LG Magdeburg, Urteil vom 24.08.2010 - 11 O 1931/09 (454)
Fundstelle
openJur 2020, 25205
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 520.060,50 € nebst Zinsen i.H.v. 10 % jährlich seit dem 7. August 2007 auf einen Betrag von 264.284,26 € zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagte Forderungen aufgrund der Inanspruchnahme von Versicherungsschutz geltend.

Der Kläger ist ein nicht rechtsfähiger Zusammenschluss nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen. Er dient dem solidarischen Ausgleich von Aufwendungen seiner Mitglieder aus Haftpflicht-, Kraftfahrt- und Unfallschäden (Schadensausgleich). Der Schadensausgleich erfolgt getrennt nach Verrechnungsstellen über die jährliche Erhebung von Umlagen des Klägers gegenüber seinen Mitgliedern und gegenüber ausgeschiedenen Mitgliedern durch die Erhebung einer anteiligen Umlage für den Zeitraum der Zugehörigkeit zur jeweiligen Verrechnungsstelle.

Die Beklagte ist Trägerin des St. S Krankenhauses H. Das St. S Krankenhaus H wurde zunächst als Eigenbetrieb des Landkreises H geführt und der Landkreis nahm in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 3. April 2003 bei dem Kläger in der Verrechnungsstelle Heilwesen Versicherungsschutz in Anspruch.

Mit Wirkung zum 4. April 2003 wurde das St. S Krankenhaus vom Landkreis vollständig in die St. S Krankenhaus H gGmbH ausgegliedert. Der Landkreis H wurde alleiniger Gesellschafter. Die Ausgliederung wurde mit ihrer Eintragung in das Handelsregister zum 4. April 2003 wirksam. Im Zuge dieses Vorgehens wurde der Spaltungsvertrag vom 19. Dezember 2002 (Urkundsnummer 2100/2002 der Notarin P in H) gezeichnet nach dem das "gesamte Aktiv- und Passivvermögen des kommunalen Eigenbetriebes" auf die neu zu gründende GmbH übertragen wurde.

Der Deckungsschutz beim Kläger bestand für die St. S Krankenhaus H gGmbH mit Wirkung zum 4. April 2003 fort und wurde ab diesem Zeitpunkt erweitert um Deckungsschutz in den Verrechnungsstellen Allgemeine Haftpflicht, Kraftfahrthaftpflicht, Autokasko und Autoinsassenunfall.

Seit dem 3. Juni 2004 ist die St. S Krankenhaus H gGmbH Mitglied der A Gruppe, die 75 % der Geschäftsanteile des Landkreises H übernommen hat. Seit diesem Zeitpunkt firmiert die Gesellschaft unter A Klinikum St. SH GmbH.

Aufgrund der Beteiligung der A Gruppe wurde die Mitgliedschaft der Beklagten im Kläger mit Wirkung zum 31.12.2005 beendet wegen einer Unterschreitung der Kommunalquote von mindestens 50 %.

Die Beklagte nahm bis zu ihrem Ausscheiden zum 31. Dezember 2005 beim Kläger Versicherungsschutz in den Verrechnungsständen Heilwesen, Allgemeiner Haftpflichtdeckungsschutz, Kraftfahrthaftpflicht, Autokasko und Autoinsassenunfall in Anspruch.

Grundlage für die Zahlung der Mitglieder des Klägers als Gegenleistung für dessen Deckungsschutz ist § 9 der Satzung des Klägers in der Fassung vom 26.08.2003:

(1) Die Schadenbeträge, die Verwaltungskosten und die sonstigen Aufwendungen des KSA werden nach Abschluss des Geschäftsjahres auf die Mitglieder nach den für die Verrechnungsstellen geltenden Schlüsseln umgelegt. Für die Verrechnungsstellen wird getrennt Rechnung gelegt. Zur Deckung der voraussichtlichen Aufwendungen des Geschäftsjahres wird eine Vorschussumlage erhoben.

(2) Scheidet ein Mitglied aus dem Deckungsschutz einer Verrechnungsstelle ganz oder teilweise aus bzw. reduzieren sich seine Wagnisse, so bleibt es für die während der Beteiligung an dieser Verrechnungsstelle eingetretenen Schadenfälle und begründeten Verbindlichkeiten anteilig zur Umlage verpflichtet.

(3) Diese in Abs. 2 genannte Verpflichtung kann nach Maßgabe des Satzes 4 auch durch Einmalzahlung abgegolten werden. Die Höhe dieser Einmalzahlung errechnet sich auf der Grundlage der jährlich vom Verwaltungsrat festgesetzten Umlagequote für Einmalzahlungen. Die Umlagequote wird auf der Basis der zukünftigen Schadenaufwendungen entsprechend § 341 g Abs. 1,2 und 5 HGB und dem Verhältnis dieser zu den Schadenaufwendungen der Umlagequote des laufenden Geschäftsjahres ermittelt. Für die Verrechnungsstellen Haftpflicht-, Kraftfahrt- und Unfallschäden ist die Abgeltung durch eine Einmalzahlung, für die Verrechnungsstelle Heilwesenschäden die weitere anteilige Umlageverpflichtung der Regelfall.

(4) Die Mitglieder sind verpflichtet, die für die Berechnung der Umlagen erforderlichen Angaben vollständig und richtig zu machen.

(5) Die Umlagen sind innerhalb eines Monats nach Anforderung zu zahlen.

Erfolgt die Zahlung nicht innerhalb dieser Frist, werden Verzugszinsen in Höhe von 10 v.H. pro Jahr erhoben; im Übrigen finden die §§ 38 und 39 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG) Anwendung.²

(6) Die Ansprüche auf Entrichtung und Erstattung der Umlagen verjähren gemäß § 12 VVG in zwei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt unbeschadet der Meldepflicht gemäß Abs. 3 mit dem Schluss des Jahres, in welchem die Umlage erhoben wird.

Die Beklagte zahlte für die Geschäftsjahre 2003, 2004 und 2005 die als Gegenleistung für den Deckungsschutz aufzubringende Umlage. Aufgrund des Ausscheidens der Beklagten stellte der Kläger mit Schreiben vom 05.01.2007 der Beklagten eine Einmalzahlung i.H.v. 5.284,47 € mit einer Zahlungsfrist zum 02.02.2007 für die Verrechnungsstellen Allgemeiner Haftpflichtdeckungsschutz, Kraftfahrthaftpflicht, Autokasko und Autoinsassenunfall in Rechnung. Mit Schreiben vom 05.07.2007 wurde durch den Kläger außerdem eine anteilige Umlageforderung für das Geschäftsjahr 2006 i.H.v. 264.284,26 € aus der Verrechnungsstelle Heilwesen der Beklagten in Rechnung gestellt und eine Zahlungsfrist bis zum 6. August 2007 gesetzt. Zahlungen erfolgen zunächst nicht. Die Parteien stiegen in Verhandlungen ein. Mit Schreiben vom 17.12.2007 ließ die Beklagte durch ihren Rechtsanwalt erklären, "zur Erledigung" den Betrag i.H.v. 533.736,99 € zu zahlen in 12 gleichen Monatsraten beginnend zum 15.02.2008 jeweils in Höhe von 44.478,08 €. Hierbei berücksichtigte die Beklagte sowohl die Umlageforderung für 2006, als auch die Umlageforderung für 2007 in Höhe von 255.776,24 € und die Einmalzahlung.

Nach Rücksendung der unterschriebenen Ratenzahlungsvereinbarung durch den Kläger mit Schreiben vom 10.03.2008 erfolgte keine Gegenzeichnung durch die Beklagte. Eine Zahlung der Beträge durch die Beklagte ist nicht vorgenommen worden.

Sofern bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung die Korrektheit der Berechnung der Umlageforderungen durch die Beklagte bestritten war, wurde diese mit Schriftsatz vom 06.07.2010 unstreitig gestellt.

Der Kläger ist der Auffassung, einen Anspruch auf Zahlung der Umlageforderungen für 2006 und 2007 aufgrund § 9 Abs. 2 Satzung sowie auf Zahlung der Einmalzahlung aufgrund von § 9 Abs. 3 Satzung zu haben.

Die Haftung des Beklagten für Ansprüche vor dem 04.04.2003 ergebe sich aus §§ 168 ff. i.V.m. §§ 123 - 137 UmwG. Es habe sich um eine Vollausgliederung gehandelt nach dem Willen des Ausgliedernden.

Die Satzung verstoße insbesondere nicht gegen § 305 ff BGB, da in der Satzung keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu sehen seien. Insbesondere habe über die Satzungsänderung die Beklagte mit entschieden, da eine Satzungsänderung in der Mitgliederversammlung nach Beitritt der Beklagten am 26.08.2003 durch Abstimmung angenommen worden sei, wonach in der Verrechnungsstelle Heilwesen die anteilige Umlage und nicht wie zuvor die Einmalzahlung den Regelfall darstellen sollte.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 269.568,73 € nebst Zinsen i.H.v. 10 % jährlich seit dem 3. Februar 2007 aus einem Betrag von 5.284,47 € und seit dem 7. August 2007 aus einem Betrag von 264.284,26 € zu zahlen.

2. die Beklagte des Weiteren zu verurteilen, an den Kläger 255.776,24 € zu zahlen.

3. die Beklagte zu verurteilen, die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Klägers i.H.v. 3.251,67 € incl. 19 % Mehrwertsteuer zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, § 9 Abs. 2 der Satzung sei unwirksam, da er die Beklagte gem. § 307 BGB unangemessen benachteilige. Für den Vertragspartner sei nicht ersichtlich, in welcher Höhe die zukünftige Belastung ausfallen werde.

§ 9 Abs. 3 der Satzung verstoße gegen das Transparentsgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.

Das Schreiben des Rechtsanwalts der Beklagten vom 17.12.2007 beinhalte kein Anerkenntnis.

Hinsichtlich der Höhe der Umlageforderungen dürfe der Kläger Ansprüche nicht aus den Jahren 2002 - 2003 geltend machen. Diesbezüglich sei der Landkreis H der richtige Anspruchsgegner. Die Positionen seien kein der Ausgliederung zugänglicher Posten gewesen. Dafür spreche auch, dass der Landkreis H beim Kläger seine Mitgliedsnummer behalten habe.

Die Beklagte beruft sich außerdem auf die Einrede der Verjährung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2010.

Gründe

Die Klage ist zulässig und in weitem Umfang begründet.

1.

Dem Kläger steht aus seiner Satzung ein Anspruch auf Zahlung der Umlageforderungen für die Jahre 2006 i.H.v. 264.284,26 € und 2007 i.H.v. 255.776,24 € gegen die Beklagte zu. Der Anspruch beruht auf § 9 Abs. 2 der Satzung des Klägers in der Fassung vom 26.08.2003. § 9 Abs. 2 der Satzung verstößt nicht gegen § 305 ff. BGB. Insbesondere stellt die Regelung, wonach ausgeschiedene Mitglieder anteilig zur Umlage verpflichtet bleiben für die während ihrer Beteiligung an der jeweiligen Verrechnungsstelle eingetretenen Schadensfälle und begründeten Verbindlichkeiten keine unangemessene Benachteiligung des ausgeschiedenen Mitglieds dar. Die Nachhaftung eines ausgeschiedenen Mitglieds eines kommunalen Schadensausgleichs für während der Mitgliedschaft eingetretene Schadensfälle und begründete Verbindlichkeiten ist im Grundsatz rechtlich nicht zu beanstanden. Freiwillige Selbsthilfeeinrichtungen bilden keinerlei Rücklagen und sind daher auf einen Ausgleich unter ihren Mitgliedern angewiesen. Die Teilnahme an einem solchen Umlageverfahren hat für die Mitglieder den Vorteil, dass während der Zeit der Mitgliedschaft keine Rücklagen für zukünftige Schadensaufwendungen gebildet werden, diese durch ihre Beiträge aufbringen müssen. Aufgrund des dem Selbstversicherungsgedanken immanenten Solidaritätsprinzips ist jedoch zugleich die Mitgliedschaft mit der Verpflichtung verbunden, diese Aufwendungen und Anteile zu übernehmen, sobald die zugrundeliegenden Forderungen an dem kommunalen Schadensausgleich herangetragen und damit fällig werden. Die Teilnahme an dem von einem KSA praktizierten Umlageverfahren führt damit dazu, dass die Mitgliedschaft mit einer zukünftigen Ausgleichsverpflichtung belastet wird, die auch im Fall des Austritts fortbesteht. Dem entspricht die in § 9 Abs. 2 Satzung geregelte Nachhaftung, von der im Grundsatz auch § 25 VAG ausgeht. Sofern § 9 Abs. 2 Satzung keine zeitliche Obergrenze enthält, ist dies angesichts der Beschränkung auf Schadensfälle, die aus der Zeit der Mitgliedschaft herrühren, hinzunehmen (vgl. hierzu OLG Dresden, 4. Zivilsenat vom 19.02.2009, 4 U 1721/08). Eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten entspringt aus der Anwendung der Regelung § 9 Abs. 2 Satzung nicht.

Der Anspruch des Klägers ist auch nicht verjährt. Gem. § 9 Abs. 6 S. 1 Satzung verjähren Ansprüche auf Entrichtung und Erstattung der Umlagen mit Verweis auf § 12 VVG a.F. in zwei Jahren, wobei die Verjährung mit dem Schluss des Jahres, in welchem die Leistung verlangt werden kann, beginnt. Die Ansprüche für das Umlagejahr 2006 wären danach mit Ablauf des Jahres 2008 verjährt, die Ansprüche für das Umlagejahr 2007 mit Ablauf des Jahres 2009. Der Kläger hat die Umlageforderung 2006 sowie die Einmalzahlung mit Klageschriftsatz vom 26.10.2009 die Umlageforderung für 2007 mit Schriftsatz vom 22.12.2009 im Klagewege geltend gemacht fort. Mit Erhebung der Klage wird gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährung gehemmt. Die Klage ist mit Zustellung an den Beklagten erhoben. Gem. § 167 ZPO treten die Wirkungen der Zustellung, insbesondere hinsichtlich der Verjährung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Damit sind die Ansprüche aus 2007 definitiv nicht verjährt.

Etwas anderes gilt aber auch nicht für die Ansprüche aus 2006. Wäre die reguläre Verjährung bereits Ende 2008, also vor Klagerhebung, eingetreten, ist in diesem Zusammenhang das Schreiben vom 17.12.2007, welches der damalige Rechtsanwalt der Beklagten an den Kläger übersandte, zu berücksichtigen. Nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 beginnt die Verjährung erneut, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch beispielsweise anerkannt hat. Die Annahme eines Anerkenntnisse i.S.v. § 212 unterliegt dabei nicht denselben strengen Voraussetzungen wie ein Anerkenntnis nach § 781 BGB. Die Annahme eines die Verjährung unterbrechenden Anerkenntnisses erfordert keine rechtsgeschäftliche Willenerklärung. Vielmehr ist dieses Verhalten dem Gläubiger gegenüber ausreichend, aus dem sich das Bewusstsein des Verpflichteten von dem Bestehen des Anspruchs unzweideutig ergibt, so dass der Gläubiger darauf vertrauen darf, dass der Schuldner sich nicht auf den Ablauf der Verjährung berufen werden (vgl. BGH Versicherungsrecht 1967, 1098; BAG vom 08.06.1983, Aktenzeichen: 5 AZR 632/80). Mit Schreiben vom 17.12.2007 ließ die Beklagte erklären, dass sie "zur Erledigung" bereit sei, 533.736,99 € zu zahlen in 12 monatlichen Raten. Dieses Schreiben durfte beim Kläger den Eindruck erwecken, dass die beklagte sich des Bestehens des Anspruchs gegen sie bewusst war und dass er sich nicht der Gefahr der Verjährung ausgesetzt sah. Unter Berücksichtigung dessen ist von einem Anerkenntnis der Beklagten i.S.v. § 212 Abs. 1 Satz 1 BGB auszugehen, welches die zweijährige Verjährungsfrist erneut hat beginnen lassen. Die Verjährung der Ansprüche aus 2006 kann damit frühestens im Dezember 2009 eingetreten sein, mithin nach Klageerhebung.

Hinsichtlich der Höhe der Ansprüche greift die Beklagte mit ihren Bedenken nicht durch. Die Beklagte macht geltend, dass Forderungen, soweit sie aus der Zeit zwischen 1992 und 2003 zurückreichen, nicht gegen sie geltend gemacht werden könnten, da sie selber noch nicht Mitglied beim Kläger gewesen sei. Richtiger Ansprechpartner sei insofern der Landkreis H. Mit diesem Argument hat die Beklagte keinen Erfolg. Mit der Umwandlung des zunächst als Eigenbetrieb des Landkreises H in die St. S Krankenhaus H gGmbH im April 2003 sind gem. §§ 168 f. i.V.m. §§ 123 - 137 UmwG die Verpflichtungen des Landkreises auf die gGmbH als Rechtsnachfolgerin übergegangen. Sofern die Beklagte vorträgt, eine Ausgliederung der Umlageverpflichtung habe bei der Ausgliederung nicht vorgenommen werden können, da diese noch nicht bestanden habe, ist dem nicht zu folgen. Unstreitig wurde nach dem Wortlaut "sämtliche Aktiva und Passiva" des kommunalen Eigenbetriebes übertragen. Selbst wenn zum damaligen Zeitpunkt Forderungen mangels Entstehung noch nicht bilanzierungsfähig gewesen sind, ist die aus der Mitgliedschaft in der in dem Kläger erwachsene Grundverpflichtung auf die St. S Krankenhaus H gGmbH übertragen worden. Sofern die Beklagte 2003 eine neue Mitgliedsnummer, nämlich eine andere als der Landkreis H, der seine ursprüngliche behalten hat, erhalten hat, rechtfertigt dies eine andere Beurteilung nicht. Der Landkreis H ist aus dem Kläger nicht vollständig ausgetreten. Nach Umwandlung der Rechtsvorgängerin der Beklagten war es also nur natürlich, dass einer von Beiden die alte Nummer behalten und der Andere eine neue Nummer bekommen musste. An der Rechtsnatur des Landkreises H hat sich durch die Umwandlung damals nichts geändert, so dass es nahe lag, diesem die alte Mitgliedsnummer zu erhalten.

Die vollständige Übertragung auch der Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft bei dem Kläger war, was vorliegend entscheidend ist, der Wille des Landkreises als er die Ausgliederung vorgenommen hat. Dies spiegelt sich im Schreiben des Landkreises vom 21.07.2007 (Anlage K6). Allein auf dessen Willen zum Zeitpunkt der Ausgliederung nach Umwandlungsgesetz ist vorliegend abzustellen. Nicht nur war der Landkreis H übertragender Rechtsträger, er war ebenfalls 2003 alleiniger Gesellschafter der Beklagten. Tatsächlich erachtet das Gericht eine andere Konstruktion auch als abwegig. Nach wie vor sollte für Schadensfälle auch aus den zurückliegenden Jahren der Kläger einstehen. Dass die St. S Krankenhaus H gGmbH in den Genuss dieses Vorteils (Schadensausgleich) dies jedoch auf Kosten des Landkreises kommen sollte, überzeugt nicht. Hierfür hätte es einer ausdrücklichen Regelung bedurft.

Für 2006 und 2007 besteht daher ein Anspruch auf Zahlung von 520.060,50 € des Klägers gegen die Beklagte.

2.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Einmalzahlung i.H. v. 5.284,47 € aus § 9 Abs. 3 Satzung. Diese verstößt gegen das Transparentsgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und ist damit unwirksam. Soweit der Kläger bestreitet, dass es sich bei § 9 Abs. 3 Satzung um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, ist dem nicht zu folgen. Zwar liegen begrifflich dann keine AGB vor, wenn z.B. in einer Satzung die Benutzung von Unternehmen der öffentlichen Hand oder Privatunternehmen geregelt werden. Uneingeschränkt anwendbar sind §§ 305 ff. dagegen auf Allgemeine Geschäftsbedingungen von öffentlich-rechtlichen Versicherern (vgl. Palandt 69. Auflage, § 305 Randnummer 2). Vorliegend ist die Satzung des Klägers ihrer Natur und ihrem Inhalt nach den AGBs eines öffentlich-rechtlichen Versicherers gleichzusetzen. Die Satzungsbestimmungen des Klägers ständen im Verhältnis zu seinen Mitgliedern nicht lediglich das allgemeine Statut für die Vereinsmitgliedschaft dar, sondern enthalten zugleich Allgemeine Versicherungsbedingungen, weil sie in Verbindung mit den Verrechnungsgrundsätzen die Voraussetzungen für den Umfang des Versicherungsschutzes sowie die hierfür zu zahlenden Umlagen festlegen. Die Beziehungen zwischen einem Schadensausgleich und seinen Mitgliedern sind im Wesen nach echte Versicherungsvertragsverhältnisse (BGH Versicherungsrecht 1968, 138).

Soweit der Kläger der Auffassung ist, einer Anwendbarkeit der §§ 305 ff. stehe entgegen, dass die Beklagte als Mitglied des Klägers im Wege der Abstimmung bei der Entstehung der Satzung mitgewirkt habe, macht dies, entgegen der Auffassung des Klägers die Beklagte nicht selber zum Verwender der Satzung. Die Beklagte ist, wie alle anderen Mitglieder, die gegebenenfalls bei dieser Abstimmung noch gar nicht Mitglieder waren, schutzwürdig. Zum einen ist dabei zu berücksichtigen, dass von den Mitgliedern eines Zusammenschlusses in der Regel allein nach Praktikabilität und aus praktischen Gesichtspunkten über Satzungsklauseln abgestimmt wird. Die entsprechende juristische Kenntnis ist nicht zwingende Voraussetzung und mit Sicherheit auch im Regelfall nicht hinreichend vorhanden. Vielmehr dürfte es dem Verein oder sonstigem Zusammenschluss obliegen, die Mitglieder vor einem Entscheidungsvorschlag in jeder Weise zu informieren und auch die Beschlussvorlagen hinreichend zu prüfen und aufzubereiten. Nicht unbeachtet bleiben kann zudem die theoretische Möglichkeit, dass ein Mitglied an der Abstimmung verhindert ist oder überstimmt wird. Demgegenüber besteht kein Zweifel daran, dass der Kläger "Verwender" ist. Die Satzung gilt für alle alten und neu hinzutretenden Mitglieder.

§ 9 Abs. 3 Satzung verstößt weiter auch gegen das Transparenzgebot, da die maßgeblichen Berechnungsgrundsätze für die bei Ausscheiden fällig werdende Einmalzahlung nicht hinreichend deutlich enthalten sind und somit für das austrittswillige Unternehmen unklar bleibt, welche Belastungen bei Beendigung der Mitgliedschaft durch eine solche Zahlung abzugelten sind. Der Satzungsbestimmung lässt sich lediglich entnehmen, dass Ausgangspunkt für die Berechnung des Betrages die "Umlagequote für Einmalzahlungen" sein soll (§ 9 Abs. 3 S. 2 Satzung), die vom Verwaltungsrat auf der Basis der "zukünftigen Schadensaufwendungen" festgesetzt wird. Offen bleibt der genaue Berechnungsmodus der Umlagequote sowie in welchem Verhältnis die Umlagequote für das laufende Geschäftsjahr zu den aktuellen und zukünftigen Schadensquoten ins Verhältnis gesetzt werden muss (vgl. OLG Dresden a.a.O.).

Die Intransparenz der Regelung zur Ermittlung der "Umlagequote Einmalzahlung" ergibt sich aber auch daraus, dass der Satzung nicht entnommen werden kann, nach welchem Verfahren die "zukünftigen Schadensaufwendungen", welche als Basis für diese Umlagequote herangezogen werden sollen, prognostiziert werden. Sofern nach der Satzung auf § 341g Abs. 1, 2 und 5 HGB Bezug genommen wird, der entsprechend heranzuziehen sein soll, ergibt sich hieraus auch keine weiterführende Klarheit. Nicht deutlich wird, in welcher Form und in welchem Umfang die entsprechende Anwendung gewollt ist (vgl. auch hierzu OLG Dresden a.a.O.).

Der Auffassung des Klägers, dass an dieser Stelle im Falle dass tatsächlich ein Verstoß gegen § 305 ff BGB durch da Gericht festgestellt wird, eine ergänzende Vertragsauslegung durch dieses vorzunehmen ist, ist nicht zu folgen. Zum einen besteht grundsätzlich ein Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Ist eine Vertragsbestimmung nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, treten an ihre Stelle die gesetzlichen Vorschriften (§ 306 Abs. 2 BGB). Fehlen geeignete Vorschriften und führt die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel zu einem Ergebnis, dass den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des Kunden verschiebt, ist die entstandene Lücke durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. An die Stelle der unwirksamen Klausel tritt dann die Regelung, die die Parteien bei sachgerechter Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen gewählt hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Geschäftsbedingungen bekannt gewesen wäre (vgl. BGHZ 176, 244, 255; 137, 153, 157; 120, 108, 122; 117, 92, 98 f.; BGH, Urteil vom 9. Juli 2008, VIII ZR 181/07, NJW 2008, 2840, 2841 f.). Vorliegend bleibt jedoch für derartige Erwägungen kein Raum. Betrachtet man § 9 ohne Absatz 3, bleibt noch immer die grundsätzliche und wie oben bereits erwähnt, nach Auffassung des Gerichts beanstandungsfreie Regelung des § 9 Abs. 2. Danach ist die Beklagte auch für die weiteren Verrechnungsstellen statt zur Einmalzahlung zur Umlage verpflichtet. Ein Umlageanspruch wurde durch den Kläger in diesem Verfahren nicht geltend gemacht.

3.

Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 288, 286 BGB i.V.m. § 9 Abs. 5 Satzung, wonach Umlageforderungen innerhalb eines Monats nach Anforderung zu zahlen sind und bei Nichtzahlung innerhalb der Frist Verzugszinsen i.H.v. 10 % pro Jahr erhoben werden. Zu berücksichtigen ist, dass Zinsen für die Umlageforderung 2007 nicht beantragt wurden.

4.

Ein Anspruch auf Zahlung der vorprozessual entstandenen Rechtsanwaltskosten des Klägers ergibt sich nicht. Dahingestellt, ob die Rechtsanwaltsbeauftragung durch den Kläger eine Haftung des Beklagten hier begründen könnte, entsteht ein Geldersatzanspruch überhaupt erst nach Bezahlung der Kosten (Palandt, 69. Auflage, § 250 Randnummer 2). Es ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger Kosten aus der Rechtsanwaltbeauftragung bereits als Schaden durch Zahlung entstanden sind. Voraussetzung wäre zusätzlich eine außergerichtliche Beauftragung und Tätigkeit des Rechtsanwaltes. Dazu sind keine hinreichenden Tatsachen ersichtlich.

Die Entscheidung hinsichtlich der Kosten beruht auf § 92 Abs. 2 S. 1 ZPO. Hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht die Entscheidung auf § 709 ZPO.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 525.344,97 € festgesetzt.

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