OLG Naumburg, Beschluss vom 20.01.2010 - 4 UF 90/09
Fundstelle
openJur 2020, 24823
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Wernigerode vom 06. August 2009, Az.: 11 F 155/08 (S), hinsichtlich der Regelung zum Versorgungsausgleich in Ziffer 3 der Entscheidungsformel wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

3. Der Antragsgegnerin wird für die Rechtsverteidigung in der Beschwerdeinstanz ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin W. zu ihrer Vertretung bewilligt.

4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Antragsteller nach einem Wert von 1.000,-- € zur Last.

Gründe

I.

Durch Urteil vom 06. August 2009 (Bl. 101 - 104 d. A.) hat das Amtsgericht Wernigerode die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich wegen grober Unbilligkeit gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB a. F. ausgeschlossen. Zur Begründung heißt es in dem Urteil, dass die Antragsgegnerin höhere Anwartschaften als der Antragsteller während der Ehezeit erworben habe und sie ihm gegenüber daher an sich ausgleichspflichtig wäre, und zwar in Höhe von ca. 200,-- €. Eine Durchführung des Versorgungsausgleichs wäre jedoch grob unbillig, da die Antragsgegnerin bereits seit dem Jahr 1992 lediglich ein Einkommen auf Grund ihrer Erwerbsunfähigkeitsrente erzielt habe, sodass sie auch keine Anwartschaften mehr erwirtschaften könne. Bei Durchführung des Versorgungsausgleichs würde die ohnehin schon bescheidene wirtschaftliche Situation der Antragsgegnerin noch verschlechtert werden. Der Antragsteller als Selbstständiger wäre bei verantwortungsvollem Handeln gehalten gewesen, privat vorzusorgen, was er bis auf die bescheidene Lebensversicherung bei der H. Versicherung unterlassen habe, und ausgerechnet diese Rentenanwartschaft habe er dann auch noch dem Versorgungsausgleich durch seine Kündigung entzogen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich das Rechtsmittel des Ehemannes, der meint, der Versorgungsausgleich sei ohne jegliche Abstriche durchzuführen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig (1), allerdings nicht begründet (2).

1. Die gemäß § 621 e Abs. 1 ZPO a. F. in Verb. mit den §§ 629 a Abs. 2 Satz 1, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO a. F. in Verb. mit Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-Reformgesetz statthafte befristete Beschwerde des Ehemannes, als welche bei zweckentsprechender Auslegung analog § 133 BGB die von ihm eingelegte Berufung zu gelten hat, ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

2. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs zu Recht als erfüllt angesehen.

Ein Versorgungsausgleich fand gemäß der hier noch anzuwenden Regelung des § 1587 c Nr. 1 BGB a. F. nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse der Ehegatten grob unbillig wäre. Davon ist nach Lage der Dinge im vorliegenden Verfahren ebenso auszugehen wie davon, dass der Antragsteller in Erwartung der Scheidung ihm zustehende und an sich auch auszugleichende Versorgungsanrechte bewusst hat entfallen lassen, weshalb auch ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 1587 c Nr. 2 BGB a. F. zu bejahen ist.

Die für die Beurteilung der Rechtslage verfassungsrechtlich bedeutsamen Fragen, namentlich zur gemeinsamen Berechtigung der Eheleute auch nach Trennung und Scheidung an dem während der Ehe erworbenen Vermögen (vgl. BVerfGE 53, 257, 293 ff.) wie auch zur Anwendung der Härtefallklausel des § 1587 c BGB a. F. zur Vermeidung verfassungswidriger Ergebnisse des Versorgungsausgleichs (vgl. BVerfGE 66, 324, 330), sind höchstrichterlich geklärt.

Art. 6 Abs. 1 in Verb. mit Art. 3 Abs. 2 GG schützt die Ehe als eine Lebensgemeinschaft gleichberechtigter Partner (vgl. BVerfGE 10, 59, 66 f.; 35, 382, 408). Die Ehegatten können ihre persönliche und wirtschaftliche Lebensführung in gemeinsamer Verantwortung bestimmen und insbesondere selbstverständlich darüber entscheiden, wie sie untereinander die Familien- und Erwerbsarbeit aufteilen wollen (vgl. BVerfGE 57, 361, 390; 61, 319, 347; 66, 84, 94; 68, 256, 268). Dabei sind die jeweiligen Leistungen, welche die Ehegatten im Rahmen ihrer innerfamiliären Arbeitsteilung erbringen, als grundsätzlich gleichwertig anzusehen. Aus Art. 6 Abs. 1 in Verb. mit Art. 3 Abs. 2 GG folgt in diesem Zusammenhang, dass beide Ehegatten gleichermaßen an dem in der Ehe erworbenen Vermögen berechtigt sind (vgl. BVerfGE 53, 257, 296). Deshalb dürfen die während der Ehe nach Maßgabe der von den Ehegatten vereinbarten Arbeitsteilung erwirtschafteten Versorgungsanrechte nach der Scheidung gleichmäßig auf beide Partner verteilt werden. Der Versorgungsausgleich dient ebenso wie der Zugewinnausgleich der Aufteilung des gemeinsam von den Ehegatten erwirtschafteten Vermögens, welches nur wegen der in der Ehe gewählten Aufgabenverteilung einem der Ehegatten rechtlich zugeordnet war (vgl. BGH , NJW 1990, 2746). Dabei korrespondiert mit der Rechtfertigung des Eingriffs in die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtspositionen des ausgleichsverpflichteten Ehegatten durch Art. 6 Abs. 1 in Verb. mit Art. 3 Abs. 2 GG ein verfassungsrechtlicher Anspruch aus eben diesen Grundrechten auf gleiche Teilhabe an dem in der Ehe erworbenen Vermögen (vgl. BVerfG , Beschluss vom 05. Februar 2002, 1 BvR 105/95, zitiert nach juris ).

In diesem Zusammenhang hat die Härtefallklausel des § 1587 c Nr. 1 BGB a. F. die Funktion eines Gerechtigkeitskorrektivs. Sie soll als Ausnahmeregelung eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Entscheidung in solchen Fällen ermöglichen, in denen die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs gleichsam zur Prämierung einer groben Verletzung der aus der ehelichen Gemeinschaft folgenden Pflichten führen (vgl. BVerfGE 53, 257, 298) oder gegen die tragenden Prinzipien des Versorgungsausgleichs verstoßen würde (vgl. BVerfGE 66, 324, 331). Bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der groben Unbilligkeit in § 1587 c Nr. 1 BGB a. F. ist daher zu beachten, dass es gerade Zweck dieser Vorschrift ist bzw. war, solche mit der Durchführung des Versorgungsausgleichs verbundenen Eingriffe in die durch Art. 14 Abs. 1 GG bzw. Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Rechte des Ausgleichsverpflichteten zu vermeiden, die nicht mehr durch Art. 6 Abs. 1 in Verb. mit Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt sind. Die Vorschrift kann daher nicht dazu herhalten, jegliches eheliches Fehlverhalten durch einen Ausschluss oder eine Beschränkung des Versorgungsausgleichs zu sanktionieren. Ihre Auslegung hat sich vielmehr an der gesetzgeberischen Zielsetzung des Versorgungsausgleichs insgesamt zu orientieren. Soll die Norm die gleichberechtigte Teilhabe der Eheleute an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen verwirklichen und den Ehegatten, der insbesondere wegen der Aufteilung der Erwerbs- und Familienarbeit in der Familie keine eigenen Versorgungsanwartschaften hat aufbauen können, eine eigene Versorgung verschaffen, muss sich das Vorliegen einer groben Unbilligkeit, wie auch der Wortlaut des § 1587 c Nr. 1 BGB a. F. verdeutlicht, aus den beiderseitigen Verhältnissen der Eheleute ergeben. Es bedarf daher einer Würdigung aller Umstände, welche die Verhältnisse der Eheleute in Ansehung des Versorgungsausgleichs prägen.

Im vorliegenden Fall war zuvörderst zu beachten, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs zu einem wirtschaftlichen Ungleichgewicht geführt hätte. Denn mit Rücksicht auf den Zweck des Versorgungsausgleichs sind insbesondere die objektiven Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage der Ehegatten zu berücksichtigen. Für die Annahme einer groben Unbilligkeit ist erforderlich, dass der Versorgungsausgleich nicht zu einer ausgewogenen sozialen Sicherheit beider Ehegatten beiträgt, sondern im Gegenteil zu einem erheblich wirtschaftlichen Ungleichgewicht zulasten des Ausgleichspflichtigen führt. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verpflichtete den Verlust seiner Anwartschaften nicht mehr ausgleichen kann ( Brudermüller, in: Palandt, 68. Aufl., 2009, § 1587 c Rdnr. 21).

Die Antragsgegnerin erhält seit dem Jahr 1992 eine Erwerbsunfähigkeitsrente von derzeit 665,89 € monatlich. Bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs würden ca. 200,-- € erworbene Anwartschaften durch die Antragsgegnerin auf das Rentenversicherungskonto des Antragstellers übertragen werden, was - wie das Amtsgericht zu Recht ausgeführt hat - ihre wirtschaftliche Situation noch verschlechtern würde, zumal ihr auf Grund der mangelnden Leistungsfähigkeit des Antragstellers auch kein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ihm gegenüber zusteht.

Außerdem ist bei der Gesamtabwägung zu berücksichtigen, dass der Antragsteller in der Zeit von Januar 1996 bis August 2006 keine Rentenversicherungsbeiträge eingezahlt hat, was als grob leichtfertig im Hinblick auf die familiäre Altersvorsorge zu bewerten ist, vor allen Dingen deshalb, weil die Antragsgegnerin bereits seit 1992 keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen konnte.

Ferner ist in besonderer und auch eigenständiger Weise zu berücksichtigen, dass der Antragsteller die Höhe seiner Anwartschaften zudem dadurch geschmälert hat, dass er seine private Rentenversicherung bei der H.  zum Oktober 2006 beitragsfrei zunächst stehen ließ und dann zum 01. September 2008 gekündigt hat, sodass sie nicht mehr in den Versorgungsausgleich einfließen konnte. Damit ist zugleich, unabhängig von den Voraussetzungen des § 1587 c Nr. 1 BGB a. F., aber erst recht bei Einbeziehung auch dieses Verhaltens in jenen Tatbestand, der einen Versorgungsausgleich ausschließende Tatbestand des § 1587 c Nr. 2 BGB a. F. ebenfalls als erfüllt anzusehen.

Schließlich kann auch nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der 57-jährige Antragsteller seine Rentenanwartschaften durch eine Arbeitstätigkeit weiterhin aufstocken kann, die seit dem Jahr 1992 erwerbsunfähige Antragsgegnerin jedoch nicht.

Alles in allem rechtfertigen mithin die konkreten Umstände des Einzelfalles, den Versorgungsausgleich auszuschließen.

III.

Dem Antragsteller konnte mangels hinreichender Erfolgsaussicht seines Rechtsmittels, deren es insoweit gemäß § 114 Satz 1 ZPO bedurft hätte, keine Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt werden.

Der Antragsgegnerin war hingegen für die Rechtsverteidigung gegen die Beschwerde Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten zu gewähren, wie sich den §§ 114, 115, 119 Abs. 1 Satz 2, 121 Abs. 2 ZPO entnehmen lässt.

IV.

Die Kostenentscheidung entspricht § 97 Abs. 1 ZPO, die Wertfestsetzung der Regelung des § 49 Nr. 1 GKG a. F. in Verb. mit Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-Reformgesetz.

Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 621 e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO a. F. fehlt es an den gesetzlich umrissenen Voraussetzungen.