbst zugestanden, der Beklagten zu 2.) den Vorschaden nicht angezeigt zu haben. Die von der Klägerin erhobene Erklärung, sie habe das deshalb nicht getan, weil sie gedacht habe, die Anzeige gegenüber den Polizisten, bzw. gegenüber den Sachverständigen und dem Beklagten zu 1.) habe ausgereicht, hilft ihr, angesichts ihrer beiden Schreiben, da nicht weiter.

Nach Ansicht des Gerichts hat die Klägerin vorsätzlich gehandelt. Denn ihr war bewusst, dass sie den Schaden ersetzt bekommen kann, den sie angibt. Das gleiche gilt für das Leugnen von Vorschäden. Das hat sie auch nach der Nachbegutachtung durch den von der Beklagten zu 2.) beauftragten Sachverständigen vorgenommen.

Dabei ist zu vorliegend erheblich belastend zu berücksichtigen, dass die Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 1.) nach dem Unfall erst auf dessen Hinweis, dass nicht alle Schäden vom Vorfall herrühren könnten, zugab, dass Vorschäden vorhanden sind. Auch ist nach Ansicht des Gerichts in diesem Zusammenhang beachtlich, dass die Klägerin danach gegenüber der Beklagten zu 2.) im Rahmen der Schadensregulierung zweimal schriftlich angab, keine Vorschäden an ihrem Auto gehabt zu haben.

Sie trägt daher - insoweit nur hilfsweise - die Darlegungs- und Beweislast für das fehlende Verschulden.

Die Klägerin kann sich zudem nicht darauf berufen, als technischer Laie auf das Gutachten des von ihr beauftragten Sachverständigen ... vertraut zu haben. Die Mitteilung der Beklagten zu 2.), man habe am Fahrzeug der Klägerin Vorschäden entdeckt, hätte sie dazu veranlassen müssen, über ihr weiteres Vorgehen nachzudenken. Zumindest hätte sie dann nicht aufs Blaue hinein erklären dürfen, dass an ihrem Fahrzeug keine Vorschäden bestünden.

Weiterhin hat sie es unterlassen, den durch den Unfall erlittenen tatsächlichen Schaden zu konkretisieren. Sie trägt insofern die Beweislast.

Zwar hat der Sachverständige ... in dem gerichtlich eingeholten Gutachten vom 18.05.2012 ausgeführt, dass folgende Schäden als unfallrelevant einzuschätzen sein sollen: Untere Kratzspur an der Rückspiegelklappe und senkrechte Kratzspuren an der vorderen Tür. Er hat aber auch dargelegt, dass eine 100%ig genaue Endstellung der Fahrzeuge bei Kollision aufgrund fehlender Dokumentation nicht mehr nachgestellt werden kann. Beachtlich ist das deshalb, weil die Nachstellung nicht bei der Unfallörtlichkeit sondern auf dem Gelände eines Autohauses durchgeführt worden ist. Der Sachverständige führte dazu aus, dass aufgrund der Fahrbahnunebenheiten die Fahrzeuge ggf. nicht 100%ig waagerecht standen, sowie die Winkel der Fahrzeuge ebenfalls nicht 100%ig parallel, bzw. in einem anderen zu definierenden Winkel nachvollzogen werden können. Weiter hat der Sachverständige deshalb bei der Kompatibilitätsprüfung einen Toleranzbereich angesetzt. Er hat zudem ausgeführt, dass in der Regel ein Höhentoleranzbereich von +/- 2cm anzusetzen ist.

Damit ist nach Ansicht des Gerichts aber keine ausreichende Feststellung von kompatiblen Schäden gegeben. Zwar gab der Sachverständige ... in seinem Gutachten an, dass an der Rückspiegelkappe die untere Kratzspur als unfallrelevant einzustufen ist, ebenso wie die Kratzspuren auf der Tür vorn. Dagegen seien die Kratzer am Spiegel oberhalb der Wölbung sowie an der schwarzen Spiegelhalterung und die Delle im Konturensprung (Sicke) nicht mit der Tür des Beklagtenfahrzeuges herbeigeführt worden. Schließlich gab er zwar an, dass aufgrund der geometrischen Formen der Türen eine Berührung auch bei Änderung der Anstellwinkel ebenso unter Berücksichtigung des Beladungszustandes mit Einfederwegen von +- 2cm sowie unter Berücksichtigung der Fahrbahnhöhenunterschiede nicht möglich sei.

Selbst wenn das so wäre, dann hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Schadensersatz, weil dann kompatible Schaden nicht ersetzt verlangt werden können solange es möglich ist, dass diese Schäden bereits durch einen Vorschaden verursacht worden sind (vgl. OLG Hamburg Urteil vom 28.03.01, 14U87/00). Nach Ansicht des Gerichts ist das hier wegen den obigen Einschränkungen nicht ausgeschlossen.

Dem Geschädigten, der falsche Angaben zum Unfallereignis macht, und Schäden behauptet, die zum Teil nicht mit dem Unfallgeschehen kompatibel sind, steht kein Anspruch auf Schadensersatz zu, wenn, nach Ansicht des Gerichts hier, die Möglichkeit besteht, dass die von dem Sachverständigen ... als grundsätzlich kompatiblen Schäden ganz oder zumindest teilweise aus einem früheren Unfallgeschehen stammen, welches auch zur Entstehung der nach den Feststellungen des Sachverständigen zu den jedenfalls nicht kompatiblen Schäden geführt hat (vgl. auch OLG Frankfurt vom 06.11.2006, Az. 12 U 37/06, LG Fulda vom 03.12.2009 2 O 517/07, ähnlich auch OLG Köln vom 22.02.1999 Az. 16 U 33/98, alle zitiert nach Juris-Recherche). Es ist nach Ansicht des Gerichts also möglich, dass die kompatiblen Schäden auch von einem anderen Unfallgeschehen stammen, wenngleich der Sachverständige diese Schäden dem PKW des Beklagten - weil nur mit den von ihm genannten und oben aufgeführten Einschränkungen - zuordnen konnte. Er schränkte diese Bewertung am Schluß seines Gutachtens wiederholt ein, indem er angab, dass die Feststellungen - nur - unter Berücksichtigung der äußeren Bedingungen nachgestellt werden konnten. Auch hier ist nach Ansicht des Gerichts deshalb ein Vorschaden denkbar. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erläuterung war daher eine mündliche Anhörung des Sachverständigen, bzw. die Einholung eines ergänzenden Gutachtens nicht erforderlich.

Daher scheidet nach Ansicht des Gerichts auch eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO aus, weil das Gericht auch unter Berücksichtigung der gesamten mündlichen Verhandlung und der durchgeführten Beweisaufnahme letztlich nicht zwischen den kompatiblen und nicht kompatiblen Schäden überzeugt werden konnte.

Weitere entscheidungserhebliche Ansprüche wurden nicht erhoben, sind auch nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Klägerin hat als im Rechtsstreit Unterlegene die Kosten zu tragen.

Die Nebenentscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte